ffittttpocf), 1. Februar <922.
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Frankfurt 1. Februar.
L Eisenbahnerbewegung ist die Entschei
dung gefallen: Streik! Der Hauptvorstand der Neichs- ® euf t^ er Eisenbahnbcamtcn hatte gestern bis ft Nacht hinein beraten, ob er die Streikpawle ausgebcn .solle, o bgleich der Hauptvorstand in seiner heutigen Zusam- ^,cn,etzung ohne Zweifel strciklnstig ist, schienen ihm doch Be- . denken ausgestiegcn zu sein, weil die Stimmung in den Krci- sen der NcichSgewerkschaft keineswegs einheitlich ist, und viel- /-e-cht hatte auch die öffentliche Meinung, die diese Streik- absichren aufs entschiedenste verurteilt, einigen Eindruck auf .'hn gc in acht. Die Fachgewerkschast VI., eine Unterabteilung der Rcichsgewcrkichaft, hat sich schon vor einigen Tagen gegen erklärt, und nun lehnen es auch die Eisenbahn- nffi,tcnten und die Beamten in ähnlichen Stellungen ab, einer .Strcikparole der NcichSgewerkschaft Folge zu leisten. Die ganze Aktion ist, wie man hört, von den Lokomotivführern ausgcgangen, die schon einmal kürzlich vor einer Arbeitscin- stellung standen. Sie sind das treibende Element, wie es auch auf sie zurückzuführen ist, daß vor einiger Zeit eine Neuwahl des Vorstandes der Reichsgewerkschaft erfolgte, die .den .^orstand radikalisicrte. Sie konnten allerdings auch mit einer starken Unzufriedenheit rechnen, die in den verschiedensten Kategorien der unteren Beamten herrscht. Dennoch ist das Vorgehen des HaiiptvorstandeS, auch wenn man cs n gewerkschaftlich betrachtet, ganz ungewöhnlich. Vor eff.. .großen Aktion pflegt eine Gewerkschaft eine Urabstimmung vorznnehmen, um sich zu vergewissern, wie die Mitgliedschas-
über die Sache denken. Das hat der Hauptvorstand der NcichSgewerkschaft nicht getan, sondern er hat sich ohne weiteres in den Dienst derjenigen gestellt, die den Streik wollen.
- ^ auch aller gewerkschaftlichen Hebung zuwider unter-
Aasten, die übrigen Eiscnbahncrvcrbände zu befragen, und i-bcr sie hinweg die Aktion cingeleitct. Eine Zuschrift aus gewerkschaftlichen Kreisen, die der „Vorwärts" veröffentlicht, hat sich dagegen bereits sehr entschieden verwahrt. Co können also auch die Arbeiterverbände mit dem Voräehen des Hauptvorstandes der NcichSgewerkschaft Deutscher Eisenbahn- bcaniten nicht einverstanden sein. Nun haben aber alle diese Hemmungen nicht auSgercicht, den Hauptvorstand von dem -verhängnisvollen Beschlüsse abzuhaltcn. Er hat die Strcik- ' Parole ausgcgcben.
Gestern hat sich der Hauptausschuß des Reichstags sehr eingehend mit der Eiscnbahnerbewcgung befaßt, und auch im Plenum ist davon die Rede gewesen. Ein RegiernngSverirc- tcr hat eine eingehende Darstellung des Verlaufs der Besol- ^dnngSangelcgenheitcn gegeben. Es muß nochmals hervor- gehoben werden, daß die Spitzenverbände der Eisenbahner die Forderungen, die sie am 3. Dezember erhoben hatten und die eine Mehrbelastung der Etats von 50 bis 60 Milliarden bedeuteten, kurz vor Weihnachten der Reihe nach zurnckzogen,
. da sie sich überzeugt hatten, daß diese Forderungen Unmögliches verlangten. Etwa gleichzeitig hat die Regierung im Reichstag erklärt, es entspreche durchaus ihren Absichten, .nach der Verabschiedung der Besoldungsvorlage so bald wie möglich in eine eingehende.Aussprache über alle Bcsoldungs- fragen cinzutrcten und alle in Betracht komnienden Probleme gründlich zu prüfen. Nun hat zwar die Regierung, wie auch der Abg. Delius im Hauptausschuß ausführte, in ihrer Bc- soldungSpolitik schwere Fehler gemacht und dadurch Erbitterung erregt. Aber immerhin, sie erklärte sich ja bereit, eine genaue Nachprüfung vorziinehmen, und man hätte ihr die nötige Zeit lassen müssen, das zu tun. Aber der Hauptvorstand der NcichSgewerkschaft Deutscher Eisenbahnbeamten hat am 26. Januar dieselben Forderungen, die die Spitzenverbände schon zurückgezogen hatten, neuerdings der Negierung mit dem bekannten Ultimatum überreicht. Die Regierung hat sich dem selbstverständlich nicht unterworfen, aber in einer Besprechung mit Vertretern der Länder die Frage einer Wirtschaftsbeihilfe erörtert, uin den dringendsten Bedürfnissen ab- zuhclfcn, und sie ist zu dem Ergebnis gekommen, sich ermächtigen zu lassen, an Orten mit besonders schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen Wirtschaftsbeihilfen in Anlehnung an die Teuerungszuschüsse, die die ReichZarbcitcr erhalten, oder in Anpassung an die Besonderheiten des Beamtenvcrhältnisses zu bewilligen, lieber dieses Angebot ist es, wie uns berichtet wird, im Hauptvorstand der ReichSgewerkschast heute nacht
zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Vertreter der gemäßigten Richtung erklärten, daß das Angebot der Negierung annehmbar sei, und dem Vorstand wurde auch der Vorwurf geinacht, daß er über die Köpfe der Gewerkschaftsmitglieder hinweg einen Beschluß fasse, der für die Beamten die allerschwersten Folgen haben könne. Der Vorstand müsse den Mut aufbringcn, den Mitgliedern im Lande zu sagen daß die innere und äußere Lage des Reiches ungemein schwer sei und jede starke Erschütterung unseres Wirtschaftslebens unübersehbare Folgen haben werde. Aber der Vorstand hat anderes im üffnne. Nur eine Minderheit, allerdings eine beträchtliche, redete der Vernunft das Wort. Die anderen hatten sie verloren und ließen sich nicht abhalten, den Streik proklamieren.
Fast die gesainte öffentliche Meinung verurteilt diesen Streik ans das entschiedenste, und zwar schon deshalb, weil sie den Beamten ein Recht auf Streik überhaupt nicht zu- gestehen kann. Die Beamten der öffentlichen Verwaltung haben ganz besondere Pflichten und dafür auch ganz besondere Vorteile. Sie sind nicht auf Kündigung angestellt, sie können nicht entlassen werden, wenn sie sich nichts zu schulden kommen lassen, eine Entlassung kann nur auf dem Wege eines Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden. Das ist ein ungeheurer Vorteil gegenüber allen in privaten Betrieben an- gcstelltcn Personen, die niemals davor sicher sein können, eines Tages auf der Straße zu liegen. Der zweite außerordentliche Vorzug, den die öffentlichen Beamten genießen, ist der, daß sie eine Altersversorgung haben, die weit über das hinausgeht, was die soziale Versicherung den privaten Angestellten und Arbeitern bieten kann. Von den kleineren Vorteilen wollen wir gar nicht reden, doch muß noch erwähnt werden, daß die öffentlichen Beamten die Möglichkeit haben, sich mit ihren Wünschen an Instanzen zu wenden, die in solchen Dingen für die Privaten nicht in Betracht kommen: an die Parlamente. Solchen großen Begünstigungen gegenüber dark man aber auch verlangen, daß die öffentlichen Beamten Handlungen unterlassen, die das Leben des Staates gefährden oder gar zum Stillstand bringen. Man hat ihnen ja ihre Vorteile gerade deshalb gegeben, damit eine Gewähr für die Stetigkeit ihrer Dienstarbeit und somit für ein ungestörtes Funktionieren des Staates gegeben sei. Man darf deshalb von ihnen verlangen, daß sie die Arbeit nicht cin- stellen, und man verlangt cs auch, mit aller Entschlossenheit. Selbst diejenigen, die aus irgend welchen Gründen glauben, sich nicht so deutlich in den Prinzipien aussprechen zu sollen, stehen dennoch auf demselben Standpunkte. Das geht klar genug aus den Verhandlungen des Reichstages und seines HanptauSschusscs hervor, wo nur die Unabhängigen die Eisenbahner einigermaßen glimpflich anfaßtcn, alle "anderen aber diese Streikbewegung mit aller Schärfe verurteilten und der Sozialdemokrat Bauer erklärte, daß die Regierung den ihr aufgezwungenen Kampf mit allen ihr zur Verfügung stehenden Machtmittel» ausfechten werde. Sehr bemerkenswert ist auch die Aeußerung des früheren Reichskanzlers Müller, auch eines Sozialdemokraten, daß mit der Forderung, die öffentlichen Beamten und Arbeiter im Gehalt und Lohn der Privatindustrie völlig gleichznstellen, die Privilegien der Beamten nicht mehr aufrecht erhalten werden könnten. Man sicht, daß das Bewußtsein von der grundsätzlichen Verschiedenheit eines öffentlichen und eines privaten Beamten fast überall vorhanden ist, zugleich mit der Betonung verschiedener Rechte und Pflichten, die sich daraus ergeben. Nur die streiklustigcn Teile der Eisenbahner selber haben dieses Bewußtsein nicht.
Sie haben mit ihrem Beschlüsse ein Attentat auf den Staat unternommen, dem sie selber angchörcn. Das ist ein großes Unglück, das nun seinen Lauf nehmen wird, wenn cs nicht im letzten Augenblicke der VermitilungSaktion des Be- aizrtenbundes gelingt, den Streik zu verhindern. Es ist eine ungeheure Gewissenlosigkeit, in diesen ohnehin so schweren Zeiten dem Volk und Land eine Erschütterung auszuladen, wie sie ein Eisenbahnerstreik ist. Aber wenn "er ansbricht, wird man sich wehren, und das ist keineswegs aussichtslos, zumal da ein großer Teil der Eisenbahner selber das Verantwortungsgefühl hat, diesen verdammenswcrten Angriff auf das öffentliche Wohl nicht mitmachcn zu dürfen.
Berlin, 1. Febr. (Wolfs.) Die R e ichs g e w erkschaft
Deuchscher Eisenbahnbeamten hat mit 2 0 gegen
15 Stimmen bei einer Stimmenthaltung beschlossen, i n der kommenden Nacht um 12 Uhr in den Streik zu treten.
Berlin, 1. Febr. (Priv.-Tcl.) Im Lause des gestrigen Tages haben Vertreter des Deutschen Beamten blindes um eine V erm ittlu n'gsa ktr o-. einzuleiten, Besprechungen mit Vertretern des R e i ch Sver ke h r s m i niste r i u m s und des R e i ch's f i na n z m ' n i st e r i u ms gehabt. Dem „Vorwärts" zufolge soll dabei von dn Regierung zngesichert worden sein, daß in allernächster Zeit Verhandlungen mit den zuständigen Organisationen über die Vc soldi ngssragc einxeleitet werden würden, wie dies gestern auch im Reichstag in Aussicht gestellt worden ist.
Der Reichspost mini st er hat durch Rundtelegramm an alle Postcnstalten angeordnet, daß Telegramme, die zu einiin Streik der Beamten aussordern, nicht angenommen und nicht befördert werden sollen.
Stuttgart, 1. Febr. (Wolfs.) Die w ü rt t emb c r g i s ch e n Landesverbände de? V e rkeh r s p e r s o n a l s befaßten sich in VorstandSstznngen am Montag nr't der durch des Ultimatum der NcichSgewerkschaft der Eiscnbahnüeamicn gebchpffenen Laar. Der Deutsch« Eisenbabncrverband ciklärt, daß er sch an dem angekündtgten Streik der Reicl'sgewe"kschafi nicht beteiligen werde. Der w ü r t t c m>b e r g i s ch c Eisenbahner- Verband Hielt gestern ein« entscheidende Sitzung ab. Die Haltung dieses Berbandrs dürste mehr oder wenige: von der Stellungnahme seiner Grosorganisalion. der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner, abbängcn. Die Reichsgewerk- s ch a f t, Landcsstclle Württemberg. beschloß in einer Borstands- stznng am Montag, von der Berliner Gewerkschaftsleitung zu verfange,, daß se eine Urabstimmung veranstalte und dementsprechend s Ultimatum weiter befriste.
GML.
(P r i v a t t e l e g r a m m d e r .F r a n k f n r t e r Zeitung".)
X London, 1. Febr. Reuter setzt den gestern von französischer Seite verbreiteten Meldungen, daß Lloyd George neuerdingZ eine Verschiebung der Konferenz von Genua ins Auge gefaßt habe, ein entschiedenes Dementi entgegen. Weder London noch in N o m denke inan daran, den Zusammentritt der Konferenz über den 8. März hinaus zu verschieben.
Die Konferenz der drei Atchxnn.inisker.
London, 31. Jan. (Wolfs.) Ein Information des Reuter- Dllros besagt, es sei ziemlich wahrscheinlich, daß die Konferenz zwischen Lord Curzon, Poincarö und dclla T o r r c t t a am 8 oder 9. Fcb: uar in Paris 'beginnen werde. Bis » diesem Zeitpunkt würden in London die Entwürfe zu den Vor- chlägen über die Fragen, die in Paris besprochen werden sollen, orgchltig geprüft. Es sei vollkommen klar, daß Meinnngsverschic denhcilen bestünden, di« beseitigt werden müßten, z. B. sei bezüglich des englisch-französischen Paktes die Frage der Dauer und des cventl. gegenseitigen Charakters dieses Pak.es zu erwähnen. Diese Punkte müßten geprüft werden, und zweifellos würden .große Anstrengungen unternommen., um unter Beibehaltung' der für di« brilische Politik geltenden Grenze ans die Btdink.ichkriten Fnar.krcichs Rücksicht zu nehmen. Bezüglich der kürzlich von der srawösüchcn Negierung in der Frage des Naben Ostens gema lten Vorschläge gebe cs mehrere Punkte, die aufgeklärt werden müßten. Auf jeden Fall aber bestehe kein Grund anzunchmen, daß die Konferenz der Außemnlnistcr nicht zu dem vorgesehenen' Zcilpunkt stattfindcn werde.
Die Orienksranen.
lPrivattelegramm der „Frankfurrer Zeitung".)
X London, 1. Febr. Die englische Regierung hat ihre Zu- tinlmung gegeben zur Auflegung einer A „leihe der g r i c ch i - chen Regierung in Höhe von 15 Millionen Pfund Sicr- ling. Nach einer Neuler-Meidung wäre man in Athen geneigt, in der Frage einer Verniittlung im türkischgricchiichen Konflikt eine versöhnlichere Haltung einzunrhmcn. Insbesondere zeige die griechische Regierung in der Frage der Autonomie für Smchrna einige Nachgiebigkeit unter der Voraussetzung, daß der Schutz der griechischen Bevölkerung durch ausreichende Garantien gesichert werde. Dagegen werde Griechenland unter keinen Umstünden eine Berichtigung der Grenze in Thrazien zu Gunsten der Türkei zulassen. Das griechische Oberkommando in A n a t o l i e n habe nicht die Absicht, die Offensive im Frühjahr wieder aufzunchmen, da davon keinerlei entscheidende Ergebnisse zu erwarten wären; ans der'anderen Seite habe Griechenland von einer türkischen Offensive nichts zu fürchten, da die von der griechischen Armee gegenwärtig eingenommenen Stellungen so fest seien, daß an ihnen jeder Angriff zurückgcwicsen werden könne.
Fraktion der Deutsch n Volkspartci als ein beabsichtigter Vorstoß des Reichskanzlers gegen die von der Fraktion aufgestellten V o r a u s se tz u n g e n für die Zustimmung zum Stcuerkompromiß angesehen. Die im Austrage der Fraktion von Tr. Becker verschiedentlich abggcbencii Erklärungen hatten ausdrücklich gegen ein einseitiges Kabinett Stellung genommen, da nach Ansicht der Fraktion die Besetzung der einzelnen Ministerien nur im organischen Zusammenhang mit den von der Fraktion geforderten sachlichen und persönlichen Ga- rantien für «ine Gesundung der Rcichssinanzcn erfolgen könne Obgleich dem Reichskanzler diese Stellungnahme der Fraktion wiederholt bekannt gegeben worden war und er noch kurz vor der vollzogenen Neubesetzung auf die Folgen hingewtcscn wurde, b:e eine derartige Nichtbeachtung der Forderungen d-r Fraktion aus ihre Stellungnahme babcn müsse, ist die Besetzung des Aus-' wnchgcn Amtes noch gestern abend erfolgt. Infolgedessen besteht die Fraktion angesichts der b-vorstcbrndcn endgültigen Per-, ab>ch'.cdung d-s Steuerkompromisscs wiederum volle Handlungsfreiheit. ,
Es ist bemerkenswert, daß sich da? voffsparteiliche Organ' nn übrigen jeder eigenen Stellungnahme zu der Rcube-, sctzung des Auswärtigen Amtes enthält.
In der übrigen Berliner Presse wird übereinstimmend her-' vorgchobcn, daß die Berufung Rathennus in keiner Weise überraschend gckonimen sei, daß sie vielmehr nach der Entwick-, lung der letzten Wochen eigentlich nur eine Selbstverständlich-, reit darstelle. Selbst die der Deutschen Volkspnrtei nahe-' stebende ,.D e u ts ch e A l l g c m e I n e Z e i t u n g" hält es für' nötig, daß der Mann, der die wichtigsten außenpolitischen Ve-. sprcchungen geführt habe, jetzt auch die volle Verantwortung i für seine Wirksamkeit vor dem Volk und den, Parlament über- j nehme, wobei das Wlatt allerdings von der Voraussetzung i ausgeht, daß Rathenau dem Kabinett als „Fachmmistcr" an-! gehöre.
SoziaNslische vefrledigung.
^ ch- Berlin, 1. Febr. (Priv.-Tel.) Don den Organen der) beiden s o z i n l i st i s ch e n Richtungen wird RathenauS Rück- i
kehr in das Reichsminsteriunl „Freiheit" schreibt:
begrüßt. Die unabhängige
SS Belgrad, 31 Jan. (Priv Tel) Der griechische General D u S m a n i s ist zu krirzcm Aufenthalt hier eingetroffcn.
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*= [Sie Grippe 1918.] Aus ärztlichen Kreisen wird uns tzeschrieben: Es ist merkwürdig und schivcr begreiflich, wie wenig man die Grippe a.S eine der Ursachen der Niederlage oe- '«Lckstchtigt. Wie in diesem Jahr in kürzester Zeit ungefi ein . Viertel der Frankfurter Bevölkerung erkraiikic, so überfiel auch bei Beginn des üeuischcn Rückzuges die Grippe in kürzester Zeit die Truppe, nur daß damals der Prozentsatz an Tovcsfäilcn zum Schluß der Epidemie erheblich höher war. Die Epidemie ergriff zuvor geradeso stark die französisch-englische Fro..t, eben zur Zeit, als unsere lehren Ossensivsiöße zum Teil auf so rätselhaft geringen Widerstand strcßcn. I» mcincr eigenen Division warcn bei manchen Truppenteilen nur noch 2 bis 3 Offiziere, bei einer Kompagnie nur noch 3 Mann gesund. Meistens fiel ein Drittel des Bestands durch Gripve aus. Kompagnien von 120 Mann hattcn nur noch eine Stärke von 60 bis 80 Mann. In eincm Kricgs- lezarett, das einen normalen Bestand von 600 bis 800 Kranken Haffe, lagen 3000 bis 4000 Kranke; während sonst 1 bis 2 Todesfälle in der Woche zu verzeichnen waren, betrug die Stcrb.'ichkcits- zisftr 30 bi? 40 am Tage. Besonders verheerend wirkte die Grippe in der Etappe. In einer von mir behandelten Jtalieirer- Eesangenen-Kompagiii« starb ein Drittel der Mannschaft. Von der für mein Lazarett zuständigen Fliegerabwehr-Balteric war nur noch e i n Mann vorhanden. Nach der Grippe setzte an der Front Erschöpfung und Reizbarkeit «in, die sich besonders auch in dem Verhältnis zu den Vorgesetzten, aber genau so unter den Offizieren selbst gezeigt hatte. Natürlich sind meine Erfahrungen beschränkt; .doch scheint cs mir, als ob cs im Interesse der objckiiveir Gcschiryts- rrkenntnis gelegen wäre, di« Sache näher zu verfolgen. vr. st.
= [$cr gemalte Film. | Vor einem kleinen Kreise Geladener führte der durch Vorführung seines gemalten Films be- . kannte Mater Walther R u t t m a n n in einem Franksnrler Kinotheater sein opus 2 vor. Es zeigte sich hierbei eine wesentliche Weiterentwicklung über die primitiven Anfänge des ersten Werkes hinaus Die rhythmische Gliedemng der Erschcinungsgruppen, die sich wie früher aus rein ornamentalen Gebilde:, zusammen- setzen, ist übersichtlicher und wirkt auch ohne musikalische Unterstützung durch das Klavier klar pcrjodisicrt. Auch ist eine scheinbar derspcktivische Tiefenwirkung in die dritte Dimmsion gewonnen -durch allmähliche Verkleinerung gewisser Ornamente. Das bedeut-
K an dem neuen Werke ist seine energische G gen-Rhythmik in bfolge von eckigcn und runden, oder von fallenden und schwebenden Formungen. Bis zur greifbaren Anschauung dies zu beschreiben, ist noch weniger möglich, als wenn man einem harmlosen Publikum da« mcueste Orchesterwerk eines Neutöners durch das bloß« Wort zum Innern Klingen bringen müßte. Diele neue Augenmusrk, für die Ruttntaun die ersten Beispiele schuf, wird »inen schweren und langsamen Passionsweg zur Gunst des Pu- dlikums zu gehen haben. Beschleunigung wäre höchstens möolich »«ui Buge Geschäftsleute sich den gemalten Film zu einer" R-°
Imme modernster Art erwählten und so durch den Kompromiß von Kunst und Geschäft die Augen des Publikums für die neuen Phänoniene bereit und willig machten. Dhd.
—, lLessing und der „deutsche Horaz".] Der fünfund- zwanzigsährige Lessing erledigte kunstgerecht in seinem Vade- mccum für den Herrn Samuel Gotthold Lange" diesen Horaz- Übersetzer. Er wies ihm die tollsten Fehler nach, die auch heute noch kein Professor eincm Quintaner verzeiht. Er entlarvte den Herrn Pastor Lange, der so lange als „der deutsche Horaz" gegolten hatte, als einen der schlimmsten Ignoranten. Ein kleiner Fund, den ich in einem alten Stammbuch gemacht habe, zeigt ebcn- tall 2 sehr hübsch, wie cs mit dem Latein des neunzehnjährigen Studenten Lange bestellt war. Damals wurden, wie bekannt die alten Sprachen auf den Gymnasien noch gründlich getrieben 'und wer von der Schule auf die Universität zog. der hatte wenn er nicht ganz unfähig war, einen tüchtigen Schulsack voll Lateinisch und Griechisch. — In meinem Besitz ist ein altes Stammbuch das der stud. theol. Christianus Ludovicus Lerche zu Halle rm Jahr 1729 für seine „Lehrer, Gönner und Freunde" anlegte 4-arrn steht auch ein Eintrag des Studenten Lange Zuerst zeichnet er zwei Sprüche aus dem Neuen Testament in griechischer Sprache auf (Lucas 10. Vers 33: ,.Uim da er ihn sah, jammerte ihn sein" und Matthäus 5, Vers 7: "ST'g sind die Barmherzigen"), nicht ohne an der Orthographie nachträglich hcruniznkorrigicren und ein verkehrte« e in ein v 3 it verwandeln. Unterschrieben ist der Eintrag: „Hisc« paucis posscsori (so!) htijus albi doctissimo se recommcndare (fo!) v°Iuit Samuel Gotthold Lange Hallensis." Das „recommen- dare für „commendare" erweist ein sehr geringes Sprachgefühl des Selmeibers. Das ist mehr als ein Schnitzer, der eincm einmal passieren kann. „Was Hänschen nicht lernt, lernt HnnS nimmermehr Das hat Lessing denn auch nachgewiesen, und wir verdanken dem schlechte« Latein des Pastors Lange eine der amuzantesten Streitschriften unserer Literalur.
Dr. B r e t s ch n e i d c r (Oberweiler i. B.) sKaiiimcrsPicle in Kassel. > Der Mangel einer Schaubühne, die den gesteigerten Anfordcnmgen des neueren drama- l'.schcn Stils entsprechen könnte, ist in Kassel schon lange schmerzlich mtpstmdcn worden, umsomehr, als das ehemalige Hosiheatcr seiner Tradition gemäß hauptsächlich d-r Erfüllung anderer Ausgaben gewidmet ist und darin seine Existenzberechtigung vollauf beweist D-r Direktor der früheren Kainmcrspiclc Jena, Bodo B r o n s k y hat cs unternommen, allen Schwierigkeiten und Anfeindungen znm Trotz eine Bühne zu schassen, die im besten Sinne als modern zu bezeichnen ist. Am 13. Januar konnten nun die „Kammerspiele Kassel G. m. b. H." tatsächlich eröffnet werden, und swar im eigenen Hause. Dieses befindet sich im sogenannten Klemen Stadtpaik" in der Karlsstraße. Der dort vorhanden gewesene, allerdings nicht eben repräsentative Thcatcrsoal hat eine erstaunliche Umwandlung erfahre», Ter Zuschauerraum hat j-tzt
die Form eines Baldachins oder Zeltes, dessen dunk'lilafarbene Fallen, auf schivarz« Holzverkleidung gestützt, in der Spitze um einen geibvcrhangenen Kronleuchter zusammcnlcrufen. Zur Eröffnung debütierte das Ensemble in Georg Kaisers „Brand im Opernhaus". Das war immerhin ein Wagnis denn das 51affcler Publikum ist auf so extreme Schöpfungen doch noch nicht eingestellt. Hier bewährte sich ober die Regie Bronskys sehr vorteilhaft. Das Publikum quittierte mit starkem Beifall, der sich auch ar-f d>e einzelnen Darsteller. Hildegard R ö h r s als Shlvela, Paul M a l « tz k i als alten Herrn, Paul H i l d e b r a n d t als Opernsänger und B r o n s k y selber als Herrn von *** erstreckte,
W. 8.
— sUnrnhs „Geschlecht" in Leipzig.] Von den beiden erschienenen Teilen der Unruhschen Trilogie ergab „E in Geschlecht" in Bezug auf Einheitlichkeit der Stimmung, Gestaltung der Charaktere und Geschlossenheit des dramatischen Aufbaus einen ungleich stärkeren Eindruck als „Platz", obgleich die Leipziger Aufführung im Alten Theater nicht ganz ans der Höhe stand. Das lag nicht an der Regle — Dr. Kro na ch c r hatte sein Möglichstes getan, um eine stimmungsvolle Szenerie zu schaffen und den leidenschaftlichen Rhythmus der Tragödie herauSzuarbeitcn —, sondern an den darstellenden Kräften. Tessa W e n ck brachte für die heroische Gestalt der Mutter weder die seelische Disposition, noch die sprachstche Ausdrucksgewalt mit. Auch die Herren Körner und Z c i ß - G ö t t wurden, trotz eifrigsten Bemühens, dem Geist der Dichtung nicht gerecht. Nur Margarete Anton vermochte das sinnliche Urelement der Tochter bis zur höchsten Ausdrucksfahigkeit zu steigern. Wie seinerzeit 'bei der Aufsührung des „Platz" verhielt sich auch diesmal das Publikum zurückhaltend. Eine gewisse Pcrständnislosigkcit prägte sich auf den Gesichtern aus. Selbst diejenigen, welche die Tragödie vom Lcsen kennen und deren dichterischen Gehalt zu würdigen wissen, blieben kühl. V. 1.
1» ]Niedcrdentsche Slrbeitsgemeknschaft.] Aus Kiel wird uns geschrieben: Es mag sein, daß die neu-niederdeutsche Bewegung von mancher Seite und in manchen Punkten ihre Ziele zu weil und zu hoch steckt; aber nicht zu leugnen ist, daß die plattdeutsche Kulturarbeit schon in ihrer ,bisherigen Organisation, in der die vielen, über das ölte niederdeutsche Sprachgebiet verstreuten Vereine und Verbände in Verfolgung ihrer Sondcrprogramme zwar nicht gegen-, aber auch nicht in allen Punkten m i t einander wirkten, starke Erfolge gezeitigt hat in der Festigung eines StammeSbewußt- seir.s, das heute an den neugcschaffencn Landcsgrenzcn, wie etwa im nördlichen Schleswig v^rstä-ktc kulturpolitische Bedeutung gewonnen hat, sofern es das Gefühl nationaler Zusammengehörig feit unter den deutschen Volksgenossen diesseits und jenseits der neuen Grenzen vertiefen Hilst. Gleichwohl ist man seit langem zu der Uebcrzeugung gelangt, daß man zu allem wirklich Erreichbaren um so schneller und sicherer durchdringt, je mehr Methode und Ziele der neuplattderitschen Arbeit vereinheitlicht werden. In Kiel hat man darauf schon durch die seinerzeit erfolgte Gründung einer »Plattdeutschen Gill" (Gilde) vorgearbertct, auf deren Antrag so-
„Die Ernennung RathenmE im gegenwärtigen Augenblick Ist inncrp olitisch von Interesse. Herr Dr. Wirth hatte vor kurzem der D e u t s ch c n V o l k s p a r t e i als halber KoaUtions- gcnossin die Absicht dieser Ernennung mitgetcilt. Die Deutsche Volkspartei hat sich sehr ablehnend verhalten. Trotzdem ist diese Ernennung erfolgt. Für die Deutsche Volkspartci ist die Ablehnung sebr charakteristisch; sie zeigt, wie sehr diese Partei der Außenpolitik des Kabinetts feind ist, wie sehr sie, die stets nach • Machtmännern schreit, einen Mann, der immerhin größere Be- Dhigung als einer der Ihrigen gezeigt hat, mit ihrem Haß ver- ,olgt, weil er nicht ihre enge, bornierte Jntcrcsscnpolitik mitmacht. Man darf jetzt einigermaßen neugierig sein, welche Rückwirkung die Ernennung auf das Verhalten der Volksparleiler haben wird."
Französische kommenkare.
(Drahtm el d u n g unseres Korrespondenten.)'
B8t Paris, 1. Febr. Die Ernennung Dr. RathenauS zum Außenminister findet in der sranzöstschen Presse ein sympathisches Echo. Tie Blätter heben die hohen staats- mänmschen Eigenschasten hervor, die der neue Außenminister in den Verhandlungen von Wiesbaden, von London und neuerdings von Cannes beiviesen habe.
Das „Petit Journal" schreibt, die Wahl RathenauS zum Außenminister sei außerordentlich bedeutsam. In einem ichtvierigen Augenblick übernehme ein Mann die Führung der deutschen Außenpolitik, der dafür ganz besonders qualifiziert sei.
Das „Echo de Paris" schreibt, die Ernennung sei besonders interessant im Hinblick aus die Konferenz von G e n u a.
Jnnerpolitisch bedeute die Ernennung RathenauS eine Verbreiterung der Koalition, auf die sich das Kabinett Wirth stütze. Außenpolitisch bedeute sic eine Verstärkung der von dem Ministerium Wirth bereits seit Mai 1821 verfolgten Politik, an Hand der Talsachen nachzuwcisen, daß der F r i e d e n L v e r-t trag undurchführbar sei, und die Alliierten nach und nach dazu zu bringen, ihre Haltung gegenüber Deutschland zu mildern und auf die Sanktionen zu verzichten. Der außerordentlich kluge Wirtschnststh-orctikcr und gewitzte' Jongleur, d-r Rathenau sei, schmeichle sich, diese Resultate auf der Ktonfercnz von Genua endgültig erreichen zu können. Rathenau habe bereits öffentlich erklärt, daß er eine direkte Verständigung mit Frankreich
roamw iiiBBeM -
eben auf einer in Neumünstcr abgehaltenen Versammlung von Interessenten aus der ganzen Provinz und den angrenzenden Bezirken unter glücklicher Ueberwindung der bisher hier und da wahrnehmbaren Widerstände nach vicislündigcr Beratung eine Nieder-' deutsche Arbeitsgemeinschaft für Schleswig- Holstein gegründet wurde, die nunmehr die neuplattdeutsche Bewegung im angedeutcten Sinne voller Einhcitlichkrit ausnehmen und sie auf um so breiterer Basis und daher um so wirksamer wird durchführen können, c.(s ihr nicht nur die dem plattdeutschen Landes- ' verband angehöngcn Vereine, sondern auch alle wichtige» heimatlich-niederdeutschen Spezial-Korporationen, wie der Landesverband für Heimatschutz, SchleSwig-Holsteiner-Bund. Verein zur Pflege der Natur- und Landeskunde u. a. in. bcigctreten sind. Die Grün» düng bedeutet zweifellos eine der bedeutsamsten Etappen in der ncu-nlcderdcutschen Vcwcgung.
= [SUeine Mitteilungen.> Fluter dem Titel „Alpine Welt" (Verlag „Der Alpenfreund", München) haben Max Roh rer und Jos Jul. Schätz ein Sammelwerk hcoausgegcben, das durch die Sachlichkeit feint r Aufsätze den Alpinisten bcsondcrS erwünscht sein wird, durch die Schönheit seines reichen und ausgezeichneten Jllnstrationsmaterials aber auch jedem Liebhaber der Landscha ts-Pbotographie (und z. T. virrsarbiger Reproduktionen alpiner Gegenstände) zur Freude gereicht. Wiss-nschastlichcs uno Erzäy'-wdrs über Bergfahrten Wrntertourcn, Geschichtliches und Botanische? berührt nomcntlch die Alpen; doch wird auch über ^apan b’C Kordilleren und die Molukken von sachkundigen Reisenden berichtet.
Die Johannes Rehmke-Gesell chaft (Vereinigung für grundw.sscnscbaflliche Pbflolovhie) schreibt in dem soeben cr- chienenen Hcst ihrer Zeitschrift „Grundwissenschaft" (Verlag F. Meiner. Leipzig) einen Press von 3000 Rdark auZ für «ine Be- .rbettung der Aufgabe „Grundwissenschaft und RriigionSwissen- schaft". Ucber die näheren Bedingungen gibt der Geschäflssührcr Dr. I. E. Hcyde (Stettin. Dcut'chestr. 34) Auskunft.
Nach dem Beschluß des „Deutschen ZcntralvcreinS homöo- pathtscher Acrzte" bei der Tagung in Frankfurt am 8. und 0. Ang. 192t erscheint vom 1. Jan. an d>e „Deutsche Zeit- I ch r i s t für Homöopathie" als cinlpiitliche Wissenschaft, lrche homöopathische Zeitschrift Herausgeber ist der „Somöo- pnthische Zentrnlvercm". Der Verlag ist dem Homöopathischen Zentral-Vcrlag G. w. b. H. Berlin, 8 14, Wallstr. 67 übertragen. Die neue Zeitschrift wird zunächst monatlich erscheinen, später möglichst vier-zehntägig. Als Z.-ntralblatt der homöothera- pcnt,scheu Richtung 'oll sic durch Virosfentlichimä von Original- arbeiten die selbständige Forschung homöopathischer Acrzte und Pharmazcirl'n fördern und durch Berichterstattung, Besprechung > und Kritik der medizinischen Leistungen des In- und Auslnn- i i>eS, soweit sie die Theorie und Proxis der Homöotherapie berühren, unterrichten und weiterbildcn. Der leitende Wunsch war, die beiden alten homöopathischen Zeitschriften, die „Allgemeine homöopathische Zeitung" und die „Berliner homöopathischc Zeitschrift" in der neuen Zeitschrist fortzusetzen und zu vereinigen. - ' • ■