AchiiMinWn?<chr»«z. Donnerslsg, 8. Sepkcmttev 1903

Sfr. 2« Zweites Morgenblstt.

Frankfurter Zeitung

und Handelsblatt

/Bene Frankfurter Zeitung.}

frankfurter Handelezeitung.)

für Heizer auf bis 1100 Mk.

14,852; zum

7495. Von 47,780

oder deren Baum *5 P6m im Abendblatt 60 Pi« <ue «-spalt. BekL-ZeilejglAO, Anzeigen nehmen an: Frankfurt a.M.1 0. Exp« Gr. Esehenheunerstr. 87.

Mainz | Bchülerplatz 8.

Die soziale Lage der seemännische» Arbeiterbevölkerung.

dm letzterm fmdm die Untersuchungen schiffabrt. Gestützt

London EO.: 24,OldJewry. K. Xorki 149 WorldBuild. Unsere 4br. Agenturen u. die Annoneen-Bureaux.

Verlag a. Brook d. Frank« «artet Bocietäts Druckerei (Gesellschaft

übet' welche die Berufsyenossenschaft Näheres feststellen konnte, waren 39,034 Reichsargehönge, 3918 weiße Aus- länder und 4828 Farbige, letztere meist Heizer, Kohlen­zieher usw. in den Tropen. Der Jahresvardimst aller in der Seedemfsgenossenschaft versicherten Personen (zu denen die Kapitäne, Aerzte usw. nicht gchören) betrug 1902: 54% Millionen Mark.

In wie bedeutendem Maße die Seeschiffahrt zu den Verdienst gewährenden Gewerben gehört, mag man da­raus ersehen, daß die Reichsstatistik am 1. Januar 1901 50,556 Personen als Personal der dmtschen Seeschiffe ver­zeichnet. Davon waren nur 12,922 an Bord von Segel- schiffm. Zum seemännischen Personal gehörtm r 28,479 Personen, zum Maschinenpersonal "' (meist Aufwärter, Köche usw.) 749

Je mehr Desertionen, desto mehr Vermittlungsgebühr für ihn, desto mehr Leute hatte er, die er gleich einem Vampyr aussaugen konnte, denn nur er konnte es wagen, sie auf Varschuß bei sich zu beherbergen und zu verpflegen.

Gegen diese Scheußlichkeiten schreiten die Staaten nun mehr und mehr ein. Die großm Reedereien waren schon vorangegangen und hatten eigene Heuerbureaus errichtet, die unter ihrer sttengen Aufsicht standen, nicht mit Wirt­schaften verbunden sein und sich keinerlei Parteilichkeit zu Gunsten von Trinkgeld spendenden Leuten zu Schulden kommen lassen dursten. Die neue deutsche Seemannsord­nung verbietet die Verbindung von Arbeitsvermittlung und Wirtschaft, auch Logiswesen, vollständig; das Gewerbe der Heuerbaase ist konzessionspftichtia gemacht und unter Staatsaufsicht gestellt. In England ist die Gesetzgebung gerade so vorgegangen. Am schlimmsten, schlimmer noch selbst als in chinesischen Häfen, waren diese Verhältnisse in den Häfen der amerikanischen Westküste, S. Franzisko, Port­land usw. Selbst in den letzteren fängt man an, die ge­meinschädliche Macht der Landhaie durch Gesetz und Verord­nung zu brechen. Hand in Hand mit dem Staat geht (in Deutschland, England und einigen anderen Ländern) die ge­meinnützige Fürsorge. Nachdem die alten, meist unter kirch­lichem Einfluß stehenden, pietistisch geleiteten Seemanns- Heime eingegangen waren, fängt man an, solche ohne reli­giöse Nebenabsichten zu errichten, lediglich um dem im Hafen weilenden Seemann billige, gute Wohnung und Vervfleg- ung, Lektüre, Rat, Gelegenheit zum Briefschreiben und zur Heimsendung oder Belegung von Lohn bet der Sparkasse zu verschaffen.

In der Rekrutierung der Besatzungen hat sich ein Wechsel vollzogen. Früher war in weiten Küsten­gebieten (nicht etwa bloß an dem schmalen Saume der eigentlichen Wasserkante) die Schiffahrt ein sehr beliebtes Gewerbe jüngerer Bauernsöhne. Wer nicht die, väterliche Stelle erbte oder eine Erbtochter heiratete, mußte ein anderes Gewerbe ergreifen, und bei dem Mangel an Industrie war damals die Seefahrt das nächstliegende. Wohlhabendere Leute besuchten die Navigationsschulen, wurden Steuer­mann und Kapitän, die übrigen ließen es bei denh Strafen oder Zimmermann bewenden. Früh wurde ge" it

dem, was der junge Ehemann vorher als LeichtHWHk'ünd Matrose verdient hatte, wurde die erste Anzahlung auf ein kleines Grundstück geleistet, worauf dang ein kleines Häus­chen entstand, ausgezeichnet durch die ftische Oelfarbe und die Sauberkeit, bie. der Schiffer lixbt. Auch der Ehemann ging bis etwa zum 40. oder 45t Jahre wiederauf See", blieb immer etwa ein halbes Jahr fort und kam mit dem sorgfältig zusammengehaltenen Verdienst (50 bis 60 Mark dm Monat) wieder heim. Das Häuschm und die kleine Landwirtschaft hatte inzwischen die Frau versorgt, ohne viel Geld gebraucht zu haben. Man kaufte sich ein paar Hektar hinzu und kam allmählich vorwärts, sodaß man in reiferem Alter an dem Besitz eine Brotstelle hatte. Das ist zum guten Teil anders geworden. In Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern, auch in abgelegenen Dörfern Han­novers und Oldenburgs folgen noch manche Leute der alten Tradition. Im allgemeinen haben die Bauernsöhne ausge­funden, daß die Industrie ihnen bessere Erwerbsbedingungen gewährt. Wo diese mehr aufs flache Land mit frei teilbarem und reichlich angebotenem Grundbesitz vordringt, können die Arbeiter sich auf ähnliche Weise einen eigenen Grundbesitz verschaffen, ohne lange von Haus und Familie abwesend sein zu müssen. Ein Ersatz ist der Schiffahrt durch fee* fahrtslustige Leute aus ganz Deutschland gekommen. Unter den Besatzungen sind jetzt so viele Oberdeutsche, daß die Kommandosprache hochdmtsch wird, nachdem sie länger als tausend Jahre plattdeutsch gemessn.

Ueber die Verpflegung an Bord sind aus Deutschland kaum Klagen laut geworden. Die Beschleunig­ung selbst der Segelreisen, namentlich aber der Uebergang zur Dampfschiffahrt habm in dieser Beziehung viel gebessert. Die Schiffe berühren weit häufiger Häsen als früher und versorgm sich dort mit frischem Fleisch, Gemüse und Trink­wasser. Für letzteres sind selbst an Bord von Segelschiffen jetzt eiserne Tanks vorhanden, in denen sich das Wasser un­gleich länger frisch erhält als in den hölzernen Fässern von ehedem. In dem mglischen Bericht kamen Klagen über die Eintönigkeit des Essens zutage, auch darüber, daß die Kapi­täne der Kostenersparnis halber das Anlaufen von Ver- proviantierungshäfen vermeiden. Wenn sich solcheKlagen auch in den deutschen Abhandlungen nicht finben, so ist doch anzu­nehmen, daß es bei uns damit ähnlich liegt. Die Wohnungs­verhältnisse der Mannschaften an Bord haben sich gleichfalls gegen frühere Zeiten bedeutend verbessert, selbst bei Segel­schiffen, noch mehr aber bei Dampfern. Natürlich stehen die neuesten Schnelldampfer dabei im Vordertreffen, die sich auch durch bessere Sicherheitsmaßregeln auszeichnen. So fällt bei ihnen z. B. die bisher außen am Mast befindliche Leiter weg; die zum Ausguck bestimmten Leute steigen jetzt i m Mast empor, womit kaum Gefahr verbunden ist., Dann haben sie elekttische Feuermelder und Löschapparate im gan­zen Schiff; die Schotten zum Schließen der einzelnen Kom» partements (die das Schiss im Kollisionsfall schwimmend er­halten) können von der Kommandobrücke aus elektrisch ge­schlossen werden. Derarttge Einrichtungen lassen sich an äl­teren Schiffen nicht machen, und die kleinen, altmodischen Fahrzeuge stehen natürlich vollends zurtzc^

Schon vor der Untersuchung wußte man, daß der häß­lichste Krebsschaden an dem sozialen Dasein des See­mannes die Arbeitsvermittlung war. Er ist in der einleitenden Skizze schon lebendig geschildert. Die ver­haßtenLandhaie" des Seemannes waren die Heuerbaas (d. h. der Arbeitsvermittler) und der Schlafbaas (d. h. der Logiswirt). Sehr oft waren beide Gewerbe in einer Person vereinigt. Dann geschah es nicht selten, daß, der Heuerbaas den bei ihm wohnenden Leuten nicht eher ein Engagement beschaffte, als bis sie ihre ganze Barschaft nebst Vorschuß auf die neue Gage bei ihm verzehrt hatten; und wenn gar die Leute sich Herausnahmen, nicht bei ihm zu wohnen, so nahm er ihnen, wenn er es irgend herauspressen konnte, eine Extra- Bermittlergebühr ab. Seinen Gipfel erlangte dieses Unwesen in ausländischen Häfen. Dort verleiteten solcheLandhaie" (nicht gerade nur Heuerbaase) die auf Urlaub an Land gehenden Matrosen und Heizer zum Kontraktbruch. Sie machten sie turnten und behielten sie bei sich, manchmal mit den abscheulichsten Praktiken. Dann mußte sich das Schiff um jeden Preis neue Leute verschaffen und sich daher an den Heuerbaas oder seinesgleichen wenden, der andere Leute im Logis hatte, die er schon genügend ausgebeutet hatte.

F. Um Ostern 1901 tagte ein Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik in Hamburg. Dort wurde der Plan, die Lage der in der Seeschiffahrt tätigen Arbeiter einer eigenen gründlichen Untersuchung zu unterziehen, festgestellt. Die deuffche Küste wurde in verschiedene Sektionen geteilt, für jede wurde eine geeignete Persönlichkeit gewonnen, sei es, oaß sie dem Gegenstand fachmännisch nahestand ober den er­forderlichen sozialpolitischen Drill hatte; am besten war es, wenn beides zusammentraf. Es gelang auch einige sehr ge­eignete ausländische Kräfte heranzuziehen, um in kleinen Monographien den Stand der Dinge in England, Frankreich, dm Vereinigten Staaten, Norwegen und Holland zu schildern. Profeffor Pappenheim in Kiel übernahm es, die Verhältnisse des Seehandels und seines Rechts darzustellen. Schon im Frühjahr 1902 erschien eine dos Allgemeine behandelnde und gewissermaßen dm zu behandelnden Raum absteckende, jedoch den Forschungen im einzelnen nicht vorgreifende Skizze von E. Fttger, Bremen:Die wirffchaftliche und technische Entwicklung der Seeschiffahrt von der. Mitte des 19. Jahrhunderts bis auf die Gegenwart" (Leipzig, Duncker und Humblot). Seitdem sind im gleichm Verlage zwei Halb- bände mit einzelnen Abhandlungen herausgegeben. Unter dm letzterm fmdm sich die Pappenheimsche Arbeit sowie die Untersuchungen über die englische und französische See­schiffahrt. Gestützt auf diese wertvollen Erscheinungen wird der Verein für Sozialpolitik um Mitte September in feiner Hauptversammlung zu Hamburg dm ganzen Gegenstand verhandeln.

An dieser Stelle wollen wir ganz auf die technische und wirffchaftliche Seite der Sache verzichten. Natürlich ist von ihr auch die Lage des einzelnen Seemannes maßgebend be­einflußt, und daher ist sie mit vollem Recht auch dargestellt worden. Die große Zunahme des Seetransports mußte die Nachfrage nach Schiffen und Seeleuten rege machm. Die wachsende Größe der Schiffe, die Vereinfachung der Takelung, die Einführung von Maschinen zum Segelauf - setzen, Ankerwinden usw. selbst bei großen Segelschiffen brachte wieder Arbeitsersparnis und verringerte die Nach­frage, namentlich aber mußte der Uebergang von der Segel- schiffahrt zur Dampfschiffahrt auf das Dasein des Schiffs­mannes von Grund aus umgestaltend wirken. Dem Matrosen, Bootsmann und Zimmermann traten jetzt der Maschinist, der Heizer und der Kohlenzieher gleichberechtigt zm Seite. Aber in ihrer Berufsbildung sind nautische Kenntnisse nicht mehr erforderlich oder nur von ganz nebensächlicher Bedeutung. Endlich hat sich die Passagier- sahrt noch eine dritte Kategorie von Schiffsleuten erzogen: die Stewards, die auf den großm Paffagierdampfern einen sehr bedeutenden Teil der Arbeiter bilden. In der Abhand­lung über die Sage der Seeleute im Wesergebiet wird be­richtet, daß ein gewandter Decksteward auf einem nach New Dork fahrenden Schnelldampfer in einem guten Sommer auf eine Trinkgeldeinnahme von 11 000 Mark geschätzt werde. Das ist eine freilich nur einer Minderheit zu Teil werdende Gelegenheit zum Emporkommen, wovon nur wenige eine Vorstellung haben. Auch die Köche bildm auf dm Passa-

bie dort verkehrenden englischen Kapitäne für zum Ersatz engagierte Mattosm 70 Schillinge bezahlen. Er bemerkt da­zu :Diese Unterschiede, die im Mutterlande teilweise etwas höher sein mögen, sind in der Tat nicht groß gmug, um einen Uebergang verlockend erscheinen zu lassen, zumal die Versicherung wegfällt." Vergleichen wir an der Hand des sogenannten Verfassers noch ferner die Löhne einiger Be- atzungskategorim, die einerseits der Lloyd in Bremen, ander- eits die in Bremen verkehrenden englischen Dampfer zahlen: Erste Offiziere auf Passagierdampfern des Lloyd monatlich 244 Mk.; auf Frachtdampfern 149 Mk.; auf englischen Frachtdampfern 180 Sh. Erste Maschinisten auf Passa­gierdampfern des Lloyd 375 Mk., auf Frachtdampsern 282 Mark, auf englischen Frachtdampfern 320 Sh. Oberköche auf Passagierdampfern, Lloyd 189 Mk., auf Frachtdam­pfern 92 Mk., auf englischen Frachtdampfern 100 Sh. Heizer: Slorj 71,3 Mk., englische Frachtdampfer 90 Sh. Dabei darf nicht vergessen werdm, daß Schiffe im fremden Hasen, weil sie hastig zugreifen müssen, stets mehr bezahlen müssen, als die dort beheimateten Schiffe, die den Leuten meist dauerndm Verdimst gewähren.

gierbampfem eine wichtige Kategorie; Oberköche erhalten ein ansehnliches Gehalt.

Die maßgebenden Schichten sind aber doch die Matro­sen (mit dm etwas besser gestellten Zimmerleuten und Bootsleuten einerseits und dem Nachwuchs an Jungen und Leichtmatrosen anderseits) und die Heiz e'r und Kohlen­zieher. Aus jenen ragen die Steuerleute, aus diesen die Maschinisten als Offiziere heraus. Ueber die Höhe des L o h n e s ist man insofern genau unterrichtet, als alle Lohn- oerträge (Anmusterungen) schriftlich vor dem Seemannsamt abgeschlossen werden müssen. Das läßt auch einen Vergleich mit dem Auslande zu. An der deuffchm Nordseeküste betrug für Matrosen der Monatslohn bei freier Verpflegung 61,11 Mark, an der Ostseeküste 56,30 Mark, im Durchschnitt 60,27 Mark. Dagegen zahlt man nach der Abhandlung de Seilhaes über die französischen Verhältnisse in Rouen 80 Francs oder 64 Mark. Dasselbe zahlen allgemein die gro­ßen ftanzösischen Gesellschaften für Matrosen, Segelmacher, Takelmeister usw. Nach der Schilderung Macrostys beträgt in England der Lohn für Matrosen auf Seglern meist 60 Schillinge, teilweise bis zu 65 Schillinge, auf Dampfern dagegen 70 bis 90 Schillinge, meist 80 Schillinge. Dr. Böhmert, der die Sage der "Seeleute im Wesergebiet bear- arbeitete, erfuhr von dem englischm Konsul in Bremen, baß

AfceMiemenUprehi fc» Vier lall u> Frankfurt eu Mala* bei d. Exp. A 7 jO asffissA pmtnyli 1 anA .A 1 Oesterreich (Wien auch Ztg-Bui.WaUAUjKr.12.27 Ungarn...... Kr.12.62 Schweiz ..... Fr.iaSO Belgien...... Er.13.92 Italien ...... lr.15.05 Holland......ü. 7.20

Russland.....BbLA53

Im Weltpostverein A 18; London Siegle. SOLlmeStg Faris Agenoe Haras; Mew York ans. Agent« 148 World Ballung.

Die Höhe des Jahresverdienstes kann nicht ohne weiteres nach her Monatsheuer bemessen werden. Die Wartezeit am Lande ist zu ungewiß und schwankend. Böh­mert berechnet bei elfmonatlichem Verdienst, was ihm reich­lich erscheint, und bei Ansetzung von 1,20 Mk. täglich für die Kost, jedoch ohne Veranschlagung des Logis und der Ueberftunben den Jahresverdienst für Leichtmattosen auf 750 bis 850 Mk., für Vollmatrosen auf 1050 bis 1150 Mk., ' 11501300 Mk., für Kohlenzieher auf 1000

Deutsches Reich.

W Berlin, 2. September, 9 N. (Telegram m.) Wenn man ben Versicherungen des Fürsten Meschffcherski ©tauben schenken dürfte, bet imGrashdanin" über bas angebliche Scheitern her bisherigen deutsch-russi-, schenHanbelsvertragsverhanblungen Mit­teilungen macht, müßte ein Zollkrieg in sicherer Aussicht stehen, dank bem Eigensinn her brutschen Unterfjänbler, die an dem Minbestzoll für Getreide festhalten und eine Auf­hebung jeglicher Art prohibitiver Bestimmungen bezüglich der Vieheinfuhr nicht zugestehen wollten. Die,Deuffche Tageszeitung" ist ganz entzückt von diesen Mitteilungen, deren Richtigkeit sich nicht kontrollieren läßt, die aber mit her Behauptung eines hiesigen Blattes, wonach man an hiesiger Stelle mit bem Verlauf bet Petersburger Verhand­lungen relativ zuftieden ist, nicht ganz im Einklang zu sein scheinen. Das agrarische Blatt erklärt die Forderungen Rußlands für eine Unverfrorenheit, beim die Mindestzölle seien gesetzlich festgelegt und zur Aufhebung jeglicher Art prohibitiver Bestimmungen für die Vieheinfuhr könne sich eine ihrer Verantwortung bewußte Regierung niemals und unter keinen Umständen verstehen. Als ob auch gesetzlich festgelegte Mindcstzollsätze im Wege des Vertrags, der ja doch der Genehmigung des Reichstags unterliegt, nicht ab­geändert werden könnten. Besonders, bezeichnend für bie agrarische Anmaßung sinb aber bie weiteren Sätze:

Jede Regierung hat bie unabweisbare und selbstvern ständliche Pflicht, für bie Gesundheit des heimischen Vieha bestandes zu sorgen unb Seucheneinschleppungen nach Mög­lichkeit zu verhüten. Sie würde sich zur Aufhebung aller prohibitiven Bestimmungen auch bann nicht verstehen sän­nen, wenn in bem Lande, bas eine derartige Forderung er* hebt, bie gesundheitlichen Verhältnisse bes Viehes ansge* zeichnete und die gesundheitspolizeilichen Vorschriften durchs aus einwandssrei wären.

Da leugne noch einer, baß her Seuchenschutz für bie Agrarier nur ein Vorwand ist, um eine lästige Kon­kurrenz fernzuhalten. Wenn sich bie Reichsregierung vonLeuten mit solchen Anschauungen beim Abschluß von Hanbelsver- ttägen leiten lassen will, wirb sie natürlich zu keinem Re­sultat kommen unb her Zollkrieg ist unvermeidlich. Aus den arbeitet die agrarische Presse schon seit Jahren hin und das sicheffte Mittel, ihn herbeizuführen, wäre die Befolgung des auch heute wieder von dem Organ des, Bundes der Landwirte gegebenen Rates, zum Zweck der Einschüchterung die bestehenden Verträge zu kündigen.

K Aus Bayern, 1. September. Die im Landtag bevor­stehende Wahlgesetz-Beratung wirft ihre Schatten bereits voraus. Das konservative bayerische Hauptorgan hat bei verschiedenen Abgeordneten, namentlich bei konservativen, um­gefragt, wie sie über ein neues Wahlgesetz denken, hat dabei vor­nehmlich ausweichende Antworten erhalten, kommt aber, nament­lich auf die Aeußerung eines konservativen Abgeordneten hin, zu dem Schluffe, daß keine Aussicht auf das Zustandekommen eines neuen Wahlgesetzes sei. Dieser konservative Abgeordnete will nicht dulden, daß die Landwirtschaft weniger Einfluß als bisher erhalte. Ebenso hat auch ein autoritativer Zentrumsabgeordneter vor einigen Monaten schon gesagt, daß bie Landwirtschaft eine gesicherte Mehrheit durch das neue Wahlgesetz erhalten müsse, nicht schlechter wegkommen dürfe als bisher. Die ZentrumSprfffe stimmt in der Form zu, daß das flache Land nicht hinter den Städten zurückgesetzt werden dürfe. Die liberale Presse fängt bereits an, gegen diese Tendenz Stellung zu nehmen. Im kon­servativen Hauptorgan wird auch für Diätenlosigkeit, für Ver­minderung der Abgeordnetenzahl und Erhöhung des Wahlalters plädirt. Da wird es geben wie mit der allgemeinen direkten Einkommensteuer. Alle Welt verlangte sie in der Abgeordneten­kammer, unb als es Ernst werden sollte, blieb nur ein kleines Häufchen dafür übrig. Alle anderen schwenkten ab. Warum? Aus Eigennutz!

Düsseldorf, 1. Sept Die Düsseldorfer Handelskammer gibt soeben den 2 Teil ihres vom 1 Juli 1903 datierten Jahres­berichts heraus, der in der Einleitung in gewohnter Weise die Uebersicht über die Verkehrs-Entwicklung Düffeldorss im Jahre 1902 bringt. Danach nimmt der Hasen Düsseldorfs einen regelmäßigeren und stärkeren Aufschwung als der Hasen Cölns. Dieser hatte Ende 1902 den Verkehr von 1899 noch längst nicht wieder erreicht, während Tüffeldors den Stand von 1899 im Jahre 1902 wieder überschritten hat unb dort die Krisis aus­geglichen erschien. Der Bericht enthält ferner eine scharfe Zurück­weisung eines von dem Prwatdozenten Dr. Eulenburg über Han­delskammer-Berichte abgegebenen Urteils. Schließlich wollen wir aus dem Inhalte noch eine ausführliche Bearbeitung der Frage

Feuilleton.

Dsltrrrm

Skizze.

*) Teil der Nordsee zwischen der friesischen Küste und bet Inseln Norderney, Baltrum, Langeoog, Spikeoog, Wangeoog.

Von Hans Weilhammer (Frankfurt)«

®«n Bin ich allein a« dell Dltstel Strand, SBenn d«r eintmwmb Heult unb bie See gelt hohl. Wenn bie wogen mit Modi roll-n zu 8anb O, wie wirb mit le lätzl unb so wonnig unb woN!"

(«Himel»)

Nach Baltrum gehen Sie? Wo liegt das?" Baltrum, my dear, heißt eine stille Nordsee-Insel, nahe her ostfriesischen Küste."

Warum wählen Sie nicht Norderney ober Ostende?" Schweig mir von Storni Fernab von bimmelndenElek­trischen", schnaufenden Töftöfs, Castans Panoptikum und americans bars will ich, einsam, mich einlullen lassen Vom Meeresrauschen, ein moderner Robinson!"

DerWinUer Hasensprung 1883" im Bremer Rats­keller brachte mirHauffs Phantasien" menschlich näher; den Tag in Emden kürzte die Besichtigung der Rüstkammer im alten Rathause. Doch weder Wallensteins Steinschloßflinten, noch die Teniers und van Götzen der dortigen Galerie bann­ten meine Sehnsucht nach dem Meere! Gar zu behag­lich schien mir das Tempo der Postkutsche, die mich ans Dornum durch Frieslands Weideland trug: Pferde und Rinder freuen sich des Futters und der Freiheit; zuweilen steht in all der Fruchtbarkeit ein Meierhof mitten tat Baum­schatten; am Horizonte seh ich der Windmühlen kreisende Arme.

Mr erreichen Nesmersiel, das letzte Küstendorf.

Und das Meer ??".... ,

Geduld! Durch versandetes Küstenland schlangelt sich ein Kanal zum,, Watt"*), das wie eine blaueSoffitte draußen am Himmel hangt."

Sieht man hier Baltrum?" fragte ich. einen gras, grünen Deichhauptmann. , . _

Dort!" Er deutete auf einen weißen Punkt tm Meere.

Ist das Dampfboot zur Ueberfahtt in Sicht?" Dort!"

Statt? meine erste Seefahrt hatte ich mir mindestens auf einem Dreimaster gedacht; nun lag dort ein Kutter mit Groß- und Focksegel, der mich lebhaft an die heimischen Maanbootcher" erinnerte!

Das Herz sank mir ... . Aus meiner Reflexion riß mich ein Rudel helläugiger Friesinnen, voran eine Jngeborg mit flüchsenen Haaren; Wie eine Meeresboe huschten sie vorüber und hüpften lachend ins Boot. Mitahoi!" sprang ich den Mädeln nach.

Der Petrolemmnotor stinkt und stampft; wie ein schwerer Baumstamm treibt das Boot in See; die Leute, aus hartem Holz, wie ihr Schiff, hiffen die Segel, die eine leichte Brise bläht ... wir haben gute Fahrt. Mein vorher zages Herz schlägt nun der Insel entgegen.O holder Südwind, blas noch wehr!" schon sehen wir die Häuser und Dünen. Zur Linken Norderneys Leuchtturm.

Motor stahn lanl Segel in! stop!" Wir legen an Baltrum an.

Durch Sand gehts zum Westdorf,, wo ein reinliches Stübchen meiner harrt, gleich einer Schiffskoje: schiefe Holz­decke, Fenster wie Schiffslucken, das Bett in einem Alkoven hinter blumigen Gardinen; die schmucke filia hospitalis gibt mir die Hand zum Gruße . . .Ma lüttche Seern" . . . sagte die Mutter.

HotelKüper" bot gute Verpflegung.

Das waren herrliche Tage auf der Insel! 3 Stunden lang und eine halbe breit ist sie durchzogen von den Dünen; am Nordkap, beimWestdorf", umgürtet sie ein Steinwall, aus dem Palisaden trotzen, wie Dolche tat Gürtel eines Bravo.

Kampf heißt hier die Losung, Kamps gegen die brandende See, die bei Springflut noch über die Palisaden ihren Gischt wirft. Wie friedlich dagegen ruht am Südstrande das »Ost­dorf", umschloffen von blumigem Heideland, umplätschert vom Watt. Zwischen beiden Dörfchen liegt der Friedhof: schlichte Holzkreuze zeichnen die Stätte, wo der letzte Dünen­sand die Inselbewohner tat Grabesfrieden eint.

Langeweile gab's auf Baltrum nicht: man pilgerte zum Badestrande Herren- und Damen strand getrennt zwi­schen den Buhnen, zum Promenadesttande, auf dem die Strandkörbe stehen, oder man durchstreifte die Dünen; da waren Schätze zu sammeln, die das Meer an Land geworfen:, Muscheln, Mövenfedern, Hummerscheren, Algen. ,

Hier ist noch Einsamkeit; man fällt nicht, tote in Norder­ney, bei jedem Schritte über einen Kinderwagen, hier hott man keinen Ausrufer:Heute Nachmittag findet eine Salongfahrt nach Jüst statt." Stundenlang durchstreifte ich die Insel, ohne auf einen Badegast in forciertem Nanking und Simili-Panama zu stoßen. Das Dutzend Strandkörbe ist auf eine große Fläche verteilt, sodaß jeher für sich ein Jacques Lebaudy" einFürst im Sande" ist.

Abends saß ich oft allein am Strande und sah dem Kommen und Gehen des Meeres zu, dem ewigen Wechsel von Ebbe und Flut. Der Badestrand jjeigt einen starken Wellenschlag; keine Karren werden hier ins Meer gezogen: in freier See tummeln sich Weiblein tote Männlein. Hier giöts keine Sttandtoiletten von Paquin ober Doucet in Paris, keine douceurhungngen Badwätter, kein Tutehorn, das dich nach 5 Minuten wieder aus den Wellen ruft--

nichts von alledem: man badet, so oft und so lange man Lust und Kraft dazu verspätt. Bei Flut ist die Badeflagge ge­hißt, bei Ebbe eingezogen.

Auch der Sportsman findet seine Rechnung: einmal trug uns KüperS Segelboot in vierstündiger Fahrt, auf der . ich die Leiden der Seekrankheit lennenlernte, nach Norder­

ney, ein andermal zur Jagd, wobei ich Tümler, Seehunde und Möven schießen sah.

Soll ich dir noch von zwei Jnselblumen erzählen?see­mannstreu" heißt eine in den Dünen himmelblaublühende Distel; schneidet man die Blüte ab, so trägt die Trauernde erst wieder nach zwei Jahren ihren blauen Stern, tote der Seemann erst nach jahrelanger Trennung Frau und Kind toiedersieht. Versteckt im Haidegrase steht em weißes Glocken- blümchenberola", ... ein Sinnbild der einsamen Ei- landstöchter.

Herb, doch zuftieden sind Baltrums Bewohner. Lehrer und Pfarrer wohnen auf der Insel und trichtern den kleinen Flachsköpfchen Wiffen und Glauben in Hirn und Herz. Sonntags ruft das Glöckchen zur Kapelle; Kabel laufen nach Norderney und Dornum, auch der Arzt kommt von da:Der liebe Gott läßt uns nicht krank werden," vertraute meine Wirtin. Der Motor bringt die tägliche Post.

Es ist 10 Uhr Nacht . . . ich sitze auf der Bank am Strande, neben mir ein deutscher Professor. Da: husch husch kommen zwei Mädchen vom Dorf (die eine war bte blonde Jngeborg), schöpfen Seewasser in einen Eimer und verschwinden damit in einer Badekabine . . .

Die waschen sich die Füße!" sprach der Profeffor.

Ich klopfe an die Kabine und sie wird mir aufgetan.

Nur herein, Doktor, ober schließen S' die Tür, daß es

dunkel ist!"

Ich gehorche und stehe tat Finstern zwischen zwei jungen Friesinnen. .

Sehen Sie das Meer leuchten? jauchzt bie eine, mit der Hand im Eimer plätschernd,. , . und wirflich schimmett das Waffer in lichtem Glanze.

Und was bedeutet das?" -

Das Mädchen, welches das Waffer am stärksten zum Leuchten bringt, bekommt den schönsten Mann 1*

Glück auf, Deem, rühre tüchtig das Waffer und dich, so kann es dir bei deinen flüchsenen Strähnen, den blanken Augen und blitzenden Zähnen nicht fehlen, an der See nicht und nicht auf dem Land!

Soll ich noch mehr von Baltrum verraten? Gehen Sie lieber selbst hin, wenn Ihnen die nächste Julisonne zu warm macht, und erfrischen Sie sich an dieser kaum angetasteten

Natur!

Als ich Muscheln unb Blumen in den Koffer packte, schloß ich ben Vorsatz mit hinein, bald wiederzukommen. Auf dem Segelkutter gingS an Land in Sturm und Regen, als wüßte es das sonst so stille Watt, es ging ans Abschied­nehmen. , ,

An die Schiffsbrüstung gelehnt, sah ich träumerisch in die wogende See .... und wäre vielleicht bei meinem melancholischen Dämmerzustände auch hineingefallen .....

Aber zur rechten Zeit noch

Ergriff mich beim Fuß der Kapitän, Und zog mich vom Schiffsrand

Und rief, ärgerlich lachend:

Doktor, find Sie des Teufels!" X&etae.}

Kleines Fenilleton.

Frankfurt, 2. September.

= (Frankfurter Schauspielhaus.) Mit einer tüchtigen Aufführung desGötz von Berlichingen" wurde heute die Goethe-Woche im Frankfurter Schauspiel, haus beschlossen. Das Theater war trotz des leuchtenden und heißen Sommertages sehr gut besucht; bie Anerkennung äußerte sich recht lebhaft, unb nach der Gerichtsszene des vietten Aktes, die den geraden Götz gegenüber den zitternden Perrücken zeigt und von Seiten des Herrn Diegelmann mit wahrhaft imponierender Kraft und Größe gespielt wurde, brausten Stürme des Beifalls durch das Haus. Es war eine Huldigung auch für den Dichter desGötz", man erinnerte sich wohl des jungen Goethe, der in diesem Schau­spiel entlud, was ihn damals bedrängte und bedrückte: die allgemeinen unerquicklichen Verhältnisse in deutschen Landen, der Zwang, in Frankfurt leben zu sollen, die Strenge des Vaters, der ihm einen verhaßten Beruf zur Pflicht machte. Stärker als sonst empfanden wir heute, daß und warum Götz von Perlichingen" auf Frankfurter Boden entstand, in derselben Stadt, die jetzt in bem Dichter ihren größten Sohn. verehrt. Es war ein guter Gedanke, die Goethe- Woche just mit diesem Stück, dem der Zorn des jungen Dichters die besten Partien verliehen, ausklingen zu lassen. Doch zurück zu bem Schauspiel mit seinen bunten Bil­dern der Reformationszeit, der Bauernkriege, der bischöf­lichen Hoflager, der Fehden und Vehmen. Die Aufführung im Ganzen wurde schon gerühmt. Die vielen Verwand­lungen gingen flink von Statten, der dekorative Teil er­läuterte angemessen die Vorschriften des Autors. Schlacht- getümmel und andere Auftritte, die viel Volk beanspruchen, waren gut, wenn auch nicht gerade atemversetzend arrangiert. Nur in der Gestaltung der Gerichtsszene in Heilbronn ist, unsrer Meinung nach, ein Mißgriff zu verzeichnen. Sie wurde seitens der edlen Herren am Richtertisch und der andrängenden Bürger gröblich karikiert, wqs zwar viel Heiterkeit entfesselte, dem Ernste der Situation aber keines­wegs entspricht. Die Herren saßen im Namen des Kaisers zu Gericht und das Verlesen der Urfehde war im 16. Jahr­hundert fein Karnevalsspaß, sondern eine verteufelt wichtige, bitterernste Zeremonie. In der Besetzung des Stückes hat die neue Einstudierung wenig geändert, lieber eine Anzahl tüchtiger Leistungen ist zu quittieren; wir nennen den kraft­vollen unb herzlichen Götz des Herrn Diegelmann, den klug aufgefaßten und subtil durchgefühtten Weislingen des Herrn Bauer, den sicher gestimmten Selbitz des Herrn Hermann. Frl. B o ch spielte die schwierige Partie her Adelheid von Walldorf sehr überlegen unb, es sei an das hübsche DuettBitte, bitte!" mit Franz erinnert, anfangs mit schalkhafter Grazie, Frau Mondthal (Elisabeth), war recht natürlich, desgleichen Frl. P o l l n e r als Marie. Von den übrigen Mitwittenden seien die Herrren Auer­bach, der für die Herzensnöte des Bruder Mattin einfrrtag. liche Motte sand, Fricke Kranz), Mehring.(Franz