Montag, Z. Juni 1935

»Neueste Zeitung«Illustrierte Tageszeitung

Nummer 127

Unsere tägliche Erzählung:

Rennpech . . .

Schlechte Erfahrungen per Achse

Von

Ralph Urban

James Taylor nannte sich mein Tischnachbar im Speiscsaal des großen Ozeandampfers, als ich einmal über L»nis-i-Marscille nach Europa zuriickkehrtc. Des Mittags bestand »Nscr Tischgespräch ans zwei Worten, denn wir sagten ims nurGuten Tag". Erst nach dem Abendessen, da keiner weichen wollte, <»us,tc,i wir not­gedrungen auftaucn und begannen eine Unterhaltung. Die zweite Flasche Wein tranken wir schon gemeinschaftlich, und bei der dritten sagte James Taylor:Sic dürfen nicht glaube,,, das; ich von Haus aus so verstockt bin, aber seitdem Ich eine aiisgcsprochcn schlechte Erfahrung gemacht habe, vermelde ich cs nach Möglichkeit, Reisebekanntschaften zn schlichen."

Ich konnte dies gut verstellen, erkundigte mich aber nach dem Grund seiner diesbezüglichen Abneigung.

Ich fuhr einmal mit der Bahn den Nil hinauf »ach Kcneh," begann der Mann zn erzählen,nin bei einem Baumwüllexportcur als Korrespondent cinzutrctcn. Dieser Posten ivat mir tmrch einen Bekannte» vermittelt worden, worauf ich mich schriftlich mit dem -Kaufmann ins Benehme» gesetzt hatte und glatt einen zlvci. jährigen Kontrakt mit guten Bedingungen zngcschickt bekam. .Ich packte also meine Siebensachen und fuhr lvS. Der Europaerwagen des Zuges tvar nur schwach besetzt, so das; ich mich allein in meinem Abteil nach Belieben strecken konnte. Da? ging so bis Sh». In dieser Station hatte der Zug längeren Aufenthalt, den ein untersetzter Herr daz' benutzte, laut schreiend einige Ein­geborene mit unzähligen Gepäckstücken in mein Mteil zu heben. Mihvcrgnügt blickte ich währenddessen durch ein Fenster auf das Treiben am Bahnsteig hinunter. Da sah ich eine erstaunlich dicke Dame, die einsteigcn wollte, auf inciucn Wnggoti ziikoinmen. Sic hatte aber die Rechnung ohne die ägyptischen Bahnen gemacht, denn sie blieb in der Waggontiir stecken und konnte -weder vor noch zurück. Der untersetzte Herr stand hinter ihr, um auch in den Wagen zu gelangen. Als er ihre Qualen wahrnahm, feixte er von einem Ohr bis zum andern, traf aber keine Anstalten, der Frau ans ihrer peinlichen Lage hcrauszuhelfcn, sondern ging zur anderen Waggontiir und stieg dort scclcnruhig ein. Tief empört über diese Rüpelhaftigkeit eilte ich zu Hilfe und zog die Dame .im Schivcihc mcincs Angesichts herein. Dann ging ich nach mciucin Abteil, wo der untersetzte Herr bereits seine Fähe auf meinen Fensterplatz gelegt hatte.

Ich bin der galanteste Mensch, den Sie sich nur vorstcllen können," antwortete der untersetzte Herr auf meinen vernichtenden Blick,aber seitdem ich einmal sehr schlechte Erfahrungen machte, helfe ich nie wieder jemand in einen Eiscnbahnzug hinein." Und ohne meine Antivort abzuwarten, erzählte er mir seift Erlebnis.

Vor einiger Z: reiste er auf Besuch in seine Heimat. In irgendeiner Bahnstation, als sich der Zug bereits in Bewegung setzte, bemerkte er, aus dem Fenster sehend, eine junge Damc, die, mit etwas Weigern winkend, verzweifelt neben dem immer rascher fahrenden Zug cinherlief. Hilfsbereit und rasch entschlossen riß der Mann die Waggontiir aus, erwischte die laut schreiende Schöne gerade noch beim Genick und schubste sic zu sich in den Wage».

Statt Dank erntete er aber zunächst eine heftige Ohrfeige; dann erst erwies es sich, das; die Damc gar nicht mitfahtcn wollte, sondern nur den Postwagen zu erreichen versucht hatte, um einen dringenden Brief hineinzuwersen. Die .Hilfsbereitschaft kam dem Manne teuer zu stehen. Zuerst musttc er für seine unfreiwillige Begleiterin straf­

weise den doppelten Fahrpreis bis zur Nächsten, zweihundert Meilen weit entfernten Schnellzugstation bezahlen, dort angekommcn, die Rückreise sin Salonwagen, da die Dame behauptete, sie könne sich in diesem Auszug unmöglich In den Zug setzen, kostete ihn die Ge­schichte uußcrdcm noch einen Reisckoffer mit allein Zubehör und ein Kostüm, das nicht billig war.

Damit war aber die Sache noch lange nicht erledigt," erklärte mir der untersetzte Herr,denn kaum tras Ich In meiner Heimat­stadt ein, erhielt ich einen Brief, in dein mir die junge Dame und ihre Eltern aNkündigtcn, sie würden mich wegen Entführung gericht- lich belangen."

Ich fand die Sache, die dem untersetzten Herrn passiert war, wirklich stark und sühltc mich vcrpslichtct, dem Manne zuzustimmen. Ich sagte: Diese sogenannte Dame war eine selten unverschämte und ganz gemeine Person!

Ich hätte dies besser nicht gesagt. Der untersetzte Herr schnappte ein paarmal nach Lust, wurde krebsrot und ganz dick Im Gesicht und brüllte wie am Spiest:Was sagen Sie, Sie Lümmel Sic? Ich habe die Dame natürlich geheiratet und bin der glücklichste Ehe- mann, Sie Ehrabschneider, Sie Pscrd, Sic Esel, Sie!" Und bevor ich noch die Lage ersaht hatte, versetzte er mir einen Hcrzhakcn, dast mir ganz schlecht wurde. Dann aber packte mich die Wut und inner­halb der Zeit von kaum zwei Runden schlug ich Ihn Knock-out. Es war etwas zu heftig ausgefallen, denn der Kerl traf keine Anstalten, aus dem Reich der Träume ins Dasein zurückzukehreu. Unser Zug hielt gerade an einer Station, um den Gegcnzug zu erwarten.

Uni alle» Unannchmlichkcitcn aiiszuwcichcn, verschwand ich schleunigst mit meineni Gepäck und ftihr mit dem Gegcnzug einige Stationen zurück. Erst am nächsten Tage reiiste -ich nach Keiteh und begab mich dort -geradewegs in das Haus meines neuen Arbeitgebers. Da man mir sagte, der Chef gci heute unpäßlich und könnte mich daher leider nicht persönlich -cmpfangen, machte ich einstweilen seiner reizenden Gattin den Hof. Es dauerte inimerhin einige Tage, bis ein untersetzter Herr mit -verbunde­nem Kopf auftauchtc, um seinen neuen Korrespondcntc» zu be­grüßen.

Es war der Mann, den ich im Abteil zurück-gelassen hatte. Glücklicherweise -versagten bei meinem Anblick seine noch ge­schwächten Nerven, und er siel in Ohnmacht. Diesen Umstand machte ich mir zunutze und räumte raschcstens das Geld.

Sic werden verstehen," schlost mein Tischnachbac seine Er­zählung,dast ich seither auf Reisen etwas zurückhaltend bin."

Das ist die reinste Klette," meinte ich lachend,zuerst machte der untersetzte Herr die schlechte iErsahrung mit iRci-scbckanntschas- ten, dann in der Folge Sic selbst. Mach idem Gesetz der Serie fehlt eigentlich noch der Dritte."

Hm, eigentlich habe» Sie recht," stimmte mir ,James Taylor bei und begann von etwas anderem zu sprechen.

Als wir in Marseille an Land gingen, trennten sich unsere W-rgc.

Sie sind wirklich ein lieber Kerl," verabschiedete sich mein Rcisgcfährte und umärmte mich zu meiner Wertminderung. Ge­rührt winkte ich ihm noch lange aus meiner enteilenden Droschke. Erst als ich vor meinem Hotel den iFuhrlohn bezahlen wollie, bemerkte ich, dast meine.Brieftasche weg war.

Seither bin ich auf -Reisen sehr zurückhaltend.

Kino etwns ungewöhnliche Rudorfuhrt machte ein Vierer bei der Regatta in Sydney. Das Klint schlug bei dem rauben Wasser voll und die Mannschaft saß imNassen

(Aufnahme: -Presse-Photo.)

Ein Monn gelst über ein SdiladitfelD

Wie entstand die Genfer Konvention des Roten Kreuzes?

e In seiner Rede vor dem Reichstag hat der Führer und Reichskanzler Deutschlands Bereitschaft er­klärt, sich an allen Bestrebungen zur Nüstungsbegrenzung zu beteiligen. Die Reichsregierung, so sagte Adolf Hitler, sieht den einzig möglichen Weg hierzu in einer Rückkehr zu den Gcdankengäugcn der einstigen Konvention des Roten Kreuzes. Was hat eS mit dieser Konvention für eine Bewandtnis?

Im Jahre 1859 wütete in Obcritalien der Krieg zwischen Frankreich und dem Königreich Savoyen gegen Oesterreich, in dem Oesterreich die Lonibardci an Savoyen abtreten mnstte. Als am 25. Juni 1859 der Kanonendonner nach der Schlacht von Solfe- r i n o schwieg und die Heere Kaiser Franz Josefs, Napoleons und Viktor Emanucls von dem Kampf ausruhten, kam ein einfacher Genfer Privatmann, Henry D,u n a n t auf den Schauplatz des welthistorischen Ereignisses. Zwei Heere von je über 209 900 Mann hatten mit Erbitterung gekämpft, und am Abend bedeckten 59 909 Krieger die Walstatt. Aber ntcmand war da, der Hilfe brachte, der den ficbcrdurstigcn Lippen Waffcr reichte, der das Blut der Wun­den stillte. Freilich: Hunderten wurde geholfen, aber'der Acrzte uyd Gehilfen waren zu wenige, und Tausende blieben hilflos liegen, die durch rechtzeitige Hilfe hätten gerettet werden können.

Als Reisender, nicht als Arzt, hatte Dunant am Kriege tcil- gcnoinnicn, und zum ersten Male sah das Auge eines ernsten Man­nes diesen Jammer, als er durch Elend und Not über das Schlachtfeld von Solfcrino schritt. Da kam ihm der Gedanke an iutcrnationalc Hilfe zur Linderung des Unglücks Tausender und

Erholung, eine Kunst

Eine Eigenschaft, die nur wenige besitzen: Geduld

als Kampferfurden Sozialismus ÜerTat

WERDE MITGLIED DERNSV

Erholung i st gleichbedeutend mit Entspan- n»n g, Entspaiinung von Körper und Geist! Und hierin liegt die Schwierigkeit des Erholens, die graste Kunst des Sich- crholcus, die nur wenige kennen. Denn dazu must man eine Eigenschaft haben, die nur wenige besitzen: Geduld. Der Mensch will innncr seine gewohnte Umwelt um sich haben, in einer anderen Umwelt wird er -ungeduldig, uufroh, ja Unglück- lich, denn er besitzt selten so viel Geduld, um sich an eine neue Umwelt rasch zu gewöhnen. In der gewohnten Umwelt lebt der Mensch sein tätiges, arbeitssamcs, oft aufregendes, oft zer- strciiungs- und vcrgnügungsrciches Leben, und die gleiche Um­welt möchte er aus seine»Erholungsreisen" um sich haben. Der Mensch macht sich nie klar, dast er sich in der gewohnten Umwelt nie entspannen kann. Wenn dies der Fall wäre, dann brauchte er ja keine Erholung.

Wenn er sich aber entspannen will, dann must er eben eine neue Umwelt aufsuchcn. Eine Umwelt, die ihm statt Arbeit, Aufregung und geräuschvoller Vergnügungen Ruhe bietet, nichts weiter als Ruhe. Nur In Ruhe kann man sich entspannen! Um sich aber an eine mit solcher Ruhe geschwängerte Umwelt zu gewöhnen, must man anfangs Geduld haben, denn die Ruhe ist etwas Ungewohntes, etwas, das unserer gewohnten Umivclk meist gänzlich fehlt.

Entspannen, wie macht man daS? Sehr einfach. Man setzt sich in ein ruhig-S, möglichst abgelegenes Dorf in schöner Lage, läßt seine Sorgen zu Hause, denkt an nichts, läßt nur die Natur

auf sich wirken, liegt viel im Grase, im Walde, geht gemütlich spazieren, nährt sich einfach, raucht und trinkt wenig, liest kein Buch, keine Zeitung, geht früh zu Bett und steht bei schönem Wetter früh aus. Wenn cs regnet, zieht man wasserdichte Stiesel au und einen wasserdichten Lodenmantel, Pfeift auf das schlechte Wetter und geht spazieren. Erst wer cs fcrtigbriugt, stunden- lang im Grase zu liegen, sich von der Sonne bcschcinen zu lasse», wunschlos das nie rastende Leben in der Natur um sich zu be­trachten, am Vogelgezwitscher mehr Freude zu empfinden, als an einem Lautsprecher, sich innig daran zu crsrcucn, dast keine Autos an ihm vorübcrrasen erst der darf sagen: jetzt erhole ich mich, jetzt entspanne ich mich körperlich und geistig!

Jeder, der überhaupt in Urlaub gehen kann, vermag sich zu erholen und sich zu entspannen, denn nichts ist billiger und ein­facher. Nur so viel Geduld must jeder mitbringen, daß er die Unlust, welche die Veränderung der Umwelt anfangs mit sich bringt, überwindet. Bet gutem Willen geht dos schnell. Und cs ist eine dankbare.Aufgabe, denn ist nicht wohltuend, wirklich erholt" und durch Entspannung gestärkt wieder nach Hause zu tommen? Den Zweck der Erholungsreise tatsächlich erreicht zu haben? Niemand aber wird diesen Zweck erzielen, wenn er von Stadt zu Stadt, von Gasthaus zu Gasthaus jagt, mit dem Auto durch die Welt saust oder sie in Dauermärschen mit schwerem Gepäck durchhastct. Ja, denkt wohl mancher, das mag ja alles ganz richtig sein, aber wenn ich reise, will ich möglichst viel von der Welt sehen! Von einer solchen Reise werden Sic eben nicht erholt" zurückkehren.

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Hins, zwei, drei ist das Preisschild von der Obsthiind- lorin frrtiggcstellt und die Kunden können sich nun das für ihren Geschmack und Geldbeutel Passende.aus­suchen,

(Aufnahme: -Neuland.l

Jetst heißt es sortieren, PlickwHsche beiseitclegcn, ein­spritzen, Zusammenlegen, bügeln, wegräumen lauter Dinge, die von einer zukünftigen Hausfrau wohl ver­standen sein müssen!

(Aufnahme: Noiiland)

aber Tausender von Kriegern, die nach ihrer Verwundung nicht mehr Feinde, sondern nur noch kranke, hilflose Menschen waren, denen aus Gründen der Menschlichkeit Hilfe zuteil werden mußte. Die erste Anregung wird Dunant wohl von der russischen Groß­fürstin Helene Pa w low na und der Engländerin Nigh- t I n g a l e erhalten haben. Im Krimkriege hatten diese eineGc- nossenschast der Schwestern von der Krcuzcrhöhung" geschaffen und Hervorragendes auf dem Gebiete der Vcrwundctenpflcgc ge­leistet. Dies und die Eindrücke von Solfcrino, wo -10009 Ver­wundete elend umkanien, vcranlastten Dunant im Jahre 1862 eine Schrift hcrauSzugebcii, worin er betonte, daß schon in Fricdens- zciten darauf hingcarbcitct werden müffe, die Kriegführung durch eine ausreichende Pflege der Verwundeten humaner zu gestalten. Eindringlich führte er der Menschheit die Grausamkeit eines solchen Verfahrens vor, das die Verwundeten auf dem Schlachtfeld sich selbst überläßt. Und so entstand aus dem unablässigen Wirken DunantS nun eine Reform des KricgsrcchtcS; aus dem Blute von Solferino ist die heilende Passionsblume des Rote» Kreuzes ent­sprossen.

Die Verwundeten sind keine Feinde mehr!

Die Verwundeten dürfen nur soweit leiden, als cs der Zweck des Krieges verlangt," diese Forderung stellte der Schweizer Mcn- schcnfrcund mit einer Schar Gleichgesinnter auf, und er verlangte weiter:Sind sic außer Kampf gesetzt, so hören sic auf, Feinde zu sein, und werden Gegenstand der Hilfe. Diese Hilfe darf nicht gestört werden durch feindliche Maßregeln: Aerzte, Spi­täler, Hcilmatcrial sind außerhalb des Krieges gestellt." Diese geflügelten Worte gingen gedruckt in alle Welt und fänden fruchtbaren Boden in vielen Herzen, so daß 1863 eine Genfer Vor­konferenz zusamnientrat. Scho» vorher hatte auch im a m c r i k a- nischen Bürgerkrieg die neue Welt ein Beispiel gezeigt: denn hier traf eineGesundheitskonimission der aincrikanischen Fraiicnvercinc" zusamnien, die bereits ein Vorbote desRoten Kreuzes" war und mehr zur Humaiiisicrung des Krieges leistete, als je vorher gelniigcn war. Den Grundgedanken Tuuants und vor allem aueli des Genfer Patriziers Moynicr cnlsprachcn die tinzelncu Bcstimmiingen des gedachten völkerrechtlichen Vertrages von 1861, der aber durch die Wahrnehmungen und Ersahrungcii, die die großen Kriege der folgenden Jahrzehnte an die Hand gaben, manchen Wandel crsuhren.

Verbot der Gase und der Dum-Dum-Geschosse

Humanisierung der Kriegführung di« Männer, die am 22. August 186-1 in Gens übcrcinkanicn, fortan der Humanität in neueren Kriegen eine» inastgcblichcn Platz cinziirLumcn, sahen den ganzen Fragenkreis noch vcrhältnlsmästig eng, und so kam vorerst eineUcbcrcinkunft zur Verbcsscrung des Loses der ver­letzten Militärpcrsonen der im Felde stehenden Heere" zustande. Die Versuche, die Konvention zu erweitern und fortzubildcn, blie­ben lange ohne Erfolg. Erst 1899 wurde die Genfer Konvention auf den Seekrieg ausgedehnt. Drei Abkommen waren ihr Er­gebnis und dreiErklärungen" über Beschränkungen der Kriegs- mittcl. Von Bedeutung war die zweite Erklärung, deren wich­tigster Absatz folgendermaßen lautete:Die vertragschlicstcndcn Mächte untcrwcrsen sich gegenseitig dem Verbote, solche Geschosse zu verwenden, deren einziger Zweck ist, c r st i ck c n d c n n b g i f- t igc Gase zu verbreiten." In der dritten Erklärung ist der Ver­wendung von Geschossen gedacht, die sich leicht Im incnschlichcn Körper auSdchncn und plattdrücken, derart wie die Geschosse mit hartem Mantel, der den Kern nicht ganz umhüllt oder mit Ein­schnitten versehen ist. Mil diesen Worten meinte man die Geschosse, die später unter dem Namen D u m - D u m - G c s ch o s s e weiter- lebtcn.

35 Staaten unterzeiebnen die Konvention

Im Jahre 1996 kam cs jiim Abschluß der revidierte» Genfer Konvention. Sic wurde signiert von sämtlichen 35 Kanscrenz- staaten, ratifiziert von Deutschland, Grost-Britannien, Ita­lien, Rußland, der Schweiz, den Vereinigten Staaten von Nord- amerifa und einigen kleineren Staaten, später auch von Ocstcr- reich-llngarn, Belgien, Chile, Dänemack, Japan usw., von Frank­reich erst 1913. Die Kämpsc in Serbien 1895, in Griechenland, in China 1899, In Transvaal 1999, in der Mandschurei und inSüd- wcstasrika hatten reichlichen Stoff für Vorschläge gegeben und den Schweizer BundcSrat veranlaßt, zu einer Durchsicht und Vcrbcssc- r.ing der nicht mehr lebensfähigen AcstimiNuilgen aus früheren Zeiten cinzuladcn. Ans den Beratungen giiig dann ein vollständig neues Werk hervor, das den Bedürfnissen dcS Tages Rechnung trug und die unklaren, lttckcnhaften und schwankenden Satzungen des alten Vertrages teils ganz beseitigte, teils ergänzte, vervoll­ständigte und verdeutlichte. An der Spitze stand der Grundsatz, daß fortan der Sieger für alle in seine Hände salicnden Kranken und Verwundeten ohne Unterschied der Nationalität zu sorgen hatte.

Was heißt Humanität im Kriege?

Das in Gens 1996 vollendete Resormwerk hat ein Jahr später auf dem Friedenskongreß im Haag eine nochmalige Er­gänzung erfahren. Hier begegnen wir auch zum erstenmal einer Erklärung", die das Verbot des Werfens von Ge­schossen und Sprengstoffen aus Luftschiffen im Auge hat. lieber die Frage, inwieweit der Humanität im Kriege ein Feld eingeräumt werden dürfe, einigte man sich in der An­erkennung des Grundsatzes, dast von Ansprüchen der Humanität tu: Krieg nur soweit die Rede sein könne, als Natur und Zweck des Kampfes dies gestatten. Aber alle unnötigen Beschränkungen der Humanität, sollten unbedingt sortfallen, denn Recht wie Nutzen der Mcnschensrcundlichkeit seien so groß, so segensreich, dast sie zugelassen werden müßten, soweit es irgend angrhe. Gliicklicher- n-eise wurde während des Weltkriegs die Genfer Konven­tion mit manchen Verbesserungen und Ergänzungen versehen, so kam z. B. die Abmachung zustande, daß dauernd dienstunfähige Gefangene in neutralen Ländern interniert werden konnten. Auch der Brauch, den Organen des Roten Kreuzes das Recht zur Be­sichtigung der Gefangenenlager zu geben, entsprang einer Verein­barung der Gegner während dcS Weltkrieges. Nach dem Weltkrieg hat im Juli 1929 auf Einladung der Schweiz eine neue Genfer Konferenz, die von.ä7 Staaten beschickt war, Beschlüsse gefaßt, die aber im Werk des Friedens, wie cS sich die Rcichöregierung vor- fieiit, nur ein recht bescheidener Beitrag waren.