Donnerstag, L August 1985

30 Pfg.

Alrendklatt

Erstes Morgenülatt

80. Jahrgang Ur- 387

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Vor der erste» Ratssitzung.

Ankunft der Delegationen.

(Drahtmeldung unseres Korrespondenten.)

© Genf, 31. Juli. Der erste Vormittag der außerordentlichen Ratstagung, die zur Behandlung des abessinisch-italienischen Streit­falles einberufen worden ist, ergab noch keine wesentlich neuen Momente. Vielmehr ist er gekennzeichnet durch das übliche Bild der Tageseinleitung in Genf, die Ankunft der Delegationen, die ersten Besuche beim Generalsekretär des Völkerbundes sowie innerhalb der Abordnungen selber. A v e n o l empfing die abessinischen Ver­treter, den Gesandten des schwarzen Kaisers in Paris, Havariate, sowie den Beauftragten der abessinischen Regierung im Scheve- ninger Schiedsausschuß, Professor Jeze. Auch der Ratspräsident Litwinow stattete dem Generalsekretär einen Besuch ab. Vorläufig ist am Schwarzen Brett in der Wandelhalle immer noch die An­kündigung zu lesen, daß sich der Bölkerbundsrat heute nachmittag um 17 Uhr zu einer nichtöffentlichen Sitzung ver­sammeln wird, in der die Tagesordnung endgültig angenommen werden soll. Es ist aber immerhin möglich, daß selbst die nicht­öffentliche 'Einleitungssitzung noch im letzten Augenblick verschoben wird, wenn man sich unter den Großmächten nicht vorher über die in Genf so wichtige Prozedur einigt.

Aus den Delegationshotels weht heute morgen mit einem Male ein opimistischer Wind, wobei man sich freilich fragen muß, ob eine solche Zuversicht nicht bewußt zur Schau getragen wird, um Panikstimmung und entsprechende Pressemeldungen zu verhindern. Daß die Franzosen ebenso wie die Italiener eine lediglich formale Ratstagung sowie die Vertagung jeder Entscheidung bis zum September erreichen wollen, ist be­kannt. Sie lassen auch bereits eine ihnen möglich erscheinende Lösung verbreiten, die darin bestehen soll, daß der Rat diesmal einen fünften Schiedsrichter in Gestalt eines Schweden oder des Argentiniers Cantilo, den wir an dieser Stelle vorher bereits genannt haben, ernennen und daß alsdann der Völker­bundsrat sich nicht mehr mit dem Fall beschäftigen soll, dis die Schlichtungskommission mit dem neuen fünften Mitglied einen Schiedsspruch gefällt hat.

Dieser Lösung steht aber vorläufig das abessinische Ver­langen entgegen, daß der Rat vorher die Aufgabe der Schlich- tungskommission genau definieren soll, damit die Kommission sich nicht wieder den gleichen Schwierigkeiten gegenüber sieht wie zu Beginn dieses Monats. Außerdem sollen die Engländer zwar ihre Forderung auf Aufrollung einer Debatte über das Gesamt- Problem, die von vornherein stark nach einer Drohung aussah, fallen gelassen haben, aber nichtsdestoweniger darauf bestehen, daß Italien, auch wenn jetzt nur ein fünfter Schiedsrichter ernannt wird, für die Zeit der Schlichtungsverhandlungen gewisse Garan­tien übernehme. Solche Garantien hätten etwa in einer feierlichen Uebernahme einer Nichtangriffsverpflicht ujt g zu be­stehen, ein Gedanke, der auch auf sowjetruffischer Seite befürwortet wird. Die Schwierigkeit dürfte darin liegen, eine Lösung zu finden, die nicht von vornherein Gefahr läuft, das italienische Prestige, das diesmal besonders stark engagiert ist, zu erschüttern und deshalb von Italien abgelehnt zu werden.

Wirr eine vollständige Wsurrg.

Ein Artikel Mussolinis über den abessinischm Streit.

Rom, 31. Juli. (Europapreß.) DerPopolo d'Jtalia" ver­öffentlicht einen Leitartikel Mussolinis zur Begründung des italienischen Vorgehens gegenüber Abessinien. Darin wird betont, Sklavenhandel, Rassenfrage und Zivilisation seien nur von neben­sächlicher Bedeutung. Daß in Abessinien der Sklavenhandel noch besteht werde selbst vom Negus zugegeben, heißt es in dieiem Artikel desPopolo d'Jtalia"; ebenso werde auch allgemem an­erkannt, daß"Abessinien beim Eintritt in den Völkerbund die Ab­schaffung des Sklavenhandels feierlich versprochen, dies Wort aber niemals gehalten habe. Italien habe sich in seinen Kolomen m Ostafrika nicht militärisch gerüstet, um den Sklavenhandel m Abessinien abzuschaffen; feine Abschaffung werde eine Folge der italienischen Politik mit sein. Entscheidend sei auch nicht die Rapen­frage. Die Abessinier betrachteten sich nicht als Reger, sondern als Semiten. Außerdem hätten Tausende von Regern unter den Fahnen Italiens gekämpft und sich immer ausgezeichnet geschlagen.

Wir Fascisten anerkennen das Vorhandensein der Rassen, ihrer Unterschiede und ihrer Hierarchie, aber wir wollen nicht als die besseren Träger der weißen Rasse im Gegensatz zu den anderen Rassen auftreten, auch nicht durch die Verkündung von Rassenhaß, weil wir fcststellen müssen, daß der schlimmste Widerstand nicht von den Negern von Harlem, sondern von vielen echten Weißen, Europäern und Amerikanern kommt."

Die hauptsächlichsten und absolut unwiderlegbaren Argumente seien die L e b e n s b e d ü r f n i s s e des italienischen Vol- kes und seine militärische Sicherheit in Ostafrika. Tas erste Argu­ment habe der englische Außenminister ausdrücklich anerkannt, das zweite sei entscheidend. Im Jahre 1928 hätten Italien und die abessinische Regierung einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Unmittelbar darauf, im Schutze dieses Vertrages, habe Abessi­nien eine Neuordnung seines Heeres begonnen. Wohl­verstanden sei jedoch diese Neuordnung nicht Offizieren jeneÄ Ita­lien übertragen worden, mit dem Abessinien einen Freundschafts­vertrag abgeschlossen habe, vielmehr seien schwedische und belgische Offiziere zu dieser Aufgabe herangezogen worden. Die Organi­sierung der ganzen Vorbereitung habe italien-feindlichen Charakter. Im Jahre 1931 habe dann eine regionale Mobilisierung in Ogaden statt gefunden; an der italienischen Grenze seien plötz­lich Zehntausende von Abessiniern zusammengezogen worden. Das Gleiche sei im Jahre 1911 der Fall gewesen und während des Weltkrieges. >

Das Problem könne daher nur v o l l st ä n d i g gelöst werden. Eine Expansion ohne Waffenschutz, ein Protektorat, das nicht von militärischen Maßnahmen begleitet sei, könne wie der Tag von Uzzialli enden. Solange nicht die militärische Gefahr Abessiniens beseitigt sei, sei jederzeit die italienische Kolonie in Ostafrika gefährdet, lieber diese Sicherheit entscheide allein Italien. Gefahrenfall haben wir von niemand Hilfe zu erwarten. Das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher. Vom mili­tärischen Standpunkt aus ist das italienisch-abessinische Problem sehr einfach und absolut logisch. Das Problem läßt mit Gehf, ohne Genf und gegen Genf nur eine Lösung zu."

Italien sucht neuen Kredit in Englund.

London, 31. Juli. (DNB.)Daily Telegraph" zufolge hat Italien in London Erkundigungen einziehen lassen, die sich auf Gewährung neuer Handelskredite beziehen. Man glaubte aber nicht, daß die Anfragen Erfolg haben würden. Die Londoner Finanzhäuser erblickten gegenwärtig nichts Anzie­hendes in der Gewährung solcher Kredite, zumal da sie mög­licherweise direkt oder indirekt für Kriegszwecke Verwendung finden könnten.

Antifascisteu überfüllen Zeitnngshandler.

Paris, 31. Juli. (DNB.) In Bar-le-Duc wurden Zeitungs­verkäufer derSolidaritä Frangaise" von Antifaseisten überfallen. Die Angreifer bemächtigten sich nach einem Handgemenge der Zeitungen und verbrannten sie auf offener Straße. Als die Polizei eintraf, suchten sie das Weite.

Paris, 30. Juli. (DNB.) In Oran haben 400 Arbeiter einer Werft, die ihren Betrieb stillgelegt hat, vor der Bürger­meisterei eine Kundgebung veranstaltet. Als die Polizei eingriff, kam es zu Zusammenstößen, bei denen drei Polizeibeamte verletzt wurden.

Uier Häftlinge uns österreichischem Gefangenenhans uusgebrocheu.

Wien, 31. Juli. (DNB.) Aus dem Gefangenenhaus in Kla­genfurt sind in der Nacht vom Montag zu Dienstag vier Häftlinge ausgebrochen, darunter der Kommunistenführer Joseph H u t m a n n, der erst am 16. Juli wegen Hochverrats zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt worden ist. Von den entsprun­genen Häftlingen fehlt vor der Hand jede Spur.

Die Dorfalle in Uew Uork.

Protestversammlungen gegen Luguurdiu.

New Dork, 31. Juli. (United Preß.) Am Dienstag abend fand in New Kork eine Reihe von Protestoerfammlungen gegen die von Bürgermeister Laguardia verfügte Lizenzoerweigerung gegenüber dem deutschen Staatsangehörigen Kreß statt. In energi­schen Resolutionen forderten die Teilnehmer die Zurücknahme der Verfügung des Bürgermeisters und legten feierlichen Pro- t e st ein gegen die von Laguardia ostentativ bekundete deutsch­feindliche Haltung und gegen seinen eigenmächtigen Eingriff in die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Die bedeutendste der Versammlungen wurde in der Turnvereins- Halle abgehalten; sie war von der Deutsch-amerikanischen Konfe­renz einberusen worden. Man zählte hier etwa 2500 Teilnehmer. In einer anderen vom Verband der Volksvereine im Aorkville- Kasino veranstalteten Versammlung wurden Flugblätter derGe­sellschaft der Freunde des Neuen Deutschland" verteilt, auf denen Bürgermeister Laguardia der Aufreizung zum Rassen- und Reli­gionskampf beschuldigt wurde. Auch in dieser Versammlung wurde ein energischer Protest gegen die Anordnung des Bürgermeisters beschlossen.

*

In der Angelegenheit Kreß hat sich Bürgermeister Laguardia neuerlich zu einer Erklärung des Inhalts ver­anlaßt gesehen, daß er Kreß die Lizenz zur Eröffnung eines Massagesalons erteilen werde, sobald dieser die volle amerikanische Staatsbürgerschaft erworben habe. Die Formalitäten, die zur Erwerbung des amerikanischen Staatsbürgerrechtes notwendig sind, sollen zum Teil schon von Kreß erfüllt fein; man rechne damit, daß er bereits im Oktober dieses Jahres voller amerikanischer Staatsbürger sein werde.

Gerichtliche Verfolgung der Demonstranten.

New Dori, 31. Juli. (Europapreß.) Der New Dorker Bürger­meister LaGuardiahat sofort nach Ueberreichung der deutschen Protestnote bekanntgegeben, daß er die Demonstranten, welche am ver­gangenen Samstag die Hakcnkreuzsahne vom Mast derBremen" rissen, gerichtlich verfolgen werde.

Giu Kob für die Polizei.

Christia (New Jersey), 31. Juli. (United Preß.) Der hier weilende Geschäftsführer der Hamburg-Amerika-Linie, Beck, äußerte in einer Erklärung große Befriedigung über das energische und wirksame Vorgehen der New g) ort er Polizei anläß­

lich des Kommunistenüberfalls auf dieBreme n".Ein besserer Beleg für die Tüchtigkeit der New Korker Polizei," fo erklärte Beck,ist mir nie zur Kenntnis gekommen. Die Polizeibehörden konnten sich, als es zu dem Zwischenfall gekommen war, garnicht vorzüglicher verhalten, als sie es getan haben. Die Schnelligkeit und Energie ihres Handelns verdienen gleicherweise hohes Lob, das nicht nur den ergriffenen Maßnahmen, sondern auch dem aus­gezeichneten Nachrichtendienst der New Uorker Polizei gelten muß, der ihr schon frühe Kenntnis von der Vorbereitung kommunistischer Demonstrationen gab."

Soykottandrotzirnge«.

Nach New Parker Meldungen wurde auf einer Telegiertenver- sammlung derAntinazi-Federation" ein umfangreiches Aktions­programm für die Durchführung eines Boykotts gegen deutsche Waren und Schiffe beschlossen. Ferner soll in einer jüdischen Protestversammlung in Brooklyn eine Resolution an das amerikanische Olympia-Komitee gesandt worden sein, in der die sofortige Zurückziehung der amerikanischen Meldung für die Olympischen Spiele in Berlin gefordert wird.

Dazu schreibt derVölkische Beobachter":

Die.deutsche Ocffentlichkeit steht also nach diesen Meldungen vor der Tatsache, daß trotz aller angekündigten Maßnahmen der New Parker Polizei und des Bedauerns amtlicher Stellen d i e tüdisch-marxistische Hetze gegen Deutschland un­gehindert ihren Fortgang nimmt. Wir haben nur die Hoffnung, daß kommende EreHnisse nicht wieder erst praktisch beweisen müssen, daß es nicht damit getan.ist, int letzten Augen­blick gewisse polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen, sondern daß es notwendig ist, das hetzerische Treiben des Judentums und des Marxismus gegen das Deutsche Reich überhaupt zu unter­binden, wenn man Wert darauf legt, einen wirklichen Beweis von feinem Willen zur Aufrechterhaltung der guten Beziehungen aüzulegen.

Wir müssen jedenfalls schon heute daraus Hinweisen, daß es von unabsehbaren Folgen fein könnte, wenn der angekündigte Boykott gegen deutsche Geschäfte in N e w Pork wirklich durchgeführt werden würde. Es bleibt abzuwarten, ob die Presse der Vereinigten Staaten gegen diese neue Provokation Die unbedingt notwendigen Worte findet. Wahrscheinlich aber wird ihr das schwerer fallen als in einem umgekehrten Falle, wenn in Deutschland auch nur in irgendeinem kleinen Ort einmal ein ähn­licher Gedanke geäußert werden würde."

Adolph Damaschke f.

(Privattelegramm derFrankfurter Zeitung".)

O Berlin, 31. Juli. Der Begründer der deutschen Boden­reformbewegung Dr. jur. et th. h. c. Adolph Damaschke ist in der Nacht zum Dienstag um 2 Uhr morgens nach monatelanger Krankheit an einem Kvebsleiden gestorben.

Geffentliche Amtseinfnhrnng des ueueu Kölner Poli;eiprastdenten.

(Privattelegramm derFrankfurter Zeitung".) Eine Ansprache- von Regierungspräsident Diels.

~~ Köln, 31. Juli. Unter großer Beteiligung der Bevölke­rung wurde heute der neue Polizeipräsident, SA-Brigadeführer Walter Hoevel, in feierlicher Weise in Anwesenheit der Spitzen von Partei und Behörden aus dem Neuen Markt durch Regierungspräsident Diels in sein Amt eingeführt. Sämtliche Formationen der Partei stellten Abordnungen.

Regierungspräsident Diels wies bei feiner Einführungsrede darauf hin, daß der Einführungsakt erstmalig in aller Öffentlichkeit geschehe, damit die Bevölkerung einem sie betreffenden Akt beiwohnen könnt». Der Regierungspräsident sprach dem scheidenden Polizeipräsidenten seine wärmste Anerken­nung für seine makellose und saubere Amtsführung aus. Er habe sich in hohem Maße das Vertrauen der nationalsozialistischen

Regierung erwerben können. Durch den neuen Mann sei das Polizeipräsidium Köln in guten Händen. Partei und Staat er­warteten von dem neuen Polizeipräsidenten nicht nur die Siche­rung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, sondern auch eine rest­lose Durchsetzung der Ziele der nationalsozialistischen Staats­führung in Köln. Die Partei erwarte ferner von dem neuernann­ten Polizeipräsidenten, daß er Hemmungen, die sich hier und da noch dieser Zielsetzung entgegenstellten und Treibereien jener Kreise, die sich mit der nationalsozialistischen Regierung noch nicht befreundet hätten, mit Entschiedenheit entgegentrete. Er hoffe auch, daß der neue Polizeipräsident feinen Einfluß auf die ganze Be­wegung ausübe, um ein allzu temperamentvolles Entgegentreten gegen diese Treibereien zu verhindern.

Nach dem Wechsel im Berliner Polizeipräsidium hätten aus­ländische Zeitungen auch aus dem Wechsel im Polizeipräsidium der größten Stadt Westdeutschlands Folgerungen von einer Krise des nationalsozialistischen Regimes gezogen. Auch hier i.rre s i ch die Presse. Nichts sei sicherer als die Stabilität der national­sozialistischen Regierung in Deutschland. Wenn ein Wechsel in leitenden Beamtenstellen vorgenommen werde, so feien keine ande­ren Gründe als fachliche maßgebend. Wer bezweifle, daß in Köln Ruhe herrsche, solle sich selbst überzeugen. Köln sei so ruhig und sicher, wie die Partei es haben wolle.

Der neue Polizeipräsident Hoevel versicherte, er werde den Geist der Kameradschaft der SA auch bei der Schutzpolizei pflegen.

Der scheidende Polizeipräsident Lingens dankte für die an­erkennenden Worte, die der beste Ansporn für feine weitere ehren­volle Verwendung im Luftschutz seien.

DerJaust" auf dem Kömeröerg.

V o r b e r i ch t.

In einer vorn Generalintendanten Meißner geleiteten Auf­führung von viereinhalbstündiger Dauer, die von der Zuschauer- tnenge ohne Ermattung hingenommen wurde, gedieh derFaust" zu einem mächtigen Erfolg. War zugunsten schneller Verwandlungen dem Aufwandan Prospekten und Maschinen" Einschränkung ge­boten, so nicht an Beleuchtungskünsten, Glockenspiel, Fanfaren und Orgelgebraus, fo nicht an Aufzügen, Prozessionen und dem Spiel bewegter Bilder. Die ganze Front des Römers mit Balkon, Kaiser­saal und den Hallen und die Nikolaikirche waren in das Schaustück einbezogen worden und gewährten der, mit Goethe zu redenbar­barischen Komposition" breiteste Entfaltung. Der Versuch, den Kreis der Dichtung abzuschreiten und doch auch ihr Ideelles durch­leuchten zu lassen, ist im Ganzen geglückt. Jungbauer (Faust), Taube (Mephisto), Hanni H o e ß r i ch (Gretchen) ließen die Hauptgestalten goethisch erleben. Nach dem Verhallen der erschüt­ternden Kerkerszene entlud sich gewaltig schwellender Beifall.

ck.

Das war das Ende.

Von Anton Mieves.

Eines Nachmittags in den verhängnisvollen Julitagen des Jahres 1914 begaben wir uns mit Freunden meiner Eltern auf eine große Wanderung. Da die letzten Vorkehrungen der Frauen noch abzuwarten waren, hielt ich mich in der Nähe der Männer, die die Verzögerung des Aufbruchs in den Sesseln des Wohn­zimmers rauchend und plaudernd Hinnahmen. Sie frischten noch einmal die Geschichte von der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares auf, die mein Vater mit ernstem Gesicht vor einiger Zeit nach Hause gebracht hatte. Unterdessen hörte ich die Frauen mit spitzem Getrippel und dem Rascheln ihrer Kleider durch den Flur hin- und hereilen, sich entfernen und wieder nah und mit freudig erregten Stimmen auftauchen.

Obwohl Die Gruselgeschichte längst keinen Eindruck mehr auf mich machte, ließ ich doch hin und wieder von meiner Jagd nach den Rauchringen ab, die Herr L. durch die Sonnengitter Der herabgelaffenen Jalousien steigen ließ; sie nannten wieder eine Menge fremder Länder, deren Geheimnis mich in ein lebens­hungriges Forschen verlockte. Ich fühlte einen Reid in mir auf- steigen auf die Welterfahrenheit der Erwachsenen und wünschte sehnlichft, einmal den Balkan, Serbien, Oesterreich-Ungarn und Rußland kennenzulernen wie meine kleine Welt.

Dann standen endlich die Frauen unter der Tür. Tie Männer erhoben sich und klopften den Zigarienstaub von ihren Westen.

Wir gingen durch die grüngoldene Dämmerung einer an­steigenden Kastanienallee. Viele Ausflügler waren unterwegs, vielleicht nach dem gleichen Ziele wie wir. Ich bändelte mit frem­den Kindern an, die mit Federwindmühlen durch den Graben schnarrten. So kam es, daß ich mich zeitweilig in dem Menfchen- ftrom verlor und nach einigen reuigen Wiedersehensszenen bei Fuß bleiben mußte.

Vor dem Walde teilte sich der Weg. Ich hätte mich besinnungs­los dem munteren Zuge angeschloffen, der sich in die blauen Schatten entfernte. Unsere Gesellschaft trat jedoch am Scheidewege zu einer widerspruchsvollen Beratung darüber zusamemn, ob mein nicht lieber noch durch dasParadies" gehen sollte, anstatt aus dem geraden Wege hinauf in den Trubel des Schützenfestes.

Vielleicht konnte ich beides erleben. Aber auch ich war jetzt unentschloffen, ob ich demParadies", von dem ich aus herr­lichen Andeutungen der Mutter wußte, den Vorzug geben oder mich nur Dem Rummelplatz verschreiben sollte. Es war schwer zu sagen, da es sich ja um ganz verschiedene Dinge handelte, die aber merkwürdigerweise die gleiche Stimmung in mir hervorriefen. Ich war daher nicht betrübt, als man sich endlich für den Umweg ent= schied. Wir verteilten uns wieder auf Dem Pfad, ließen den Lärm der Ausflügler hinter uns zurück und tauchten ein in den mystischen Schauer der biblischen Geschichte.

Aber was war es mit diesem Schauer?

Nachdem wir eine ganze Weile zwischen den Silberstämmen der Buchen hingewandert waren, traten gewaltige Felsblöcke aus den Sonnennebeln unter den Bäumen hervor. Ich wurde nicht müde, zu fragen, wann dann die wilden Tiere und der Obstgarten auftauchen sollten.

Keiner ahnte Schlimmes. Sie lachten und hielten mich für einen witzigen Patron.

Ein wenig verdroflen stapfte ich mit, immer bestrebt, etwas Unerhörtes zu entdecken. Einmal brachte ich ein Fabelwesen in die erstaunte Runde der Erwachsenen. Herr K. schwang feinen gol­denen Kneifer, der ihm an einer schwarzen Schnur aus der Brust baumelte, auf seine Nase und sagte mit ernstem Fachwissen, daß es ein Mistkäfer sei.

Die Felsen wurden immer größer. Mit Befriedigung stellte ich fest, daß sie allmählich eigentümliche Formen annahmen, und sah allerlei krause Gestalten aus ihnen heraus. Vielleicht würde alles noch gut werden, da auch die Blumen auf den eingeftreuten Lichtungen bunter und seltener wurden und jemand eine Schlange entdeckt hatte. Herr K. bemerkte jedoch wieder fachlich, daß es sich um eine Blindschleiche handele.

Eine Wendung führte erst ein alter Mann herbei, den wir am Wege überholten und der sich anbot, uns dasParadies" zu erklären. Die Erwachsenen sanden es nicht übel, einen Führer zu haben, kamen mit ihm wegen eines Entgeltes überein und wurden plötzlich ein wenig aufmerksamer. Der Paradieskutscher begab sich an die Spitze, redete und zeigte, streckte uns feine aus- gebreiteten Arme entgegen, daß wir anhaltcn sollten, und begann seine Erklärungen. Ich hielt mich in feiner Nähe.

Da befand.sich zunächst, ein klobiger Fels, zerfurcht und grau,

auf dem selbst wieder ein kleiner Wald wuchs. Ein steiler iErd- trichter führte gegen feinen tiefversenkten Fuß und mündete in eine Höhle unter dem Stein. Der Alte behauptete dreist, daß hier also Adam und Eva gewohnt hätten. Er trat etwas näher an den Abgrund, um eine Einladung zum Hervorkommen in die Grotte hinunterzurufen. Ich ging ein wenig in die Knie, schaute voll Spannung und wartete, während die anderen schon weitergingen. Sie riefen mich von der nächsten Station hercxn.

Die zweite Sehenswürdigkeit war ein uralter Baum mit zottigem Astwerk. Wir stellten uns alle darum und erfuhren von dem Kundigen, daß die wulstige Narbe, die sich bis zur Krone hinaus um den Stamm ringelte, die Schlange des Sündenfalles sei. Er erzählte unter heimlichem Grinsen von einem Apfel, den das Reptil den beiden Höhlenbewohnern heruntergestoßen habe, da sie noch keine Leiter besessen hätten. Ein gänzlich unmotiviertes Lachen der Alten erscholl, während ich gebannt in das Blätter­dickicht hinaufschaute.

-Die folgende Station stellte den Mittagstifch der ersten Men­schen nach einem Ehezwist bar. Wir sahen eine große Felsplatte, in die zwei tellerförmige Vertiefungen eingepreßt waren. Eine scharfe Bruchlinie lief durch einen dieser Teller. Die Erklärung, die unser Führer dazu gab, zauberte mir ein trostloses Bild vor die Seele. Ich sah einen randalierenden Mann, der in die Suppe schlug, und stellte ihn mir seltsamerweise als den versoffenen Hausierer vor, der oft an unsere Tür kam.

Ich war nicht froh. Was die Mutter mir vom Paradiese er­zählt hatte, war bunt und lockte schöne Träume. Ich fühlte, daß es ein Abschied war an manche ahnungsvollen Tinge meiner ein­samen Stunden.

Wir traten aus dem Walde, nüchtern, nur ein wenig geblendet von dem grellen Licht, das davor niederfchoß. Tie Männer traten zusammen und legten jeder ein paar Münzen für den Paradies- kutfcher in einen Hut, während dieser seitlich unter einem Baum sein Wasser abschlug.

Auf dem Schützenfest gerieten wir in den Trubel der gutge­launten Volksmenge. Schon von weitem hörten wir die Böller- fchüffe von den Schießständen krachen. Die Schiffchen und Stühle der Schaukeln schwirrten durcheinander, hinaus hinab und in tollen Kreisen. Unablässig krachten die Schüsse. Es roch nach süßem Pulverdampf.

Nachdem wir uns einen Platz an den grobgezimmerten Tischen gesichert hatten, wurde mir die Freiheit zu eigenen Unternehmun­gen zurückgegeben. Ich prägte mir den Standort ein und stürzte mich in die bunten Abenteuer.

In der lärmenden Kinderfchar schnappte ich nach baumelnden Würsten, ließ ich mich in einen Sack stecken oder lief einem guten Onkel und feiner großen Gabenkiste mit einem Ei auf einem vor- geftredten Löffel entgegen. Ich trieb mich an dem Schützenstand herum und ergatterte ein paar Mefsinghülsen. Dann machte ich Jagd auf den prahlenden Schwanzsächer eines Truthahns, den ich hinter der Waldschenke aufgestöbert hatte. Ich wiegte eine neue Freundin auf einer Balkenschaukel und ließ sie schließlich in her Luft, indem ich das andere Ende des Baumes auf den Boden

drückte. Als ihr Geschrei die Leute heranlockte, ließ ich sie herunter und tröstete sie mit einer Patronenhülse und einer Hand voll Zuckersteinen.

Ich saß wieder an dem Tisch. Die Blechmusik polterte durch den abendlichen Wald. Ich sah das Geschiebe der tanzenden Paare auf dem Holzboden neben dem Wirtshaus.

Dann befanden wir uns wieder in dem Strom der Menschen, die am Nachmittage mit uns vor die Stadt gezogen waren. Fackellichter geisterten zwischen den Bäumen hin, aus der Ferne klangen Marschlieder fröhlicher Gruppen.

Endlos schien der Weg. Ich hing an einem Spazierstock, da­mit ich nicht wieder verloren ginge. Ich schwankte wie im Traum dahin. Die Mefsinghülsen läuteten in meiner Tasche, langsam sank alles um mich her in Vergessenheit.

*

Ich erwachte auf den Schultern meines Vaters und konnte mich lange nicht zurechtfinden unter den vielen aufgeregten Men- sclien unter dem blaffen Sternhimmel. Sie schwenkten große Blätter in ihren Händen, Gruppen standen zusammen und redeten eifrig aufeinander ein. Immer wieder riefen die Männer: Extra­blatt! Extrablatt! Kriegserklärung Oesterreich-Ungarns an Serbien!

Ich schwankte auf meinem hohen Sitz über die Menge hin und erwachte vollends unter dem Dröhnen der vielen Stimmen. Wieder hörte ich die Namen der Länder nennen, die ich später einmal aufsuchen wollte, weil es bunt in ihnen zuging, wie ich aus mancher Erzählung der Erwachsenen wußte.

Heineinschaftsaröett internalionafer Wissenschaft.

Soeben begann in Oxford der 3. Internationale Boden- kongreß der Internationalen BoDenkundlichen Gesellschaft Der Tagung, die in Cambridge ihr Ende finden wird, liegen zwei große wissenschaftliche Werke vor, an Denen die Danziger Technische Hochschule maßgebend beteiligt ist. Es handelt sich um Boden- karten von ganz Europa und oanz Deutschland, die als Gemeinschaftsarbeit internationaler Bodenkundler von dem Leiter des Mineralogisch-Geologischen Institutes der Danziger Techniichen Hochschule, Pros. Dr. Hermann Stremme, nach 20jähriger wissenschaftlicher Vorarbeit jetzt fertiggestellt worden sind.

Die beiden Bodenkarten unterscheiden sich in ihrem wissenschaft­lichen Aufbau wesentlich von den vorher gebräuchlichen, z. B. den geologischen, Die bisher die einzige Quelle zusammenfassender Bodenübersichten über Europa und das Deutsche Reich darstellten. Während auf Den geologischen Karten die Zeitalter Der Erd- geschichte unD die Gesteinsbildungen veranschaulicht wurden, sind auf Den jetzt fertiggestellten neuen Karten Bezeichnungen wie Steppenböden, Nayböden, Gesteinsbodentypen unb Gebirgsböden vorhanden, Begriffe, Dfe erst in der letzten Entwicklung der Boden­kunde geprägt wurden.

Die Herausgabe dieser neuen Europakarte als Gemeinschafts­arbeit wurde auf Grund eines Vorschlages pon Professor Dr. Stremme auf dem Gründungstag der Jnternakionalen Boden-