Sonntag, 1. September 1985

80 Pfg.

Abendblatt

Erstes Morgenblatt

80. Jahrgang Ur» 445 (Ä) Zweimalige Ausgabe

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Manöver.

BK Berlin, 31. August.

Die Sache ist ganz einfach: der Feind wurde geschlagen. Er kam ganztot" und frech über die Grenze natürlich die Brennergrenze stürmte gierig gen Bozen unö steckte es in seine Tasche. Aber dann kam ein motorisiertes Ungewitter aus demblauen" Süden und schlug die frechen Roten" aufs Haupt. Es muß so sein, denn General Ago hat es dem Duce gemeldet. Rechts und links von diesen standen und gingen die Chefs der französischen und der englischen Militärabordnung, die zu den Manövern gekommen waren. Tagelang standen und gingen sie so, denn sie hatten die Auf­gabe, die Front von Stresa bei diesen Hebungen im Südtiroler Gebirge darzustellen. Die Engländer taten das vielleicht etwas zögernd, denn in den Gefechtspausen lasen sie die Nachrichten über die strategische Lage im Mittelmeer, wo die englischen Kriegsschiffe mit Operationen beschäftigt waren, die sich eher aus der abessinischen als aus der Stresa-Perspektive verstehen lassen. Wenn aber der englische Admiral seinen Mittelmeersieg gewonnen haben wird, sollen so steht es in den Zeitungen seine Schiffe bei Suez vor Anker gehen. Vor Malta sind die Verstärkungen Englands bereits eingetroffen.

Der französische Generalstab hat ^darauf verzichtet, die militärisch-politische Demonstration in Südtirol, und die damit verbundene Deutung der französisch-italienischen Ab­machungen, bei diesem Anlaß und in diesem Augenblick for­mell zu bestätigen. Den französischen Manövern liegt keine ent­sprechende strategische Hypothese zu Grund. Natürlich nimmt der französische Generalstab auch nicht etwa eine Kriegslage an, die eine Verleugnung der Stresafront oder gar der franzö­sisch-italienischen Militär-Entente bedeutete wie käme er dazu?, aber er mutet wenigstens den bösenRoten" nicht zu, daß sie von Osten her über die Vogesen kletterten, die fran­zösische Festungskette durchbrächen und nun einen Sturmlauf gegen Paris mit einer Niederlage bezahlen müßten. Von einer anderen, noch beliebteren Hypothese, nämlich von einem Vor­marsch der angreifenden Armee durch die neutrale Schweiz, konnte der französische Generalstab wohl nur deshalb absehen, weil dir Schweizer Armee gerade im Begriff ist uns vorzu­demonstrieren, wie sie einen Angriff aus Norden zwischen Iura und Alpen siegreich abwehrt! Diese Müh« könnte sie sich sparen, denn es ist ihr schon mehr als einmal vorgerechnet worden, daß es ein strategischer Wahnsinn wäre, wennjemand aus dem Norden" einen geradezu abenteuerlichen Flanken­marsch längs der französischen Festungsfront machen würde, in der Hoffnung, beim Schweizer Iura ein Loch zu finden, durch das der betreffende seinem Sieg entgegenschlüpfen könnte.

Die französischen Generäle haben sich für ein Manöver in den Alpen entschieden. Da die französisch-italienische Grenze, di» bekanntlich gebirgig ist, nicht nur durch eine Herzensfreundschaft, sondern, wie gesagt, durch militärische

Vereinbarungen (samt einem politischen Anhängsel, das die Donau und Abessinien betrifft) gestützt ist, und da ferner weder die Vogesen noch der Schwarzwald, noch gar der Taunus eine besondere Hochgebirgstechnik voraussetzen, ist nicht ohne weiteres einzusehen, warum die französischen Ma- növerdivistonen sich in dieser Rolle üben, die zwischen Iura und Alpen zur Zeit von den schweizerischen Truppen unss bei Bolzano von den italienischen Kriegern mit so sichtbarem Erfolg gespielt wird. Wir sagen Bolzano, um international verständ­lich zu sein, denn soeben erfuhren wir, daß ein Telegramm und ein Brief unbestellbar waren, die wir einem Freund inBozen" geschickt hatten. Um aber die Manöverbetrachtung fortzu­setzen: vielleicht üben die Franzosen den Gebirgskrieg ;o eifrig, weil sie der Siegesmeldung anherer Manöverierender doch nicht unbedingt trauen, denn nach Abessinien, jwo es ebenfalls Hochgebirge gibt, werden sie ja vermutlich, auch bei längerer Tauer strategischer Verwicklungen, keine Hilfstruppen entsenden.

Während dies alles geschieht, während ungenannten An­greifern Niederlagen zudiktiert und denBlauen" Sieges- lorbeeven angeheftet werden, während die ausländischen Gene­ralstäbe fast ebensosehr mit politischen Spekulationen wie mit taktischer Uebung beschäftigt sind, packen die deutschen Truppen ihre Tornister für weit weniger internationale Zwecke. Auch in Deutschland wird es große Manöver geben: das VI. Armeekorps wird in der Lüneburger Heide üben. Die Oberleitung wird aber weder ein fingierte französische Armee über den Rhein marschieren lassen, um sie dann in Stücke zu schlagen, noch wird sie etwa das tschechoslowakisch­russische Bündnis oder irgendein südliches Ereignis zum Gegen­stand einesKriexsplans" machen, sie wird nicht politisieren, sondern sie wird ganz einfach üben, wobei sie sich keinen triumphalen Sieg, sondern in erster Linie ein allmähliches Zurückweichen vor einem überlegenen Feind zur Ausgabe macht. 16 000 deutsche Tornister werden aber außerdem für einen ganz andern Zweck gepackt, zur Fahrt nach Nürn­berg, wo die Einheit von Partei, Staat und Wehrmacht noch kräftiger und eindrucksvoller als im letzten Jahre be­kundet werden soll. Mit einem Wort: die deutschen Augen sind nach innen gerichtet. Unsere Aufmärsche sind keine De­monstrationen gegen das Ausland, sondern Bekundungen vom Deutschen zum Deutschen. Mit unseren Manövern aber wollen wir niemand einen politischen Wink geben, noch lechzen wir nach Manöversiegen.

General Ago meldete, der Eindringling aus dem Norden' se! zum Rückzug gezwungen. So wollte es die Manöver-Hhpo- khese. Als aber Mussolini vom Manöverfeld aus um­geben von jenen Stresa-Vertretern nach Rom telephonierte und harmlos fragte, wie dort das Wetter sei, erhielt er die Antwort:Drei Viertes bewöUt". Das ist die Wirkli-^M, in die Sprache eines delphischen Orakels gefaßt.

J«famme«stotz dr» LloyddampfersGifeirach"

mit dem britischen SchlachtschiffRamillies"

* London, 31. Aug. Der Norddeutsche Lloyd-DampferEise­nach" stieß am Freitag um 19.40 Uhr neun Seemeilen von Dover entfernt, mit dem britischen SchlachtschiffRamillies" zusammen.

Das SchlachtschiffRamillies", das eine Besatzung von 1000 Mann hat, befand sich auf dem Wege nach Portland, wo sich die britische Heimatslotte versammelt. Der DampferEisenach" war auf der s^ihrt von Braila nach Hüll. Bei der Admiralität ist nur «ine einzige Meldung des SchlachtschiffesRamillies" eingetroffen, die besagt:Wir haben einen Zusammenstoß mit dem Dampfer Eisenach" gehabt. Ich leiste Beistand, bis Schleppdampfer an­kommt." Aus der Tatsache, daß bei der Admiralität bisher Meldungen über Verluste an Menschenleben ein­gegangen sind, wird geschlossen, daß solche auch nicht zu ver­zeichnen sind.

DerTimes" zufolge herrschte bei dem Zusammenstoß ein Wind von einer Stärke von über 60 Stundenkilometern. Starker Stegen machte die Sichtverhältnisse schlecht, DieRamillies" be­

leuchtete dieEisenach drei Stunden lang mit Scheinwerfern und ermöglichte es dadurch einen Schleppdampfer heranzukommen und um 23.45 Uhr ein Schlepptau festzumachen.

Bei Tagesanbruch lag der deutsche DampferEisenach" im ruhigen Wasser auf der H ö h e v o n D e a l. Er befand sich im Schlepp des DampfersLady Duncannon" und wartet auf das Eintreffen weiterer Schleppdampfer, die von der Themse ange­fordert sind.

Zwei Tote und ein Vermißter.

Bremen, 31. Aug. (DNB.) Vom Norddeutschen Lloyd wird bestätigt, daß dieEisenach" am Vorschiff stark beschädigt wurde. Das Schiff wird zur Zeit nach Dover eingeschleppt.

Bedauerlicherweise haben bei dem Unfall die Heizer Jagow und Hinrichs ihr Leben verloren. Der Trimmer Kupika wurde schwer verletzt. Der Hilfskeffelwärter Besser wird vermißt. 3um Zeichen der Trauer über den Verlust dieser Arbeits'kame- aden wurden auf den Schiffen des Norddeutschen Lloyd und auf dem Hauptverwaltungsgebäude in Bremen die Flaggen auf Halbmast gesetzt.

Überraschung aus Abessinien.

Gugltsch amerikanische Gel- tmfr SchiirfkomrMoncn in halb Akelftnien.

(Drahtmeldung unseres Korrespondenten.)

X London, 31. Stag. Aus Adis 2lbeba treffen überraschende Meldungen ein, die größtes politisches Interesse erregen. Die bis­her vorliegenden Nachrichten enthalten noch gewisse Widerspräche. Nach dem besonders ausführlichen Bericht des Sonderkorrespon­denten desDaily Telegraph" ist folgendes vereinbart worden:

Tie African Exportation and Development Corporation, hinter der eine Gruppe bedeutender englischer und amerikanischer Finanzgesellschaften stehen soll, hat von der abessinischen Regie­rung eine Konzession erworben, die ihr für 75 Jahre das alleinige Ausbeutungsrecht sämtlicher Bodenschätze es handelt sich in erster Linie um Oel und Mineralien in einem Gebiet gewährt, das ungefähr die Hälfte des Kaiserreichs umfaßt. Das Konzessionsgebiet wird nach Westen abgegrenzt durch eine Linie, die sich von der Grenze zwischen Abessinien und Eritrea am 40. Längengrad in südlicher Richtung hinunter bis zum Hawash-Fluß erstreckt. Von dort aus verläuft die Linie in südwestlicher Richtung nach dem Rudolf-See an der Grenze von Britisch-Kenia. Für die Konzession kämen also die Gebiete, die an den östlichen Teil von Eritrea sowie an Französisch- und Jtalienisch-Somaliland und an Kenia angrenzen, in Betracht.

Es handelt sich also um das gesamte östliche Tiefland sowie um einen Teil des südlichen Hochlandes. Für die Entwicklung dieser großen Gebiete soll ein Kapital von mindestens 10 Millionen Pfund aufgebracht werden, von dem ein größerer Teil aus New Aork stammen soll. Ter Sitz der Gesellschaft wivd wahr­

scheinlich London sein. Die vorbereitenden Arbeiten, vor allen Dingen die geologische Untersuchung des Bodens, sollen bereits in den nächsten Wochen ausgenommen werden. Die Konzessions­abgaben an die abessinische Regierung sollen so groß sein, daß sie schon innerhalb von vier oder fünf Jahren die gegenwärtigen Staatseinnahmen von rund einer Million Pfund Sterling verdreifachen werden. Die abessinische Regierung wird diese Mittel zur Anlegung von Straßen sowie zur allgemeinen Ver­besserung der Verkehrs- und Nachrichtendienste und zur Erschließung des Landes verwenden. Zunächst soll im Rahmen der Konzession das nach den vorbereitenden Untersuchungen wertvolle O e l f e l d zwischen Aussa und Jijiga erschlossen werden. Man denkt an eine etwa 300 Meilen lange Rohrleitung von Geludia über Harar-Jijiga, die bei den Häfen Zaila oder Bulhar in Britisch- Somaliland münden würde. Geplant ist ferner die Errichtung einer parallel zur Rohrleitung laufenden Eisenbahn.

Der Sonderkorrespondent desDaily Telegraph", Sir Percival Philips, berichtet, daß die Verhandlungen durch Mr. F. W. Rickett abgeschlossen worden seien, einen Mann, den man im Fernen Osten als denLawrence der Wirtschaft" bezeichnet. Seine eigentliche Mission in Adis Abeba wurde außerordentlich geheim gehalten. Während der acht Tage, die er in der abessinischen Hauptstadt weilte, führte er das Leben eines Vergnügungs­reisenden, und niemand ahnte etwas davon, daß er Nacht für Nacht mit den zuständigen absesinischen Regierungsvertretern verhandelte. Nach der Unterzeichnung, die der abessinische Bergbauminister für den Kaiser in Gegenwart von Mr. Colson und des amerikanischen wirtschaftlichen Beraters der abessinischen Regierung vornahm, war die Tatsache des Abschlusses lediglich fünf Menschen bekannt. Dis (Fortsetzung auf Seite 2.)

Zjumamtiitskrise.

Das Problem der Freiheitsstrafe.

Am vorletzten Tag des internationalen Strafrechtskongres­ses wurde offenbar, welche Fragen die Strafrechtler der Welt zur Zeit am stärksten in Atem halten. Scharen von Teilneh­mern strömten am Spätnachmittag in den überfüllten Saal der zweiten Sektion, wo über dieMethodenund ideellen Grundlagen des Strafvollzugs in namentlicher Abstimmung eine Entschließung gesucht wurde. Eine Stunde dauerte die Formalität; die Spannung ließ nicht nach. Ging cs doch nicht um eine juristisch-technische Frage, sondern, wie Präsident Tr. Bumke sagte, um das riesenhafte Problem der Freiheitsstrafe überhaupt. Erziehung-oder Vergeltung, _ Ab­schreckung oder Humanität, Individuum oder Gemeinschaft wo solche Gegensatzpaare die Diskussion beherrschen, da ist das juristische Fachgebiet in Wirklichkeit verlassen und der Bereich des Weltanschaulichen betreten.

Ernüchterung.

Eine optimistische Grundhaltung hatte die Entwicklung der Freiheitsstrafe in der ganzen Welt seit Jahrzehnten, ja im Grund seit dem Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts be­stimmt. Das aufgeklärte Philanthropentum John Howards und die soziologischen Erkenntnisse, die sich an den Namen FranzvonLiszt knüpfen, wirkten beide in derselben Rich­tung: auch im Sträfling den Menschen zu sehen, den man human" zu behandeln oder den man zu erziehen habe. Beide Bewegungen erfaßten die gesamte Kulturwelt. Noch in diesen Tagen ist anläßlich des Kongresses aus Japan berich­tet worden, daß der Einfluß der Lisztschcn Ideen dortrecht bemerkenswert" sei. Zugleich aber mehren sich aus allen Län­dern auch die Anzeichen dafür, daß der Siegeszug dieser Ideen zum Stillstand gekommen und daß eine Ernüchterung cin- getreten ist.

Der Berliner Kongreß hat und er wird schon deshalb auf lange Zeit denkwürdig bleiben diese Ernüchterung zu offenem Ausdruck gebracht. In der ihm gestellten Frage, ob

die bisherigen Vollzugsmethoden, Insbesondere die Humani­sierung der Strafe, geeignet seien, den Erfolg herbeizuführen und ob die Auffassung, auf der diese Bestrebungen beruhen, überhaupt zutreffend sei in der Tatsache, daß diese Frage überhaupt gestellt wurde, liegt schon das Eingeständnis, daß Skepsis Platz greift, wo Zuversicht geherrscht hat. Ein tragisches Eingeständnis: denn seit langem standen diese Kon­gresse gänzlich im Banne der Ideen von humaner Strafe uni> Erziehungsstrafe.Ihr Optimismus," so heißt es in einer Ge­samtwürdigung der Kongreßarbeiten,hat sich im Lauf der Jahrzehnte gesteigert." Um so härter kam der Rückschlag. Es handelte sich, nach Dr. Bumkes Worten, um nichts Geringeres als darum,das Gesamtwert der internationalen Kongresse einer Revision zu unterziehen".

School ok severity.

Von Humanitätskrise hat man gesprochen; man hat damit das Problem vereinfacht, vergröbert und verzerrt. Nicht Humanisten" undAntihumanisten" stehen einander gegen­über, nicht einehumane Richtung" und eineSchool ok

Das heutige 2. Morgendlstt bringt zur Frankfurter Ausstellung Die Rhein-Main!sehe Wirtschaft (in Kupfertiefdruck)

Uher«-Mainische

WIBTSCHAFTSBILDEB III

Ein Bauernland Leistungsfähige Bauwirtschaft Die Lederindustrie Laooratorium im Großen

HoetHes Sammlungen.

Von Ernst Beutler.

Weimar, Ende August.

Es war ein Problem, nun ist es eine Ueberraschung! Seit Jahrzehnten hörten wir, daß die Leitung des Goethehauses in Weimar von der Notwendigkeit eines musealen Erweiterungs­baues für die Goetheschen Kunstsammlungen sprach. Mit dem Goethe- und Schiller-Archiv sei 1895 erst die Hälfte der Arbeit getan, seien eben nur die Goetheschen Handschriften sachgemäß geborgen und zur Schau gebracht worden, noch harre aber der große Schatz seiner mit so viel sorglicher Liebe und Kenntnis zusammengebrachten Kunstgegenstände der Hebung.

»Seit sechzig Jahren," heißt es in Goethes Testament, -Habe ich jährlich wenigstens 100 Dukaten auf Ankauf von Merkwürdigkeiten gewendet, noch weit mehr habe ich geschenkt bekommen. Es wäre schade, wenn dies alles auseinandergestreut wurde. Ich habe nicht nach Laune oder Willkür, sondern jedes­mal mit Plan und Absicht zu meiner eigenen folgerechten Bil- ßung gesammelt und an jedem Stück meines Besitzes etwas gelernt. In diesem Sinne möchte ich diese meine Sammlungen gern konserviert sehen." Und Karl August Völliger, der von 1791 bl$.180!j als Ghmnasialdirektor in Weimar lebte und schon zwe: Monate nach Goethes Tod in derAugsburger Allge- metnen Zeitung" zur Schaffung eines Goethe-Nationalmuseums autnef, erzählt, wie Freude und Belehrung durch seine Sanim- lungen für Goethe tägliches Bedürfnis gewesen, wie etwa ^wohnlich nach der Mittagstafel die Stunde der Beschauung einig<r Kupferstiche war, und er erinnert so an Goethes Wort, jeher täglich mindestens ein gutes Gedicht lesen, ein Bild er emen trefflichen Kupferstich betrachten solle.

m 5-,tou6ten aus den Katalogen, die der Sekretär der oelyeichen Familie Schuchardt im Jahre 1849, da Verkauss- rlr2ac? Un?en zwischen dem Deutschen Bund und der Familie Mwevten, in den Truck gebracht hatte, wie umfangreich die a ®°^eic6en Sammlergeistes gewesen waren; man \ allein von Goethes eigner Hand über zwci- senv Handzeichnungen noch in Schränken lagen, über 1200 aoon.au3 Italien, so daß er in Rom täglich.zwei Zeichnungen 8 1 c arten haben muß, aber selbst diejenigen, die eine Vor- Dfn 3en? Rmckstum dieser Schätze hatten, waren zwei- 9tr+an - eS richtig fei, in einer Stadt, die selbst schon eine 2t ,-bluieum der Goethezeit ist, noch ein neues Gocthemuseum ein? e§ möglich sei, dieses wiederum mit dem

guiuLitH Goethehaus derart zu verbinden, daß dieses bau- Füll*h t un*~ .dem Neuen leide, inhaltlich nicht durch die Ebn*1UI ^ch"" Gestellten erdrückt, daß Stimmung, Almo- » re nicht durch Wissenschaft gelähmt würde.

-oetzt, da an Goethes 186. Geburtstag dieses neue Mu­

seum geweiht worden ist, da wir beglückt durch die Flucht seiner lichten Räume schreiten, da unsere Augen sich an den­selben Gegenständen entzücken, an denen einst Goethes prüfen­der Blick gehangen, da wissen wir, daß der auf dem rechten Wege gewesen ist, der zäh und trotz aller Enttäuschungen fest seinen Weg zu Ende gegangen ist und dem wir heute alle danken.

Fürs erste war es schon ein Gewinn, daß die häßlichen Miethäuser, die das 19. Jahrhundert quer vom Frauenplan zur Ackerwand hin, Goethes Garten flankierend, hatte erstehen lassen, fielen, um Raum für den neuen Bau zu schaffen. Für diesen war von vornherein Gesetz, daß er das Dichterhaus nicht überhöhen und in Form und Farbe der Bauweise der Goethe­zeit nicht entgegenwirken dürfe. Mit dem ersten Entwurf wurde Teffenow beauftragt, der Bau selbst aber bann im wesentlichen nach den Plänen von Voigt ausgeführt. Er schließt sich am Frauenplan an jenes Gebäude an, das 1914 an der Ostseite des Goethehauses und in dessen Stil zur Ausnahme der natur­wissenschaftlichen Sammlungen geschaffen worden war, aber er setzt nicht die Fassade des Frauenplans fort, sondern läuft rechtwinklig zu dieser in die Tiefe, etwa auf der Linie der abgerissenen Wohnungen und ein wenig abgerückt vom Goethe­schen Garten, so daß man aus den Fenstern auf jenen Garten wie auf eine Bühnendekoration den Blick hat. So findet das Auge von den Büsten und Kupferstichen immer wieder durch den Fensterausfchnitt hin zu dem Grün der ehrwürdigen Bäume, folgt den perspektivisch zurückweichenden Blumenwegen, schweift zu den alten Pavillons, haftet an der Wand der hohen Buchen- Hecke, die sich Goethe großzog, um hinter ihr unbelästigt von der Neugier fremder Menschen lustwandeln zu können. Tie Form des Hauses ist die eines Mansardenbaues aus der Zeit um 1800, der Anstrich Heller, vielleicht auch kälter, also mit Absicht objektiver, als der des Goethehauses.

In zwei Stockwerken sind in 23 Räumen die Sammlungen ausgebreitet, die Farbe der Wände ist das lichteste Grau, immer mehrere Zimmer zur Einheit zusammengerafst, dazwi­schen ab und zu einige Räume in mattem Hellblau ober einem weichen Pastellgrün. Vitrinen unb Rahmen ber Silber sachlich, zweckdienlich geschmackvoll, kein Raum überfüllt, überall Frei­heit zur Bewegung, Luft und Weite.

Die Anordnung folgt dem Lebensweg des Dichters, führt vom Vaterhaus bis zur Fürstengruft. Was einst der junge Achim von Arnim an Goethe über das Haus am Frauenplan schrieb, daß jede Wand wie eine Weltgegend ihr eigenes Leben habe, das gilt auch von diesem Museum. Die ersten Räume bergen liebe Dinge aus dem Elternhause: das herrnhutische Spruchbüchlein der Mutter, das viel durchforschte Ausgaben­buch des Vaters, Seekatzens Zeichnungen der Familie und gute Blätter ber Taunusberge unb Taunusburgen von Georg Melchior KrauS. Der Krönungszug von 1764 marschiert auf,

der Lateinprofessor Scherbius lächelt von der Wand, große Stiche vom Straßburger Münster, die der junge Goethe sich selbst gekauft, lassen die elsässische Landschaft vor uns erstehen, unb Goethes Handzeichnung vom Brionschen Pfarrhaus er­innert an Glück unb Bangigkeit von Scsenheim. Die Maler der Zeit erfreuen sich ber Aufträge bes Hofes, Graff malt Wic- land, Heinsius ben jungen Herzog unb seine Mutter, Rehberg malt Herber. Unb bann ist ba ber Meister Stauer, ber mit schlichter Töpferarbeit angefangen hat unb als angesehener Bildhauer endete. Wieviel Goethe-Büsten haben wir ihm allein zu danken, kein Mann von Bedeutung, der in Weimar war, der nach Weimar kam, dessen Gesicht er nicht in seinen ein­fachen, treuen, lebenswirklichen Gipsen ober roten Tonbüsten festgehalten unb uns überliefert hat. Zur gleichen Zeit malte Kraus auf immer neuen Blättern jeden Winkel des Parks, jede Quelle und jeden Fels, Bukolik des Louis Seize, wie Illustrationen zu Goethes Gedichten und Briefen.

Wo ist ein Hof, wo ist eine Stadt in Deutschland, die in gleicher Weise in Wort, in Bild, in Plastik ihrem Leben, ihrem Antlitz, ihrem Herzen Ewigkeit verliehen hat?

Der größte Eindruck sind Goethes eigene Zeichnungen, ist, wie diese Blätter sein Leben begleiten unb spiegeln. Sie ziehen sich durch alle Säle. In allen Epochen sind sie da. Und das ist der unvergeßliche Gewinn dieser Ausstellung, daß wir ver­stehen, warum Goethe bis in seine italienische Zeit hinein ge­schwankt hat, ob er zum Maler ober zum Dichter geboren sei. Gewiß sind viele Blätter, denen wir ansehn, wes Meisters Hand ben Goetheschen Stift geführt hat, aber es gibt eine er­staunliche Zahl von Zeichnungen, von benen wir sagen müssen, daß wenig Männer damals in Deutschland waren, die der­gleichen machen konnten. Da ist der Kopf der Corona Schrö­ter, zum Schlaf zurückgebogen, die Augen geschlossen, alles nur mit sparsamsten aber sichersten Strichen hingesetzt, der An­satz des Kleides nur angebeutet, ist bas ein Toulouse- Lautrec ober ist es wirklich von Goethe? Die Winterlanbschaft der Ilm, die Gartenbilder sind bekannt, aber die Skizzen aus dem Wörlitzer Park, die Ilmenauer unb Stützerbacher Lager­bilder treten zum ersten Male an die breitere Qeffenllickkeit. Und auch hier ist es nur eine kleine Auswahl des Vorhan­denen, glücklich zur Geltung gebracht durch die Art ber An- orbnung, so wenn etwa die Reihe ber Landschaften aus der römischen Zeit in ber Mitte unterbrochen wird durch vertikal übereinander gestaffelte Mondlandschaften,milden Glanz ver­breitend überall", Zauber südlich phäakischer Nächte.

Die italienische Sphäre ist noch durch eine Reihe besonders schöner Volpatos anschaulich gemacht und interessante Bilder ber frühesten Ausgrabungen in Pompeji. Eine Ueberraschung ist auch ein unbekanntes Oelbild, das Karl Philipp Moritz, Heinrich Wilhelm Tischbein und Lord Hamilton in einer Gruppe wiebergibt.

Die späteren Räume bringen u. a. Dokumente zu ben Feld­zügen um Mainz und in der Champagne, am interessantesten vielleicht Goethes eigene Feldzugskarte mit den handschrift­lichen Einträgen, an welchen Orten er jeden Tag Quartier hatte. Die Freunde seiner Altersjahre halten die liebenswür­digen Porträts der Luise Seidler fest, ihr Selbstbildnis der heitere freundlich lichte Typ des Thüringer Mädchens, wie ihn Markt unb Straße Weimars heute ebenso aufweisen wie zu Goethes Zeiten, ernster, verhaltener, norddeutscher in ihren Porträts Caroline von Barbua, bann ber Chronist der Goethe­schen Besucher, Schweller, mit seinen leicht etwas harten unb trockenen Kreidezeichnungen.

Die deutsche Vorzeit, das deutsche Mittelalter unb Goethes Bemühen um Kenntnis ihrer Literatur unb Kunst ein Thema, das uns heute mehr als andere berührt, dafür ist ein eigener Raum geschaffen, reich mit Büchern und Aus­gaben, Bildern aus des Dichters eigenem Besitz, und hier, fast aktuell von Rauchs Hand, eine Zeichnung der Extern­steine, über die Goethe selbst, einen Aufsatz geschrieben hat.

Der goldene, edelsteinbesehte Lorbeerkranz, geschenkt zum achtzigsten Geburtstag von Frankfurter Verehrern, das sei aus ben letzten Jahren, als Symbol eines schon fast mythischen Ruhmes erwähnt.

Das ist bas Leben Goethes. Den Sammler zeigt ein großer Saal im obersten Geschoß.

Wenn man hier einroenben möchte, daß die Decke vielleicht zu niedrig sei, so sei entgegengehalten, daß die Rücksicht auf die umgebenden Gebäude, vor allem auf das Goethehaus selbst ganz bestimmte Maßgrenzen und Anlagen vorschrieb, an bie man sich eben halten mußte.

Der Inhalt selbst wirkt wie eine Entdeckung, legt eine Ader ber Goetheschen Existenz bloß. Kein Mann im damaligen Deutschland hat so vielseitig, so kunstgeschichtlich wissend unb bewußt gesammelt. Da steht neben dem antiken Bronzeeber dasselbe Motiv aus der Renaissance, da sind Elfenbeinarbeiten aus der romanischen Zeit und alte Glasfenster aus ber früh- gotischen; die große Sammlung italienischer Majoliken ist nicht etwa ein Ankauf ber römischen Reise, sondern erst um etwa 1812 aus einer Nürnberger Sammlung erworben.

Was für Verbindungen und Kenntnisse muß dieser Mann gehabt haben, wie viel Zeit, Liebe, Eifer muß er hingegeben haben, um all diese Kostbarkeiten in seinen Besitz zu leiten, zu seiner Umgebung machen zu können. Am meisten lockt unb fesselt auch hier die unabsehbare Reihe der Blätter. Man spürt, dem Zeichner in. Goethe war die Graphik Herzstück seiner Sammlung. Schon die ersten Blätter von Daniel Hopfer Liebespaar",Tod und Mädchen",Salomo und die Königin von Saba" sind unvergeßlich. Wolfgang Huber, Altdorfer sind gut vertreten. Dürer besaß Goethe fast vollständig. Von den meisten Italienern liegen Proben aus, besonders schön ein