Nummer 223 Seite 2

regeln z« behandln fein mürben. Die Mitteilung stellt schließ, sich auch fest, daß die zahlreichen bisherigen Kundgebungen be- züglich der Kommission erfreulicherweise zu keinerlei be- lonberem Einschreiten Anlaß gäben.

Deutsches Reich.

Dr. Heim und der Bauernstreik.

Auf der kurz vor der Weilheimer Reichstagrwah! in M c e- rina abgehaltenen Tagung dez Christlichen Bauernverein- bat, wie erinnerlich, Herr Dr. Heim die Möglichkeit eines Bauernstreiks erörtert und ouSeinandergesctzt, wie leicht di« Bauern einen derartigen Streik durchführen konnten und eine wie furchtbare Waffe er nn Kampfe um den neuen Zoll­tarif ihnen biete. Trotz dieser Rede sind dem Zentrum bei der Wahl die Bauern in hellen Raufen daoongelaufen. Die Rede hat trotz de? hypothetischen Charakters, den man ihr in der Dr. Heim nahestehenden Presse hinterher zu geben suchte, auch in Kreisen, die zum Zentrum gehören, unangenehm be­rührt, DieWestdeutsche Arbeiterzeitung", do« Organ der westdeutschen katholischen Arbeitervereine, ivendet sich' setzt gegen die Heimscheu Ausführungen wie folgt:

Ter bayerische Bauerndoktor Heim bat kürzlich auf dem BezjrkStaa beS christlichen Bauernvereins in Meering eine Rede gehalten, die in den Blättern etwa« Aufsehen erregt hat. Er. Heim liebt cl. in starken Ausdrucken sich zu ergehen. Ta» ist to seine Art, und daö nimmt ihm auch niemand übel. Die», wat hat er aber sicher über die Stränge geschlagen. Er hat nämlich die Möglichkeit einer Bauernstreik» er- örtert, im Falle, daß die bäuerlicheen Interessen beim neuen Zolltarif nicht gewahrt würden. Ein solcher Bauernstre.k, meint er, wäre da» leichteste von bet Welt. Die Bauern brauchten bloß die Milch, die sie an die städtische Bevölkerung tiefem, eine Zeit lang festzuhalten. Die Wirkung muhte von unberechenbaren Folgen sein, namentlich für Kinder und Kranke. Schon ein Streik von 14 Tagen wurde genügen. Genau so stehe er mit der Zurückhaltung von Fleisch, für das man einen genügenden Ersatz von auswärts gar nicht schnell genug schaffen könnte. ,,, ., .,

Also Bauern st reik u m bei Zolltarif» I len! Wx halten einen solchen Streik für ganz unmög­lich, aus verschiedenen Gründen. Ersten» könnten ihn die Bauern gar nicht aushalten. Die milchliefernden Bauern müssen sozusagen davon leben, beziehen ihre Einnahmen ba­uen, und von der Luft können sic nicht leben. Zweiten» dür­fen sie einen solchen Streik ganz einfach nicht inszenieren. Ge­nau so wie ein Erntestreik den Landarbeitern untersagt werden mühte. Da» wäre noch schöner, wenn man auf die A u » h u n- gerung von Kranken und Schwachen spekulie­ren dürste, um wirtschaftliche Vorteile von der Gesamtheit zu erpressen. Und dritten» dürfte die Oeffentlichkeit einen so!» chen Streik in einer solchen Weise beantworten, dah den Ver­anstaltern die Lust an dem Experiment wohl dauernd verginge.

Die Zentiumspresse, und vor allem die bayerische, wird von dieser Auslassung politisch zu ihr gehörender Kreise wohl schwerlich Notiz nehmen, denn die Arbeiter, die dem Zentrum Gefolgschaft leisten, könnten stutzig werden.

'i Die ReichstagÄcrsahwahl für Dr. Lender.

Man schreibt uns: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird auch bei der Nachwahl im Wahlkreise Achern-Bühl der Zen- trumskandidat siegen, aber daß er so viele Stimmen auf sich vereinigen wird wie der verstorbene Abgeordnete Lender ist nicht glaubhaft. Wenn in einem Wahlbezirk die Perscmen- frage von der vorherrschenben Partei glücklich gelöst war und die Person gegenüber bet Sache in ben Vordergrund trat, so war daS in diesem Kreise der Fall. Die lautere, selbstloseste, offene und hilfsbereite Art des verstorbenen Prälaten, der auch politisch wie religiös Andersdenkenden seinen Rat und feine Fürsorge lieh, nahm von vornherein alle für ihn ein. Dazu kam, daß er den politischen Kampf stets sachlich und ehrlich führte, daß' er in manchen, wie namentlich nationalen Fragen gelegentlich eine von der herrschende Parteiansicht abweichende eigene Stellung einnahm. So ist cs erklärlich, daß viele, die ihrer Anschauung nach nicht zum Zentrum ge­hören, und viele, die politisch indifferent sind, ihre Stimme diesem Manne gaben, oer in feinem Wahlkreis sich nie einen utm Feinde gemacht hat. Gegner bat auch Lender gehabt, aber feine schärfsten Gegner standen int eigenen Lager und das war vor allem Geistl. Rat Wacker.

Dr- Lender war in den 70er und 80er , Iayccn, wo er als Vertreter bcS Bezirks Ettl'ngen (18C» bis 1886) in der Zweiten badischen Kammer zusammen mit Baumstark, Vissing, Lindau und Roßhirt seine politischen Gedanken und Forderungen vertrat, das politische Haupt und der geistige Führer der Katholiken Badens. Freilich, seine Art erschien vielen feiner Parteigenossen zu vornehm, zu rücksichtsvoll zu wenig wirksam, und er machte demjenigen Platz, bet eine heftigere Tonart, rücksichtsloses Vorgehen unb eine wirkungs­volle Auspeitschung ber Massen wünschte: Wacker, her seit- hex in biefem Sinne, wenn auch nicht.immer unangefochten, die Führung ber badischen Zentrumsfraktion in bet Hanb hält. Seither und Wacker, bet einstige unb ber jetzige Führer des badischen Zentrums, waren und blieben, so viele Züge sie auch, rein äußerlich betrachtet, miteinander gemeinsam haben mochten, innerlich heterogene Naturen. Beide hoch­begabt, temperamentvoll, unermüdlich schaffend unb wirkcnb. Stier Lendet war ein Mann des Hetzens, der Güte, wenn er aud) den süßen Kern zuweilen unter einer bitteren Schale verbarg, ein Feind des Kampfes. Wacker ist ein Mann der Berechnung, rücksichtslosen Draufgängertums, eine Kampf« natur. Lendet blieb in feinen Anschauungen im Wesentlichen betfclbc, Wacker wechselt proteusartig, bekämpft, was er ver­teidigt hat, verteidigt, was er bekämpft hat. Lender vertrat die nationale, Wacker vertritt die ultra-fieritale Richtung ber Partei. Senbcr befaß eine ideale Lebensanfchauung; jedes ber Worte: Für Wahrheit, Freiheit unb Recht! bedeuteten für ihn einen kategorischen Imperativ und er konnte heftig und zornig werden, wenn et sah unb hörte, wie die Zentrums- jireffc in siebloser Weise bem politischen Gegner versagte, was sic für sich beanspruchte: Wahrheit, Freiheit und Recht!

Drittes JKorgerrvlatt st er Ararrksutter JeiMitg

reicn, Blumen unb Heiligtümern aller Art reichgeschmückten Wagen durch die Straften fahren unb baS Jndervolk im FesteS« jstaat aus ben Hütten strömt. Ein Stück Heimat haben sie sich hier in her Fremde geschaffen, wo vieles ber Heimat so ähn­lich ist. Hier unb hort nicken Palmcnwebel, glüht bie Sonne fast baz ganze Iaht am strahlcnbcn Himmel, ist ber Engländer Herr. Zuweilen aber sieht man am Wegesrande eine Hindu- trau sitzen, die schlanken braunen Arme lässig an eine große Messingvase gelehnt; die silbernen Spangen unb Ringe glitzer» im Sonnenschein und au3 den Schleiern blicken ein Paar dunkle Augen tief und traurig und weltverloren in die Weite. Träumt sie sich zurück in das alte stille Land der Lotosblume?

1 Als hätte ich ein lebendiges Kapitel Kipling erlebt, so war e» mir zu Mute, als ich diese Straßen durchwanderte. Weiter hinauf wurden die Behausungen vereinzelter und hörten schließlich fast ganz auf, aber die von Palmen umgrenzte Straße setzte sich noch lange fort den Bergen entgegen. Hier und Sa saßen auf verfallenen Dächern, morschen Zäunen große schwarze Vögel Corbeaux die Aasgeier; unheimlich hob sich ihre schwarze Silhouette gegen den blauen Himmel nnd die febrigen Palmenkronen ab. Plötzlich sah ich auf einer Seite bes Weges ein hohes dicht verschlossenes Gitter, hinter dem sich wieder umgitterte Gebiete unb ganz im Hintergründe eine Anzahl langgestreckter Gebäude zeigten. Das ist das Hospital ber Aussätzigen. Die furchtbare Tropen« Irankheit. ber Aussatz (Lepra), ist wahrscheinlich hier burch bie Inder aus ihrer Heimat eingeführt worden. Sieht man sie doch allenthalben im Orient, biefe Armen, wie sie ihre verstümmelten Hände um Almosen ausstrecken. Hier in bie« fern Hospital, bas französische Schwestern leiten, fanb ich sie wieder. Draußen lockt ber Sonnenschein unb bie bunte fröh­liche weite Welt, aber biefe Frauen haben sich hier freiwillig «ingeschloffcn. Hundertmal tiefer als im Kerker, um ben Aermsten unter den Armen ihr Leben zu weihen. Eine ber Schwestern erzählte mir, daß sie seit vierunbzwanzig Jahren an bieder Ställe bes Leibens weile. Dieselbe Französin war meine Führerin durch bas ganze Hospital. Sie zeigte mir alle Einrichtungen unb Abteilungen. Ich mußte habet unwill­kürlich an bie großen Hospitäler New Uorks benten, an biefe Luxusbauten, denen fortwährend Geldströme unb Schenkungen zuftießen. Wie einfach und primitiv ist alles dagegen hier, »und doch wie unendlich Großes wird mit geringen Mitteln ge­leistet. Manche der Verstümmelungen sind grauenvoll, alle mitleiberrcgenb, wahrhaft unerträglich aber wirkte die Kinder- Abteilung. Merkwürdigerweise haben sich die Schwestern trotz der, unaufhörlichen Berührung niemals angesteckt. Hinter den dreifachen Gittern walten sie still ohne weltlichen Ruhm ihreS LicbcSwcrkcZ.

Wacker ist ber Vertreter her realen Mandatspolitik, unb feine Devise könnte ebenso, gut anders lauten al- sie von Partei wegen lautet. Lender suchte auf geradem, offenem Wege zum Ziele zu gelangen; Wacker benutzt auch andere Wege, verdeckt geschickt, was er verdecken muß, sucht mit List und Schlauheit das Ziel zu erreichen, das er erreichen will- Lender hat den politischen Kampf vornehm, in Achtung der Person seines Gegners geführt. Wacker verwechselt oft unb gern Person und Sache, unb je weniger sicher seine Sache ist, um so mehr hält er sich an bie Person des Gegner«. Gerade eben führt ec wieder eine Politik der Verdächtigung unb persönlichen Verunglimpfung gegen feinen bestgehaßten Gegner Rebmann, der die Wackcrschen Schachzüge zu stören wagt. Wacker ist in bet Praxis ein eifriger Anhänger machiavellistischer Grundsätze, die er in der Theorie stets, und, wo es fein Vorteil erheischt, auch in dec Praxis bekämpft. So etwa sieht das Bild der beiden Parteiftlyccr aus. Welche bet beiden Richtungen wird nun in dem va­kanten Wahlkreise den Kandidaten stellen? Verschieben« Warnen aus jeder Richtung werden genannt. So viel steht fest, ein Mann, der auch nur annähernd an die Bedeutung Lenders hcrrmreicht, ist im ganzen Wahlkreis, im ganzen Lande, nicht zu fütben, und kein Zentrumskandidat, hieße er wie er wolle, wird so viele Stimmen erhalten wie Senker.

Dieser Gedanke muß auch auf die ZentrumSgegncr wir- fen. Jetzt gilt es olle zu fammtln und zu organisieren, die nur Mitläufer des Zentrums gewesen waren, die mehr der Person als der Sache ihre Stimme gegeben haben. Die Leiben liberalen Parteien unb lwfonders bie Fort- schrittliche Bolkspatiei müssen, dem Beispiel der Sozialdemo­kratie folgend, mit einer richtigen Agitation entfetten unb nicht nur in den größeren Otten politische Vereine zu gründen suchen. Viele haben fick) bisher politisch nicht be­tätigt, ja nicht einmal ihre Stimme abgegeben, weil sie sich sagten: cs hat doch keinen Wert gegenüber der Ucbermacht. Daher wohl kommt cs, daß bei dec letzten Wahl her Landes- durchschnitt derer, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, in diesem Wahlkreis nicht erreicht wurde. Jetzt ist die Bahn frei, das Feld offen für verheißungsvolle Arbeit. Den ein­zelnen heranzuziehen ist auch notwendig im Hinblick auf den Gedanken der Einführung des Proporzwahlsystems in Baden- Tut jedermann seine Pflicht, dann wird in absehbarer Zeit dieser Zentrumssitz aufgehört haben, ein sicherer zu fein.

# Berlin, 10. Nug. Der Landekverein preußischer BolkSfchullehrerinnen ist in einer ausführlich be- gründeten Petition beim Kultusminister erneut um eine gesetzliche Regelung der Ortszulagen vorstellig geworden. In dieser Petition wird u. a. gebeten, daß der Paragraph 25 des Lehrer« desoldungsgesetze» eine Fassung erhalten möge, nach welcher überall, wo die Lehrer Ortszulagen beziehen, solche auch den Lehrerinnen gewährt werden müssen, unb daß die Lehrerinnen nicht geringere Ortszulagen erhalte» dürfen, als es dem durch das Gesetz gegebenen Verhältnis zu den Ortszulagen der Lehrer ent« fprtcht. Als ein angemessenes Verhältnis wird bo5 von 5 zu 9 bezeichnete. Au» den der Petition beigtgebenen Nach­weisungen verdient Erwähnung, daß 8 Städte ben Lehrern eine Ortszulage von 150400 Mark bewilligt haben, den Lehrerinnen aber nicht. In 20 Orten beträgt die Ortszulage der Lehrerinnen 4150 Prozent diejenigen bet Lehrer, in 28 Orlen 3140 Prozent und in 10 Orten weniger als 30 Prozent. Auch hinsichtlich de« Dtenstasters, in dem die Ortszulagen beginnen, werden bie Lehrerincn oftmals schlechler gestellt als die L'hrer.

-H Hildesheim, 10. Aug. Wie wenig gerechtfertigt der Ruf nach hohen Zöllen auf Gemüse ist, beweisen die Erträge, bie schon jetzt der Gemüsebau liefert. Konservenerbsen ergaben im SildeSheimschen Bezirk in diesem Jahre durch« schnittlich 45 Ztr. auf dem Morgen (K Hektar). Ein benach­bartes Gut hat 17 Morgen Erbsen gebaut und auf dieser Fläche 800 Ztr. (47 Ztr. pro Morgen) geerntet. Da der Zent­ner Schoten von nicht gestiefelten Erbsen mit 8 Mk. bezahlt wird, so ergibt sich ein Bruttoertrag von 378 Mk. vom Morgen. Dabei handelt es sich nur um eine Mittelernte. Auch Kon­servenerbsen werden mit der Maschine gedrillt und stellen nur mäßige Ansprüche an Düngung und Boden, sodaß von den Erzeugungskosten hauptsächlich nur der Pflückelohn ins Ge­wicht fällt, der 1,50 Mk. für den Zentner beträgt. Erbsen und auch andere Gcmüsearten liefern weit höhere Reiner­träge, als Halmfrüchte und Zuckerrüben. Wäre dies nicht der Fall, so häne ber Feldgemüsebau nicht in ben letzten Jahren eine so starke Ausdehnung gewonnen.

* Stettin, 11. Ang. Am 10. und 11. August hielt ber Zen« tralverband preußischer Justi zkanzleigehilfen hier seine Hauptversammlung ab, die sehr stark besucht war. Neben einer großen Zahl mehr oder weniger wichtiger Wünsche und Anregungen persönlicher und lokaler Natur konzentrierte sich das Hauptinteresse zunächst auf die aktuelle Frage der Reform ber preußischen Justizkanzlei burch Abschaffung der veralteten und unzeitgemäßen Form der seitenweisen Bezahlung sowie der damit verbundenen Ein­richtung her Tagesaufgabe und des Monatszettels. Die Ver­sammlung beschloß einstimmig, eine solche Reform von der Justizverwaltung zu fordern als ein unbedingtes Erfordernis, wenn die Justizkanzlei den modernen Anforderungen eines raschen, billigen und zuverlässigen Betriebes in dienstlicher Hinsicht einerseits unb in sozialer, wirtschaftlicher unb ethi­sche r Beziehung andererseits gerecht werben will. Daneben ftand im Mittelpunkt her Verhandlungen bie 51 n ft c 11 u n g 8», BesolbungL- unb Titelfrage unter Voraussetzung ber Einführung jener Reform. ES wurde beschlossen zu be­antragen: 1. Die unwiderruflich angestellten Kanzlei- gehilsen unter Beseitigung der Gehilfen bezeichnung i m Rang und Gehalt gleich ben Kanzlisten in einer burch bie Dienstpragmatik nicht ausgeschloffenen unb even­tuell durch die Kanzleireform zu ermöglichenden Form etatsmähig anzustellen. 2. Solange eine etatsmatzige Anstellung in der gewünschten Form nicht zu ermöglichen ist, ein festes, progressiv mit dem Lebens- und Dienstalter steigen­des, am letzten Werktage eines jeden Monats zahlbares Ge­halt zu gewähren bis zum Höchstbetrage von: 8500 Mk. an Orten der Ortsklasse A, 8380 Mk. an Orten der Ortsklasse B, 3210 Mk. an Orten der Ortsklasse C, 8150 Mk. an Orten der Ortsklasse v. 3030 Mk. an Orten her Ortsklasse E. Wenn auch die Meinungen über einen zu erbittenden Titel ausein« anbergingen, so war sich die Versammlung darüber einig, daß sich die gerade bei den Amtsgerichten schon sachlich unrichtige Kanzleigehilfenbezeichnung nicht aufrecht erhalten liehe, sie aber auch besonders für alte langgebiente Beamte kränkend sei. Der VerbandStag 1914 findet in Berlin statt.

8 Neustadt, 11. Aug. Auf bem BerbanbSiag fübbeut- scher Schuhmachermeister würbe über bie Leber­beschwerung unb ihre Bekämpfung verhandelt. Berg - Saarbrücken, welcher im Namen,seiner Innung bia Frage angeregt hat, führte bazu aus, daß die Lcberbeschwe» rung eine Folge des Wunsches nach billigem Sehet sei. Die Behandlung des Leders in der Gerberei sei eine schlechtere gc- worden unb ben Schaben haben habe bas Publikum. Die Versammlung beschloß, geeignete Schritte zu tun, bamit bie Gesetzgebung eingreife unb vor allem eine Kontrolle ber Lagerkeller in Bezug auf ben Feuchtigkeitsgehalt beS Leber» einführe. Der Zentralverbanb her deutschen Schuhhänbler in Stuttgart soll ersucht werben, sich einer an ben Reichstag ein« zureichenden Petition anzuschließen.

Deutsche Schutzgebiete.

Ter Handel von Teutsch-Südwestafrika im Jahr 1912.

KK Zum ersten Male weist ber Handel von Deutsch« Sühweftaftika eine aktive Handelsbilanz auf. Für das Jahr 1912 übersteigt die Ausfuhr der Kolonie infolge der vermehr­ten Diamantcnförderung die Einfuhr um rund 6.5 Millionen Mark. Für die letzten Jahre zeigt der Handel der Kolonie in 1000 Mark folgendes Bild:

Einfuhr

Ausfuhr

Zusammen

1909

34.713 * 1

22.070

56.784

1910

44.344

34.691

79.035

1911

45.301

28.573

73.875

1912

32.493

39.035

71.534

Für das Jahr 1912 hat also die Einfuhr einen Rückgang um 12.8 Millionen Mark zu verzeichnen, während die Aus­fuhr um 10.4 Mill. Mark gestiegen ist, so daß der Gesamt­handel der Kolonie mit 71 534 239 Mark gegenüber dem Vorjahr eine Verminderung um 2.8 Mill. Mark auswcist. Die vermehrte Ausfuhr ist in erster Linie auf die gestiegene Dia­mantenausfuhr zurückzuführen. Es gelangten 202 633 Gramm (153 571. i. B.) im Werte von 30 414 078 Mk. (23 034146) zur Ausfuhr. Daneben hat der Kupfcrbergbau einen nicht unwesentlichen Anteil an der gesteigerten Ausfuhr. Es wurden rohe Kupfererze im Werte von ß 293 408 Mk. (3 428 703) verschisst, während sich bei aufbereiteten Kupfererzen (229 850 Mark) und bei Bleierze» (228127 Mark) gegenüber dein Vorjahr ein Rückgang um rund je 100 000 Mark zeigt. Bei

den landwirtschaftlichen Erzeugnissen verdient besonder- her­vorgehoben zu werden bie auf 149 658 Mk. (74172) gestie­gene Ausfuhr an Wolle. Außerdem sind in der Statistik zum ersten Male für 17 617 Mk. Mohair aufgeführt. Bon sonsti­gen Ausfuhrartikeln seien noch genannt: Felle 297.787 Mk. (246.417), Straußenfedern 97.012 Mark (79.804) und Mar­mor 19.968 M-lk (1282).

Das Sinken der Einfuhr um 12.8 Mill. Mark ist neben der gänzlich in Fortfall gekommenen Einfuhr von Eisenbahn- material auf ein allmähliches Erstarken der Eigenproduktion des Landes zurückzuführen. So sank die Einfuhr von Kör­ner- und Hülsenfrüchten von 6 371 340 auf 4 479 044 Mark, von Knollengewächsen, Gemüse und Obst von 1 573 545 auf 1 086 284 Mark, und von Fleischkonscrven unb tierischen Er­zeugnissen aller 9ht Butter, Schmalz, Käse, Eier usw. von 2 617 427 auf 1 520 454 Mark. Diese brei Posten zu­sammen beb tilgen also eine Mindereinfuht von runb J1H Millionen Mark, um welche bie Eigenproduktion her Kolonie gestiegen fein dürfte. Jmolgc der fertigestellten .Bahnbauten faul die Einfuhr von unbearbeiteten Metallen, insbesondere von Schienen unb Schwelle», von 3 572 425 auf 637 262 Mark. Durch bie Mindercinsuhr vpn rollendem Eisenbahn- material ist ein wcitc.rer Rückgang um runb 2 Millionen Mk. bedingt. Die verminderte Einsuhx von fertigen Mctallwaren (3 769 152 Mark gegen 4 644 584 i. DI unb mehr noch ber Rückgang bei ber Einfuhr von Textilwaren aller Art (Mark 4196 520 gegen 4 936 759 i. D.) sprechen inbes für ein Darnieberliegcn ber Kaufkraft bet Kolonie infolge mangeln- bet Barmittel. Tie vor kurzem ins Leben getretene füdwcst- afrikanische Sanbwirtschaftsbank bürste hier ben erwünschten Umschwung herbeiführen.

Frankreich.

Tie Unterstützung kinderreicher

S Paris, im Aug. Durch ein Gesetz ooni 14. Juli wird in Frankreich bie öffentliche Unterstützung kinderreicher Familien obligatorisch gemacht. Danach hat jedes Fa­milienhaupt, das mehr als drei Kinder unter 13 Jahren zu ernähren hat und nut über ungenügende Mittel verfügt, vom vierten Kinde an ein formales Anrecht auf öffentliche Zuwei­sungen. Wenn die Kinder den Vater verlieren und bet Mutter zur Last fallen, beginnt bie Unterstützung schon beim zweiten Kind. Ein Witwer erhält die Unterstützung vom dritten Kind an. Die Rechtsansprüche dauern bis zum 16. Jahre, wenn für das Kind einen Lehrlingsoerttag abgeschlossen ist. Tie Höhe der Zuwendungen wird in den ciniclnc» Gemeinden vom Gemeinderat festgesetzt. Sie dars nicht unter 60 Frcs. pro Iaht und Kind betrage» unb 90 Francs nicht übersteigen. Die Lasten fallen bem Staat, ben Departements unb ben Ge- nwinben zu. Sie werben nach einem genau ausgearbeiteten Tarik, bei bie gemeindlichen Finanzverhältnisse zur Basis nimmt, zwischen biefe vor sch i ebenen Teilnehmer verteilt. Doch rtagen bie Gemeinden ausschließlich alle über den Betrag von 90 Francs hinauSgehenden Unterstützungen. Die Ausführung des Gesetzes liegt in den Händen der Präfekten, welche die Or­gane her Armenpflege hcranziehcu, soweit es nötig, ist. Die von den Ptäi'cktuträten abgelehnten Untetstützungsgesuche kön­nen in kostenlosem Verfahren vor den Staatsrat gebracht wer­den, der in letzter Instanz entscheidet. Die Unterstützungen werden monatlich pränumetando ausbezahlt. Sie können zum Teil in Statut gegeben werden, namentlich in Form von Mohmmgsmictznschüfsc», ivenn die betreffenden Familien in gesetzlich geregelten billigen Arbeiterwohnungen untergebracht sind.

Niederlande.

Mädchenhandel in Indien.

X Amsterdam, 7. Aug. Das niederländisch-indische BlattLocomotis", das )chon manche Mißstände mutig auf- qodeckt hat, macht folgende schlimmen Mitteilungen über den Mädchenhandel in N i ed e r I ä nd i s ch - In d i c n: Der Handel mit eingeborenen Mädchen geschieht für oie öffent­lichen Häuser ber Straits Settlements, und er geht bei Ge­legenheit der Kulianwerbuna vor sich. Sein Zentrum hat cr in Surabaja. Hadjis, oas sind unberechtigte eingeborene Werber, aber auch Eutoväer, verlocken unter ben schändlichsten betrügerischen Vorspiegelungen die jungen eingeborenen Mäd­chen zum Mitgehen. Es werden ihnen gute Stellen, ja Heira­ten in Aussicht gestellt, bann gibt man ben naiven Dingern hübsche Kleiber unb einigen billigen Schmuck. Die Mäbchen werben nach dem Zentrum Surabaja gebracht unb hort an einen Chinesen verkauft, ben übrigens die holländische Ver­waltung genau kennt. Je nach Jugend und Schönheit wer­den für ein solches Mädchen 60 unb mehr Gulden bezahlt. Von Surabaja aus werden die Mädchen heimlich nach ben Hafenplätzcn transportiert unb gehen als Frauen her HcrdjlS ober bet Chinesen nach Penang ober Singapur. Hier werden sie an hie Freudenhäuser abgeliefert, ihr Reisebegleiter sagt ihnen, er müsse einige Einkäufe machen und verschwindet bau» auf immer. Der Marktoreis, für ben biefe Geschöpfe an hie Bordelle verhandelt werben, beträgt 150 bis 300 Straits- dollars. Nun existiert wohl eine Arbeitsinspektion, bie biefer Art vonArbeiterinnenanwerbung" auf bie Finger sehen könnte. Aber sie ist zu wenig zahlreich, um bie Aussagen bei bet Anwerbung auf ihre Wahrheit nachkontrollieren zu können. Es muß, sagt bas Blatt, bie ganze Art bes Kuliwerbewesens von Grunb auf reformiert werben, um Abhilfe zu schaffen.

Jas Beschießen von Ikugzeugen.

Die kürzlich erschienenen Besprechungen über Born- ben unb Flugzeuge lenken roieoerum ben Blick auf diese Materie, die in der Auslandspresse,. vor allem in bet amerikanischen, unb merkwürdigerweise in dec Fachpresse dec europäischen Randnationen von nume­risch militätisch geringer Stärke von jeher viel intensiver als in der ber anerkannten militärischen Großmächte behanbelt worben ist. Diese Pslegestätte in bem Rahmen einer kleineren Nation ist nicht von ungefähr. Sie erklärt sich aus bem meist vorhanbenen Zwang, im Ernstfall nut b ef en fioe Abwebr- maßregeln treffen zu können. Defensive Maßnahmen, bie bann meist nur auf eine Lanbesgrenze sich ju beschränken btau- chc», sind aber stets SieblingSltnbet her Technik gewesen, vor allem ber Kriegstechnik.

Eine lebensfähige Kriegstechni? verlangt zu ihrer vollen Schlagfertigkeit meist eine äußerst kunstvolle Opcrationsbasis. Der Vctteioigungskricg hat sie ohne weiteres; bei Angriffs­krieg, bet stets im Krieg im Verrücken fein bürste, am besten im feinblichen Lanbe, muß sich eine solche Basis mit ungemein großen Kosten künstlich schaffen. Der natürliche Ausweg hierzu bilbet bas Verlegen her Operationsbasis weit hinter bie eigent­liche Äriegsfront. In biefem Falle überläßt man her reinen Technik, sich so gut unb schlecht, wie es gehen mag, mit ben lan­gen An- unb Abmärschen zu oen Schauplätzen her eigentlichen Ereignisse abzufinden. Wie man sieht, ist,also, bie Kriegstechnik eine Frage her technischen Drganifation ersten Ranges. Tie Abwehrmaßregeln für solche neue Kriegsmittel­probleme mögen bem Fernerstehenben vorerst eine unüber- winbliche Menge von Schwierigkeiten zu enthalten scheinen. Tas ist aber nicht her Fall. So patabox es klingen mag: bas Ausbauen aller künstlichen Kriegsmittel über ein gewisses Maß scheitert zuletzt an irgenb einer ber großen Gesetzmäßig­keiten physikalischer Art, an bie sie als eibengeborene Ersin- bungen geknüpft finb. Bei ber Beschießung bes Panzerschiffs auf ber Kieler Woche finb bie Falfgcjetze ber Mechanik bie natürliche Grenze gewesen. Es mußte ein Abwerfen, genauer ein Fallenlasscn gewählt werben, weil Ab-scuervottichtvungen" mit Pulver ober Preßluft an ber Gewichtsfrage wie an ber Gefahr des Rückstoßes als Gleichgewichtsstörung für das.Flug­zeug vorerst noch scheitern. Sodann war zu sehen, wie bas Strichfliegen" eine natürliche Begrenzung abgab.

Dieses S t r i dj f I i e g e n ist überhaupt in ber militäri­schen Luftfahrt eine unangenehme Beigabe. Nicht so sehr für ben Flieger allgemein gesprochen für ben Angreifer gegen ein Erb- ober Wasferziel, fonbern sürdieAbivebr, für bas Beschießen von bet Erbobersläche himmelwärts. Die Ausbilbung unb bas Tarstellcn kriegsmäßiger Ziele ist zurzeit nod) eine ungelöste Frage. Entsprechend ber Unmöglichkeit, Ziele barzustellen, bie bas wahrheitsgetreue Bilb bes Kriegs iviebetgeben, fehlt aud) bie so wesentliche Abschätzung, wie stark bie Abwehrkraft unserer Feuerwaffen gegen bic neue fünfte Waffe bestellt ist. Es ist unserer heutigen Technik nicht möglich., etwa ein Flugzeug automatisch mit Fernlenkung so -

__________Mittwoch, 13.Iug«st 1918 loszulafsen, baß eS einen normalen Start macht, in bie Luft steigt unb zum Beispiel einen Angriff gegen einen Lenkbaren ausführt, her bie Abwehr mit scharfen Geschossen (Maschinen­gewehr) erwibert. Wir haben aber ein Mittel, das nn- ziem­lich förbert und wenigsten- Schätzungswerte zu bringen ver­mag. Tas ist der Win d, besonders in ben Herbst, unb frühen Wintermonaten. Er kann unbemannte Drachen hoch, treiben von ber Groß« unb Ausbehnung, die an die Wirklich­keit grenzen. Sofort aber beginnt hei biefem Verfahren die Unannehmlichkeit beäStrichhaltens", bie in biefem fteiße bet Winb von selbst besorgt. Das Strichhalten verwischt in erheblicher Weise hie Kricgsmäßigkeit.

Was billigerweise als erste Stufe auf bem neuen Weg verlangt werben kann, wär« ein von her Erd» oder Wasser­oberfläche bewirktes, nach Zeit und Intensität wk »ach der seitlichen Ausdehnung vom Strich abgiere »des. willkürlich be- ehtflupbareS Manövrieren des Zieldrachens von im Ganzen 100 bis 150 Meter mittlerer Breite. Durch kiesen Angriff in Schlangemvindungen unregelmäßiger Art läßt sich zum Beispiel ein Anhalt gewinnen, besonders von ben Lenk­baren gegen bie Flugzeuge, welche Grenzfälle an Treff- fähigkeit für ha« Maschinengewchrfeuer zu erreichen finb, wenn unter extremer Verwendung bet Verwindung ein zum Angriff unter Einsetzung des eigenen Flugzeuges unb des eigenen Lebens cntfchloffoner Flieget ben Lenkbarenan- nimmt". In ber technischen Beilage der ..Frankfurter Hei- hing" (2. Morgenblatt Nr. 327, vom 25. November 1912) ist bie Anordnung in ihren wesentlichen technischen Einzelheiten bereits besprochen unb mit Skizzen versehen worben. Sie be­steht im wesentlichen darin, baß burch einen zweiten unb drit­ten Draht da- ganze Flugzeug zu den seitlichen Ausschlägen befähigt wirb. Diese Hilsöbräbte bewirken das Ein drehen Stt Drachenflächen nach der Seite des gewollten Au-schlagS. Kon­struktiv bas Wesentliche an bem Zielbrachen ist. baß feine Hei­den Schulterbrachenflächen links unb rechts an das Mittel­gerüst des Drachens angelenkt finb in der Weise, wie wir «- von unseren Fahträdetn her kennen al- Lenkvorrichtung (schie­fer Sturz ber Vordergabel). Wirb bann der linke ober recht« Drahtzug unter gleichzeitiger Entlastung bei durch denselben Aufhängepunkt gehenden Hauptseils betätigt, so giert nach Art unserer Flußfähren das Flugzeug links oder rechts entspre­chend ab. Eine Zugabe handwerklicher Erleichterung ist in bem Umftanb zu erblicken, baß ein derartiger Zielbrachen lein« burch Rippen abgestcifte Flügel zu Haven braucht, vielmehr nur lose Scgclroänbc. Diese Gewichtsersparnis, Vte nicht zu unterschätzen ist, kommt her Auftriebskraft zu gute, bie umso leichter bie brei Klavierbrahtseile in di« kriegsmäßi­gen Höhen über 500 Meter hinaufnehmen kann.

Für die Schicßveifahren zu Wasser wie zu Lande sind solche manövrierfähigen Zieldrachen von unge­mein großem Nutzen für bie Ausbildung zu kriegsmäßigen Re­sultaten. Der nächste technische Fortschritt wäre ein selbst­tätiges Kreisen über einem gewissen Punkte der Erdober­fläche, die beiden Bewegungen zusammen genügen alsdann zur Darstellung eines beliebigen technischen Luftmanövers.

M. Baabe.

Drahtmekdungen.

Nachdruck, telcgravhilche oder tcicvhmliichc Rjetbreitung ist nur mit deutlich« Quellenangabe «FrN.Atg." geftattet.)

Zkrirmt-Nepeschen brr Frankfurter Zeitung.

M Rom, 12. Slug., 7.50 N. Der Streik in Rom wie in heu Provinzstähten versagt. (Vgl. Erstes Morgenblatt. D. Reh.) An einer Heute Vormittag Hier abgehaltenen Streik­versammlung beteiligten sich nur 600 Personen, von benen zwei Drittel seit mehreren Wochen arbeitslos unb infolgedessen in bitterster Not finb. Nach ber Versammlung kamen unter bem Eindruck ber von ben Gewerkschaftsführern gehaltenen Reben ba unb hort Unruhen vor. Ein Trambahnwagen würbe burch Steinwürfe beschädigt, ein hoher Offizier be« broht, ein kleiner Laben geplünbert. Die Polizei konnte überall rechtzeitig Schlimmeres verhüten; die Rädelsführer und ärgsten Krakehler würben verhaftet. Der AuSstanb kann als b e e n b e t betrachtet werben.

Molff's telrgrupdischrs CarrespoitLen; > Aureuu.

London, 12. Aug. Der internationale medizi­nische Kongreß ist heute geschlossen worben.

Lodz, 12. Slug. Die Arbeiter bet Baumwollspinnerei Louiö Heyer haben bie Arbeit zu beit alten Bebingungen wieder a u f g e n o m m e n.

Baku, 12. Aug. Der Streik hat einen großen Teil der Betriebe erfaßt. ES finb setzt über 1 3,000 Arbeiter a u S st ä n b i g. Die Ruhe ist nicht gestört worben.

Santiago be Chile, 12. Aug. (K. G.) Den K a in in ein liegt ein Entwurf vor, nach bem eine VerfassungS- änbetung bic Amtsbauer bes Piäsibentcn bei Repu­blik von 5 auf 7 unb bic ManbatSbauer für bic Senat fl­ieh von 6 auf 8, für bie Deputierten von 3 auf 4 Jahre erhöhen soll.__________ __ _

Lllftschiffaßrt.

m Aachen, 12. Aug. (Priv.-Tel.) Ter Flugapparat von D t« in armier erlitt kurz nach dem Start einen Defekt des -Beu« zinbehälters. Demarmier hat Monteure aus Pans zur Be- Hebung des Schabens bestellt.

GerichtsMrmg.

Ausschreitung gegen einen Vorgesetzten im Rausch.

lV Berlin, 12. Aug. (Priv.-Tel.) Eine i m Rausch b e - gangene Ausschreitung gegen einen Vorge« setzten hat für ben Gienabier Nystto von ber 7. Kom« panie bes Kaiser Alexanber-Garbe-Grenabier-Reglmentö recht schwere Folgen gehabt. Am Abenb be» 13. Juni würbe er nut 60 anderen Garbe-Grenabieren von bem Unterofftzitr F. nach bem Königl. Schausvielhauz geführt, wo bie Soldaten als Sta. listen fungieren sollten. Die Zwischenpausen benutzte, der An- geklagte dazu, um nach bei Kantine zu gehen unb bie Maik, bie er als Statist erhielt, zu vertrinken. Als bann bie Leute heimgeführt würben, war Nysito betrunken und fiel im ©lieb burch sein Schwanken unb unregelmäßiges Marschieren auf. In ber Kaserne angekommen, sollte cs dann zwischen bem Angeklagten unb bem Unteroffizier F. zu einem verhäng­nisvollen Ncnkontre kommen. Auf bem Flur ging Nyßto an F. heran, toäljrenb biefer mit bem aufsichiführenben Unteroffi­zier im Gespräch war unb rief, da», was F. sage, fei alles nicht wahr. Er wolle ihn, ben Angeklagten, nur an..... So

ein Polack. Man könne ihm doch nichts vormachen; er sei ein Oberschlesicr. Wenn er nicht unter sechs Augen mit F. sei, bann würbe er ihm etwas anbercS zeigen. Damit stellte er sich brohenb vor ben Vorgesetzten hin unb beachtete bie Befehle, cie man ihm gab, nicht, sondern schimpfte weiter auf ben Un­teroffizier F. ein. Sobann ging cr an ihn heran, legte bie linke Hanb auf feine Schulter unb holte, mit her Rechten aus, als ob er damit auf den Vorgesetzten einschlagen wolle. Unter­offizier F- trat aber fchnell zurück und bewahrte sich auf biefe Weife vor bem Faustschlag. Nysito, ber bann in seinem trutt» lenen Zustand noch weiter tobte, wurde schließlich abgeführt.

Gestern erklärte er, er wiffe nicht, was sich abgefpielt habe. ES fei ihm wohl noch in ber Erinnerung, daß er dem Unter­offizier gegenüber frech gewesen sei, baß er ihn aber angegrif­fen, wiffe er nicht, er fei dazu auch gar nicht fähig. Da« Kriegsgericht hatte feinerzeit bie Anklage wegen tät­lichen Angriffs fallen gelafien unb nur wegen AchlungSver- letzung in Verbinbung mit Drohung, Beleidigung unb Bebar- ren int Ungeborfam auf brei Monate Gefängnis erkannt. Der Gerichtsherr legte hiergegen Berufung beim Oberkriegsgericht bes Garbe-Korps ein unb verlangte Bestrafung wegen tat- lichen Angriffs. Der Vertreter ber Anklage beantragte in her gestrigen Sitzung aud) in biefem Sinne ein Jahr unb fechs Monate Gefängnis. Der Verteibiger bes Angeschulhig- ten führte bemgegenüber aus, haß Hier kein tätlicher Angriff vorliegen könne. Der Angeklagte Habe wohl gewußt, haß her verstorbene große Matkowsky vor her Vorstellung auch ein Quantum Alkohol zu sich zu nehmen pflegte, unb ba habe er, ber Angefchulhigte. ebenfalls vorher tüchtig Bier getrunken, um als Statist sicherer auftreten zu können. Ihm fei es aber übel bekommen. Man könne aber nicht mit einem tätlichen Angriff rechnen, fonbern ber Angeklagte habe in feinem Zu« stanb mit ber Hanb ziellos herumgefuchtelt und bem Unter« offizier plump vertraulich bie Linke auf bie Schulter gelegt. Das Oberkriegsgericht erblickte in dem Verhalten de» Nysito aber bod) einen tätlichen Angriff unb verurteilte ihn zu cinemJahrunbeinenMonatGesängniS, indem cs cittcit minder schweren Fall annahm.