Mittwoch) 1. Juli 1942 >
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Erstes Morgenblatt
86. Jahrgang
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Laborde 24-01
Weitere Zweigs teil en an den pMertn Arten
N England klickt mit Sorgen nach Aegypten.
Gingest ändnisse und Ablenkungsversuche. — Churchills doppelte Belastung.
{Drahtmeldung unseres Korrespondenten.)
B-r BERN, 30. Juni. Als sich das Hauptquartier in Kairo am Montagabend entschloß, den Verlust von Marsa Matruk zuzugeben, wurde diese Nachricht — teils im offiziellen Kommunique, teils in Berichten von Agenturen und Korrespondenten — in eine rosafarbene Wolke von Beschönigungsversuchen gehüllt, die freilich nicht die Tatsache verbergen konnten, daß sich General Auchinleck in einer außerordentlich peinlichen Lage befindet. Natürlich habe man gehofft, so wurde gesagt, Marsa Matruk halten zu können, ‘aber es sei nie beabsichtigt gewesen, dort eine Garnison in die Gefahr der Abschneidung fallen zu lassen. Ueber die Tatsache, daß trotzdem eine für die schon angeschlagene Achte Armee durchaus fühlbare Zahl von Gefangenen in Marsa Matruk von den Achsenmächten gemacht worden ist, geht man mit Stillschweigen hinweg; man gibt sich in diesem Fall den Anschein, den man immer pflegt und nur im Fp.ll von Tobruk nicht aufrecht erhalten konnte, daß die Festung nicht vom Feind gestürmt, sondern von den Engländern freiwillig geräumt worden sei. So lautet der Bericht von Reuter: „Nach einer Schlacht, die am Samstagabend bei hellem Mondschein zwischen den feindlichen Panzerkampfwagen einerseits und den alliierten Tankabwehrgeschützen und der Artillerie andererseits ausgetragen wurde, erhielten die alliierten Streitkräfte in Marsa Matruk den Befehl zum Rückzug, um einer Umzingelung zu entgehen ‘und die Hauptmacht der britischen Armee wieder zu gewinnen, die sich auf neue Stellungen zurückzog.“
Die englische Oeffentlichkeit wird, wie man sieht, von Kairo aus auf weitere schlechte Nachrichten vorbereitet. Ganz in diesem Sinne äußern sich auch Londoner Blätter, zum Beispiel der Militärische Mitarbeiter des „New Chronicle“, Major Gribble. General Auchinleck habe bei Marsa Matruk nur ein Rückzugsgefecht liefern können, und ein eigentlicher Widerstand der britischen Truppen komme erst dreihundert Kilometer weiter östlich, am Nildelta, in Frage. Der einzige Trost, den man in dieser Lage zu bieten hat, ist die Wiederholung des Hinweises, daß die Achsenstreitkräfte beim Vormarsch ihre rückwärtigen Verbindungen immer weiter ausdehnen müßten; aber man weiß natürlich, daß sie gleichzeitig in den Besitz von Häfen kommen, die diese Frage wesentlich erleichtern.
Die routinemäßige Redensart von „neuen Stellungen“, die Reuter noch gebraucht, ist inzwischen von dem Hauptquartier in Kairo fallen gelassen worden. Das Hauptziel Auchinlecks, sagt man dort jetzt mit einem neuen Modewort der englischen Heeresberichte, müsse sein, den Kampf möglichst „flüssig“ zu halten und sich dem Gegner nicht zu einer entscheidenden Schlacht zu stellen, ehe er ausreichende Verstärkungen erhalten habe. Er müsse jetzt vor allen Dingen gegen den stärkeren Gegner Zeit gewinnen. Dieses schwache Eingeständnis wird wohl auch Churchill im Unterhaus nicht als , ermutigend" bezeichnen können. Es muß um so niederdrückender wirken, als in Kairo ergänzend erklärt wird, die geographische Beschaffenheit des Landes biete jetzt vor dem Nildelta keine natürliche Verteidigungslinie mehr. Allgemein wird die Ueberlegenheit der deutsch-italienischen Truppen an Panzerabwehr und Artillerie hervorgehoben, tröstend wird andererseits gemeldet, daß jetzt neuseeländische Truppen an den Kämpfen östlich von Marsa Matruk beteiligt seien. Nachdem die Australier in die Heimat abgezogen und die Südafrikaner zu einem erheblichen Teil in Gefangenschaft geraten sind, werden jetzt also die Männer eines dritten Dominions für England an die ägyptische Front gerufen.
Es ist noch nicht abzusehen, wie diese neue Entwicklung auf die Stellung Churchills im Parlament wirken wird. Daß er in seiner Stellung als Verteidigungsminister ernsthaft gefährdet sein könne, steht wohl außerhalb der Erörterung. Aber auch das Blatt der stets überloyalen Labour Party, der „Daily Herald“, hat ihn schon vor dem Fall von Marsa Matruk geradezu angefleht, seine Stellung als Verteidigungsminister zu räumen: „Wir bitten ihn, die Vorstellung aufzugeben, daß er gleichzeitig die Aufgaben des Premierministers und des Verteidigungsministers erfüllen könne. Die absurde Ungerechtigkeit einer solchen Doppelbelastung ist in den letzten Wochen klar demonstriert worden. Auf dem kritischen Höhepunkt der Schlacht in Libyen befand sich der Verteidigungsminister Churchill in Erfüllung unbedingt wesentlicher
politischer Pflichten in Washington.“ Churchill müsse einsehen, daß die Leitung des Verteidigungsministeriums das tägliche, ja stündliche Eingehen auf Einzelfragen erfordere und daß er die Zeit dafür nicht aufzubringen vermöge. Sein Gewicht als Premierminister, sucht der „Daily Herald“ gut zuzureden, würde wachsen, wenn er die unmittelbare Leitung des Verteidigungsministeriums abträte. In etwas drohenderem Ton erklärt der „Daily Herald“ andererseits, es sei „nicht möglich, daß Churchill nach der verhängnisvollen Niederlage in Libyen sich noch einmal in den Grundlagen der Situation verrechnen“ könne.
Auch die „Times“ versichert, daß Churchill keine Schwierigkeiten haben werde, „die wenigen abzuschütteln, die ihn aus der Führung verdrängen oder seine Regierung stürzen wollen“. Man müsse aber hoffen, daß er mehr als das oder besser etwas anderes erreiche: nämlich die öffentliche Meinung davon zu überzeugen, daß die Fehlerquellen, die man entdeckt und erkannt, habe, nun auch beseitigt würden. Es müsse „eine Reihe bestimmter Fragen beantwortet und die Forderung erfüllt werden, daß die britischen Truppen alle Hilfsquellen der englischen und amerikanischen Technik und Industrie hinter sich haben und mindestens nicht mit schlechterer Ausrüstung als der Gegner ins Feld gehen“.
Daß Churchill sich bereitfinden sollte, das Amt des Verteidigungsministers aufzugeben, erscheint angesichts seiner jahrzehntealten Neigung zur Amateurstrategie trotz alledem nach wie vor zweifelhaft, und er erhält in dieser Hinsicht eine bemerkenswerte Rückenstärkung aus den Vereinigten Staaten. Dort wird daran erinnert, daß Präsident Roosevelt gleichzeitig Oberbefehlshaber ■ der amerikanischen Streitkräfte ist, und die „Washington Post“ sagt, man könne sich nur schwer vorstellen, wie in Amerika an diesem System etwas geändert werden könnte. Uebrigens lägen bisher auch noch keine Beweise dafür vor, daß die Leitung des Krieges außerhalb von Rußland und China in besseren Händen liegen könnte als in denen Roosevelts und Churchills. „Gewiß,“ sagt das Blatt, „weder Roosevelt noch Churchill ist ein militärisches Genie. Sie haben beide Fehler gemacht; aber die .Vereinigten Nationen’, die -Soldaten an der Front und die Truppen hinter den Linien haben unbegrenztes Vertrauen in ihre Führung, und dies muß der Maßstab sein, wenn ein Urteil gefällt wird.“
Im Zusammenhang mit dem Kommunique über die Besprechungen zwischen Roosevelt und Churchill weist die „New York Times“ auf die Notwendigkeit eines einheitlichen Oberkommandos und einheitlicher Operationen der Alliierten hin. In gewissen Gebieten des den ganzen Erdball umspannenden Kriegsschauplatzes würden amerikanische Offiziere den Oberbefehl erhalten, während anderswo amerikanische Generäle ihre Befehle von alliierten Oberbefehlshabern -vürden entgegennehmen müssen. Die „New York Herald TiJnme“ schließlich macht zu dem Kommunique die einsichtsvolle Bemerkung, es sei gut, daß es nicht von Optimismus triefe, denn dann hätte es doch auf niemand überzeugend gewirkt.
London Kindel sich Weiler an Moskau.
O GENF, 30. Juni. Am 27. Juni ist, wie erst jetzt bekanntgegeben wird, in Moskau ein Abkommen über die Finanzierung der Kriegslieferungen und anderer Kriegshilfe der britischen Regierung an die Sowjetregierung mit rückwirkender Kraft vom 22. Juni 1944 an unterzeichnet worden. Nach den Bedingungen dieses Abkommens ist die britische Regierung bereit, die Lieferungen an die Sowjetunion an Waffen und Material, das in Großbritannien oder in britischen Dominien und Kolonien hergestellt wurde, ohne Bezahlung oder auf Kredit zu leisten. Der Hinweis in diesem Abkommen, es sei der Wunsch der Sowjets, daß „beliebige Hilfe der einen Vertragsseite an die andere auf der Grundlage der Gegenseitigkeit“ geleistet werde, ist beachtenswert.
TOKIO, 30. Juni. (DNB.) Die japanische Freundschaftsmission für Thailand ist am Dienstag unter Führung des früheren Ministerpräsidenten Hirota von Tokio nach Bangkok abgereist.
Dir Absetzung des Generals Ritchie.
(Letzte Meldung.)
B-r BERN, 30. Juni. Churchill erschien am Dienstagvormittag wieder im Unterhaus. Er teilte mit, daß er im Augenblick nicht beabsichtige, eine Erklärung über die Lage in Nordafrika zu geben — nach den Ankündigungen müßte sie für Mittwoch zu erwarten sein —, unterrichtete das Haus jedoch von der Tatsache, daß der Oberkommandierende im Nahen Osten, General Auchinleck, am 25. Juni das Oberkommando der Achten Armee persönlich von General Ritchie übernommen habe. Die Gerüchte von der Absetzung Ritchies bestätigen sich also. Seine Karriere endet so schnell und plötzlich, wie sie begonnen hatte.
Ritchie, der Ende Juli 45 Jahre alt wird, war erst 1939 Oberst geworden. Bei dem britischen Expeditionskorps in Frankreich war er zu Beginn des Krieges im Generalstab des zweiten Korps, das der heutige Chef des Reichsgeneralstabes, Brooke, kommandierte. Er kam dann mit dem Rang eines Generalmajors als stellvertretender Generalstabschef zu Wavell' in den Nahen,Osten und blieb in dieser Stellung bei dem Aemter- tausch zwischen Wavell und Auchinleck. Als die von General Cunningham mit der Achten Armee im November vorigen Jahres geführte Offensive gegen die Truppen der Achsenmächte in Libyen schon nach den ersten Tagen steckenblieb, setzte Auchinleck mitten in der Schlacht Cunningham ab" und übergab Ritchie das ‘Kommando der Achten Armee. Dieser erhielt in der Folge den Charakter als Generalleutnant. Seitdem wurde Ritchie als eine ganz große Entdeckung behandelt, obwohl er noch keine Gelegenheit gehabt hatte, sich als Truppenführer zu bewähren. Daß die Winteroffensive nicht die großen daran geknüpften Erwartungen erfüllte, wurde noch auf das Schuldkonto seines Vorgängers gesetzt'.
In dem hochgewachsenen, kräftigen, wortkargen Ritchie, der sich in seiner Bekleidung betont nachlässig gibt, glaubte man nun endlich den „jungen“ englischen General gefunden zu haben, der
Aus dem Führerhauptquartier, 30. Juni. (DNB.) Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:
Im Angriff gegen SewastopoLhaben deutsche Divisionen von Norden her die Ssewernaja-Bucht überwunden und sind ostwärts der Stadt gegen zähen feindlichen Widerstand in den inneren Festungsgürtel eingebrochen. Gegenangriffe der Sowjets blieben erfolglos. Im Angriff von Osten wurden unter Mitwirkung rumänischer Verbände die beherrschen- ’den Sc.pun-Höhen fast in, ihrer ganzen Ausdehnung erstürmt. ■
Starke Kampffliegerverbände zerschlugen feindliche Befestigungsanlagen vor allem aufden Sapun-Höhen und fügten Truppenansammlungen der Sowjets schwere Verluste^ zu. .Bei Kertsch wurde der Vorstoß eines Verbandes von achtzehn feindlichen Schiffen über die Meerenge durch wirksames Artilleriefeuer vereitelt.
Im Donez-Becken brach ein von Artillerie und Luftwaffe ‘unterstützter örtlicher Angriff unter hohen Verlusten zusammen.
Im Gebiet des früheren Wolchow-Kessels wurden bei Säuberungsunternehmen mehrere zersprengte feindliche Kräftegruppen vernichtet und weitere 1100 Gefangene eingebracht. Wiederholte Angriffe des Feindes gegen den Wolchow-Brückenkopf scheiterten nach harten Kämpfen an dem zähen Widerstand der Infanterie, die durch Artillerie und Luftwaffe wirksam unterstützt wurde. Hierbei wurden 21 feindliche Panzer vernichtet und mehrere Batterien durch Bombenvolltreffer außer Gefecht gesetzt.
es mit Rommel werde aufnehmen können. Die deutsch-italienische Offensive, die am 27. Mai begann und die erste wirkliche Probe für Ritchie bedeutete, hat diesen jungen Ruhm schnell zerschlagen, und Ritchie verschwindet wieder in der Versenkung. Auchinleck, der schon eine ganze Reihe von Generälen durch Gefangennahme verloren hat, sieht im Augenblick keinen zureichenden. Ersatz und übernimmt die unmittelbare Verantwortung für die gefährdete ägyptische Front selbst. Auch Auchinleck hat bisher noch keinen Beweis für seine Feldhermgabe erbringen können. Wenn es jedoch zu neuen Niederlagen kommen sollte, so kann er natürlich viel auf die Situation abschieben, in der er selbst in die Bresche gesprungen ist.
An dem Tage, an dem Churchill den > Kommandowechsel im Unterhaus bekanntgab, mußte das Hauptquartier in Kairo mitteilen, daß die Kämpfe sich in einem weiten Gebiet bis fünfundvierzig Meilen östlich von Marsa Matruk abspielten, und der englische Nachrichtendienst enthielt den vielsagenden Satz: „Der einzige Kommentar zur Lage, der heute in London erhältlich ist, besagt, daß sie ernst sei.“
„Australien ist noch nicht genügend ausgerüstet."
O GÖTEBORG, 30. Juni. Der australische Premierminister Curtin erklärte, Australien sei noch nicht genügend ausgerüstet, und auch die Kriegsorganisation sei zum Teil noch ungenügend. Diese Feststellung traf Curtin auf eine Meldung aus Washington- hin, daß William S. Wasserman, der für Aufgabe des Leih- und Pachtgesetzes in Australien gewesen war, behauptet'habe, Australien werde nur noch sehr wenig Unterstützung durch die Vereinigten Staaten brauchen, um in der Lage zu sein, eine Offensive zu beginnen. Weiter wandte sich Curtin gegen eine Erklärung des australischen Produktionschefs Hartnett, die australische Produktion werde bald einen Stand erreichen, daß sie die amerikanischen Streitkräfte mit Geschützen und sonstigen Waffen versorgen könne.
In den Gewässern des Finnischen Meerbusens yersenkted Kampfflugzeuge ein feindliches Schnellboot und be-* schädigten zwei weitere kleinere Kriegsfahrzeuge. In de# Kola-Bucht erhielten zwei große Handelsschiffe der Sowjets Bombentreffer schweren Kalibers.
In Nordafrika wurde, wie bereits durch Öondermeldung bekanntgegeben, in den gestrigen Vormittagsstunden dis durch tiefe Verteidigungsanlagen und zahlreiche Minenfelder1 verstärkte Festung Marsa Matruk gegen zähen feindlichen Widerstand gestürmt. Ueber 6000 Briten wurden gefangen* genommen; 36 Panzer abgeschossen und zahlreiche Batte* rien vernichtet* Umfangreiches Kriegsmaterial fiel in die Hand der deutschen und italienischen Truppen. Bei detti Sturm auf Marsa Matruk hat sich die deutsche 90. Leichte Division besonders ausgezeichnet.
Deutsche und italienische Panzerverbände warfen den geschlagenen Feind weiter zurück und erreichten das Gebiet östlich von Fuka. Starke deutsche und italienische Luftstreit-1 kräfte griffen die Rückzugsstraßen und Verteidigungsanlagen! der Briten, vor allem südlich des Araber-Golfes erfolg* reich an.
Im Kampf gegen Großbritannien belegte die Luftwaffe in der vergangenen Nacht militärische Anlagen in den Midlands und im Küstengebiet von The Wäsh mit Bomben.
Britische Bomber griffen in der Nacht zum 30. Juni wieder die Stadt Bremen und ihre Vororte vorwiegend mit Brandbomben an. Die Zivilbevölkerung hatte einige Verluste. Ein Versuch des Feindes, auch das Gebiet von Ham*
Einbruch in den inneren Festungsgürtel von Semastopol
In Uordafrika das Gebiet von Fuka erreicht. — Feindlicher Nachschub nach Afrika vernichtet.
Der Moralist des Alltags.
Zu Lichtenbergs zweihundertstem Geburtstage.
Von Paul Requadt.
Er hätte kaum erwartet, daß man ihn einmal feiern würde. Mißtrauisch gegen jede „Festtagsprose“, beschied er sich damit, in ungeschminkter Sprache Rechenschaft, vor sich abzulegen. Nur vor sich und vor Gott wollte er bestehen können, wenn er früh im Garten den Sonnenaufgang erlebte. Bei solchem inneren Aufschwung wagte er wohl, von seinen Gefühlen zu sprechen, aber schnell wurde er dessen inne, daß diese Rede eitel war. Die verbrauchten Worte der Menschen hatten keine Kraft mehr: „Ich will mit neuen arbeiten oder, ohne so vjel Luft dazu zu brauchen, als ein SommervogeJ aussumst, nur mit mir selbst in alle Ewigkeit sprechen.“
Er fand es nicht sonderbar, daß der Büchsenmacher Nölten zu Göttingen neben dem Astronomen Tobias Mayer in der Albanikirche begraben wurde. Dreizehnmal hatte Nölten einmal aus freier Hand auf zweihundertfünfzig Schritt ins Schwarze getroffen; „er war mein guter Freund und hatte ein vortreffliches Herz“. Bürgerliche Tüchtigkeit und ein redlich geführtes Leben zählten also bei ihm; er wäre darum zufrieden gewesen, wenn die Nachwelt allein sein berufliches Können und sein ehrliches Streben anerkannt hätte.
Jahr für Jahr gab er den „Göttinger Taschen-Calender“ mit eigenen Beiträgen heraus, an literarischen Ruhm dachte er dabei nicht. „Es ist nicht jedermanns Sache, und am allerwenigsten die meinige, wie Möser Wochenblätter für eine Stadt zu schreiben, die zugleich Blätter für die Welt sind.“ Er empfiehlt den Kalender Kants Nachsicht: „heilige Christware“ sei er, „der Goldschaum und die Farben und die unschuldige Absicht immer das Beste daran“. Das war „ohne alle Ziererei“ gesprochen.
Während sonst das Werk die gültige Aussage darstellt, geschieht im Falle Lichtenbergs das Außerordentliche, daß die persönlichen Aufzeichnungen eines Menschen ihre fortwirkende Kraft erweisen. Von Familienmitgliedern in Bruchstücken mitgeteilt, werden endlich ein Jahrhundert nach Lichtenbergs Tode die engbeschriebenen Hefte in grauer Pappe durch die hingehende Arbeit eines Gelehrten als Ganzes ans Licht gebracht. Sind sie wirklich ein Ganzes? Diese Hinterlassenschaft mutet eher wie eine Spielzeugschachtel an: bunte, glitzernde Steine entfallen ihr, wie sie ein Kind, vom Augenschein verführt, am Strande aufliest, kleine Naturwunder, die auf einen höheren Zusammenhang deuten. Basteleien müßiger Stunden. Doch Spiel ist verhüllter Emst des werdenden Menschen. „Wo Lichtenberg einen Spaß macht, liegt ein Problem verborgen." Die Sammlung seiner Briefe tritt hinzu, hilft Bild
und Lebensgang des seltsamen Mannes klären. Wer seine Sehweise annimmt, blickt in eine Welt des Aljtags, des Kleinen, Unbemerkten, und begreift, daß ein solcher Geist sich nicht in runden Werken und mit hohen Worten, sondern nur in unscheinbaren „Schmierbüchern“ und „Sudel- büchem“ allein mit sich aussprechen konnte. Sein äußeres Leben verläuft gleichmäßig, es ist der Aufstieg eines begabten Physikers zum Professor der berühmten Georgia Augusta. Aber vergessen wir nicht, daß Kant in seinem ungefährdeten Gelehrtendasein das „Abenteuer der Vernunft“ bestand. Ein Abenteurer mit dem gleichen Anspruch des Wahrheitssuchers ist auch Lichtenberg.
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Im Jahre 1787 wandte sich der Hofrat und Bibliothekar Friedrich Wilhelm Strieder an Lichtenberg, um von ihm Aufschlüsse über seinen Vater Johann Conrad Lichtenberg zu erhalten, dem er in seiner „Hessischen Gelehrten Geschichte“ eine biographische Notiz zu widmen gedachte. Die Ueberlieferung erwähnte eine unerklärliche Begebenheit aus dem Leben des Oberramstädter Pfarrers. Einst soll sich der von ihm verfaßte Text zu einer Kirchenmusik unter seiner Hand verändert haben. Das Papier krümmte sich wie durch eine unsichtbare Macht in die Höhe, die Worte waren plötzlich sinnreicher gesetzt, die Reime glücklicher gefügt. Als das Wunder verging, blieb er in starker Bewegung zurück. Lichtenberg, gefragt, ob er dieser Anekdote etwas für die menschliche Begreiflichkeit hinzuzutun beliebe, mußte ihm erklären, daß er den Vater schon als neunjähriger Knabe verloren habe (1751), daß aber diese Geschichte oft im Familienkreise erzählt sei. „Freilich scheint es mir, daß er geistigen Wesen außer uns mehr zugetraut haben mag, als die jetzige vitiosior progenies (— ein schlimmeres Geschlecht —) glaubt. „Im übrigen wertete er die Inspiration als psychologisches Phänomen, als eine der „unzähligen Abstufungen von hellem Wachen zum anerkannten Traum.“
Die Atmosphäre des Elternhauses wird hier spürbar. Seine Mutter, eine hessische Pfarrerstochter, und der keineswegs nur verstandesklare Vater bestimmten sie. Es überrascht nun nicht mehr, daß Lichtenberg außer seinem eigenen „Glauben an die Kräftigkeit des Gebets“ und seinem ..Aberglauben in vielen Stücken“ auch die „Anbetung der Geister“ eingesteht, „die um ihn schwebten“. Selten erweist sich der Sohn als echteres Abbild des Vaters. Nicht nur, daß der religiöse Funke auf ihn. übersprang, Johann Conrad hatte, durch sein Studium der Mathematik vorbe
reitet, Entwürfe für hessische Kirchen geliefert, er war der Astronomie zugetan und liebte es, seinen Bauern von den Sternen zu predigen. Von dem Zwiespalt, den es mit diesem doppelten Erbe übernahm, ahne das Kind noch nichts. Es legte einen Zettel mit der Frage: „Was ist das Nordlicht?“ auf den Speicher und wartete, daß ein Engel sie ihm beantworten würde.
Aufzeichnungen zu einer Selbstbiographie zeigen den Knaben Lichtenberg in einer „Stellung, wie sie ein Künstler für ihn wählen würde, dem zukünftiges Schicksal nicht ganz verschlossen ist. Er sitzt auf einer Mauer, um den Anblick eines Jungen der Darmstädter Stadtschule zu erhaschen, weil er ihn sich zum Freunde wünscht. Ihn anzureden, traut er sich nicht, bucklig, durch die Unachtsamkeit einer Wärterin verunstaltet. Er kann von einem koboldhaften Mutwillen sein. Das Blut einer aufsteigenden Familie und das Landleben unter dem heiteren Himmel seiner Bergstraßenheimat hat ihm hellen Sinn für das Natürlich-Wirkliche gegeben. Wer indes mit sechzehn Jahren an den Selbstmord denkt, wer Karikaturen zeichnet und darunter bemerkt, was von diesen Menschen zu halten ist, kann nicht unbefangen mit den andern sein.
In dem Bildnis des Dreißigjährigen haben sich diese Züge ausgewachsen. Der Landesherr schickt den Professor der Mathematik und Naturwissenschaften nach Hannover, damit er eine Längen- und Breitenbestimmung des Ortes vornehme. Lichtenberg hat Zeit genug, am Fenster sitzend, das „Wetter in seinem Kopf“ zu beobachten. Er macht nach wie vor „seine Welt aus sich“, aber er bedarf im Augenblick nicht so sehr eines Freundes, um sich wieder an die Welt da draußen anzuhaken; denn sein gesundes Naturell hat die Todesvorstellungen verscheucht. Kleine Gedanken streichen ihm durch den Sinn: bald wird er wieder England sehen, wird von königlichem Silber speisen und inmitten der „großen Welt“ doch nur erfahren müssen, daß ihm in seiner Göttinger Karrimer am wohlsten ist. ‘Doch ist er offener und dankbarer geworden. Als Liebhaber Sternes und Wielands versteht er sich auf die flüchtigen Blicke „rascher junger Mädchen“ und auf die leise Berührung einer zartgeäderten Hand. Sein Teleskop, das er aus dem Fenster richtet, zeigt ihm die Zärtlichkeiten eines Kammerdieners in einem entfernten Hause, auf der engen Gasse unter sich studiert er die Heimlichkeiten der Menschen: „Mädchen dachten mit einem Lächeln an die vorige Nacht und legten ihre Bänder zu Eroberungen auf der nächsten großen Straße zurecht. Die Göttinger Freunde empfangen lächelnd seine Reisebriefe, weil er selbst die gewagtesten Scherze mit eigentümlichem Charme umklei- Jt. Menschenbeobachtung ist seine Leidenschaft geworden, freilich um den Preis, daß er an dem Welttreiben nicht teilhaben darf.
Die Nervenkrankheit des Jahres 1789 läßt Lichtenberg
als Alternden zurück. Mit „hypochondrischer Attention“ be* obachtet er sich und hat die Genugtuung, täglich neue Leiden zu entdecken. „Ein Sorgenmesser:» mensura cura- rum. Mein Gesicht ist einer.“ Er beginnt, über die ..Haus* haltung des Lebens“ Buch zu führen, indem er die Ereignisse des Alltags sorgfältig verzeichnet. Am 9. Juni 1791 notiert er: „Ich ängstlich und empfindlich. Morgens trübe, zwischen 8 und 9 Sonnenblicke. Nachmittags ich etwas besser.“ Spricht er vom Wetter oder von seinen Stimmungen? Den 4. August: „Sterbetag der guten Stechardin!“ Er gedenkt jenes anmutigen Mädchens, deren Liebe ihd einst reich und glücklich machte und mit dem ganzen menschlichen Geschlecht aussöhnte. Seitdem er, dem Tode nahe, die Gewissensehe mit seiner Haushälterin Margarete Kellner hat einsegnen lassen, ist sein bürgerliches Lebert gefestigt. Bewegt erlebt er die Geburt seines siebten Kindes. An einem Julitage blickt er über seine ' Gartenbeete! „Jedes Pflänzchen, das seine Sprossen treibt, oder jedes Samenkorn, das in die Erde fällt, ist unbekümmert wegen! seines Fortgangs. Der arme, mit Kindern besetzte Vater allein leidet. Ist nicht die Erde überall cfes Herrn?“ Der Glaube frühester Jahre hat seine Kraft nicht eingebüßt. Was die Philosophie und die Naturwissenschaft ihm versagte, dessen vergewissert er sich durch die innere Erfahrung. Ein Vorfahr soll aus dem Braunschweigischen in die Pfalz eingewandert sein. Wenn sich diese Nachricht bewahrheitet, wäre Lichtenberg nur in die alte Heimat seines Geschlechts zurückgekehrt, und man verstände, warum er ein einfaches Landmädchen heiraten konnte, welches sich1 als Hofrätin des niedersächsischen Platts bediente. Er dankt es dieser sorglichen Frau, daß sie ihn in einem umhegten Kreis sich einwohnen läßt; denn immer wieder ist die Schale dieses Idylls in Gefahr, durch die Unruhe seines Denkens zerbrochen zu werden. Sie wird ihn oft aus seiner Verlorenheit zurückgeholt haben, und sie vermochte es, weil sie mit sicherem Gefühl auch das Dunkle seines Wesens aufnahm. „Am 10. Oktober 1793 schickte ich meiner lieben Frau aus dem Garten eine künstliche Blume ans abgefallenen bunten Herbstblättern. Es sollte mich in meinem jetzigen Zustande darstellen, ich ließ es aber nicht dabei sagen.“ *
„Alle Moralisten sind schüchtern, weil sie wissen, daß sie mit Spionieren! und Verrätern verwechselt werden, sobald man ihren Hang ihnen anmerkt. Sodann sind sie sich' überhaupt bewußt, im Handeln unkräftig zu sein: denn mitten im Werke ziehen die Motive ihres Tuns ihre Aufmerksamkeit fast vom Werke ab.“ Das ist Nietzsches Variation über ein Lichtenbergsches Selbstzeugnis. Dieser hat es zugegeben, daß er immer in Kenntnis seiner selbst ge* wachsen sei, ohne die Kraft zu haben, sich zu bessern. •„Das Vergnügen, das mir die genaue Bemerkung eines Fehlers an mir machte, war oft größer als der Verdruß,