Montag, 8. April 1938(80 Pfg.) M-rgenblatt '79^Iahrga«g Ur. 181 Imeimalige Ausgabe
BEZUGSPREIS
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(Frankfurter Handelsieitnng) | UNb HaUbklsbltttt (üene Frankfurter Zeitung) OJ
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Die Mahlen in Danzig.
(Drahtmeldung unseres Sonderberichterstatters.)
Porläustges Ergebnis
nm 0.30 Uhr.
Gegen 24 Uhr nachts lag folgendes vorläufiges Endergebnis der Volkstagswahl vor (die Zahlen in Klammern
bedeuten die Ergebnisse bei der letzten Volkstagswahl vom 28. Mai 1933):
NSDAP ....... 168 272
SPD ........ 39 779
Zentrum ....... 32 966
Kommunisten...... 8 168
Liste Weise (früher Deutschnat.) 10 671
Liste Pietsch ...... 410
Polen........ 8 757
(109 029) (37 882) (31 336) (14 566) (13 596)
(-) (6 743)
Nach einer amtlichen Mitteilung liegen bis zu später Abendstunde die Ergebnisse aus 419 von 447 Wahlbezirken des gesamten Freistaates vor. Nach diesen bisherigen Ergebnissen sind int Durchschnitt auf die NSDAP etwas über 60 Prozent der Stimmen entfallen. In der Stadt Danzig allein ist das Durchschnittsergebnis in den einzelnen Wahlbezirken mit etwa 50 bis 55 Prozent etwas ungünstiger als im Landbezirk. Das endgültige Wahlergebnis wird im Laufe des Montagvormittags von der Regierung bekanntgegeben werden.
*
Danzig, 7. April. (DNB.) Um 21.30 Uhr liegen als erstes Gesamtergebnis die Resultate des Wahlkreises Danziger Werder vor. (In Klammern die Ergebnisse vom 28. Mai 1933): Nationalsozialisten 21 016 (15194), Sozialdemokraten 1635 (3303), Zentrum 2022 (2783), Kommunisten 711 (1502), Liste Weise 413 (582), Liste Pietsch 57 (-), Polen 271 (171). Nach dieser Ausstellung hat die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei 80.5 v. H. der abgegebenen Stimmen erhalten.
Danzig, 7. April. (DNB.) Um 21.40 Uhr liegen die Ergebnisse aus allen 61 Bezirken des Wahlkreises Danziger Niederung vor: (in Klammern die Ergebnisse vom 28. Mai 1933): NSDAP 12918 (11277), Sozialdemokraten 1561 (2899), Zentrum 384 (787), Kommunisten 475 (1500), Liste Weise 421 (752), Liste Pietsch 39 (-), Polen 28 (69). Danach hat die NSDAP in diesem Landwahlkreis 81,62 v. H. der abgegebenen Stimmen erhalten.
Dr. gtenMjtttng im Anslanb.
• Danzig, 7. April. Nach einer Meldung des Deutschen Nachrichtenbüros, der eine Nachricht des „Danziger Borpasten" zugrunde
liegt, hat der frühere Senatspräsident Rauschning in der vergangenen Nacht Danzig verlassen. Er ist in seiner Wohnung nicht mehr aufzufinden und soll sich im Auslande besinden. Rauschning war pom Frühjahr 1933 bis November 1934 Senatspräsiocut. Er ist nach seinem Rücktritt wegen schwerer Vertrauensbrüche aus der . Nationalsozialistischen Partei ausgeschlossen worden und hat noch am Samstag morgen in der sozialdemokratischen Zeitung Danzigs einen offenen Brief an den Gauleiter Forster gerichtet, der nach der Auffassung der politischen Kreise in Danzig den vollendeten Tatbestand des Landesverrats erfüllt.
Jas Kilh des Tages.
Qu Danzig, 7. April. Am heutigen Wahltag war die Stadt ständig von Leben erfüllt. Schon recht früh am Morgen zogen Gruppen von Danzigern aus dem Reiche und dem Ausland, die zur Wahl in ihre Heimatstadt gekommen waren, durch die Strassen, voran das Wappen der Stadt, aus der sie kamen, oder die Fahne ihres Vereins. Auch während der Nacht waren die Strassen belebt. Die Rede des Reich-Ministers Goebbels hielt die Menschen noch lange wach. Stundenlang noch stand die Menge vor dem Hotel, um den Minister sehen zu können. Und bis spät in die Nacht sah man Gruppen auf den Strassen, die lebhaft die Rede besprachen. Ein einzigartiges Bild in der sonst so ausgeglichenen Stadt.
Den ganzen Sonntag über zogen Sprechchöre von Haus zu Haus und riefen den Wählern zu, ihre Pflicht zu tun. In den Hinterhöfen der Arbeiterviertel waren sie ebenso zu finden wie in den Hauptstraßen der Stadt, die heute einen Verkehr aufweisen wie seit Jahren nicht. Danzig hat selten so viel Fremde gesehen. Nicht nur Wähler sind gekommen, auch Besucher a^s dem Reich und aus dem Ausland, aus Dänemark, aus Schweden und den baltischen Randstaaten. Und besonders viele Deutsche aus Polen.
Eigenartig ist der Gegensatz zwischen dem lebhaften Getriebe auf den Straßen und dem Ernst der Wahllokale. Die Plakatträger stehen stumm nebeneinander; sechs Parteien werben neben der nationalsozialistischen, und der Tisch mit dem Wahlausschuß setzt sich noch aus den Vertretern der verschiedensten Parteirichtungen zusammen. Geduldig warteten in langen Reihen die Danziger am Vormittag vor den Urnen. Die meisten waren nach der Kirche zur Wahl gegangen. In diesem Augenblick, am Ende des Wahltages, sind die Lokale schon fast leer. Die Menschen sammeln sich vor den Lautsprechern auf den Straßen. Irgendwelche Zwischenfälle während des Wahltages sind nicht vorgekommen.
Draußen wehte den ganzen Tag über ein forscher Wind. Regenschauer und Schneegestöber wechselten mit strahlender Sonne. Langsam zieht die Dämmerung herauf. Ein Tag geht zu Ende, der,, rn der Entwicklung Danzigs geschichtliche Bedeutung hqften wird,
herum für den Ballon wegen der dadurch drohenden Vereisung 'ber nassen Hülle eine Gefahr bildet. Wetterkarten werden an die Fahrer ausgegeben. Alles ist bereit. Um 6 Uhr — eben steigt von Westen her wieder eine Wetterwand herauf, die Regenböen in sich birgt — wird durch den eben eingetroffenen Reichsstatthalter Sprenger der Start freigegeben. Mit ihm ist Reichsminister Dr. Darre erschienen, um dieses selten gewordene Schauspiel mit anzusehen.
In kurzen Abständen einander folgend lösen sich die Ballone sanft vom Boden. „Graf Zeppelin" hatte vor dem Start schon zu viel Gas verloren und mußte auf dem Platze bleiben, während die anderen sehr schnell in nordöstlicher Richtung verschwanden. Vor Dienstag wird man wohl entsprechend den Bedingungen der Konkurrenz keine Nachrichten über die Ergebnisse hören können.
Mieder einmal böswillige Geriichte- macherei im Anslande.
Berlin, 7. April. Das „Deutsche Nachrichten-Büro" teilt mit: „In ausländischen Zeitungen verschiedener europäischer Länder find am Samstag Meldungen des Inhalts erschienen, dass das Luftschiff „Graf Zeppelin" 8O8-Ruse ausgesandt hab« und in den Ozean abgestürzt sei. Geradezu grotesk aber muten diese Gerüchte, wenn man dann weiter liest, daß an Bord des nach Südamerika fahrenden Luftschiffes sich ausgerechnet vier Tage vor seiner Hochzeit der preußische Ministerpräsident, General der Flieger Hermann Göring und seine zukünftige Gattin, Frau Emmy Sonnemann befunden hätten, und daß beide das Opfer des angeblichen Zeppelin-Unfalles geworden seien. Das Luftschiff „Graf Zeppelin", das am Samstag in Friedrichshafen gestartet ist, steht in ständiger funktclegraphischer Verbindung mit Hamburg und hat erst am Sonntagvormittg seine letzte Positionsmeldung von Kap Palos an der spanischen Küste gegeben. General Göring befand sich zu der Zeit des angeblichen Zeppelin-Unfalles auf einer Besichtigungsfahrt in Ostpreußen.
Genau so unsinnig find in London erschienene Meldungen über ein angebliches Attentat, das auf Reichsminister Dr. Goebbels in Danzig verübt worden sein soll. Reichsminister Dr. Goebbels ist nach seinem Danziger Besuch, der sich von Anfang bis Ende unter den Augen der ganzen Danziger Bevölkerung abspielte, noch am Samstagabend auf dem Flughafen Tanzig-Langfuhr zum Rückflug nach Berlin gestartet und kurz nach 11 Uhr abends wohlbehalten in Berlin wieder eingetroffen. Bei den Gerüchten von dem angeblichen Danziger Attentat handelt es sich offenbar um letzte Machenschaften der Danziger Opposition, die hoffte, mit derartigen Gerüchten Verwirrung stiften zu können.
„Graf Zeppelin''
ans der ersten Küdamerikafahrt 1935.
Friedrichshafen, 7. April. (DNB.) Das Luftschiff „Graf Zeppelin" ist gestern abend unter Führung von Kapitän von Schiller bei Regenwetter zu seiner ersten diesjährigen Südamerikafahrt nach Pernambuco und Rio de Janeiro gestartet. An Bord befinden sich 16 Passagiere. Auf dieser Fahrt werden außerdem noch befördert 120 Kilo Poft und 695 Kilo Fracht, darunter eine Sendung von 50 indischen Affen für ein Institut in Rio de Janeiro.
Deutsche Freiballon-Meisterschaft.
(DrahtmelduNg unseres Sonderkorrespondenten.)
DS Darmstadt, 7. April. Am Sonntag wurde in Darmstadt die deutsche F r e i b a l l o n m e i st e r s cha f t 1935 ausgetragen, nachdem der erste Mitte Februar unternommene Start damals durch den herrschenden Sturm verhindert worden war. • Vom frühesten Morgen an war man auf dem Exerzierplatz hinter der Kavalleriekaserne mit dem Füllen der fünfzehn Ballone beschäftigt. Die Haltemannschaften waren schon seit Samstag abend an Ort und Stelle. In zwei Reihen standen, als das Publikum im Lause des Nachmittags auf den Platz kam, die gefüllten Ballone niedrig an der Erde, die Körbe neben den Hüllen. Besonders ausfallend war unter ihnen der silbrig glänzende „Chemnitz 8"; seine Hülle ist mit einer Gummilösung bestrichen, in die pulverisiertes Aluminium gemischt ist. Infolgedessen hat er die Farbe des Zeppelin. Diese ist vor allem deswegen von Nutzen, weil die Sonnenbestrahlung hier sich nicht so ungünstig auf die Ausdehnung des Ballons auswirkt. Dreizehn Ballone fliegen in der Konkurrenz mit, zwei außer Konkurrenz. Das sind die Poftballone „Gras Zeppelin" und „Höchst am Main". Postbeamte gehen auf dem ganzen Platz umher und fordern zum Kartenschreiben auf. Diese Karten
werden für di« Briefmarkensammler eine Seltenheit bilden, weil sie einen eigenen Stempel, der nur an diesem Tage benutzt wird, tragen.
Seit 13 Uhr fliegen schon ununterbrochen die bunten Miniaturnachbildungen des Luftballons, Kinderballone, munter durch die Lust. Jeder ist iM einem Zettel versehen, auf dem der Name des Eigentümers vermerkt ist, und auch unter diesen wird eine Konkurrenz ausgetragen. Auf dem Platz 'elfter sind außer den Darmstädter Zivi- l'sten, die sich jenseits der Absperrung halten, vor allem die unssor- mierten Mannschaften und Offiziere der Fliegerortsgrupp« zu sehen. Der ganze Platz bietet den Anblick eines Volksfestes.
Das unbeständige Aprilwetter znachte eine andauernde genaue Orientierung über die Wetterlage notwendig. Immer wieder wurden die Ballonführer durch Lautsprecher zu Besprechungen gebeten. Zwischen 5 und 6 Uhr traf der Meteorologe Dr. Schreiber aus Frankfurt ein, um den Ballonführern die letzten Orientierung zu geben. Da seit der Vorhersage vom Samstag — wie er sagte — „alles planmäßig verlaufen ist", sind auch nun weiterhin irgendwelche 11 eberrasch ungen nicht mehr zu erwarten. Seit Sonntag früh ist sogar eine günstigere Lage insofern eingetreten, als die Temperatur anstieg, die um null Grad
Die Leiche« von 21 deutsche« Suldate« bei Amte«» gesunde«.
Paris, 7. April (DNB.) Im Walde von Le Markiere im Südwesten von Amiens sind in einer aus dem Weltkrieg stammenden Sappe die sterblichen Ueberrefte von 20 deutschen Soldaten und einem deutschen Offizier gefunden worden.
Tie Abteilung für Kriegsgräber des zuständigen Departements hat mit größter Vorsicht die Fundstelle freilegen und die Gebeine der deutschen Krieger auf dem deutschen Heldenfriedhof von Manicourt beisetzen lassen. Es handelt sich augenscheinlich um einen Zug des sächsischen Leibgrenadier-Regiments, wie man auf Grund der Ausrüstungsgegenstände und der Erkennungsmarken sestgeftellt zu haben glaubt. Tas Lederzeug, die Waffen und die Stahlhelme sind verhältnismäßig gut erhalten. Der Offizier und mehrere Grenadiere hatten in dem Augenblick, in dem der Heldentod sie erreichte, den Stahlhelm auf und wurden stehend gefunden. Der Offizier hielt eine Signalpfeife in der Hand, als warte er auf den Augenblick eines Angriffes. Zurzeit werden in der Umgebung der freigelegten Sappe, die etwa 29 Meter mißt, noch Nachforschungen nach weiteren sterblichen Ueberrcsten deutscher Soldaten angestellt.
Um die deutsche Fußball-Meisterschaft:
In Karlsruhe; VIR Mannheim—VfR Köln . . A ' I
In Elberfeld; VfL Benrath—Phönix Ludwigshafen ............ o: o
In Nürnberg: SpVg Fürth—SV Jena , , . . g ;
In Hanau: Hanau 93—VfB Stuttgart. . . .
In Altona: TSV Eimsbüttel—Hannover 96 « ; I
In Gelsenkirchen: FC Schalke 04 gegen
Stettiner SC......... 9*1
In Chemnitz: Polizei Chemnitz—York Insterburg .............6:1
n Berlin: Hertha BSC—Vorwärts-Rasenspiele
Gleiwitz......... . giß
F ußball-Gaumeis terschaf tsspiel:
SpGde Eintracht Frkft.—Wormatia Worms . Q ; Q
Hockey-Länderspiele;
In Paris: Frankreich—Deutschland ... f • J
In Luzern: Schweiz—Deutschland .... _
Berliner Bericht.
In der vergangenen Woche sind in Berlin auffallend viele Rendezvous und Kaffeekränzchen abgesagt worden, am ersten April fing es an, am vierten war es zu Ende. Es waren die „Z i e h t a g e". Es sollen nicht weniger als hundertfünfzigtausend und nicht mehr als zweihunderttausend Menschen gewesen sein, die in diesen Tagen ihre Wohnung gewechselt haben; so wird von zuständiger Seite geschätzt. Die Pferdegeschirre trugen mit Stricken zusammengehaltene Möbelberge durch die Straßen, und an manchen Stellen der Stadt hätte man meinen können,'Zigeuner aus aller Welt zögen mit ihrer Habe zu einem internationalen Treffen in Berlin. In der Kaiser-Allee wurde ein neu errichteter Häuserblock innerhalb weniger Tage von über zweihundert Mietparteien bezogen. An einem Morgen standen sechzig Möbelwagen Schlange, und mehrere Schupos retteten die Haustore vor dein Sturm. Nur in dem ältesten Berlin, um den Krögel herum, trifft man noch alte Leute, deren Eltern schon int selben windschiefen Häuschen gewohnt haben, und die erst weichen, wenn das Haus wegen Baufälligkeit niedergerissen wird. Tas übrige Berlin wohnt so gut wie provisorisch. Wohnungswechsel ab und an — das ist hier stilles Lebensgesetz, und je kürzere Zeit man in feiner Wohnung wohnte, desto lauter spricht man davon. Tie Stadt verändert sich von Jahr zu Jahr, und man muß sich- mit ihr verändern, um an der gewohnten Strecke zu bleiben.
*
Die letzten Umzügler waren noch nicht die Treppen hoch, da setzte das Aprilwetter ein. Morgens brachten die Zeitungen noch ein Bild vorn ersten blühenden Kirschbaum in der AjO- stellung „Wunder des Lebens" und am Nachmittag schon eines von einer dick angeschneiten Straßenbahn. Am Samstag mußte der Eröffnungsrenntag in Karlshorst wegen starken Schneefalls abgesagt werden. An den Bäumen auf den Bürgersteigen krochen die dreckigen Schneehaufen in die Höhe, und einen Sprung daneben gab es Erdbeereis auf besonnten Gartentischen. Zweimal hat die Sonne geschienen an dem Tag, fünfmal hat es geregnet und achtmal geschneit. Die Zeitungen meldeten beruhigend: „Wetterlage dauert fort...", und- man wußte, woran man war. Ob es die Sonne schafft? Arn 15. April schon wird in diesem Jahr das Wannsee-Bad eröffnet.
*
Das neueste Berliner Uraufführungs- und Repertoire-Kino ist die „K u r b e 1", deren ersten Film „Maria Chapdelaine" die „Frankfurter Zeitung" ausführlich gewürdigt hat. Zur Eröffnung sprach Paul Wegener, der erste Vorsitzende der Egeto, einer Vereinigung, die sich in der „Kurbel" für den künstlerischen Film in
duldig weiter zu treiben.
KWK.
ein
Tizian, Botticelli, Holbein, van Dyck, Greco und Goya.
a.
Hans Queling.
Eisloch hervorgeholt und eine Wind« dazwischen geschaltet, an der
F!
Da wie ein
Nicht zu denken auch daß jetzt, wo der Mann wieder bloßen Melodie verstümmelten Ruf seiner Gilde nach und Lumpen anstimmt, sein rauhes Singen nur eine Aufforderung an die Bewohner der Straße sein sollte.
Karren? den zur Knochen bettelnde
„Heute macht das Fischen Spaß," sagt ein alter Fischer und schiebt einen Bissen Kautabak in den Mund, wobei sich sein
Hier, in die äußerste Ecke hatten sich die Fische geflüchtet, waren Hechte, lang wie ein Arm, Barsche, schwarz gestresst Zebras, Karpfen, Silberlinge und sogar ein paar Forellen, buntschillernder Haufe.
Schnell war der Fang Sortiert. Jeder der Fischer bekam
vier Männer drehen mußten. Ein großes, schweres Ding, ähnlich wie die Treidelmühlen auf Bauernhöfen, die von Pferden getrieben werden. Und das alles auf der Eisfläche des Sees! So wurde das Netz in einer Breite von vierhundert Meter unter dem Gis durch das Wasser gezogen.
An dieser Stelle ist der See einige Kilometer breit. Es wurde Mittag, bis wir am anderen Ufer angelangt waren. Langsam wurden die Führungsstangen des Netzes wieder auseinander geschoben und schließlich aus einet großen Oessnung im Eis herausgehoben. Jetzt hatte man die beiden Enden des Netzes wieder beieinander, ta großem Kreis lag es im See, reichte von der Eisfläche bis zum Grund. Langsam wurde es herangezogen. Schwarzer Schlamm triefte an den Seilen herunter, die ans der Eislücke kamen und dann über die kälteroten Fäuste der Fischer. Grüner Tang und morsche Neste hingen an dem Netz. Immer höher stapelte es sich auf dem Eise. Bis über die Knie standen die Fischer in Netzschnüren, in Tang und Seilen, doch erst einige wenige Fische waren zum Vorschein gekommen. Immer weiter zogen die Fischer. Das Netz schien gar nicht aufzuhören. Doch die Stimmung der Männer wurde immer besser. Schwerer, monotoner Gesang gab der Arbeit Rhythmus — ein altes masurisches Fischerlied. Rufe, Ulkereien — alles in masurischer Sprache — flogen hin und her. Und auf einmal schimmert es silbern aus bet grünen Tiefe. Das Wasser gerät in Bewegung. Es scheint zu kochen. Fest krampfen sich die Fäuste der Männer in die Netzschnüre — dann, ein mächtiger Ruck, und ein Haufen Fische, mannshoch, säuberlich in das Netz eingebettet, liegt auf dem Eis.
Wäre die Frau nicht bei ihm, vergäße er vielleicht, daß er ein Mann ist. So aber holt er ans seinem alten Körper heraus, was noch gut ist, um zu zeigen, daß er der Herr ist, hält er den Nacken steif, als fordere er das Leben zum Kampf, schleudert er mit letzter Lungenkraft seinen Trotz auf die Straße, herrscht er auch, sich plötzlich umwendend, mit sinnlosen Fragen und Befehlen die Frau an. Und sie geht auf sein Spiel ein, sie antwortet ihm, damit seine Anstrengung nicht umsonst sei. Ach, sie durchschaut ja das Gehabe des Mannes, der doch ein ganzes mißglücktes Leben lang ihr Mann ist, sie weiß, wieviel Scham und Verzweiflung hinter seinem krähenden Paradieren steckt, aber wenn sie ihn dafür ein wenig verachtet, kommt dies nur in einem Blinzeln der tränenden Augen,, in den bitteren Falten des Mundes zum Ausdruck, nicht in den Worten, die sie als leisen ResponS vor sich hinftrabbelt. Der Rolle,
Berufungen.
Der Frankfurter Bariton Johannes Willy wurde als Professor für Gesang an die Staatliche Hochschule für Musik in Stuttgart berufen.
Der erste Kapellmeister der Stadt Koblenz, Wolfgang Martin, früher am Frankfurter Opernhaus, ist von Operndirektor Kraufl an die Berliner Staatsoper verpflichtet worden.
die der Karren und der Mann von ihr verlangen, in jeder Linie und jeder Bewegung treu, spielt sie die Schwäche ihres Körpers voll aus, um mit wackelndem Kops, lahmen Armen, krummem Buckel, schlürfenden Füßen nichts als ins Groteske gesteigerte Geduld und Ergebenheit zu fein.
Nie habe ich die Gruppe anders als in Bewegung gesehen. Und ich wage es auch nicht, mir den Mann auf einem Stuhle sitzend oder die Frau mit einer häuslichen Verrichtung beschäftigt vorzustellen; jeder für sich wären sie arme Menschen, nur gut, um beklagt zu werden. Dem Karren jedoch verbunden, der ihr Schicksal ist, lassen sie den Jammer ihres Daseins vergessen um der tragischen Größe des Gleichnisses willen, das sie darstellen. Die Pontomime „Mann und Frau", von einem jungen Paare- gespielt, muß unvollkommen fein, weil sie die Begriffe der Zeit und des Zweckes und darin eingeschlossen die Veränderlichkeit in sich trägt. Der Karren, hoffnungslos letzte Station zweier Leben, schließt jede Bewegung aus, die nicht auf ihn bezogen wäre; er gibt dem Bild der beiden Greise die Würde der Vollkommenheit, weil in den grotesken Uebersteigerungen bereits der Tod gegenwärtig ist, der nicht verändern, sondern nur beenden wird. Traurig vollkommen der Mann in seinem zupackenden Stolz, traurig vollkommen die Frau in ihrer augenzwinkernden Unterwürfigkeit, beide im Joch des gleichen Zwanges, ihr Leben entschlossen und gc-
Z)er Karren.
Die beiden Räder hängen locker an den Enden der Achse; sie schlottern, möchte man sagen, und scheinen einzuknicken. Sie sind so müde, daß sie nur torkelnd und weite Spiralen beschreibend sich vorwärtsbewegen. Entschlossenheit und Geduld, ebensoviel Rücksichtslosigkeit wie Ergebenheit muß einer haben, der das Gefährt in Gang zu fetzen unternimmt.
Bei dem fteinalten Lumpensammlerpaar, das mit dem Karren durch die Stadt zieht, hat diese seit Jahren Tag für Tag geübte Aufgabe so sehr jede andere Haltung und Bewegung weggedrängt, daß beide, Mann und Frau, längst unselbständige Teile einer Gruppe geworden sind, in deren Mitte der Karren ist. Während der Mann, entschlossen und rücksichtslos, zwischen den Zugstangen gehend mit hartem Griff den Karren vorwärtsreißt und sich nicht einmal nach dem Aechzen des alten Hohes umblickt, hat am anderen Ende die Frau, geduldig und ergeben, ihre Hand der hinteren Kante aufgelegt, wahrlich nicht, um den Karren ihre schwache Kraft spüren zu lassen, sondern eher mit einer Bewegung der Liebkosung, die den Karren trösten und ihm gut zureden soll, daß er nicht störrisch werde und zusammenbreche. Aber so gegensätzlich die Bewegungen sind, mit denen sie ihn anfassen, ist der Karren nicht Trennung zwischen ihnen, sondern innigere Verbindung. Denn will die Entschlossenheit des Mannes wirklich nur dem Karren imponieren und nicht auch der Frau, ist die Liebkosung ihrer Hand nicht viel mehr dem Manne zugedacht als dem
Spitzen hatte, weiter.
So ging es fort. Die beiden Neptune schoben die Stangen schnell und geschickt unter der Eisfläche fort, von einem Eisloch zum anderen, bis das Netz ausgespannt war. Schon sah man einige Fische, die sich mt den Kiemen darin verstrickt hatten. Jetzt machte die lange Stange eine Wendung von 45 Grad. Wie der Mann mit der Neptungabel das fertig brachte, ist nicht zu erklären. Er stocherte eine Weile mit seinem Werkzeug unter dem Eis hemm, drehte es und wendete es und machte Bewegungen, als ob er damit ein Lach in den Grund des Sees bohren wolle, und auf
ßisfischer in Wasnren.
„Was treiben die Fischer eigentlich im Winter, wenn die Seen zugefraren sind?" Ich nahm an, der Förster würde mir erzählen, daß sie bann eben hinter dem Ofen sitzen oder in der Wirtschaft und ihr Seemannsgarn spinnen. Und ich hoffte, durch ihn einmal an solch einer phantasievollen Wirtshausrunde teilnehmen zu können. Aber er meinte nur: „Kommen Sie morgen früh drüben nach L a l l k a, da können Sie die Fischer bet der Arbeit sehen."
Lallka ist eine kleine Insel in einem der masurischen Seen, nicht weit von Allenstein: ein paar Holzhäuser, ein Stückchen Ackerland, ein winziges Fleckchen Wald — der Rest für die Götter von dem Urwald, der die Insel früher bedeckte — und eine Jugendherberge.
Am nächsten Morgen war ich zur Stelle. Man kann um diese Zeit — Ende März — noch gut über das Eis auf den Seen laufen. Die ostpreußischen Seen sind im Winter und Frühjahr sogar wichtig als Verkehrswege. Wenn nicht allzu viel Schnee liegt, fahren die Arbeiter mit ihren Rädern darüber, die Fuhrleute benutzen sie für ihre Karren und Schlitten, und selbst Autos sieht man über sie hinwegflitzen. Die Fischer waren schon lange da; sie mußten schon vor Sonnenaufgang gekommen sein; denn es war jetzt erst sieben Uhr. Mit einem Wagen hatten sie ein großes Netz auf den See hinausgefahren und ließen es eben durch ein Loch, das sie in das Eis geschlagen hatten, in das Wasser. Nur die beiden Enden des Netzes — es war sehr lang und schmal — behielten sie oben. Sie knüpften an jedes ein Seil und an diese wiederum je eine lange Stange. Und was für Stangen! L0 hohe und schlanke Bäume gibt es wohl nur in den Wäldern Masurens. Sir waren an ihrem dicksten Ende nicht viel mehr als eine Hand breit und dabei 28 Meter lang, also höher als ein vierstöckiges Haus. Zum Schluß wurden diese Stangen ebenfalls unter das Eis geschoben, und zwar in entgegengesetzter Richtung zueinander. Man sah sie unter der Eisschicht schwimmen und das Seil mit dem Neg hinter sich herziehen. Dort, wo sie liegen blieben, schlug man ein neues Loch in das Eis und schob sie mit einem Werkzeug, das wie ein Neptunshaken aussah, nut mit dem Unterschied, daß es zwei
„rempel der Kunst."
Ein neues Museum in Washington, der „Tempel der Kunst“, soll nicht nur die künstlerischen Erwerbungen des früheren Schatzsekretärs Mellon, sondern auch die anderer amerikanischer Sammler aufnehmen. Das Geheimnis, das bisher um Mellons Besitz schwebte, ist jetzt gelüftet worden. Man erfährt, daß er etwa 3^ Millionen Dollar für fünf Hauptwerke der Leningrader Eremitage aufgewendet hat, für Raffaels „Madonna d’Alba", Botticellis „Anbetung der Könige“, Tizians „Toilette der Venus'*. Jan van Eycks „Verkündigung“ und das Kreuzigungs-Triptychon von Perugino. Aus Deutschland kommen Holbeins Bildnis des jungen Königs Eduard, das sich bis nach dem Krieg im Provinzialmuseum von Hannover befand, Lancrets Ml le. Camargo, die bis. 1923 im Potsdamer Neuen Palais hing, und das Frauenbildnis von Roger van der Weyden. ein Glanzstück der Sammlungen des Herzogs von Anhalt. L-nter den wesentlichsten Werken der Sammlung Mellon befinden sich nicht weniger als neun Rembrandts, drei Raffaels und je zwei Bilder von
paar Pfund. Im ganzen hatte man heute etwa fünf Zentner herausgeholt. Früher, vor dreißig Jahren noch, hatte jeder Fischer auf eigene Faust gefangen. Zu jedem Bauernhof gehörte auch ein Stück See, wo man unbeschränkt fischen konnte. Aber die Bauern verkauften ihren Anteil an den Fiskus, und der verpachtete den See dann als Ganzes. Ich sprach' mit dem Pächter. Er hat 8000 Mark Pacht im Jahre zu bezahlen. Für den heutigen Fang hofft er ungefähr 100 Mark zu erlösen Davon bekommen die Fischer etwa 40 Mark — jeder erhält 2.50 Mark neben einer Portion Fische. Nun wird durchaus nicht das ganze Jahr über gefischt. Die Hauptfangzeit ist im Winter. Und die Fänge sind auch sehr unterschiedlich. Der Pächter muß schon Glück haben, wenn er herumkommen will.
einmal schoß die Stange wie ein Schwertfisch wieder unter der lederbraunes Gesicht m tausend galten legt. „Aber Sie sollten
Eisfläche fort. Aber jetzt war das Netz schon so schwer geworden, ein andermal da sein, wenn Wmd aufgckommen rst und «chnee
daß die beiden Stangen allein es nicht mehr vorwärts schleppen liegt bis über die Knie..." Wenn über bieje werte Erstlache der
konnten. Kurz hinter ihnen wurden deshalb die Seile aus einem Ostwind fegt - man kann sich schon vorstellen, wre ei dann
Eislock bervoraeholt und eine Wind« dazwischen geschaltet, an der hier ist. Bans Queling.