Freitag, 5, JuLi 1929

73. Jahrgang. Ur. 494

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Frankfurt, 5. Juli.

Der neue sächsische Ministerpräsident Dr. Wilhelm Vünger hat gestern vor Sachsen. dem Landtag sein Programm ent­

wickelt. Es ist allerdings noch fraglich, ob er in der Lage sein wird, irgend etwas davon auszuführen. Vielleicht wird er als Ministerpräsident den nächsten Dienstag nicht überleben. Schon gestern sollte ein Mißtrauensantrag be­raten werden, der Landtag hatte mit 49 gegen 46 Stimmen beschlossen, sosort in die Diskussion einzutreten. Die Regierung erhob Einspruch, und im Verlaufe der Sitzung entschied der Präsident, daß der Mißtrauensantrag erst in der nächsten Woche verhandelt werden solle. Man ersteht schon aus diesem Momentbilde, daß sich die Situation auf des Messers Schneide befindet. In der Tat ist das ganze Ministerium Bünger ein Verlegenheitsprodukt, das sich, wie man annimmt, im besten Falle bis zum nächsten Winter halten könnte, aber auch dies nur aus dem Grunde, weil ein Ministerium, das eine längere Dauer verspräche, im Augenblick wohl überhaupt nicht gebildet werden kann. Die politischen Verhältnisse in Sachsen befinden sich im Stande eines Ueberganges.

Die sächsischen Landtagswahlen, die im Mai d. I. statt- fanden, haben das Bild des Landtags allerdings nicht sehr verändert, aber er war auch schon vorher in einer Dauerkrise. Von den 96 Abgeordneten verfügte das Kabinett Heldt nur über 49. Ihnen stand die Opposition der Sozialisten und der Kommunisten mit 45 Mandaten gegenüber. Die Mehrheit, auf die das Kabinett zählen konnte, war also sehr gering, woraus sich ein Zustand der Unsicherheit ergab, der sich häufig genug fühlbar machte. Man hat schon damals darauf hingewiesen, daß es nur einen Ausweg aus dieser Situation gebe, nämlich die Bildung der Großen Koalition. Dafür war aber die Sozial­demokratie nicht zu haben, und außerdem ist auch der damalige Ministerpräsident, der Altsozialist Heldt, ein Gegner dieses Gedankens gewesen. Er war es aus seiner Feindschaft gegen die Sozialdemokratie heraus, von der ja er und feine Freunde sich abgespaltet hatten, da sie den Radikalismus der sächsischen Sozialdemokratie mißbilligten. Herr Heldt hat in den Anfängen feiner staatsmännischen Tätigkeit ohne Zweifel verdienstlich gewirkt, da es ihm und seinem Vorgehen zu danken ist, daß Sachsen nach den Stürmen des Jahres 1923 die Ruhe wieder- gewann. Aber Herr Heldt entwickelte sich immer mehr nach rechts, und sein Kabinett wurde allmählich ein Kabinett der Rechten, als die Wirtschaftspartei und die Aufwertler und schließlich auch die Deutschnationalen eintraten. In dem Maße, als sich diese Schwenkung vollzog, entfernte er sich innerlich noch mehr von der Sozialdemokratischen Partei, so daß er nicht der Mann sein konnte, der den Gedanken der Großen Koalition gefördert hätte. Es ist übrigens fraglich, ob ein anderer Ministerpräsident in diesem Punkte erfolgreicher gewesen wäre. Die sächsische Sozialdemokratie scheint auch heute für die Große Koalition noch nicht ganz reif zu sein. Man nimmt allerdings an, daß sie es sehr bald sein werde. Verschiedene Gruppen, die sich bisher eines unentwegten Radikalismus befleißigt hatten, sind in der jüngsten Zeit doch anderer Ansicht geworden. Es liegen einige Resolutionen vor, die daraus schließen lassen, daß die sozialdemokratische Landtagsfraktion auf keine unüberwind­lichen Schwierigkeiten stoßen würde, wenn sie demnächst dem Gedanken der Großen Koalition näherträte. Uebrig bleibt die Frage, ob sie es tun wird. Kommt die Große Koalition zu­stande, dann hat ihr Ministerpräsident eine sichere Mehrheit.

Das Interessanteste an den letzten sächsischen Wahlen ist der Erfolg der Nationalsozialisten. Innerhalb eines Jahres, nämlich zwischen der Reichstagswahl von 1928 und der Land­tagswahl von 1929, hat sich ihre Stimmenzahl fast verdoppelt. Sie konnten 133 000 Stimmen auf sich vereinigen, bei den letzten Landtagswahlen im Jahre 1926 waren es um etwa 100 000 weniger. Die Gründe dieser Erscheinung mögen z. T. darin liegen, daß die Nationalsozialisten es gut verstehen, in ihrer Agitation die wirtschaftliche Not, in der sich beträchtliche Kreise bet Bevölkerung befinden, den Milliarden gegenüber­zustellen, die wir an das Ausland abführen müssen. Derartige Bilder wirken leicht auf Menschen, die keinen tieferen Einblick in die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge haben. Da nun einmal die Nationalsozialisten in Sachsen fünf Ab­geordnete zählen, die dort für eine Regierungsmehrheit in Be­

tracht kommen können, hätte man gewünscht, daß sie wenigstens, eine Zeitlang in den Genuß dieser Möglichkeit gelangt wären, denn es könnte wohl sein, daß schließlich andere mehr Genuß davon hätten als sie selber. Die Beteiligung an einer verant­wortlichen Tätigkeit räumt immer eine ganze Menge der demagogischen Phrasen hinweg, mit denen solche Politiker in die Höhe kommen. Das hat sich auch in Sachsen sogleich ge­zeigt, als die Nationalsozialisten die Bedingungen bekannt gaben, unter denen sie die Negierung unterstützen würden. Ein Teil ihrer Forderungen ist zwar nicht durchführbar; denn man kann die Arbeitslosigkeit nicht einfach beheben, und die Finanzen Sachsens würden über den Hausen geworfen, wenn die Miet- fteuer vollständig für Wohnbauzwecke in Anspruch genommen würde. Aber im ganzen sind die Forderungen der National­sozialisten durchaus zivil, so daß sich aus einer furchtbar revo­lutionären Gruppe eine domestizierte Partei ergab, als sie mit­reden wollte. Es ist freilich eine andere Frage, wie sie sich ver­halten würde, wenn sie nicht innerhalb des Parlamentarismus bleiben müßte, sondern diktatorisch vorgehen könnte. Ein wenig diktatorisch sind sie übrigens auch jetzt aufgetreten; denn sie verlangten bündig, daß der Ministerpräsident den Demokraten Dr. Apelt aus dem Innenministerium entferne. Dr. Bänger hat sich dieser Forderung tatsächlich unterworfen, er hat die Demokraten gebeten, ein anderes Ministerium in Empfang zu nehmen. Das haben sie abgelehnt, da sie durchaus nicht gewillt sind, auf ein Ministerium, das sie seit Jahren innehaben, nur deshalb zu verzichten, weil die Nationalsozialisten gegen einen Innenminister sind, der den Oberland- und den Winkingbund in Sachsen verboten hat. Weitere Konsequenzen wollen die Demo­kraten nicht ziehen. Sie können das um so leichter, als diese ganze Aktion der Regierungsbildung zu einem Reinfall geführt hat. Dem volksparteilichen Ministerpräsidenten ist, nachdem er für die Nationalsozialisten optiert hatte, ein Schlag ins Büro zuteil geworden, der für ihn und seine Partei ebenso peinlich wie für andere unterhaltsam ist: die Nationalsozialisten haben plötzlich den Sozialdemokraten und den Kommunisten ein Bündnis angeboten.

Es ist nicht dos erste Mal daß derartiges geschehen ist. Der Brief des Herrn von Mücke erinnert baran, daß dieselbe Frage schon einmal gespielt hast und daß ihm damals Zu­sicherungen gemacht worden seien, die es den National­sozialisten ermöglicht hätten, eine von den sozialistischen Par­teien gebildete Regierung zu unterstützen. Herr von Mücke teilt mit, daß seine Freunde auch jetzt zu einer solchen Kombina­tion bereit wären, da die Regierung Bünger wohl kaum lebensfähig fei. Obgleich dieses Schreiben als vertraulich bezeichnet war, haben die Kommunisten es doch veröffentlicht. Das läßt darauf schließen, daß sie die Möglichkeit der vor­geschlagenen Kombination nicht mehr als gegeben ansehen. Vielleicht liegt dies weniger an ihnen als an den Sozialdemo­kraten, nämlich an den veränderten Stimmungen, die wir schon erwähnt haben. Jedenfalls aber ist das Angebot, das die Nationalsozialisten den beiden Parteien der Linken ge­macht haben, eine Brüskierung des sächsischen Ministet- prästdenten und seiner Partei. Symptomatisch kann es auch noch etwas anderes fein. Man hat schon betont, daß die radikale Rechte und die radikale Linke sich in den Regionen des Empfindens näherstehen mögen, als sie selber wissen. Um so wichtiger ist es, daß sich diejenigen, die eine Politik nicht bloß mit Gefühlen, sondern auch mit dem Verstände machen, zu einer Kameradschaft zusammenfinden.

Erneutes Aufsiackeru der retrgrsseu Uuruhen in Meriko.

Mexiko, 5. Juli. (Europapreß.) Trotz des kürzlich zwischen dem Vatikan und der mexikanischen Regierung abgeschlossenen Abkommens über die Beilegung des Religionskonflikts haben sich neue Kämpfe zwischen den Bundestruppen und den Christeros ereignet. Nach einem beim Kriegsministerium eingegangenen Be­richt wurden in Zentral mexiko die Bundestruppen von Aufständischen unter dem Befehl des Katholikenführers Pedrezo üb erfüll en. Die Vundestruppen schlugen die Angreifer nach heftigem Gefecht in die Flucht. Pedtezo wurde gefangen genommen und sofort standrechtlich erschossen.

Schwere Unwetter

100 Fensterscheiben an fahrenden Eisenbahnzügen zer- Ernte vernichtet. Tote auf dem Chiemsee.

Knyern. >

G München, 5. Juli. Ein kurzes, aber schweres Unwetter hat in Bayern große Verheerungen angerichtet und eine Anzahl Menschenleben gefordert. In München, wo um 17 Uhr heftige - Finsternis herrschte, wurden Bäume umgerissen, Keller über­schwemmt, der Straßenverkehr unterbrochen, Fenster vom Hagel zerschlagen und dabei auch Personen verletzt. Auf dem Lande richtete das Unwetter größere Verwüstungen an. Heuwagen wurden umgeworfen und Licht- und Telephonleitungen zerstört. In der Oberpfalz wurden zwei Männer und eine Frau, bei Nördlingen ein neunjähriger Knabe durch Blitz- oder Hagelschlag getötet. Ebenso fiel eine große Anzahl Tiere dem Unwetter zum Opfer. Zahlreiche Personen wurden vom Hagel verletzt. Elektrische Bahn­strecken mußten mit Dampf befahren werden. An fahrenden Zügen aus der Richtung Berlin, Augsburg und Lichtenfels wurden über hundert Fensterscheiben zertrümmert und Reisende verletzt. Der Start des Verkehrsflugzeuges MünchenReichenhall unterblieb, dagegen gelang es der planmäßigen Maschine Frank­furtMünchen, vor der Gewitterfront herfliegend, München pünkt­lich zu erreichen. An der Bergbahn auf dem Predigtstuhl bei Reichenhall wurde sofort der Betrieb eingestellt, und die Reisenden mußten auf der Gondel a b g e s e i l t werden; der Sturm hob das Montagehilfsseil aus den Lagern, doch konnte der Betrieb abends wieder ausgenommen werden. Ein Großfeuer legte den 40 Ein­wohner zählenden Ort Seehaus im Chiemgau völlig in Asche.

Aus dem Chiemsee herrschten Wirbelstürme, die das Waffer 30 Meter hoch peitschten. Zwei 40-Quadratmeter-Schärenkreuzer und vier Nationale Jollen der Hanseatischen Jachtschule gerieten in den Sturm. Die Kreuzer konnten unter Segel an Land kommen, die Jollen dagegen, die segellos treiben mußten, kenterten; von der insgesamt 12 Mann starken Besatzung sind zwei, die beiden Berliner Oberprimaner Dewitt und Scheffler, ertrunken.

Nürnberg, 4. Juli. (Wolff.) Das Städtchen Altdorf und Umgebung wurden von einer schweren Hagelkatastrophe heimgesucht. Um %15 Uhr verfinsterte sich der Himmel. Ans den von Westen heranziehenden grauen Wolken gingen ungefähr sieben Minuten lang Schloßen in der Größe von Tauben - und Hühner­eiern nieder. In Altdorf selbst floß das Wasser, große Eis- und Schuttmassen mit sich führend, meterhoch durch die Stra­ßen. Die auf dem Felde arbeitenden Personen hatten durch die großen Eisstücke blutende Wunden und starke Beulen davongetragen. Die Pferde waren durch den Hagelschlag über und über mit Beulen besät und r a ft e n mit Gerät und Wagen in ihrem Schmerz davon durch die Straßen der Stadt. Etwa 40 Personen suchten ärztliche Hilfe auf. Der Gebäudeschaden ist sehr groß. Die Ernte ist vernichtet. Kräftige Bäume wurden vom Wirbelwind in der Mitte umgedreht und ihre Kronen bis zu 30 Meter weit fortgeschlendert. Auch wurden viele Bäume entwurzelt. Fast nie­mand ist gegen Hagelschlag versichert. In der Gemarkung Rohrn- stadt wurde ein Ehepaar, das ein Rindergespann an einer Kette festhielt, vom Blitz erschlagen. Viele Vögel, Wild sowie Hunderte von Gänsen wurden von den Eisstücken erschlagen.

Nürnberg, 4. Juli. (Wolff.) Heute nachmittag ging zwischen Oberölsbach und Altdorf ein furchtbares Hagelunwetter

Der ischechrsch-rmgarische Streit.

Die gegenseitigen Darstellungen.

(Privattelegramm derFrankfurter Zeitung*.)

w Prag, 4- Juli. In der Lage des ungarisch-tschecho­slowakischen Zwischenfalls ist am heutigen Tage keine Aenderung eingetreten. In den hiesigen maßgebenden Kreisen ist man der Auffassung, daß die Angelegenheit, obwohl sie vielfach aufgebauscht werde, nicht völlig im Sande verlaufen könne, weil durch die Verhaftung des Eisenbahnbeamten die internationalen Verkehrsabkommen in Gefahr gebracht worden feien und durch eine nicht konsequente Erledigung des Falles ein Präjudiz für die Zu­kunft geschaffen würde. Man beharrt daher darauf, daß Ungarn eine Genugtuung geben müsse, die in Garantien dafür gelegen wäre, daß ein solcher Fall sich nicht wiederholen würde. Die von tschechoslowakischer Seite in Budapest erhobene Forderung ist nicht befristet. Charakteristisch ist, daß bei den derzeit mit Deutsch­land über das gleiche Problem schwebenden Verhandlungen von deutscher Seite besondere exterritoriale Rechte für die in der Tschechoslowakei tätigen Reichsbeamten gefordert werden, während

über Deutschland.

trümmert. Blutende Wunden durch Hagelschlag. Windhosen tragen Dienstmädchen durch die Lüft.

nieder. Die riesigen Hagelschlossen fielen so dicht, daß die unter­wegs befindlichen Landleute Beulen erhielten und vielfach verletzt wurden. Der Schaden ist unübersehbar, da die ganze E r n t e weit und breit vernichtet ist. Die Hagelschlossen liegen auf den Straßen etwa 30 Zentimeter hoch. Dicke Bäume wurden von dem Unwetter entwurzelt und sperren den Verkehr.

MirEemberg.

= Stuttgart, 5. Juli. (Priv.-Tel.) In der Nacht vom Mitt­woch auf Donnerstag gingen über Stuttgart und anderen Teilen des Landes heftige Gewitter nieder, verbunden mit Sturm, 'Hagel- Ichlag und teilweise wolkenbruchartigen Regengüssen. Die Gewit­terkatastrophe dehnte sich bis in den späten Nachmittag des Don­nerstag aus und war fast in allen Teilen des Landes spürbar. Am schlimmsten scheint das Unwetter in Hohen- Entringen im Oberamt Herrenberg gehaust zu haben, wo ein Wirbelsturm an Gebäuden, Gärten und Feldern schweren Scha­den anrichtete.

Ein Dienstmädchen wurde dort von einem Wirbel 20 bis 30 Mir. durch die Lust geschleudert.

Auch vom Schwarzwald, von der Ulmer und Ellwanger Gegend werden schwere Gewitterschäden gemeldet. Es sind viele Blitzschläge, teilweise auch mit Zündung vorgekommen. Der Scha­den, besonders au Obst und Getreide, ist bedeutend.

N ordert.

Berlin, 5. Juli. (Priv.-Tel.) Gestern nachmittag fegte über das zehn Kilometer von Havelberg gelegene große Dorf Kühlhaus en eine Windhose hinweg, die große Ver­wüstungen anrichtete. Dächer von Wohnhäusern, Scheunen und Ställen wurden in. die Luft gehoben und stürzten krachend nieder. Zwei Mägde, die auf dem Felde Heu aufluden, wurden zehn Meter weit von dem Wind toeggetragen.

Liegnitz, 4. Juli. (Wolff.) Donnerstag gegen 19 Uhr bildete sich nach einem sehr heißen Nachmittage über Liegnitz eine Wind­hose, die in den Parkanlagen große Verwüstungen anrichtete. In der Piastenstraße drehte der Wirbelwind einen Baumriefen völlig heraus; im Stürzen durchschlug der Baum die elektrische Leitung und knickte einen eisernen Mast wie ein Streichholz. Die Feuerwehr mußte bis zum Herabnehmen der Leitungen die Gegend absperren. Im berühmten Liegnitzer Palnenhain wurden zahlreiche Palmen umgerissen. Die Verheerungen waren das Werk weniger Minuten. Die Gewalt des Sturmes war so groß, daß vor der Hauptpost Menschen förmlich in die Luft gehoben wurden. Ein Radfahrer wurde auf das Straßenpflaster geworfen und verletzt. In der neunten Abendstunde setzten stundenlange schwere Gewitter mit großen Niederschlägen ein, die Keller und ganze Straßenteile überschwemmten. Vis jetzt laßt sich der Umfang des Schadens noch nicht übersehen.

Rheinland.

Krefeld, 4. Juli. (Wolff.) Ein außerordentlich heftiges Ge­witter, das sich hier nachmittags entlud, hat beträchtlichen Schaden angerichtet. Die Feuerwehr wurde in fast 300 Fällen alarmiert, da zahlreiche Keller bis zu zwei Meter doch vollgelaufen waren. Einzelne Straßen glichen einem See. Mächtige Kastanienbäurne wurden entwurzelt und auf die Oberleitung der Straßen­bahn geworfen, die dadurch an vielen Stellen zerstört wurde. Auf der Vogelwiese wurden zahlreiche Verkaufsbuden um» geworfen. >

die Tschechoslowakei diesen Beamten nur die gleichen Rechte ein­zuräumen bereit ist, wie sie im Vertrag mit Ungarn sestgelegt sind.

Außenminister Dr. Benesch hat am heutigen Ministerrat nicht teilgenommen, wenngleich er noch in Prag auf Urlaub weilt. Der ungarische Gesandte in Prag, der in Budapest weilte, ist heute nach Prag zurückgekehrt. Die Verhandlungen über den Konflikt werden in Budapest geführt, wo man damit rechnet, daß der Zwischenfall zu keinen politischen Weiterungen führen werde. In Budapest wird erklärt, es müsse nunmehr die Pragei Regierung die Gründe darlegen, weshalb sie die ungarische Ant­wort nicht für befriedigend halte. Solange dies nicht geschehen sei, könnten sich die maßgebenden Faktoren in Budapest über bett Fall nicht näher äußern. Im Prager Außenministerium wird hin­gegen erklärt, daß das ungarische Außenministerium weder die Gründe noch die Art der Verhaftung erläutert ober gerechtfertigt habe. Man erwartet in Prag die ungarische Antwort wegen der Art der Verhaftung ab. Es wird hier darauf verwiesen, daß es im eigenen Interesse Budapests liegt, eine möglichst rasche und befrie­digende Artwort zu erteilen.

h Budapest, 4. Juli. Der Zwischenfall von Hidasnemeti wird in der ungarischen Presse mit größter Zurückhaltung er-

Mttredm üöer die Weichsverfassung.

In Berlin fings an vergangenes Jahr. Heuer reden sie schon über ganz Deutschland hin wett. Wir Frankfurter erlebten dieser Tage das Ausscheidungsrennen der Provinz Hessen-Nassau.

Zwei bis drei Dutzend Jungen und Mädel der Ober­klassen höherer Schulen äußern sich zu der Frage:Welche Aus­gaben stellt die Verfassung der Jugend?"

Manche halten brave Klaffenvorträge, manche donnern richtige Volksversammlungsreden. Beides kann ganz am Platze und Schülern gemäss sein. Nur steht es hier vielen von ihnen nicht echt zu Gesicht.

Ein paar Echte sind auch darunter, die eigene Gedanken ent­weder ganz einfach fachlich vortragen oder sie explosiv im Rausch der Jugend hinausstohen. Werden sie von den Preisrichtern höher gewertet werden als die Zuchtgewächse, bei denen hinter jedem Gedanken, jeder Phrase, jeder Gebärde Lehrer oder Eltern sichtbar werden?

Fasse ich jeden für sich ins Auge von den Jungens und Mädels, so sind sie fast alle prachtvolle Kerle, und das Herz freut sich über Deutschlands kommende Generation. Aber als Gruppe der Teil­nehmer dieses Wettredens Machen sie einen traurig. Ihre Frische und Leistungskraft, ihr heißer Eifer wird eingespannt in eine Ver­anstaltung, die ihnen allen irgendwie nicht recht gemäß ist.

Der Drang, die eigenen Kräfte mit anderen zu messen, sitzt gewiß in den meisten von uns und zumal in der Jugend. Aber gilt es nicht erst, Kräfte zu üben, ehe sie öffentlich gemessen werden? Wo in Deutschland haben wir bisher die Kunst der Rede ernsthaft geübt und gelehrt? Damit hätten wir wohl be­ginnen sollen, und in ein paar Jabren würde solches Wettreden etwas weniger Verkrampftes gehabt haben. Heute liegt noch ein Dunst von Unwahrhaftigkeit mindestens über einem Teil dieser Veranstaltung. Es liegt auch eine Unbilligkeit in ihrem Vergleich zwischen Großstadtjugend und der aus der eigentlichen Provinz. Der frappante Vorsprung, den die Frankfurter Schüler hier aufweifen, ist ja nicht ihr persönliches Verdienst, sondern Auswirkung ihrer täglichen Umwelt. Üeberdies braucht der Vorsprung an Redegewandtheit keineswegs einen Vorsprung an Lebenstüchtigkeit zu bedeuten.

Wenn nun aber schon weiter gemettrebet werden soll, muß es bann Jahr für Jahr das Grundgesetz des deutschen Volkes fein, an dem Geist- und Redesport liebende Jugend ihre Kletter- iünfte mißt?

Die Reichsverfassung sollte gewiß alle jungen Deutschen einen n Verehrung und Begeisterung. Aber wir wissen genau, daß sie V heute noch nicht tut Welche Versuchung liegt in solchem Wettbewerb, Gefühle und Gedanken zu heucheln, die nicht überall /rhanden sind, aber zur Errinonug eines Preises dienlich scheinen. Wo die Verfassung nicht von selbst in die Herzen der Jugend

hineinwächst, wird diese Zweckoerwendung sie auch nicht Wurzel schlagen lassen. Sie ist gewiß auf dem Wege, hineinzuwachsen. Republik und die Grundgedanken der Demokratie fangen an, dem größeren Teil der hier versammelten Jugend selbstverständliches Gut und freigewähltes Ideal zu werden. Bei anderen spürt man den Zwang, den sie sich antun..^Luweilen bäumt sich bei dem einen, dem andern der innere Stolz ein wenig auf, und diesen Jungen, gerade ihnen, würde auch der Republikaner gerne die Hand drücken. Ihm ist die Verfassung zu heilig, als daß er sehen möchte, wie sie jungen Menschen zum Zwang oder zur Versuchung werde. Cdt.

Waröurg.

Von Friedrich Kayßler.

Wir haben den berühmten Schauspieler, der jetzt in Marburg in den Freilichtspiolen von SchillersToll" die Titelrolle spielte, gebeten, seine Eindrücke über Stadt und Spiel niederzuschreiben. Red.

Die Marb u r g e rT ell"- F e sts p i e l e gehören zu meinen reinsten Theatererinnerungen. Leicht könnte sich, wie so oft im Leben, in der Erinnerung ein Kontrast einfteHen:das herrliche Marburg, aber . . . ., wenn die Arbeit nicht gewesen wäre." O nein, hier floß alles, harmonisch ineinander. Die wahrhaft schöne Stadt, deshalb wahrhaft schön, weil ihr Reiz nicht für sich be­sieht, sondern sich aus dem Rund der Landschaft ergibt, sich aus diesem Meer von Tausendgrün, aus dieser urdeutschen Me­lodie von Wiesen-, Mehren- und Bäume-Wogen ausbaut, sie krönt, von denen jede Erdwelle eine andere Art von Waldwoge fingt, hellere und dunklere Rhythmen, aus Blumen, Halmen und Wipfeln diese Stadt ist, wie selten eine, geschaffen, Fest- spiele im echten Sinne zu feiern. Sie zieht weit ins Land und bewahrt doch jene Stille, die nötig ist, um unbekümmert etwas aufzubauen, weil man selbst es schön findet, nicht weil etwas Mode ist.

Diesen Sinn sprechen die drei hohen gotischen Bogen aus, die über der Bühne stehen. Sie sind ein Symbol; als Linien: Feier­lichkeit ohne Pathos, ineinandergefügte Hände zum blauen Him­mels gehoben; als Architektur: schwebende Leichtigkeit, Durch­sichtigkeit: die Landschaft kann überall herein in das Wesen der Kunst, die hier dargestellt wird. So ist auch das Publikum: fest­lich gekleidete Menschen von heute, ehrwürdige Landestrachten von ehedem, bunte Mützen von Kindern und Studenten; das Bild einer Volkseinheit im schönen Sinn.

Dor solchen Zusammenhängen fügt sich von selbst Harmonie künstlerischer Arbeit, freundlicher Bindung der Menschen und Künstler im Kreisbild der Sache. So könnten echt gewachsene Landesfestspiele Erzieher werden für den verirrten Theatergeist der Städte, ihn zurückführen zum Ensemble-Gedanken, zur Kon­zentration.

Inmitten von Washington.

toe Washington, Ende Juni.

Georgetown ist ein ergänzender Bestandteil Washingtons, dem er offiziell und politisch, geographisch und städtisch angehört. Und doch. Georgetown ist nicht Washington, Georgetown ist Georgetown und will und wird wohl nie etwas anderes sein. Es ist ein Bezirk, der seltsamerweise vom Tempo der Zeit, dem auch Washington feine phänomenale Entwicklung verdankt, unberührt geblieben ist.

Das Zentrum der Bundeshauptstadt mit feinen großartigen Straßenzügen ist im letzten Jahrzehnt von einer Flut von Neu­bauten Hotels, Appartements, offiziellen Gebäuden förmlich überschwemmt worden. Georgetown hat diese Entwicklung nicht zu spüren bekommen. Es hat sich eineOld Tinic"-Atmosphäre be­wahrt, istunfortschrittlich" geblieben.

Georgetown kennt keine Hochhäuser, Gebäude mit mehr als vier Stockwerken sind selten. Bauten mit fünf oder gar sechs Etagen gibt es nicht. Selbst die größeren Familienhäuser wirken klein, wenn man an sie den Maßstab der Wohnhäuser des größeren Washington anlegt, besonders weil sie weder massiv noch monu­mental sind. Ein Häuserblock von der üblichen amerikanischen Dimension würde für das zierliche Georgetown eine gar nicht zu ihm passende schwere Bürde bedeuten. Ringsum um Georgetown wächst die Hauptstadt, aber sie läßt mit ihrer Standardisierung diesen Kulturflecken unberührt und gestattet ihm, seine charakte­ristische Individualität zu wahren. Wer sich Verständnis für solche Eigenart bewahrt hat, zollt der kleinen Stadtgemeinde gern seinen Tribut.

Der Historiker, der die Geschichte der Bundeshauptstadt schreibt, wird gewiß die tieferen Ursachen entdecken, weshalb Washington seiner großstädtischen Entwicklung ein energisches Halt gebot, als diese westwärts gerichtet, vor den Toren Georgetowns zum Stehen kam. Weshalb mag diese sich entwickelnde Großstadt das kleine Georgetown nicht einfach überrannt haben?

Georgetown hat seinen Anteil an der Geschichte Washingtons seit den Tagen, da der Kongreß seine Zugehörigkeit zur Bundes­hauptstadt verfügte. In jenen Tagen nannte man Georgetown dasCourt End" Washingtons. Heute erinnert sich die Haupt­stadt dankbar des Viertels, dem sie zum Teil ihre historische Ent­wicklung verdankt. Um und in Georgetown steht noch etwas von der romantischen Vergangenheit. Wandert man in diesen Früh­lingstagen durch seine stillen Straßen, dann vergißt man, daß nur die Breite einerTraffic High Road", dieses Idyll von der.lär- menden Verkehrsader trennt, die zu einem Kernpunkt bet großen Welt führt. Diese große Verkehrsstraße ist die Passage nach Maryland und Virginien.

Rian glaube aber nicht, daß die vorbeirasenden Autos alle dem

Zentrum Washington zustreben. Die aus den Nachbarstaaten kommenden Wagen wollen nach Georgetown und nicht nach Washington. Von Generation auf Generationen hat es sich ver­erbt, daß Georgetown der Marktflecken für Virginien und Mary- land ist, und daran hat bis auf den heutigen Tagkein Zug der Zeit" und keine örtliche Verschiebung desShopping"-Distriktes etwas ändern können.

Die alphabetische Straßenbezeichnung hat der Romantik George- towns viel geraubt, aber der Hauch der alten Zeiten geht immer noch von diesen alten, kleinen, unscheinbaren Häuschen aus, von denen jedes seine Geschichte hat. Hier haben die Ahnen jener amerikanischen Geschlechter gewohnt, die mit Stolz sagen dürfen, daß ihre Vorfahren mithalfen, die Geschichte der Vereinigten Staaten in den Tagen des Entstehens zu schreiben. Hier hatte um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts Benjamin °Stoddart, der spätere erste Marine-Sckretär des Landes, zur Zeit Kaufmann in Georgetown, sein Wohnhaus. Aus dem Hügel liegtTudor

b sFricda Richard als GastZ Tie Art von Gesellschasts- stücken, wieW.Somerset Maughams Schauspiel:D i e h e i l i g e Flamme", das man eben im Neuen Theater sehen kann, müßte bei uns selber hergestellt werden, um eine Wirkung haben zu kön­nen. _ Die brci~ Akte sehen ganz so aus, als zeigten sie einen menschlichen" Fall, und sie zeigen lediglich einen englischen.. Die Geschichte von der Mutter, die ihren unheilbar kranken (Kriegs­verletzten) Sohn tötet, um ihn vor der Enttäuschung zu bewah­ren, daß ihn seine Frau nicht mehr liebt, ist für uns denkbar, aber nicht gegenständlich, möglich, aber gleichgültig, betrachtbar aber kaum rührend. Warum? Sollte es eine solche Mutter bei uns nicht geben? Vielleicht, meine ich, gibt es sie unter uns wie über­all, aber die Konstruktion der Handlung, aus der erst sichtbar wird, was der Autor zeigen will, ist hierzulande fremd und das Deutsch', das von der Bühne herunterspricht, ist, wenn auch kein englisch mehr, eine Art Esperanto. So bleibt also die Gestalt der Mutier und ihre Darstellerin, Frieda Richard als Gast aus Berlin Der Beifall, der gestern am Schluß der Vorstellung gespendet wurde' galt ihr und der Rolle. So leidenschaftlich und so klug wie diese alte Dame ist unsereiner nicht alle Sage; diese menschliche Mischung aus Temperament und Charakter verblüffte; ja, sie rührte sogar. Vielleicht hätte Frau Richard, wo sie schon'so ruhig, fast :alt zu parlieren hatte, etwas weniger ruhig dasitzen dürfen- eine Statue ist sie bereits durch den Autor. Die Mitspieler, die Herren Nürnberger, Costa, Jensen und Massarek gaben sieh so englflch wie möglich; Fräulein Lehmann-Haupt im ersten Akt unsicher, hatte im letzten schöne Momente. Nur sich über die Bühne spielen, von einem Platz zum andern gehen (auf iwei Beinen gehen) konnte sie seltsamerweise nicht. Tie Reg'" Chmelnitzky hätte das Tempo der Auffübruno etwas be­wegter zu halten gehabt.