Mittwoch, 10, Februar 1932
«Neueste Zeitung» Illustrierte Tageszeitung mit Versicherung
Nummer 34
Wenn
die
Gro^ftadf fdiläft
Entdeckungsreise unseres Photographen durch die nächtliche Stadt
Tag und Nacht, wird in den Straßen gearbeitet. Zumal wenn eine Schiene nicht in Ordnung ist, kann man nachts fleißige Männer bei der Arbeit sehn.
Schleien kann man, wenn einen die Nut duzu zwingt, auch in einem Sandkasten.
„lat die letzte Bahn schon durch?"
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In der Nacht, wenn die Liehe erwacht . . .
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Der Plakatkleber bet der Arbeit,
Frühmorgens werden an der Markthalle schon Gemüse und Obst ausgeladen
Oben» Ist auch alles gut zugeschlossen? —
Heiße Würstchen, die Freude vieler Nachtbumuler
Patrouillengang,
Der Tag ist da. Jetzt geht's an die Arbeit!
Links» Ein kleines Nickerchen, bis eine neue Fuhre kommt,
Das Mirakel
Von
Axel Rudolph
„Es gibt Wunder!" - „Es gibt Ictnc Wunder!" — „Doch!" — „Nein!" — „Es passieren jeden Tag- Wunder, ihr inerlt'S nnr nicht!" — „Ausgeschlossen! Nonsens!"
„Ruhe!" Frank, der Mittclgcwichismeistet vom Qikland.Boxclub, begann sich die Hcindärnicl zurückzustrcifcn. „Wenn ihr nicht rnhig euch unterhalten könnt, dann , . . Na also," lachte er, als ob seiner drohenden Geste das erhitzte Durcheinander der Stimmen respektvoll schwieg. „Wir wollen uns doch nicht de» gemütlichen Abend verderben. Jiingcns. Also nun mal ruhig und hübsch der Reihe nach. Tom, Georges und Hal behaupten, daß cs Wunder gibt. Schön. Ich für »nein Teil bin der Ansicht, das; jedes sogenannte Wundcr sich auf natürliche Weise erklären läßt. Nun, die vcrchrlichen Gegner werden ja wohl ihre Gründe haben, anders zu denken. Also bitte! Dann wird jeder von euch mal erzählen, wo und wieso ihm in seinem Leben ein Wundcr begegnet ist. Aber hübsch der Reihe nach. Und keine Lügengeschichtcn, ik you plcaso!“
Die jungen Leute, die sich nach Feierabend in ihrem kleinen Debattiercliib gusamnicngcfiinden — alles ehemalige Schulkameraden ans dem Lawrence-College — kicherlcii. Frank sah gottvoll ulkig aus, wenn er seine ernste Miene anssetzte und so würdevoll sprach.
„Ich habe mal an der Ecke Broadway und LcxingtonAvcnuc in New Mark einen Policema» gesehen," begann Hal, der ewige Witzbold, „einen Polizeiposten im Dienst, der seine Daumen nicht im Gürtel eingehängt hatte!"
Aber Frank fuhr ihn wie eine gereizte Bulldogge an. „Halt'S Maul, Hal, mit deinen ewigen faulen Witzcü! Das hier ist doch 'ne ernste Frage. Ich bin wirklich begierig zu hören, ob einer von euch Burschen einen Beweis für seine Behauptung erbringen und mir ein „Wundcr" erzählen kann, das sich nicht auf natürliche Weise erklären läßt!"
Eine Weile qualmten die jungen Leute schweigsam, dann räusperte sich Tom Bcrnon, der im College immer als ein unheimlich klugen Bengel gegolten hatte. „Die Sache hat sich erst vor kurzem zugctragen. Vorige Woche, genau gesagt, am 7. Januar, nachmittags fünf Uhr fünfzehn. Und passiert ist sie meinem Freund Norbert DrestS, dem 'Elektriker. Wcr'L nicht glaubt, kann sich bei Ihm erkundigen."
„Schon pt," brummte Frank ungeduldig dazwischen. ,Laß deine Vorreden, Tom, und schiebe los mit der Geschichte."
„Alles hübsch der Reihe nach. Lieber Frank," lächelte Tom Vernon. „Also Norbert halte an dem Tage süt irgend eine Firma ein Leuchtreklamc-Trankparent aufzusetzcii, und zwar an der Unterführung oben an der 21. Straße, da wo die Hochbahn die Siraßc kreuzt. Ihr kennt doch die Untersühruiig, nicht? Na, Norbert klettert selbst mit hinauf, um nach dem Rechten zu sehen. Den» das Transparent sollte natürlich wirkungsvoll angebracht werden und doch jo, das; es das ösfenllichc Warnungsschild über dem Untcrsühlungsbogcn: „Achtung! Hochspannung! Lebensgefahr" nicht beeinträchtigte.
Und nun hört mal zu. Mein Freund hat das Unglück, einen Fchltritt zu machen, fällt direkt aus die Leitustgsdrähte der Hoch- spannung, greift in seiner Verwirrung daiiach, um sich festzuhalten, baumelt ein paar Sekunden und rollt dann oüf die Straße."
„Gelogen!" heulte Freddy auf, „Du lügst ja. Tom! Ich kenne Norbert Drcfts doch auch! Und ich habe thn erst gestern gesehen! Springlebendig und seclcnvergnügtl"
„Jawohl," bestätigte Tom ernst, „das ist ja das Wundcr, das Unerklärliche! Als Norbert Drcsts von der Hochspannung auf die Straße plumpste, lag er eine Minute lang wie erstarrt vor Schick- kcn. Dann aber stand er aus, schüttelte den Kopf und ging gesund und munter nach Hause." t
Ein wahres Jndianergchcul brandete auf in dem kleinen Zimmer. Sämtliche Anwesenden drängten auf Tom Bcrnon ein, knufften ihn in die Rippen, zausten ihn am Haar und schimpf en wie die Rohrspatzen. Frank, der Mcistcrboxer, legte bedächtig seine Shagpfeife hin und inachte sich arbeitsfertig.
„Tom, daS kostet dich einen unter Kenner» geschätzten Kiiin- haken. Wie kannst du UNS eine so verdammte Lügengeschichte auf- tischen, he?"
„ES ist Tatsache," beteuerte Tom, sich der Bedränger erwehrend.
Neues Geheul. „AuSgefchlossenI — Gibt'S nicht! — Eine tote Ratte wäre noch lebendiger als Norbert DrestS, wenn deine Ge
schichte wahr wäre! Du Lügenmaul! Gib ihm ein Ding, Frank, aber ein erstklassiges!"
„Jungs!" Toni Vernon erhob sich und haute auf den Tisch. „Seid doch nicht albern! Die Sache ist so, wie ich sie euch erzählte! Holt mal das Telefonbuch und sucht euch Norbert Drcsts Nummer. Und dann fragt ihn selber. Wenn er meine Erzählung nicht Wort für Wort bestätigt, boxe ich zehn Runden mit euch allen zusainmcn I"
Es wurde still Im Zimmer. Einer nach dem anderen versank ins Grübeln. Endlich sagte Freddy, einer der Ungläubigsten mit einem tiefen Atemzug: „Ich bin geschlagen. Wenn das währ ist, alle guten Geister, dann ist das wirklich ein Mirakel."
Nachdenkliche Gesichter ringsum. Plötzlich aber fuhr Frank, hinter dessen nicdtigcr massiger Stirn es ficfartwft gearbeitet halte, auf: „Du bist doch ein Lügner, Tom! Wann sagst du, sdll da» gewesen sein? Ain 7. Januar! Mensch, am 7. und 8. Januar hasten wir dock) den großen Streik im Elektrizitätswerk! Da hatte dein Freund eS verdamint billig, auf die Leitungsdrähte zu fallen. Die Straßenbahnen lagen ja alle still!"
Tom Vernon lächelte mild. „Du bist auf der rechten Spur, Frank. Aber ganz hast du die Sache noch nicht erfaßt. Das Merkwürdige ist nämlich, daß der Streik, wie du leicht feststcllen kannst, genau um 5.15 Uhr am 7. Januar begann. Punkt ',.!!> Ul.it »ach- miitags wurde im Elektrizitätswerk der Strom ausgcschaliet. Und Punkt 5.15 Uhr plumpste der Mann auf die Leitungsdrähte.
Sagt, was ihr wollt: Ich nenne das ein Wunder."
V/e Zeitung der Familie Vtovak
Seltsame Presseerzeugnisse
Der Riese lind der Zwerg unter den Zeitungen
60 Dollar für eine Zeitung verlangte man Kr ein Exemplar der „Illuminntcd Quadruplo Constollntion", die 1859 in New Fork erschien. Die zweite Nummer der Zeitung wird erst 100 Jahre später erscheine», die dritte Nummer wieder 100 Jahre später usw. Die Hcvnusgabc dieses sonderbaren Blattes ist nicht etwa die Idee eines Sonderlings, sondern der Verband der Buchdrucker und Verleger ln New Mark regte diese Zeitung an. Sie hat, entsprechend ihrem Preise, ungeheuren Umfang. In jedem Sinne de» Wortes, denn sic mißt 2,50 Meter in der Höhe, ist 1,80 Meter breit und hat einen Umfang von 12 Seile». Ihre Auflagczisfcr betrug 28 000 Stück.
Den Gegensatz zu diesem Ungeheuer bildet ein wiiizigeS Blättchen, „Lill.lo Stnmlnrd", der in Torquap (England) erscheint und nur 7,5 Zentimeter hoch und 6 Zentimeter breit ist. Sbndcr- barc Ideen Ijottc gewiß auch der Mann, der eine Zeitung in der Tschechoslowakei gründete, die nur ftir Träger eines Namens erscheine» sollte. Ter dort häufige Name Novak war auch der Name der Zeitung und alle Träger dieses Namens hatten sich zu einem Verbände zusautinengeschlosscn, dessen Organ diese Zeitung war.
Das Ergebnis eines wunderliche» Testamentes vor diele» Jahre» ist heute noch eine englische Zeitung, die nur in drei Exemplaren erscheint und gegen die Zylindcrhüte eifert. Ein spleeniger Lord, der Anfang vorige» Jahrhunderts die hohen Hüte haßte, erließ eine Bestimmung in seinem Testament, daß seine Erben den Kännpf gegen den Zylinder in der Presse weiter führen müßten, wenn sie im Besitz seines Vermögens bleibe» wollten Was sie auch herzlich gern taten. Monatlich einmal wird da» eine der drei Exemplare dem verwaltenden Testamentsvollstrecket zu- geschickt.
Oer Qund der Königin
Als die unglückliche Königin Marie Antoinette während der Revolution verhaftet wurde, wich ihr Hund nicht von ihrer Seite. Bei der Abführung nach der Concicrgerie, dem Pariser Gefängnis, wollte er ihr folgen, wurde jedoch vvn den hartherzigen Soldaten zurückgestoßen und nicht in das Gefängnis eingelassen. Das Tier ließ sich nicht von dem Eingang verscheuchen, an dem eü seine Herrin zuletzt gesehen hatte. Es hielt sich in der Umgebung des Gefängnisies auf, Und wenn cs hungrig war, schlich es sich in die Häuser und fand auch hier und da etwas zu fressen. Darauf kdhrte der Hund Immer wieder nach dem Gefängnis zurück. Nach der Hinrichtung der Königin kam der'Hund noch immer jeden Tag zu seinen! Martcplatz und wurde ln den Häusern, in denen matt Ihn schon kannte, gefüttert. Es gelang jedoch niemandcnt, Ihn anzulocken oder gai einzufangen, stets galt sein treues, vergebliche» Warten am GcfängniSeingang seiner toten Herrin, die er dort zunt letzten Mal gesehen. Noch nach Jahren konnte man den Hund an der Conclergerie finden: in Paris kannte ihn jedermann Unter dem Namen ,cher Hund der Königin".