Mittwoch, 1. Dezember 1937

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Erstes Morgen blatt

82. Jahrgang $r. 611

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Unter den Fragen, auf welche sich diese diplomatische Er-

Gin görttheiuerh: Berliner Hochschulstadt

Mein teurer lieber Herr Professor!

Methode, dir man nach den hier vorliegenden Nachrichten zur Lösung dieser Aufgabe anwenden will. Dar Stadium direkter Ver­handlungen wäre damit in weite Ferne gerückt. Langwierige und vielseitige Vorbereitungsarbeiten hätten vorauszugehen. Mit anderen Worten, die Erkundungsreise des Lord Halifax nach

Ueber den Hergang des Unfalles ist noch nachzutragen: Das Unglück trug sich um 7.30 Uhr morgens auf der Landstraße von Soest Dijk nach Amsterdam zu. Der Prinz war auf dem Wege

WvD London, 30. November. Die Aussprache der britischen Minister mit ihren französischen Gästen hat gestern im ganzen achteinhalb Stunden gedauert. Denn auch die gemeinsamen Mahl­zeiten (mittags bei Chamberlain und abends in der Wohnung Edens) wurden zu politischen Erörterungen benutzt. Es gelang schon am ersten Tage, fast alle für die beiden Länder wichtigen

Der Unfall des Prinzen Kernharb.

(Drahtmeldung unsere- Korrespondenten.)

L, Amsterdam, 30. November. Ueberall im Lande äußert sich herzliche Anteilnahme an dem Unfall, den Prinz Bernhard der Niederlande erlitten hat, und dieses Mitgefühl umfaßt in gleichem Maße den Prinzen wie die Kroprinzessin Juliana und die Königin. Prinz Bernhard, der sich durch seine Liebe für den Sport und sein taktvolles und ungezwungenes Auftreten sehr rasch große Sympathien zu erwerben wußte, wird von den Holländern eigentlich alsganz zu uns gehörig" betrachtet. Daß jeder Niederländer mit Prinzessin Juliana, die in wenigen Mo­naten dem Lande einen Thronerben schenken soll, herzlich mitfühlt, ist sozusagen selbstverständlich. Dazu tritt noch ein Umstand, der auch in den Tagen der Verlobung und der Eheschließung der Kronprinzessin ihr noch viel Zuneigung gewann, die Natürlichkeit und die Ungezwungenheit nämlich, mit der sie ihr Volk an ihrem persönlichen Schicksal und Erleben teilnehmen läßt.

Auch jetzt hat sie diese zu Herzen gehende Einfachheit und das Streben, natürlichen menschlichen Gefühlen zu folgen, wieder gezeigt. Die Königin kam sogleich auf die Nachricht von dem Unfall in das Krankenhaus, in das der Prinz auf Anraten der Aerzte und ein wenig gegen seinen eigenen Wunsch gebracht wor­den war, reifte danach nach Soestdijk zu dem Palast des Kron- prinzenpaares, um der Kronprinzessin Juliana selbst den Unfall mitzuteilen, und am späten Nachmittag fuhren sie beide wieder nach Amsterdam. Sie verbrachten dort die Nacht nicht im könig­lichen Palaste, sondern im Krankenhaus, in einigen in aller Eile für sie bereitgestellten Zimmern, um so in der unmittelbaren Nähe des Verunglückten sein zu können. Die Volksmenge, die sich fast ständig in der Nähe des Krankenhauses aufhält, empfing sie und auch das zeugt von aufrichtigerer Anteilnahme, als irgend welche Zurufe des bermöchten mit schweigendem Gruße.

Jede Zeile, die die Tageszeitungen über den Unfall des Prinzen und sein Befinden bringen, wird mit größter Aufmersam- keit gelesen, und bei allem herzlichen Bedauern, das sich der könig­lichen Familie zuwendet, überwiegt doch die Freude darüber, daß der Unfall noch verhältnismäßig gut ablief.

Naumb., d. 3.11. 1892.

Sonntag Nachm.

*) Nietzsches.

> Aus dem Verkauf der Berkagsrechte an den Berlag Naumann in Leipzig.

*) Elisabeth Försler-Ni-4'che.

Des Leiters der Heilanstalt Jena, in der Nietzsche nach seinem Zu- sammenbruch zuerst untergebracht gewesen war. °

wenigstens nach der Rolle zu urteilen, die diese Frage in den gestrigen Besprechungen eingenommen zu haben scheint. Und gerade in diesem Punkte scheint auf französischer und auf englischer Seite die Tendenz nach einer Gesamtregelung besonders stark hervorgetreten zu sein. Ob es sich nun lediglich um die Zuerkennung der kolonialen Gleichberechtigung an Deutschland ober um eine Lösung des Rohstoffproblems durch die Einrichtung von Charter­gesellschaften unter deutscher Beteiligung handeln soll, stets wird von den französischen Berichterstattern betont, daß nach Ansicht der Londoner Unterhändler auch nut der Beginn eines Lösungs-i Versuches tm Rahmen einer Gesamtbereinigung stehen, ihr also untergeordnet sein müffe. Unter Gesamtregelung wird außerdem nicht nur die Lösung sämtlicher Deutschland angehenden inter­nationalen Probleme, sondern auch die Beteiligung aller an der Kolonialfrage interessierten Mächte, also vor allem der Mandats­mächte, verstanden.

In der zeitlichen Reihenfolge der nach den Londoner Bespre­chungen geplanten diplomatischen Erkundungen wird jedoch die Lage in Zentraleuropa an erster Stelle stehen, und zwar deshalb, weil der französische Außenminister D e l b o s schon in den näch­sten Tagen in dieses Gebiet seine Inspektionsreise unternimmt. Diese Reise dürste aber durch die Londoner Besprechungen ihren Charakter geändert haben. Sie wird gewiffermaßen zu einer ge­meinsamen sranzösisch-englischen Unternehmung, und ihr Ergebnis soll den Gegenstand eines neuen englisch-frnzösischen Meinungsaustausches bilden. Nach englischem Wunsche soll diese Reise den ersten Beitrag zur Gesamtregelung liefern, indem sie zunächst einmal zu einer Entspannung in dem von Delbos^ bereisten Gebiet führen soll. Aus den französischen Berichten geht deutlich hervor, daß die Engländer von Delbos genau das er­warten, was Deutschland von Frankreichs Außenpolitik gegenüber der Tschechoslowakei schon längst geforbert hat, nämlich baß sie ihren Einfluß dazu verwenbe, um die tschechoslowakische Regierung zu einer verständnisvolleren Behandlung der Minderheitenfragen zu veranlassen.

Die in Paris vorliegenden Informationen über den Gang der Londoner Besprechungen sind vorläufig zu unzulänglich und zu unzuverlässig, als daß sie eine nähere Erläuterung verdienten. In welcher Weise Italien in den Kreis einbezogen werden foU,- wird zum Beispiel noch gar nicht sichtbar.

Obwohl oder vielleicht gerade weil die Londoner Besprechungen keine unmittelbaren praktischen Schlußfolgerungen ergeben werden, ist man in Paris mit ihrem bisherigen Verlauf sehr zufrieden. Auch diejenigen, die gefürchtet hatten, die englischen Staatsmänner könnten von Frankreich einen übergroßen Beitrag zur internatio­nalen Entspannung verlangen, beglückwünschen sich heute zu der völligen Uebereinftimmung zwischen ben franzö­sischen unb englischen Gesichtspunkten, bie sich in London ergeben habe. Das braucht jedoch nicht so verstanden zu werden, daß die Engländer sich der französischen Denkart ange­schloffen hätten. Vielmehr hat man heute in Paris sehr stark den Eindruck, daß die beiden französischen Staatsmänner sich von ben üblichen französischen Vorurteilen frei gezeigt haben. Fast sämtliche französischen Berichterstatter betonen, baß gewisse Prozeburen nicht mehr zeitgemäß seien unb baß man zu realistischeren unb ben Umftänben besser angepaßten Methoben kommen müffe. Dabei wirb unterstrichen, baß Chautemps unb Chamberlain in gleicher Weise von realistischem Geiste beseelt seien.

(Siehe auch Seite 2).

Eigentlich sollte ich wohl heute am britten bes Monats noch nicht schreiben, sonbern gebulbig noch einige Tage warten, aber nehmen Sie es mir nicht übel, mein guter Herr Professor, baß ich es tue. Ich bin durch Ihre gütige baldige Sendung der Pension') bisher so verwöhnt, daß ich gar nicht weiß, wie ich mir es deuten soll und da die Gewährung derselben doch wohl nur von der Güte der guten Baseler abhängig ist, so mache ich mir bie schlimmsten Gebanken

') Es bandelt M um bie Pension, die Nietzsche als früherer Professor in Basel noch bezog und deren Erhebung durch Professor Overbeck geschah:

(Privattelegramm der

Berlin, 30. November. Wie die Dienststelle des Generalbau- inspektors für die Reichshauptstabt bekanntgibt, hat der General­bauinspektor für bie Reichshauptstabt, Architekt Professor Speer, einen für alle Deutschen innerhalb unb außerhalb ber Lanbes- »"Ten.ien offenstehenben Wettbewerb zur Erlangung von Ent- mürfen für ben Neubau einer Hochschul stabt in Berlin aus­geschrieben.

Die Hochschulen Berlins liegen heute verstreut in der Stadt. Die jetzigen Gebäude, vor allem der Universität, sind zu klein ge­worden, und da sie in dichtbesiedelter Altstadt liegen, ist bie immer notwendiger werdende Erweiterung kaum möglich. Es soll daher, wie Reichsminister Rust kürzlich schon bei ber Grunbsteinlegung zum Gebäude der Wehrtechnischen Fakultät im Umriß mitteilte, im Rahmen der Neuplanung der gesamten Reichshauptstadt eine neue Hochschulstabt errichtet werben. In dieser sind folgende Hauptgruppen vorgesehen: Der geisteswissenschaftliche unb bet naturwissenschaftliche Teil ber Universität, bie Kliniken, bie Technische Hochschule unb bie Militärärztliche Akabemie.

Das G e I ä n b e für bie Neubauten liegt am Westenbe der fast 12 Kilometer langen Ost-West-Straße. Etwa an ber Stelle ber Havel, wo bie Hauptstraße nach West-Norb-West abknickt, wirb ber Mittelpunkt bet Neubauten liegen, bie zusammen eine ganze Stadt für sich bilden werden. Die Heerstraße, die später hier eine Breite von 70 bis zu 100 Meter haben wird, soll die Haupt­achse des neuen Hochschulgebietes fein. Die unmittelbare Nähe

Frankfurter Zeitun g".)

des Reichssportfeldes, des Grunewaldes und der Havelgewäffer gibt den Studenten Gelegenheit zu körperlicher Erholung und sportlicher Betätigung. Der Verkehr mit bet Reichshauptstabt wirb in erster. Linie durch die verbreiterte Ost-West-Achse bewältigt werden, ferner durch eine neue Ringstraß.e. bie unter anderem bie in Dahlem liegenben Institute verkehrsmäßig an» schließt. Eine neue U-Bahnlinie wirb im Zuge ber Heerstraße neu erbaut, unb der Omnibusverkehr wird verstärkt werden. Da später die neue Heerstraße an den Berlin umgebenden Autobahn- ring angeschlossen wird, bilden die Hochschulen gleichzeitig das westliche Einfahrtstor ber Reichshauptstabt.

Nach Abschluß des öffentlichen Wettbewerbs werden 15 der besten Entwürfe ausgesucht, und die Verfaffer dieser Arbeiten zu einem engeren Wettbewerb Ungeladen. Zu diesem werden vom Generalinspektor außerdem noch eine Reihe von freien Architekten eingeladen. Für den engen Wettbewerb stehen an Preisen zur Verfügung: ein erster Preis von 50 000 Reichsmark, ein zweiter Preis von 20 000 Reichsmark und drei dritte Preise von je 10 000 Reichsmark. Die Entscheidung über die Wettbewerbsarbeiten wird der Führer und Reichs­kanzler treffen. Ihm steht ber Generalbauinspektor für bie Reichs- hauptstabt beratenb zur Seite. Die Einzelbauten, Plätze unb Straßen sollen nach ben Wettbewerbsbebingungen in Form unb Werkstoff so errichtet werben, baß sie nicht nur jetzt unb in aaher Zukunft ihren Zweck erfüllen, sonbern baß sie späteren Jahrhunderten Zeugen einer großen Vergangenheit find.

nach dem Haag, um an einer Jagd teilzunehmen. Etwa 20 Kilo­meter hinter ber Eisenbahnüberführung zwischen bem Merwede- Kanal unb ber Ortschaft Diemen, stieß ber von bem Prinzen selbst gesteuerte Zweisitzer in beträchtlicher Geschwinbigkeit von hinten gegen einen Lastwagen, bet gerade auf die Landstraße eingebogen war. Duxch den heftigen Zusammenprall wurde ber Füns-Tonnen- Lastwagen noch über 25 Meter weit auf ber Landstraße vorwärts- geschoben. Das Vorderteil des Personenwagens wurde vollkommen eingedrückt; der Prinz und sein Begleiter waren in die Wagen­sitze eingeklemmt. Prinz Bernhard erlitt eine Gehirnerschütterung unb Schnittwunden über bem Auge. Bei seinem Begleiter wurde ein Beinbruch sestgestellt.

Auf de« Mege der Befferuug.

Amsterdam, 30. November. (DNB.) Der Zustand des Prinzen Bernhard ber Nieberlanbe, der gestern einen schweren Autounfall erlitten hatte, ist laut amtlicher Mitteilung heute befriedi­gend. Der Prinz befindet sich auf dem Wege der Besserung.

Kronprinzessin Juliana, die den Prinzen am Montagabend aufsuchte und einige Minuten mit ihm sprach, verbrachte zusammen mit ber Königin bie Nacht im Krankenhaus. Von offizieller Seite wirb barauf hingewiesen, baß diese Tatsache nicht dahin ausgelegt werden dürfe, daß der Prinz in Lebensgefahr schwebe. Auf dem Wege ins Krankenhaus wurde ber Wagen bet Kronprinzessin, die in einigen Wochen ihrer Nieberkunft entgegensieht, auf bem ganzen Weg von Polizeiwagen begleitet, um jebc Möglichkeit eines Unfall- auszuschalten.

Das Kefiude« Ludendorff» etwas gebelfert

München, 30. November. (DNB.) General Ludenborff hat eine lehr ruhige Nacht verbracht. Sein Befinden ist etwas besser als gestern. Der Patient hat kein Fieber, ber Puls ist normal.

Japan erkennt Franea an.

Tokio, 30. November. (DNB.) Das japanische Kabinett be- schloß am Dienstag, bie Regierung bes Generals Franco am 1. Dezember bieses Jahres offiziell anzuerkennen. Nach ber offiziellen Genehmigung durch den Kaiser wird Außen- Minister H i r o t a am Dienstagnachmittag ben voraussichtlichen Gesandten Francos in Japan, ben bisherigen Generalkonsul in Kobe, bei Castillo, empfangen unb ihm ben Kabinetts­beschluß mitteilen.

ihm fremd ist. Professoren sind eben vergeßlich, gestern war es ein Regenschirm, heute sind es einige Skorpione, morgen vielleicht ein gebrechliches Röhrchen mit Cholerabazillen. Unser Profeffor wurde, fo wird berichtet, zu Hause von seiner Gattin, die seine zoologischen Interessen teilt, mit dem Rufe empfan­gen:Und die Skorpione?" Die Enttäuschung war groß, es kam zu Klagen und bewegten Worten, kurzum, für die bösen Skorpione wurde ein Gefühl aufgebracht, auf das der brave Igel nie hätte rechnen dürfen. Als dann der Rucksack wieder­gefunden war, betrachtete das wissenschaftlich interessierte Paar eng aneinandergeschmiegt die sechs kleinen Untiere, und häus­licher Friede erfüllte die schlichte Gelehrtenstube. Am anderen Morgen, etwa um die selbe Stunde, als der Igel einsam sein Milch-Almosen aufschleckte, verließ der Professor das Haus um sich in sein Institut zu begeben. Man kann sich denken, daß die Gattin ihn ermahnte, diesmal nicht zerstreut zu sein und nichts zu bergeff en. In allen Professorenheimen dürfte sich ungefähr die gleiche Szene abgespielt haben. Der Gelehrte setzte den Hut auf, um an sein Tagewerk zu gehen. Die Gattin prüfte durchs Fenster den Himmel, der sich mit Wolken bezog. Sie holte daher den Regenschirm hervor, drückte ihn dem Professor in die Hand und ermahnte ihn gütig lächelnd:Daß du mir aber heute nicht wieder die Cholerabazillen in der Straßenbahn vergißt!" Schmunzelnd gelobte der treffliche Mann ihr Besserung und gewann, den Schirm unter den Arm geklemmt, die Straße, die ihn in ihre Bewegung aufnahm, als sei sie der Fluß der Vergeßlichkeit. Sbg.

Der kranke Mietzsche.

Unter diesem Titel erickeint im Verlag Berrnann- Fischer, Wien die Sammlung ber Briefe, welche Nietzsches Mutter Franziska in ber Zeit nach seinem Zusammenbruch an Nietzsches Baseler Freunb, ben Pro­fessor Franz Overbeck, gerichtet hat. In biesen Doku­menten (von benen im Literaturblatt noch zu reben sein wirb) spiegelt sich ber langsame Verfall bes kranken Nietzsche ergreifenb an ben Hoffnungen unb Aengsten seiner fürsorg­lichen Pflegerin. Der Bries, ber im folgenden veröffentlicht wirb, gibt mit feiner unbeholfenen Dringlichkeit einen Ein­blick in jene entscheibenbe Phase, als Nietzsches Mutter sich mit ber bitteren Erkenntnis her Unheilbarkeit ihres Sohnes abfinben mußte.

*> ?'"abeth Förster-Nietzsche die nach dem Tode ihres Mannes besucht we-s- 'N Deutschland gewesen, kehrte noch einmal nach Paraguay zurück, E ihre Angelegenheit in der Försterlchen GründungNeu-Germanien" vor ihrer endgültigen Rückkehr nach Deutschland zu ordnen.

Vergeßlichkeit.

Paris, im November.

, Vor einigen Tagen hat ein französischer Professor in einem Taxi seinen Rucksack mit sechs Skorpionen vergessen. Der Verlust wurde durch den Rundfunk angezeigt, und schon nach wenigen Stunden konnte der Vergeßliche den wiederge­fundenen Schatz an sein Herz drücken. Dagegen hat sich der Bejitzer des Igels, der in der gleichen Woche in der Unter­grundbahn Nord-Süd vergessen wurde, immer noch nicht ze- meldet. Das Tier wird im Fundbüro der Gesellschaft mit Milch aufgezogen und bereitet den Beamten manche anregende stunde. Man hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß endlich jemand auftauchen werde, um den langgesuchten Igel voll Wiedersehensfreude trotz seinen Stacheln in die Arme zu schließen. Ist es nicht seltsam, daß in einer kurzen Woche zwei solche ungewöhnlichen Fälle von Vergeßlichkeit verzeichnet wurden? Freilich, man hat Mühe, sich vorzustellen/ daß im Falle des Igels wirklich bloße Vergeßlichkeit gewaltet haben sollte. Wenn jemand schon einen Igel in die Stadt mit nimmt, so ist es doch wahrscheinlich, daß er unaufhörlich an ihn denkt, es sei denn, er sei ein Jgelzüchter, besten ganzes Leben aus lauter Igeln besteht, der ausschließlich mit Igeln zu tun hat, und den diese Tiere daher schon ein wenig langweilen. Kann man sich einen gewöhnlichen Sterblichen vorstellen, der sich abends beim Einschlafen an den Kopf greift:Nun habe ich doch wieder meinen Igel irgendwo liegen lassen!" und dann ruhig entschlummert? Der Fall bleibt ein Rätsel, wie sehr man ihn auch drehen und wenden möge. Die Sorge ist berechtigt, daß der Igel die Untergrund­bahngesellschaft in ernste Schwierigkeiten bringen werde, denn die Beamten, die ihn durch freiwillige Milchspenden im Etat der Gesellschaft ist nämlich ein Posten für zugewanderte Säugetiere nicht vorgesehen am Leben erhalten, werden eines Tages die Geduld verlieren und sich sagen, daß der Besitzer gar nicht an Vergeßlichkeit leidet, sondern Gründe hatte, das Tier loswerden zu wollen. Vielleicht hatte er zu spät entdeckt, daß ein Igel Stacheln hat, und er hat diese Enttäuschung nicht verwinden können. Wie anders der Pro­feffor mit den Skorpionen! Er beklagte seinen Verlust im vollen Bewußtsein der Bösartigkeit dieser Tiere. Wenn es harmlose Langusten gewesen wären, hätte er sich mit ihrem Verschwinden sofort abgefunden und gar nicht erst den Ge­danken gefaßt, den Pariser Rundfunk für die Suche zu ge­winnen. Die Skorpione sind bestimmt keine Sekunde über ihr Schicksal in Sorge gewesen. Das Vollgefühl ihrer Gefähr­lichkeit hat ihnen die Gewißheit geschenkt, daß man sich schon um sie kümmern werde. Laotses bitterer Satz:Sei böse, und die Welt hört dir zu!" ist eben immer noch in voller Geltung.

Der Profeffor selbst gibt uns keine Rätsel auf, denn ec hat seine Vergeßlichkeit durch einige Stunden fieberhafter Un­ruhe abgebüßt und dadurch bewiesen, daß jene Gleichgültig­keit, die auf das Schicksal des Igels so stark eingewirkt hat,

Man ist sehr zufrieden.

In London wnrbe olles besprochen. EineInformationsperiode" beginnt

(Drahtmeldungen unserer Korrespondenten.)

gens von früh 4 an viel lebhafter ist unb Abenb bann gegen */»8 ihm vor Mübigkeit bie Augen Zufällen, unb in seinen Aeußerungen gegen mich ist er bann besonders zärtlich. Ueberhaupt wenn ^ich ihm meint Hände auf bie Stirne lege, fieht er mich so bankbar an unb sagtDu hast eine gute Hand", ebenso liegt er oft neben mir auf dem Sofa, wenn ich ihm am Tische vorlese und er hält da meine rechte Hanb stundenlang fast krampfhaft fest auf der Brust unb man fühlt, was das ihm für eine Freube unb Beruhigung ist- Auch sieht man bas arme Kind mit so inniger Liebe bodj an, ba sagt er so urtb so oft ben TagMeine Mutter Du hast eine gute Äa^e in Deinen Augen" und kommt bann oft zu den überschweng- lichsten Ergüssen darüber. An solchem Tage gehe ich mit ihm gegen adjt schon auf einige Stunden in unfern Buchenwald, wo ich denke, daß sich in dieser ganzen Einsamkeit am besten bie Auf­regung ber Nerven beruhigt am Nachmittag könnte ich es schon nicht wagen, und ben stillen Tag fahren wir einen Tag um den anderen nach Grochlitz in das Saalbad, was Binswanger auch billigte: ohne baß wir dahin führen würbe ich es garnicht wagen ihn baden zu laffen unb unberufen scheint es ihm boch recht gut zu tun.

Mein Lieschen ist nun am 2. Juni von Hamburg abgereift unb freilich furchtbar seekrank, glücklich bas Schiff am 26. in Monte­video angelangt,') wie mir Donnerstag ein Herr aus Hamburg gütigst telegraphisch berichtete, während ich von ihr früher von Madeira aus einen Brief erhielt. Ach, wie schwer wurde es ihr und mir! Was haben wir gelitten! Unb boch mußte sie noch ein­mal bahin, um allez zu orbnen und so sehe ich es, nachdem halb und halb der Trenniingsschmcrz überwunden ist, als einen Schritt zu ihrer baldigen Wiederkehr jetzt an. Der gute Fritz behauptet, tro§ meiner Versicherung, daß sie in Paraguay ist,das gefällt mir garnicht, sie ist auch garnicht dort, sie ist im Kabinett unb fmrctbt gute Briefe," wir erpebierten nämlich ihre zahllosen Briefe immer in ben Briefkasten, wenn wir spazieren gingen.

Ein namenloses Weh burchzieht oft meine Seele, boch muß ick dem Allbarmherzigen innig banken, baß er mich dabei gesund eryait, was tollte nur sonst aus dem armen armen Kinde werden, bem bie mütterliche Liebe so wohltut unb ich bin auch der Ueber- zeugung, baß es eine Art Macht ist, so eingebilbet es klingt, daß es eben zu keinen Ausschreitungen kommt.

Doch meine guten Seelen, wie gern erführe ich, wie es Ihnen lieben Seihen ergeht unb was Sie für Pläne zu Ihrer nach­maligen Erholung haben, mein guter Herr Profeffor.

Nicht wahr Sie schreiben mit gütigst so bald es Ihre Zeit gestattet unb so seien Sie Lieben innig und herzlich gegrüßt von

Ihrer

ewig dankbar ergebenen

Nietzsche.

Auch Fritz antwortete mit einem kräftigenJa" als ich ihn frug, ob ich Sie Sieben grüßen sollte.

unb benfe, Sie wollen es mir in Ihrer altbewährten Rücksicht nur nicht getabeheraus sagen wie es steht. Es beunruhigt mich aber bermaßen, baß ich bie innige Bitte habe, mir zu sagen, welches ber Grunb ber Verzögerung ist. Durch bie etwaige Nichtgewährung würbe mir eine Zukunft von unenblicher kaum zu ertragenber Sorge bevorstehen, denn es würben mir wohl höchstens als Vormünberin die Zinsen seines-) kleinen Kapitals vom Gericht zur Verfügung gestellt werben, ba sie mit peinlicher Sorgfalt über ben Besitz eines solchen Kranken wachen. Ich selbst tue es mit womöglich noch größerer Peinlichkeit, habe aber boch, ba es in diesem Jahre so viele unvorhergesehene Ausgaben unb ich ein unb Va Jahr nur einen Mieter im Hause hatte, auch jetzt noch keine Aussicht vor- hanben ist unb zwei Wohnungen neu gemacht werben mußten, einige hundert Mark von seiner diesjährigen Büchereinnahme') zugesetzt, so sehr ich mich dagegen sträubte. Von jetzt an muß ich aber diese Einnahme, welche in ein paar tausend Mark bestand (welche wir von Naumann erhielten und zum größten Teil von Lieschen') und dem Rechtsanwalt gleich auf die Sparkasse getan worden sind), anmelden und fo wird mir alles in Zukunft auf das knappeste zugemeffen werden und doch kann man und will man unferm ge= liebten Kranken nichts abgehen laffen, sondern möchte alles tun um sein einsames verarmtes Leben ihm auf alle Weise zu ver­schönern, ist doch seine Existenz eine an und für sich höchst be­scheidene, ich bin, wie ich schon angebeutet, auch sehr für bas Zurück- legen feiner Einnahmen, denn ich sage mir immer, daß das Herzens- kinb samt seines Leidens alt, sehr alt werden kann und da auch meiner Tochter Existenzmittel sehr in Frage stehen, so ist es mehr als Pflicht die armen Kinder nicht einer vielleicht sonst traurigen Zukunft anheim zu geben. - So habe ich Ihnen mein ganzes sorgenvolles Herz ausgeschüttet, mein guter Herr Professor, wie ich es kaum noch zu jemand getan, aber ich weiß, Sie helfen in Ihrer alten Freundschaft, wo es nur geht.

Wie oft habe ich an Sie Lieben schreiben wollen, aber seikbem es mehr ben Anschein hat, baß Prof. Binswangers') Voraussage sich bewahrheitet und unseres Herzenspatienten geistiges Befinden nicht vorwärts, sondern immer mehr rückwärts geht, ist mir ein Bericht jedesmal eine Aufgabe, während ich früher mit wahrem Vergnügen an Sie darüber schrieb, immer in dem Wahne, baß es gegen bie bisherigen Beschreibungen in der Anstalt fo viel bester ging unb boch ist alles nur Einbildung gewesen, indem eine solche Krankheit, wenn auch langsam, aber doch seinen geistvernichtenben Weg geht, was bas geübte ärztliche Auge natürlich gleich erkannt hat, was ich nun leiber zu geben muß. Sein Aeußeres ist sehr gut, ebenso sein körperliches Sefinben, ich möchte fast sagen, normal zu nennen, aber sein lieber herrlicher Geist verarmt immer mehr, doch hat fein ganzes Wesen etwas so rührenbes. Heute z. B., unb fo ist es immer einen Tag um ben anberen, ist er meist still unb zum Schlafen mehr geneigt, doch wechselt auch dieses, währenb er mor­

16.30 Uhr antreten.

Namentlich von französischer Seite wirb betont, daß bie Aus­sprache nicht nur sehr herzlich, sonbern in allen Punkten auch sehr erfolgreich verlaufen sei. Sie wird als bieerfolgreichste Konferenz" bezeichnet, bie britische und französische Staats­männer je miteinander gehabt hätten. Ueber den eigentlichen In­halt ber Unterrebungen können bie britischen Zeitungen fürs erste aus amtlicher Quelle nichts veröffentlichen. Sie ftnb eigentlich nur in ber Lage, die Reihenfolge der Programmpunkte zu schildern, llebereinftimmenb teilen sie mit, daß die Aussprache mit einem Be­richt von Lord Halifax über feine Unterredungen in Deutsch­land begonnen wurde. Dieser Teil ber Aussprache sei noch nicht zu Ende gewesen, als bie Zeit des Mittagessens gekommen war. Lorb Halifax habe feine Berichterstattung also am Nachmittag fort- Setzen müssen. Dann habe man eine Erörterung ber Kolonialfrage egonnen. Die französischen Minister hätten, so wirb hinzugefügt, auch bei biefem Gegenstanb eine grundsätzlich entgegenkommende Haltung gezeigt, namentlich gegenüber feinen allgemeinen wirt­schaftlichen Aspekten. Der dritte Programmpunkt sei danach die bevorstehende Reife des französischen Außenministers Delbos nach den Hauptstädten Polens, ber Tschechoslowakei, Rumäniens unb Jugoslawiens gewesen. Dieser Reifeplan sei gegenwärtig gerabe im Zusammenhang mit ben europäischen Ostfragen sehr bebeutungsvoll, weil Frankreich bereits mit Polen unb bet Tschecho­slowakei Bündnisverträge besitze.. Die innere Lage ber vier Länber fei durchgesprochen worben. Daraufhin habe man bie spanische Frage erörtert. Auch bie französischen Minister hätten bie Mei­nung geäußert, daß bie Nichteinmischungspolitik von wesentlichem Nutzen gewesen sei. Schließlich habe sich bie Aussprache bem Kon­flikt im Fernen Osten zugewanbt. Bei ber Beratung bieses ernsten Problems feien bie Minister ber beiden Länder zu der Meinung gekommen, daß zum Schutze ber ostasiatischen Interessen Großbritanniens und Frankreichs höchste Wachsamkeit unb entschiebene Zusammenarbeit am Platze seien.

DieTimes" unb einige andere Blätter verzeichnen aus fran­zösischen Kreisen bas Gerücht, in ber Kolonialsrage fei Ueberein­ftimmung barüber erzielt worden, baß bie deutschen Kolonial- ansprüche erst im günstigen Sinne erwogen werden könnten, wenn Deutschland bereit fei, zur Garantie einer europäischen Regelung beizutragen. Für diese Ausstreuung gibt es jedoch einstweilen keine zuverlässige Bestätigung, wie überhaupt vor Gerüchten zu warnen ist,, die sich wahrscheinlich sehr bald verbreiten werden.

Der Führer ber Labour-Opposition, Major A11lee, beabsich­tigt, im Lause bes Nachmittags den Premierminister zu fragen, ob dieser in der Lage fei, dem Parlament eine Mitteilung über bie englisch-französische Aussprache zu machen. Wenn bis bahin bie Verhanblungen in allen Einzelheiten bereits zum Enbe gekommen sein sollten, wirb Chamberlain biefem Wunsch wahrscheinlich entsprechen.

Delbos reist auch fiir England.

Paris, 30. November. Wenn in Paris bisher auch noch keine greifbaren Informationen über bie Lonboner Besprechungen vorliegen, so glaubt man hier, boch schon gewisse Tenbenzen er­kennen zu können, die in ihrem Gefolge zutage treten werden. Als letztes Ziel erscheint eine Gesamtregelung nicht nur mit Deutschland, sondern gleichzeitig auch mit Italien, der alle Sonderlösungcn untergeordnet werden sollen. Angesichts einer so umfassenden Aufgabenstellung ergibt sich von selbst die

sind heute von König Georg zum Mittagessen in den Buckingham- kundung beziehen wird, steht an erster Stelle die Kolonialfrage, Palast geladen worden. Sie werden die Rückreise nach Paris um

Deutschland würde demnach nicht den Ausgangspunkt zu Ver- Probleme zu behandeln, so daß heute in der Hauptsache eigentlich Handlungen, sondern lediglich den Beginn einer längeren I n - nur noch über das Kommunigu« beraten wurde, das im Laufe formationsperiode bilden.

des Abends herausgegeben werden fall. Tie französischen Minister