Iwrrnmlige Ansgabe

81. Jahrgang

Nr. 5S

SO l?t<*

Morgendlatl

Montag,^. Februar 1937

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Berrtadet res Leopold Sonnemana

Die große Rede.

Zur Ermöglichung eines besseren Zusammenlebens . *

H K Berlin, 31. Januqr.

Ich will/ so sagte der Führer und Reichskanzler in seiner Rede,eine Stellung zu jenen P r o b l e m e n und Aufgaben nehmen, bereit Bedeutung uns und unserer Umwelt zur Er­möglichung eines besseren Zusammenlebens klar sein muß." Somit war von vornherein der Sinn und das Ziel dieser hoch- bedeutsamen Ansprache klargestellt: Hier handelte es sich nicht darum, einen neuen Friedensplan aufzustellen und Vertrags­entwürfe zu verkünden, sondern nur darum, die leider noch immer fehlenden Voraussetzungen der erstrebten Zusammen­arbeit schaffen zu helfen: ein besseres Verstehen der Absichten, der Verhältnisse und der diesen Singen innewohnenden Schwierigkeiten. Sowohl jene für deutsche Ohren wenig erfreu­liche Rede des englischen Außenministers wie die in ihrem Ton glücklicheren Ausführungen des französischen Ministerpräsiden­ten hatten ja durch die Art gewisser übrigens äußerst vage gehaltenen Vorschläge aufs neue bewiesen, daß die Klärung der Geister und der Ziele n o ch keineswe gs genügend fortgeschritten ist. Ueberdies konnte ein nationaler An­laß, wie die Begehung des 30. Januar, unmöglich die Gelegen- heil sein, an die Stelle diplomatischer Aufklärungsarbeit neue Formeln zu setzen, Formeln, auf die manche ausländischen Politiker um so sehnlicher warten, weil sie glauben, daraus ein -neues Paragraphennetz für Deutschland machen zu können. Schließlich konnte Adolf Hitler daraus verweisen, wie oft er nun schon greifbare praktische Vorschläge gemacht hat, die teils ausdrücklich abgelehnt, teils durch diplomatische Unternehmun­gen durchkreuzt, teils mit Stillschweigen übergangen worden sind. Man kann vom Führer des Deutschen Reiches wirklich nicht erwarten, daß er jedes Jahr einen neuen Frie­densplan entwerfe, der sich jeweils dem veränderten Geschmack der Umwelt anpaßt. Indem Adolf Hitler aber immer wieder das Friedensproblem von seiner grundsätzlichen Seite her auf­rollt, indem er die öffentliche Meinung zwingt, sich des Kerns der Dinge zu erinnern, anstatt der papiernen Formeln, die sich die Diplomaten so häufig anlegen, drängt sich ihm zwar ,die Notwendigkeit auf, auch das Trennende deutlich aufzu­zeigen, aber er leistet, wie uns scheint, dadurch der sachlichen Entwicklung einen erheblich größeren Dienst, als er ihn durch ein geschicktes Hinweggleiten über die fundamentalen Schwie­rigkeiten je zu leisten vermöchte.

Zusammenarbeit stattU c b err a s ch u n ge n".

lieber ein Dutzend Jahre ist die Methode des Verhüllens und Beschönigens vergeblich versucht worden feit man zumplain spea.king" überging, sind immerhin Fortschritte erzielt worden. Zum nicht geringen Teil freilich mußte die Reichsregierung ganz einfach handeln, um zum Ziel zu - kommen. Niemand, der früher seine MUwirku»H ve r sagte, bat das Recht, sich über die deutsche Methode zu heklagen. In­dessen:Die Epoche der Ueberraschungen ist nunmehr abge­schlossen." Durch die feierliche Zurückziehung der_ erpreßten Unterschrift unter den Kriegsschuld-Paragraphen sand diese Epoche ihre von jedem Deutschen mit tiefer Genugtuung emp­fundene Krönung. Zugleich aber ihr Ende! Die Bedeutung dieser Erklärung Adolf Hitlers ist im Ausland erfreulicher­weise- vollauf erkannt worden. Wiederum ist vom Führer und Reichskanzler der deutsche Wille zum Frieden und die Bereitschaft zu politischer und wirtschaftlicher Zusam­menarbeit mit beredten, ganz eindeutigen Worten proklamiert worden. In die Einzelheiten der diplomatischen Fragen, die zwischen den Hauptländcrn zur Erörterung stehen, ist'Adolf Hitler jedoch nicht eingetreten.

Paris und London.

Diese beiden Tatsachen führten in Paris dazu^daß für die Orientierung der öffentlichen Meinung das Stichwort ausgegehen wurde: keine Türe sei geschlossen, aber auch keine neue geöffnet worden.^Jn welcher Weise sich die franzö­sische Presse dieses Stichwortes bediente, zeigen unsere Pariser Berichte. In London hat man offenbar zu­nächst darauf verzichtet, eine offiziöse Parole auszu­geben wer die nötige Phantasie hat, kann sich heute voc- stellen, wie Mr. Eden die Hitler-Rede nicht ohne eine gewisse Verlegenheit, aber wohl mit der Absicht studiert, ihr gerecht zu werden. Die Darstellung unseres Londoner Korresponden­ten zeigt allerdings, daß es Leute gibt, die in England nun das WortEnttäuschung" in die öffentliche, Meinung hinein- manövrieren möchten. Sic zeigt auch, daß in wachsendem Maß die Kolonialfrage in den Mittelpunkt der deutsch-eng­lischen Diskussion getreten ist und welche Unbequemlich­keit sie den Engländern bereitet, die vielleicht gehofft hatten, künftig nicht weiter an ihr schlechtes Gewissen erinnert zu werden.

Studium notwendig'

In dieser langen Rede des Führers gibt es keinen Ab­schnitt, dessen sorgfältiges Studium gerade auch für das Aus­land nicht von der größten Wichtigkeit sein müßte. Es wäre sehr schade, wenn die ausländischen Beobachter sich auf den mehr außenpolitischen Teil beschränkten. Der deutsche Weg: der Weg des Nationalsozialismus, ist von Adolf Hitler wieder mit einer Klarheit aufgezeigt worden, die Gedanken und Ziele der nationalsozialistischen Anschauung wurden so deutlich enthüllt, daß selbst das eigene Volk glauben könnte, sie vorher noch gar nicht richtig begriffen zu haben. Der Schöpfer der Bewegung zeigt sich bei solchen Anlässen auch immer als der Meister ihrer Darstellung und Ausdeutung, ob er nun über Revolution unb Evolution, über ben Sinn der Rassenlehre unb ber Volks­gemeinschaft, oder über seinen Stanbpunkt zur Wirtschaft rede. Er lenkt phrasenlos den Blick dahin, wohin es allein zu sehen lohnt. Der Umwelt drängt er sich dabei nicht auf, aber er wünscht verstanden z u werden, so wie er zu ver­stehen versucht. Daraus ergibt sich eine Tonart, die draußen als freundlich unb versöhnlich erkannt wirb, wenn auch nicht von allen, am wenigsten von benen, gegen bie er sich erneut mit Schärfe wandte, weil ihre Lügenfeldzüge kein Ende nehmen. In der Tat: T«s Ablassen von dieser lügnerischen Völkerver­hetzung gehört zu den Grundbedingungen jeder internationalen Verständigung.

Gin neues Kapitel.

Der Führer des Reiches hat viel von den Grundbedingun­gen einer europäischen Zusammenarbeit gesprochen. Tie wich­tigsten hat er ausdrücklich formuliert. Er hat dabei mit einer Deutlichkeit, der auf die Dauer ber Erfolg nicht versagt bleiben kann, erklärt, wie sich ihm bei der Machtergreifung bie Situa­tion barstellte: daß <r fühlte, nur mit Unerbittlichkeit das Befreiungswerk durchführen zu können. Daß aber nun nach der Sprengung der Fesseln vom Versailler Vertrag, nach ber Wiedererlangung der Wehrfreiheit und der vollenWiederher­stellung ber deutschen Ehre" ein neues Kapitel der euro­päischen Geschichte beginnen kann. Das wird keine Epoche sein, in der ein papierner Pakt auf den andern getürmt werden soll, aber es wird eine Epoclze sein, in ber keine unheilvoll: Scheinlösung den Frieden Europas verhindert, indem

erpreßte Unterschriften unter vergiftende Diktate gesetzt werden. An dieser wichtigen Stelle seiner Rede erwähnte der Führer und Reichskanzler auch jenen Londoner Fragebogen, der gewissermaßen noch an ber Schwelle zwisäien jener alten und dieser neuen Epoche entstanden war, in gutem Glauben, wie der Führer anerkannte, aber doch ohne Gefühl für die Er­fordernisse der neuen Zeit.

Respekt vor den Lebensnotwendigkeiten.

Um dieser neuen Zeit einen Sinn und eine moralische Grund läge zu geben, wird es nötig sein, dieLebenserfordernisse der ein­zelnen Volker" offen zu sehen und sie freimütig anzuerkennen, wie überhaupt nach der Ueberzcugung Hitlers der Respekt vor diesen Lebensbedingungen die Voraussetzung eines fried­lichen Zusammenwirkens ist. Diese Feststellung, wie alles, was Hitler über dieRealität der Nationen" sagte, sollte doch zu dem gehören, was draußen als Richtungsanzeiger des deutschen Denkens erkannt werden müßte! Weniger wichtig scheint es uns, darüber zu philosophieren, warum bei dieser Gelegenheit nicht über jedes einzelne der uns benachbarten Länder gesprochen wurde, es genügt zu wissen, daß jener deutsche Grundsatz keinerlei Ausnahme zuläßt und daß Adolf Hitler erneut bestätigt hat, daß er bereit sei,mit allezi unseren Nachbarn" zu einem freundschaftlichen Abkommen zu gelangen.

Wenn in der ausländischen Presse beanstandet wird, baß bie Tschechoslowakei nicht ausdrücklich erwähnt wurde, so sollte bedacht werden, daß dies zur Zeit durchaus nicht mit besonders herzlicher Begeisterung hätte geschehen können, denn dieser Staat hat sich bewußt eine Frontrichtung gegeben, die nicht auf den Wunsch nach ehrlicher Verständigung schließen läßt. Indirekt kommt aber, wie gesagt, auch die Tschechoslowakei mehrfach in ber Rebe vor, nicht zuletzt an der Stelle, wo etwas sehr Entscheidendes über das Minderheitenproblem gesagt wurde.

Existenzbedingung des Völkerbundes.

Der gegenseitige Respekt vor den Lebensnotwendigkeiten der Volker einerlei, ob sich diese auf politische, territoriale, koloniale, wirtschaftliche ober sonstige Notwenbigkeitcn be­ziehen muß nach deutscher Auffassung so sehr das Element der internationalen Politik sein, daß jede zwischenstaatliche Organisation, jedes kollektive System, insbesondere also der Völkerbund davon durchdrungen sein müßte. Was Deutschland gegen das Genfer Institut einzuwenben hat (das weiß man aus dem deutschen Friedensplan vom letzten Früh­jahr), ist nicht seine Existenz an sich, sondern bie Art, wie er zu existieren versucht hat. Man möge braußen, wo manche Stelle der Rede fast wie ein Rätsel angesehen zu werden scheint, in aller Ruhe diesen Satz Hitlers über den Völkerbund lese»:: Sein Bestand hängt auf bie Tauer ab von der Größe der Einsicht, notwendige Reformen, die die Beziehungen der Völker berühren, zu überlegen unb zu verwirkliche n." Mr. Eden wird die Richtigkeit und Wichtigkeit dieser These sicher nicht bestreiten können und wollen. Ueberhaupt: wer diese Rede, die ja nur Grundgedanken klarstellen, aber kein Abkommen skizzieren wollte, richtig lieft, wird durchaus nicht behaupten können (wie bas einige ausländische Kritiker zu tun scheinen), baß sie nicht einen sehr soliden Baugrund aufzeige.

Theoretische Perspektiven.

Was draußen als wichtigster Teil aufgefaßt wird, die Aus­führungen über das ThemaWirtschaft und Rüstungen", ent­hält zwar einige Wahrheiten, denen sich mancher Staatsmann bisher zu entziehen versucht hat (etwa den Hinweis auf die ver­heerende Wirkung der bisherigen französischen Ostpolitik ober die erneut mit aller Entschiedenheit ausgesprochene Weigerung Deutschlandsüber die notwendigen staatlichen Beziehungen hinaus engere Verbindungen" mit der Sowjetregierung cinzu- gehen), aber es würde auch beim schlechtesten Willen nicht mög­lich sein, Sätze aufzufinden, die hewiesen, daß die Bereitschaft Deutschlands zu einer sinnvollen Zusammenarbeit vor ber Rüstungsfrage oder der wirtschaftlichen Kooperation halt machte. Mit einer nicht unfreundlichen Ironie hat Adolf Hitler den englischen Außenminister indirekt damit auch Herrn Blum darauf aufmerksam gemacht, daß wir Deutfche bis­her nicht ben Einbruck haben, mit wirtschaftlichen Segnungen überschüttet worben zu sein, ober baß bie künftige Absicht bazu vorhanben sei. Vontheoretischen Lcbcnspcrspcktiven" aber kann man schwer existieren. Die Frage ist ganz einfach: wird durch entsprechende internationale Zusammenarbeit eine ent­scheidende Steigerung des deutschen Exports möglich sein ober nicht? Solange sie nicht möglich ober nicht cingetreten ist, muß Deutschland mit um so größerem Nachdruck den inneren Kreislauf seiner Wirtschaft verstärken. Diesem Zweck dient der Vierjahresplan. Alles was über ihn gesagt wurde, war schlagend und unwiderleglich und restlos deutlich.

Das große Hindernis.

Unsere unablässige Behauptung, daß Deutschland seine Aufrüstung nicht als Selbstzweck betreibe und daß es nicht an Deutschland liege, wenn alle bisherigen Bemühungen um eine Rüstungsbegrenzung gescheitert sind, hat in der Führerrede eine neue, sehr eindrucksvolle Bekräftigung gefunden. Es han­delt sich hier weniger um eine Schuldfrage, als um die Fest­stellung einer bis zur Stunde nicht überwundenen Tat­sache: das französisch-bolschewistische Bünd - n i s hat in Verbindung mit der geradezu abenteuerlichen sowjetrussischen Aufrüstung alle früheren Begrenzungsgedanken völlig entwertet. Frankreich hat sich mit einer Macht verbün­det, die nicht nur ber Todfeinb bes Nationalsozialismus ist, sondern sich zur größten Kriegsmacht der Welt entwickelt hat, im Dienste dieser Allianz. Klagen wir nicht, aber sehen wir dieser Tatsache ins Auge! Hier liegt ein Problem vor, für das es noch keine Lösung gibt. Der Nationalsozialismus wird nicht aufhören, die Gefahr des Bolschewismus in seine Rech­nung einzustellen, also muß das deutsch-französische Verhältnis darunter leiden, obwohl die andere große Tatsache erstmals seit Jahrhunderten klar erkannt vor uns steht: es gibtkeine menschlich denkbaren Streitpunkte" im unmittelbaren deutsch- französischen Verhältnis. Wie sinnlos es wäre, diese Sachlage dadurch verhüllen zu wollen, daß Mr. Eden, im Interesse ber Theorie von einem ungeteilten Europa, einen Schleier bar= über legt, hat Adolf Hitler in seiner Antwort an Mr. Eden nachgewiesen. Man wird in Frankreich sicher zu würdigen wissen, daß aus Hitlers Mund kein Wort des Vorwurfs an bie französische Abresse gerichtet würbe. Schwierige Verhältnisse sinb bazu da, überwunden zu werden. Zunächst muß man sic erkennen.

Ein englisches Feuerschiff hat sich losgerissen.

London, 31. Januar. (DNB.) Das Feuerschiff, das vor der Ein­fahrt zum Hasen von Dundee in Schottland liegt, hat sich in- solge des starken Sturmes losgerissen. Fünf Mann befinden. sich an Bord des Schisses. i

Reichsbahn und Reichsbank.

Nachdem vor kurzem die deutschen Ströme der Souveräni­tät des Reiches wieder unterstellt worden sind, hat der Führer und Reichskanzler jetzt in seiner großen Rede vor dem Reichs­tag verkündet, daß auch Reichsbahn und Reichsbankim Sinne ber Wiederherstellung der deutschen Gleichberechtigung ihres bisherigen Charakters entkleidet" und unter bie volle Hoheit der Reichsregierung gestellt würden. Damit wird bann ber letzte Rest derjenigen Hoheitsbcschränkungen weggefallen sein, die der Versailler Vertrag und seine Nachlänscr, die Repara- tionskonfercuzen, Deutschland auferlegt habe;,.

Materiell ist die Aenderung nicht mehr sehr weitreichend. Tas Wesentliche liegt auf politischem Gebiet. Immerhin können sich wenigstens bei ber Reichsbahn organisato­rische Aenderungen ergeben, die dann auch eine nicht unerheb­liche praktische Bedeutung besitzen würden. Ter Gedanke, die Deutsche Reichsbahn in ben Dienst ber Rcpqrationsverpslich- tuugen zu stellen, tauchte zuerst 1923, anläßlich ber Ruhr­besetzung auf und wurde im darauf folgenden Jahr auf Grund des Dawes-Gutachtens durch das Gesetz vom 30. August 1924 verwirklicht. Es wurde eine politisch, finanziell und verwaltungsmäßig selbständige deutsche Reichsbahngesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet, die mit Wirkung vom 1. Oktober an das Betriebsrecht an den Reichs­eisenbahnen übernahm, deren Eigentum weiterhin im Besitze des Reiches verblieb. Die Gesellschaft wurde mit 11 Milliarden Reparationsschuldverschreibungen bclaftct und der Kontrolle eines ausländischen Kommissars unterstellt. Außerdem wurde als Vertreter der Gläubiger ber R^parationsschnlbverschrei- bungen ein Treuhänder eingesetzt, ber bie Hälfte ber 18 Mit- glieber bes Verwaltungsrats, von benen wieber vier Aus- länber sein mußten, zu ernennen hatte. Der brückenbste Teil bieser ausländischen Kontrolle ist schon durch den Aoung-Plan von 1930 beseitigt worden. Der ausländische Einfluß in der Verwaltung unb die Reparationsschuldverschreibungen fielen weg, es verblieb nur eine feste Reparationssteuer, die bann 1932 burch das Lausanner Abkommen ebenfalls beseitigt wurde. Die Organisation der Reichsbahn zeigte aber doch noch sehr deutlich die Spuren ihrer früheren Bestimmung als Reparationspsand, um so mehr als auch der Noung-Plan aus­drücklich feststellte, daß bie beutsche Reichsbahngesellschaft während der Geltungsdauer des Planes ihre Eigenschaft als privates unb unabhängiges Unternehmen mit selbständiger

Geschäftsführung in wirtschaftlicher, finanzieller unb perso­neller Hinsicht ohne Einmischung der deutschen Regierung bei» behalten solle. Da man 1924 von der Vorstellung ausgegangen war, das Eisenbahnvermögen dem Reiche unverändert zu er­halten, so ist noch heute die finanzielle Gebarung ber Reichs­bahn auf einer vorwiegend technisch begründeten Abschrci- bungspolitik aufgebaut, die das Ziel haben soll, Anlagen und Schuldenstand in ber gleichen Weise zu erhalten, in bet beibes übernommen wurde. Es tmrb jetzt möglich sein, hier Aenderungen vorzunehmen, die schon deshalb sehr erwünscht fein würden, weil man auf diese Weise eine erhöhte Publi­zität und eine bessere Anpassung an die gerade im Verkehrs­wesen gegenwärtig gegebenen Ümstellungsausgabcn erreichen würde. Für welchen Weg man' sich dabei entscheiden wird, bleibt ahzuwarten. Die wesentlichste Aufgabe wird cs sein, die in den letzten Jahren endlich gewonnene Einheit der Verkehrspolitik noch zu verstärken, um dem Staate auch auf dem Verkehrsgebiete die erforderlichen Eingriffs- und Kontroll- Möglichkeiten zu geben. Das schließt aber natürlich nicht aus, daß die Eisenbahnen als Sonbcrtiermögen ober als Reichs­gesellschaft in irgendeiner Form fortgeführt werden. Während die 13 Milliarden Stammaktien ganz im Besitze des Reiches sind, wurden 1.08 Milliarden Vorzugsaktien, die eine Iprozentige und vom Reich garantierte Dividende genießen, teils von ber Reichsbahn selbst, teils vom Reich, bem seinerzeit 500 Millionen ohne Gegenwert übertragen worden waren, auf bem Kapitalmarkt untergebracht. An bie Stelle ber früheren Reparationsschulbverschreibungen ist später eine Reserve in gleicher Hohe von 11 Milliarben ge­treten, bie burch die Uehernahme der sächsischen Eisenbahnen noch um 390 Millionen erhöht wurden. Auf ber anberen Seite ist bas Betriebsrecht am Eisenbahnvermögen mit etwa 25 Mil­liarben kapitalisiert.

Auch bie Sonderstellung der Deutschen Reichsbank stammt aus dem Jahre 1924 und ist seinerzeit von ben Repa­rationsgläubigern geschaffen worden, um das Noteninstitut von der Reichsregierung möglichst unabhängig zu machen und es auf diese Weise in den Dienst des politischen Transfers zu stellen. Ter Einfluß in ber ausländischen Verwaltung ist schon seit einigen Jahren beseitigt, und bie Einflußnahme ber Reichsregierung ist burch die Novellen zum Reichsbankgesetz von 1933 erheblich gestärkt worden. Größere Aenderungen wer­den sich hier also wohl kaum ergeben. Immerhin bestand noch eine Reihe von Bindungen, die jetzt in Fortfall kommen.

Frankreich antwortet:

Gemeinsames Ziel verschiedene Methoden."

(Drahtmeldung unseres Korrespondenten.)

Sh$ Paris, ,31. Januar. Außenminister D db 65. Hot heule mittag in Chateauroux, dem Hauptort des Departements Indre, eine Rede gehalten, um das von der Stabt soeben errich­tete Denkmal für die Toten des Krieges cinzuweihen. Im gleichen £rt liegen 49 deutsche Soldaten begraben, die 'm dec Kriegsgefangenschaft gestorben sind. Vor dem Stein, der ihre letzte Ruhestatt: bezeichnet, hat Außenminister Tclbos im Laufe des Vormittags einen Kranz nicbcrgclcgt. Diese schone Tai hat nicht nur ihre ^menschliche, sondern auch ihre politische Bedeutung, denn sic gehöre zu dem, was Frankreich zu der gestrigen Rede des Führers zu sagen Hai. Der Wille der französischen Regierung, den Faden mit Deutschland nicht abreißen zu lassen, den ritter­lichen Ton, mit dein Hitler von Frankreich gesprochen hat, auf­zunehmen und weiterzuführen und das Bekenntnis des Kanzlers zur deutschen Mitarbeit im allgemeinen Frieden so ernst rote mög­lich zu nehmen, alles das liegt in dieser Geste und wurde durch die Rede, die Außenminister Tclbos später vor einer großen Menge, unter der sich auch die Vertreter zehn ehemaliger alliierter Nationen befanden, noch unterstrichen. Mit einem Wort, Frank­reich, besonders die französische Regierung, hat die große Rede Hitlers bereitwillig ausgenommen, und viele der Ein­wande, die die französische Presse heute morgen zu dieser Rede gemacht hat, werden durch Tclbos' Rcdc als nicht ausschlaggcbcnd gekennzeichnet.

Tie Ausführungen des Außenministers sind da, wo mir ihm zustimmen können, von echtem Frontkämpfcrgeist geprägt. Aus­fallend ist nur, daß er an bestimmten außenpolitischen Gcdankcn- gängen Frankreichs, die durch Adolf Hitler, wenn auch nicht eine Zurückweisung, so doch eine kritische Beleuchtung erfahren haben, nachdrücklich festhält. Wir denken dabei weniger an den Russen­pakt, an dem fest halten zu wollen Tclbos erklärt, sondern an den Gedanken eines Rüstungsstillstandes und der wirtschaftlichen Ncu- organisicrung Europas. Aus den Ausführungen von Tclbos wird klar, daß Frankreich den Weg zu einem Rüstungsabkommcn durch Hitlers Rede nicht verstärkt sieht. Er sagt deutlich, daß Frankreich nach wie vor die Absicht hat, eine internationale Konferenz zu diesem Zweck ein zuberufen. Was die wirtschaftliche Lösung angelst, so bemüht er sich ebcnsalls, den Einwänden dcs Kanzlers ge­schmeidig zu begegnen, und cs ist kein Zufall, daß er in diesem Zu­sammenhang vonneuen Absatzmärkten" spricht. Alles das bestärkt unseren Eindruck, daß die französische Regierung das Eiscn schmieden will, solange es warm ist, und den Wunsch hat,, aus der durch den Austausch der verschiedenen großen Rcdcn geschaffenen Atmosphäre möglichst bald einen brauchbaren Anhaltspunkt "für Verhandlungen zu gewinnen. Ter Quai d'Orsav gab gestern abend spät zu verstehen, daß Hitlers Redekeine Türen schließe, aber auch keine neuen Türen öffne". Taraus könnte man schließen, daß die Franzosen der Ansicht seien, die internationale Lage sei nach dcr gestrigen Rede Hitlers unverändert. Tie heutigen Ausführungen des französischen Außenministers und das, was wir im Laufe des Tages aus seiner Umgebung erfahren haben, lassen aber den Schluß zu, daß die französische Regierung doch einen Fortschritt zu gewahren und ans diesem ihrem Optimismus möglichst viel bcrauszuholen beabsichtigt. Ob sie nun ihrerseits so weit geht, neue Türen zu öffnen, ist eine andere Sache, erscheint aber nicht ganz ausgeschlossen.

Die Rede des Außenministers.

Ter Außenminister wies zunächst auf die Würde dcr Toten dcs Krieges hin, an deren Denkmal er sprach und erklärte, daß ihr Opfer für Frankreich und die Welt eine Lehre enthalte. Ter fran­zösische Soldat habe seine Pflicht getan, nicht nur, um den Krieg zu gewinnen, sondern auch um ihn abzuschasfen. Er, Delbos, selbst, habe auf dieser Ueberjeugung seine Tätigkeit als Außenminister aufgebaut. Tiefe Botschaft dcr loten richte sich an die K riegs- kameradcn aller Länder, auch die der ehemaligen Gegner. Tclbos erinnerte sodann daran, daß er heute morgen auf dem Grabe der in Ehateaurour in Kriegsgefangenschaft gestorbenen Soldaten einen Kranz niedcrgclegl habe, und berief sich auf das Wort Antigones: Im Tode ist er nicht dein Feind, sondern dein Bruder."

Der Außenminister ging sodann auf die verschiedenen großen Fragen ein, die die internationale Politik augenblicklich beschäftigen Er entwickelte dabei die bekannten Gesichtspunkte der französischen Außenpolitik unb sprach über die Nichteinmischung in Spanien, die bereits eine große Entspannung hervorgerufcn habe.

Eine große Gefahr würde Indessen bestehen bleiben, wenn man in offensichtlicher Verletzung der Nichtcinmijchungrgrundsatzes

Spanien die eine oder andere Staatsform aufzwingen oder ver­bieten wollte."

Auf die allgemeine Organisation dcs Friedens übergehend, erklärte Tclbos, daß Frankreich bem Völkerbund verbunden bleibe, und wies auf den Wert der zwischen Frankreich und dcr Türkei soeben in Gens erreichten Einigung hin. Tie enge Intimität mit England, die Verträge mit der Kleinen Entente, mit Polen unb der Sowjetunion seien tat­sächliche Friedensgarantien und würden in ihrer Wirkung noch durch die moralische Unterstützung dcr Vereinigten Staaten ver­stärkt. Frankreich wolle mit diesen Verträgen niemand hcraus- foröern, sondern im Gegenteil die Bildung von rivalisierenden Blocks verhindern.

Frankreichs Wunsch sei cs, so erklärte Tclbos weiter, den Kreis seiner Freundschaften, der allen Völkern osfenstehe, bis zur Uni­versalität zu erweitern.

Tadurch daß man, wie wir cs wollen, an ber Wiederher­stellung der Weltwirtschaft, mitarbeitet, dadurch daß man Han­dels-, Finanz- uns Zollvcrträgc abschlicßt, sich an allen Verhand­lungen über die internationalen Schwierigkeiten beteiligt, dadurch daß man alle Streitigkeiten der Schiedsbarkcit zu unterwerfen sich bereit zeigt, kann man täglich in wirksamer Weise beweisen, daß cs auf dcr Erdc für alle Völker guten Willens Platz gibt uno daß dcr Rückgriff auf dic Waffen immer ein Rechenfehler und nicht nur ein Verbrechen ist.

Wcr von denen, dic das Geschick der Völker in den Händen halten, hat das Recht zu zögern zwischen der Vernichtung der Sieger und Besiegten, die ans dem Kriege folgen würden, und ben Wohltaten einer friedlichen Zusammenarbeit?"

Aus diesem Grunde ziehe ich die Aufrichtigkeit dcr feier­lichen Erklärungen, die wir sowohl von jenseits dcr Alpen wie von jcuieits dcs Rheins gehört, nicht in Zweifel. Noch gestern hat dcr Kanzler Hitler seinen Friedenswillen bekräftigt. Tie Meinungsverschiedenheiten erstrecken sich also nicht auf das Ziel, sondern auf die Methoden. Es käme also darauf an, die Methoden einander anzunähern, wie verschieden unb entgegen­gesetzt sie zuweilen auch erscheinen mögen. Ich erhebe nicht den Anspruch, auf die Rede von gestern zu antworten, da ich nicht die Muße gehabt habe, ihr dic ernsthafte Prüfung und das Nachden­ken das sie verdient, zu widmen. Denn in der Außenpolitik muß man sich vor Improvisationen hüten. Ich werde lediglich einige Eindrücke formulieren. Ich verzeichne zunächst gern, daß die Rede Herrn Hitlers keinen Angriff auf Frankreich enthält, und daß er erklärt hat, zwischen Deutschland und uns gäbe cs über­haupt keinen menschlich denkbaren Streitpunkt mehr. Tas denken und wünschen auch wir. Aber wir und die Tentschen sind nicht allein auf der Welt, unb die Bewahrung dcs Fricdcns ist bedingt durch allgemeine Regeln, die über uns beide hinausgehen. Zu diesen Regeln rechnen wir für unseren Teil die Achtung vor den Verträgen. Ter Kanzler hat dadurch, daß er die früheren Kündigungen aufgezählt und dieser Aufzählung neue Kündigungen hinzugefügt hat, nicht das Vertrauen verstärkt, bas aus dem Wert, der Unterschriften ruht. Zweifellos wendet er bas Blatt um, wenn er sich zu einer loyalen Zusammenarbeit in der Zu­kunft bereitcrtlärt. Aber eine internationale Zusammenarbeit schließt Verhandlungen und Verträge in sich ein, bie sehr schwie­rig jii werden drohen, wenn jeder alleiniger Richter über das sein will, was er zu tun hat, wie Herr Hitler dies für Deutschland auf dem Gebiet bet Rüstungen (allerdings ber defensiven Rüstun­gen) erklärt."

Ich erkenne indessen gern an, baß diese Rede im übrigen positivere Stellen selbst über die Abrüstung enthält, von der er mit Recht sagt, daß sie in ihrer Gesamtheit untersucht werden muß. Genau das denken wir, wenn wir den Zusammentritt einer allgemeinen Konferenz verlangen. Ich unterstreiche besonders bie folgende Versicherung Herrn Hitlers:Ter Friede ist unser höchstes Gut. Deutschland wird alles, was in seinen Kräften sieht, tun, um an diesem Werk im einzelnen mitzuarbeiten " Da wir wissen, daß es nicht notwendig ist, von Ansang an übereinstimmende Gesichts­punkte zu haben, um schließlich zu einem Abkommen zu gelangen, so sind wir für unseren Teil zu allen Bemühungen um Ent­spannung unb Annäherung bereit unter ber einzigen Bedingung, daß sie gegen niemand gerichtet sind. Indem ich dies sage, denke ich an die S o iv j e I u n i o n, denke ich an das Willkürliche und Gefährliche, das darin liegt, aus der internationalen Gemeinschaft ein Volk von beinahe 200 Millionen ausschließcn zu wollen, das