Montag, 2 . September
Seite 2
Landausbeutungskonzessionen an eine englisch-amerikanische Gesellschaft
Ein Schachzug des Negus?
Großes Aufsehen in der ganzen Welt — England und Amerika in Verlegenheit
■wird sich Mussolini dazu stellen?
Wie
London, l. September.
. Nach einer Meldung des Sonderkorrespondenten des „Daily Telegraph" aus Abis Abeba hat der Kaiser von A b e s s i - nien einen umfangreichen Konzessionsvertrag mit einer englisch- amerikanischen Gesellschaft abgeschlossen, lieber den Inhalt dieser Konzession, deren Tragweite noch nicht zu überblicken ist, wird berichtet:
Die Afrlcan Exploitation and Development Corporation, Ijlntec der eine Gruppe bedeutender englischer und amerikanischer Finanzgesellschaften stehen soll, hat von der abessinischen Regie rung eine Konzession erworben, die ihr für 75 Jahre das alleinige Ausbeutungsrecht sämtlicher Bodenschätze — cs handelt sich in erster Linie um Oel und Mineralien — in einem Gebiet gewährt, das ungefähr die Hälfte des Kaiserreichs umfaßt. Für die Konzession kämen die Gebiete, die an den östlichen Teil von Eritrea sowie an Französisch- und Jtalienisch- Somaliland und an Kenia angrenzcn, in Betracht.
Ez handelt sich also um das gesamte östliche Tiefland sowie um einen Teil des südlichen Hochlandes. Für die Entwicklung dieser großen Gebiete soll ein Kapital von mindestens 10 Millionen Pfund aufgebracht werden, von dem ein größerer Teil aus New Fork stammen soll. Die vorbereitenden Arbeiten, vor allen Dingen die geologische Untersuchung des Bodens, sollen bereits in den nächsten Wochen ausgenommen werden. Die Konzcssions- abgaben an die abessinische Regierung sollen so groß sein, daß sie schon innerhalb von vier oder fünf Jahren die gegenwärtigen Staatseinnahmen von rund einer Million Pfund Sterling verdreifachen werden. Die abessinische Regierung wird diese Mittel zur Anlegung von Straßen sowie zur allgemeinen Verbesserung der Verkehrs- und Nachrichtendienste und zur Erschließung des Landes verwenden. Zunächst soll im Rahmen der Konzession das nach den vorbereitenden Untersuchungen wertvolle Oel seid zwischen Aussa und Jijiga erschlossen werden. Man denkt an eine etwa 308 Meilen lange Rohrleitung von Geludia über Harar-Jijiga, die bei den Häsen Zaila oder Bulhar in Britische Somaliland münden würde. Geplant ist ferner die Errichtung einer parallel zur Rohrleitung laufenden Eisenbahn.
6sheime Verhandlungen des „Vergnügungsrexsenden" Rickett Der Sonderkorrespondent des „Daily Telegraph", Sir Percival Philips, berichtet, daß die Verhandlungen durch Mr. F. W. Rickett abgeschlossen worden seien, einen Mann, den man im Fernen Osten als den „Lawrence der Wirtschaft" bezeichnet. Seine eigentliche Mission in Adis Abeba wurde außerordentlich geheim gehalten. Während der acht Tage, die ec in der abessinischen Hauptstadt weilte, führte er das Leben eines Vergniigungs- reifenden, und niemand ahnte etwas davon, daß er Nacht für Nacht mit den zuständigen abessinischen Negierungsvertretern verhandelte. Nach der Unterzeichnung, die der abessinische Vergbauminister für den Kaiser in Gegenwart von Mr. Colson und des amerikanischen wirtschaftlichen Beraters der abessinischen Regierung vornahm, war die Tatsache des Abschlusses lediglich fünf Menschen bekannt. Die Unterzeichnung ist Freitag morgen vorgenommen worden. Mr. Rickett begab sich unmittelbar daraus in einen bereitstehenden Expreßzug nach Djibuti. Er wird von dort aus mit dem Flugzeug über Kairo nach London fliegen.
„Auch Im Falle eines Krieges"
Philips hatte Gelegenheit, Mr. Rickett vor seiner Abreise zu fragen, ob die Ausbeutung der Konzession auch im Falle eines Krieges vorgenommen werden würde, und erhielt die Antwort: „Ja, Krieg oder nicht Krieg, wir werden so schnell wie möglich beginnen." Er bejahte ferner die Frage, ob für die Konzessionen auch die Erklärung Mussolinis gelten würde, daß dieser sämtliche britischen Rechte respektieren werde Auf die weitere Frage, ob man Italien an den Vorteilen der Konzession teilnehmen lassen würde, antwortete er: „Nach dem ich Italien in den Höhcngcbieten des Irak geholfen habe, Lin ich der Ansicht, daß für den Duce hinreichend Raum für eine allgemeine Erschließung eines so gastfreundlichen Landes wie Abessinien vorhanden sein sollte, ohne von den Waffen Gebrauch zu machen." Zum Verständnis dieser Aeutzerung sei erwähnt, daß Mr. Rickett für die British Oil Development Co., in der bekanntlich auch deutsche und italienische Interessen vertreten waren, die Aufteilung der Oelseldcr des Irak maßgeblich beeinflußt und an der Erteilung der Konzession durch König Fcisal in hohem Grade mitgewirki hat.
Oie Ausnützung des Tana-Sees Nach dem Bericht des „Daily Telegraph" solle» gegenwärtig noch andere Verhandlungen schweben, die für Großbritannien mindestens von gleichem, wenn nicht von größerem Interesse sein dürften. Es handelt sich um ein Projekt für eine wirtschaftliche Auswertung der Wasserkräfte des Tana- seeS und des Blauen Nils. Die neue Gesellschaft, die wahrscheinlich den Namen „Lako Tana Conservant Syndicate" tragen soll, wird eine Kombination von abessinischen, sudanesischen und ägyptischen Interessen sein. Dar Kapital von 10 Millionen Pfund Sterling, das von London und Kairo gestellt werden wird, fall zwischen den drei Gruppen aufgctcilt werden. ES ist an den Bau eines Dammes sowie verschiedener Pumpstationen gedacht, durch die der Wasserabfluß des Tanasecs an den Blauen Nil ver- größcrt werden soll, um dadurch neue, bisher noch dürre Gebiete im Sudan kultivieren zu können. Dar Programm sieht u. a. eine erstklassige Umgehungsstraße um den Tanasee sowie den Bau einer direkten Verbindungsstraße vom Sudan nach AdiS Abeba vor. Mr. Rickett erklärte auf die Frage nach diesen Pro- selten, daß eS sich um ein Problem handele, das angesichts der »amit verbundenen politischen Fragen zwischen London und Adis Abeba gelöst werden müßte. Der Kaiser von Abessinien habe die Oberhoheit über diese Gebiete, und er habe das Rechi, jedes Abkommen, das er im Interesse seines Landes für vorteilhaft halte, abzuschließcn. Auf die weitere Frage, ob Mr. Rickett bereits das notwendige Syndikat gebildet habe, erwiderte er ausweichend: „Würde das nicht eine ganz gute Sache sein?"
Wer ist Mr. Rickett ?
London, 1. September.
Die Afrienn Exploitation and Development Corporation [t in Delaware (USA) registriert und hier anschci- icnd kaum bekannt. Man meint jedoch, daß es Verhältnis- mäßig gleichgültig wäre, wer zunächst als Vertragspartner in die Konzessionsabmachungen eingetreten sei. Wichtiger sei die Frage, ob überhaupt schon ein sesteS Konsortium für die Durchführung der Konzessionen vorhanden sei oder ob Mr. Rickett und seine Hinterleute sich zunächst nur aus grundsätzliche Bereitschasts- erklärungen gestützt hätten und erst jetzt an die eigentliche Bildung des Konsortiums Herangehen wollen.
Mr F. W. Rickett, der so plötzlich in den Vordergrund getreten ist, ist ein Mann Ende der Vierziger, der in guten finanziellen Verhältnissen lebt. Er unterhält gesellschaftliche Beziehungen und ist Master der Jagd in Berkshire; aber man wird seinen Namen vergeblich in dem VerzetckintS der Direktoren oder Auf- stchtSräie englischer Gesellschaften suchen. Seine Freunde in der City erklären, daß gerade das bezeichnend für ihn fei. Er liebe er nicht, in Erscheinung zu treten, noch weniger aber, sich dauernd an eine bestimmte Sache zu binden. Auch bet der British Oil Development Co. und später bei der Mossul. Oilfields Limited habe er Wert daraus gelegt, lediglich als wirtschaftlicher Berater zu fungieren. Rickett soll nicht nur-bei der KonzesflonSerteilung für die Oelausbeutung im Irak, sondern auch bet einer Reihe anderer wichtiger wirtschaftlicher Maßnahmen in Persien und der Türkei mitgewirki haben, ohne daß selbst seine Freunde Näheres von seiner Tätigkeit wußten. Auch jetzt soll nur ganz wenigen bekannt gewesen sein, daß er überhaupt in Abessinien war. Jedenfalls handelt er sich bet Mr. Rickett, der übrigen» verschiedene asiatische und afrikanische Sprachen beherrschen soll, um keinen durchschnittltchm Geschäftsmann. Er pflegt lange an besonderen
B -rtcit zu arbeiten. ES ist aber keineswegs ungewöhnlich, daß ch plötzlich ein Flugzeug bestellt und an irgend einem ent- r» ÄÄ te* Wrlt ffil Mi-, WtvtWHt. SHejkntjjeö
I in der City, die ihn näher kennen — einer seiner Geschäftsfreunde bezcichnele ihn als einen der größten Kaufmannsdiplomaten ver Welt — sind fest davon überzeugt, daß die Meldungen aus Adis Abeba richtig sind. Das einzige, was ihm dabei nicht ähnlich sehen soll, sei die Tatsache, daß sein Name erwähnt worden sei.
Italien ist empört
Rom, 1. September.
Die Londoner Meldung über den Abschluß der Verhandlungen über die Erteilung einer abessinischen Petroleum- und Bergwerkskonzession an ein englisch-amerikanisches Konsortium hat hier begreiflicherweise wie ein Faustschlag inS Gesicht gewirkt. Selbstverständlich beeilt sich dar „Giornale d'Jtolia" zu versichern, daß ein solcher Vertrag unmittelbar vor Beginn der eigentlichen Auseinandersetzung und Kampfhandlungen von Italien als null und nichtig angesehen werden müßte, denn er verstoße gegen olle englisch-italienischen Verträge seit dem Jahre 1891 über die Abgrenzung der Interessensphäre in Abessinien. Zweitens: er widerspreche den Erklärungen von Sir Samuel Hoarc, daß England dem Italienischen Ausdehnungsbe- dürfnir mit Verständnis gegenüberstehe. Dritten?: er strafe die englische Behauptung Lügen, daß es nur aus ideellen Gründen so zu handeln gezwungen sei, wie er handele, und viertens: Mussolini habe natürlich nicht daran gedacht, mit seiner Anerkennung der englischen wohlerworbenen Rechte in Abessinien die Unterschrift auch unter ungeschriebene Wechsel zu setzen.
■ t .. und läßt sich nicht beruhigen
Rom, 1. September.
Nach dem offiziellen Dementi der britischen Regierung und den Erklärungen, daß die großen Petroleumgesellschaften Amerikas nichts mit dem Konzessionsvertrag des Herrn Rickett zu tun haben, erscheint hier die ganze Angelegenheit immer rätselhafter.
Mag auch, die englische Regierung den fragwürdigen Petroleumritter noch so energisch abgeschllttelt haben, Italien bleibt zunächst mißtrauisch.. Denn zu viele Fragen sind noch ungeklärt, als daß man sich mit einer nachträglichen Geste von Downing Street ohne weiteres beruhigen möchte. Ganz abgesehen von allen anderen Unklarheiten, rückt man hier die Frage in den Vordergrund: Wie ist es möglich, daß nicht einmal der englische Gesandte in Adis Abeba etwas von den Machenschaften seines Landsmannes Rickett gemerkt haben sollte? Auch glaubt man nicht an die Ueberrumpe- lung der englischen Negierung so ohne weiteres, weil doch auch hinter der Konzession an eine Züricher Gesellschaft für den Straßenbau von Adis Abeba nach dem Sudan englisches Kapital steht.
England rät ad
Empfehlung an den Negus, die Konzession zurückzuhalten
London, 1. September.
Die Nachricht von der abessinischen Konzession hat in politischen Kreisen angesichts des gespannten Verhältnisses mit Italien unangenehm berührt. Die Angelegenheit kommt der englischen Politik offensichtlich höchst ungelegen, da man befürchtet, daß sie Mussolini Argumente gegen Englands Neutralität liefern könnte. Das Auswärtige Amt hat daher eine Erklärung erlassen, nach der noch keine Bestätigung der Pressemeldungen über die Erteilung von Oel- und Mineralrechten vorliege. Die Regierung habe cs jedoch für notwendig erachtet, den britischen Gesandten in Adis Abeba darüber zu verständigen, daß derartige Konzessionen nach dem Dreimächte-Abkommen von 1906 zweifellos einer vorherigen Verständigung zwischen den Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und Italiens bedürfen. Unter diesen Umständen sei der Gesandt ermächtigt worden, falls die Berichte zutreffen sollten, den Kaiser von Abessinien davon zu verständigen, daß die britische Regierung ihrerseits ihm nahelegen müsse, die Konzession zurückzuhalten. Die Bestimmungen des Abkommens von 1906, auf die das Foreign Ossicie Bezug nimmt, besagen, daß landwirtschaftliche, wirtschaftliche oder Handelskonzessionen, die einer der drei vertragschließenden Mächte in Abessinien gewährt werden, nicht gegen die Interessen der beiden anderen Vertragspartner verstoßen dürfen. ES handelt sich also stets nur um Konzessionen für Großbritannien, Frankreich oder Italien, während in sämtlichen Berichten aus Adis Abeba übereinstimmend erklärt worden ist, daß die Konzession einer amerikantsäicn Firma gewährt worden sei. Der Rat der britischen Regierung an den abcs- stnischen Kaiser ist daher aus Grund der erwähnten Bestimmungen nicht recht verständlich. Offenbach hat der Wunsch, möglichst eindeutig von diesen Dingen abzurücken, bet dem Austrag an den Gesandten eine gewisse Rolle gespielt.
Die Verse der Woche
Der Muskelflug
(ÜDIe die „Neuest- Zestiing" »selchtet »at. Ist In Frankfurt a. StB. zum ersten Male ein Flug durch Mcnfchentrast geglückt.)
Ein neuer Vogel regt seine Schwingen,
Will fliegen, will das Rätsel zwingen,
Das immer noch die Schwere der Erde Uns aufgtbt. Will, daß Erfüllung werde Für aller Menschen ältesten Traum:
Durch eigene Kraft empor in den Raum,
Empor zu den Wolken. Im Spiel mit den Winden Aus eigener Kraft neue Wege finden.
Aus eigener Kraft sich vom Boden erheben,
Um hierhin und dorthin zu gleiten, zu schweben,
Hinweg über Wolken und Wielen und Hag,
Dem Leuchten entgegen. Noch sind zwar nur zag Die Sprünge des Vogels. Noch hält ihn ein Rist Don Last und von Bindung hier unten fest.
Doch immerhin, er hat sich» getraut!
Ward der Zepp denn an einem Tage erbaut?
Er wird noch lange studieren und üben.
Doch dapn' eines Tages, dann ist er drüben!
Dann hät ers geschafft — ob so oder so ... '
Der Anfang ist da, und das macht uns froh.
DaS läßt uns hoffen auf glückliche Zetten,
Auf ein Schwirren und Steigen und Schwtngenbreiten. Dann werden wir Wolken wie Berge erklimmen Und selig da oben im Blauen schwimmen.
Und will itns mal einer zu arg an die Nieren,
Unser letzter Hemd mit dem Kuckuck verzieren,
Dann machen wir brrrrr und sind abgeschwirrt,
Und jener hat sich im Streben geirrt.
Noch starten wir nicht von unfern Ballonen Mit eigener Kraft zu den sphärischen Zonen,
Doch einen Schritt scheinen wir weiter zu sein,
Und Junge, das sreut mich, denn das ist doch sein!
Bählamm.
Wird der Kaiser fest bleiben?
Geteilte Meinungen in Abessinien — Angeblich geringer Eindruck des englischen Rates
Ad!S Abeba, 1. Sept.
Der Rat der englischen Regierung an den Kaiser von Abessinien, seine Billigung dem Konzessionsvertrag zu entziehen, hat anscheinend wenig Eindruck in abessinischen Regierungskreisen gemacht. Die allgemeine Ansicht ging dahin, daß dieser Rat Großbritanniens zurückgewiesen werden würde. „Der Beitrag ist unterzeidinet worden und kann deshalb kaum noch zurück- genommen werden," war die Aeußerung eines hohen abessinischen Regierungsbeamten.
- In nichtamtlichen Kreisen Abessiniens herrscht der Eindruck vor, daß dieser Vertrag nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen unterschrieben wurde, sondern daß der Kaiser und seine Berater von politischen Beweggründen sich haben letten lassen. Der Hauptzweck des Vertrages liegt nach Ansicht privater abessinischer Persönlichkeiten darin, den italienischen Bestrebungen ein mög
lichst unüb ersteigbares Hindernis in den Weg zu stellen.
Auch der Hinweis der englischen Regierung auf den Vertrag von 1906 hat keinen Eindruck in abessinischen Regierungs- krcisen gemacht. ES wird darauf hingewiesen, daß dieser Vertrag auf ein souveränes Land wie Abessinien überhaupt keine Auswirkungen habe, da er von Abessinien niemals unterzeichnet worden sei. Die abessinische Regierung wird jedoch die Bekanntgabe ihrer offiziellen Ansicht solange zurückhalten, bis der englische Gesandte am Montag den Standpunkt seiner Regierung dargelegt haben wird.
Die Meinungen über die Konzession sind in Abessinien übrigens nicht einheitlich. Die Kreise, die einer Europätsierung abgeneigt sind, sehen in der Konzession eine Gefahr, unter ausländisckie Kontrolle zu geraten. Die sogenannten fortschrittlichen Kreise erhoffen tm Gegenteil davon eine Stärkung des wirtschaftlichen Widerstandes gegen ausländische Uebergriffe. In der Hauptstadt und in Regierungskreisen hat übrigens die fortschrittliche Richtung die Mehrheit, im Bereich der Stammeshäuptlinge dürfte dagegen die konservative Richtung überwiegen.
Unsicherbeit in Amerika
und
Man spricht von einem „Manöver britischer Interessen' einem „Manöver des Negus"
Die amerikanische Regierung hat die Haltung eingenommen, daß sie sich um private Pläne nicht kümmere, sondern lediglich darauf achte, daß amerikanische Interessen tm Auslande nicht schlechter gestellt oder weniger geschützt werden als die anderer Nationen.
In politischen Kreisen glaubt man indes, daß die amerikanische Regierung dieser Desinteressement nicht lange werde ausrecht erhalte» können. Man ist geneigt, die Angelegenheit als ein kluges Manöver britischer Interessen aufzufassen, um den Teil Abessiniens, in den Italien tm Kriegsfälle zuerst einmarschieren würde, zu einer neutralen Zone zu machen und gleichzeitig Ame- rika in das abessinische Problem zu verwickeln. Man nimmt weiter an, daß sich die amerikanische öffentliche Meinung zunächst abwartend und kritisä) verhalten werde, daß aber die Stimmung, wenn der Vertrag wirklich durchgesührt werde und umfangreiche Bestellungen auf die dem Ausfuhrverbot nicht unterliegenden Waren eingehen sollten, sich allmählich für das Projekt erwärmen werde. Die öffentliche Meinung würde sich dann auch energisch gegen eine italienische Einmischung in die friedliche Entwicklung Abessiniens aussvrechen. Jedenfalls bezeidinet man schon jetzt die Nachricht von dem Abschluß der Konzession als „d i e Meldung des Jahres".
Der Borsttzende des Außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses, Reynolds, erklärte, es handle sich ganz ossen»
K um ein Manöver von Seiten des NeguS, um ereinigten Staaten und Großbritannien zu zwingen, in einen etwaigen italienisch-abessinische» Krieg einzugreifen. Die amerikanische Regierung werde jedoch niditS tun, was sie in Gegensatz zu Italien bringen könnte. Sie werde aus keinen Fall den Konzern, dem die Konzession übertragen sei, schützen, wenn er sich absichtlich und mit Porwissen in eine vom Krieg bedrohte Zone hinetnwage.
Auch Paris glaubt an einen „geschickten Schachzug" des Negus
In Pari» zweifelt man nicht daran, daß der Negu» einen geschickten Schachzug ausgesührt hübe, um sein Land unter eine Art wirtschaftlicher Schutzherrschast der Angelsachsen zu stellen und sich auf diese Weise deren Unterstützung gegen Mussolini zu sichern.
Keine französische Konzession
Die Gerüchte, daß Frankreich ähnliche Konzessionen wie die mit der englisch-amerikanischen Gesellschaft abgeschlossenen erhalten soll, werden van dem französischen Gesandten in Wir Abeba offiziell dementiert.
Mordanschlag
auf den Diener des italienischen Konsuls Auf den eingeborenen Diener Kebbada des italienischen Konsuls Muzzi Faleoni, der seinen Herrn auf seiner Reise am 22. August begleitete und Augenzeuge seiner Verwundung war, wurde ein Mordversuch verübt. Unbekannte Täter lauerten dem Diener auf und verletzten ihn durch zwei Speerwürse.
Das abessinische Schachspiel
Der Zug des Negus
Die entscheidende Frage während der letzten Monate war immer die, welchen Weg England beschreiten kann, um die Pläne Mussolinis gegen Abessinien — und das wären Pläne gegen das britische Empire gewesen — zu parieren. Es war immer vom Artikel 16 des Völkerbundsvertrags die Rede. Darüber mußte man sich im Grunde aber auch in London im klaren sein, dass der Völkerbund als solcher längst seine Aktionsfähigkeit eingebüßt hat und daß es kaum In Frage kommen kann, daß England als Mandatar der Genfer Institution zur Durchführung von Sanktionen beauftragt, wird.
Die „Lösung", die jetzt gefunden worden ist, erscheint viel genialer. Die Frage nach der englischen Energieleistung im Abesst- nienkonflikt war immer aufs engste verbunden mit dem Problem der englisch-amerikanischen Zusammenarbeit. Die Erörterungen und die Beschlußfassung über das amerikanische Reutralitätsgesetz mußten — angesichts der beschleunigten Behandlung — irgendwie in Zusammenhang mit dem Abessinienkonflikt gebracht werden. In der englischen Oeffentlichkeit hat man den Schluß gezogen, daß die Vereinigten Staaten auf der Grundlage des NeutralitätSgesehes eventuelle Sanktionsbeschlüsse wirksam machen wollten. Die Voraussetzung wurde immer als gegeben angesehen, daß stimmungs- mäßig Amerika im Abessinienkonflikt restlos auf der englischen Seite steht. Die Frage war nur die, ob und wie diese politische Stimmung praktisch wirksam gemacht werden könnte. Diese Frage scheint jetzt beantwortet.
Der Vertrag, der am Freitag abend In einer entlegenen Seitengasse von Adis Abeba unterzeichnet wurde, bestätigt das englisch
amerikanische Zusammenwirken und verändert das Bild so grundlegend, daß es in der Tat nicht zu viel gesagt ist, wenn man von einer dramatischen Wendung spricht.
Wenn jetzt Mussolini seine beabsichtigten militärischen Aktionen einleitet, so stößt er ins Leere. Wenn er seine Absichten mit der Notwendigkeit einer Ausdehnung eines „Volkes ohne Raum" begründete, so zielt er selbstverständlich auf die macht- politische Besitznahme von Rechten hin, über die bisher der Negus von Abessinien verfügte, die aber seit dem ilbend des letzten Freitag sich in den Händen einer englisch-amerikanischen Gruppe befinden. Ein militärischer Angriff des Duss mit dem Ziel wirt- schaftlcher Ausbeutung Abessiniens richtet 'sich nunmehr gegen diese Gruppe, hinter der die-beiden angelsächsischen Weltmächte stehen. -
Es ist selbstverständlich, daß sich die Regierungen in London und in Washington von einem Vertrage distanzieren, der sich äußerlich als eine private geschäftliche Angelegenheit darstellt. Man betont vor allem in Washiitgton, daß private Geschäftsleute, die in bedrohten Gebieten Geld anlegen, bifcs auf eigene Gefahr täten. Man Hai aber nid)t vergessen, hinzuzmügen, daß die Vereinigten Staaten den vollen Schutz der pririxten Interessen ihrer Bürger fordern. Auf einen ähnlichen Standpunkt wird sich auch England stellen, das mit der Konzession ofsiziell nichts zu tun haben will und dem Negus sogar geraten hat, die Konzession vorläufig nicht zu erteilen. Die politische Tragweite des neuen Ereignisses ist heute nock) nicht zu übersehen, i'chon deshalb nicht, weil die Hintermänner und die Fäden des Schpchzugs hinter einem nebelhaften Schleier stecken. |
DennächstenZugimSchachspielumAbessinieir hatnun Mussolini! -
Die gestellten Bedingungen erfüllt
Die Versuchsfahrt mit heimischen Treibstof fen—Heute Kolonnenfahrt zum Nürburgring
Berlin, 1. September.
Die am Montag, den 19. August, von Korpsfllhrer Hühn- l e i n auf der Avus zu einer 20 000-Km.-Fahrt gestarteten 43 Lastkraftwagen, welche alle mit heimischen Treibstoffen betrieben werden, haben am Samstag. den 31. August, den ersten Abschnitt der VersudiSsahrt beendet. Die Fahrzeuge haben bis jetzt rund 4500 Kilometer zurückgelegt, davon 2000 Km. auf der Avus und de» übrigen Teil im Großstadtverkehr und auf den Fernverkehrsstraßen der Umgebung Berlins.
Seit dein Start am 19. August sind noch weitere drei Versuchsfahrzeuge htnzugekommen, so daß am Montag, den 2. September, sämtliche gemeldeten 46 Lastkraftwagen die UeberführungSfahrt zum Nürburgring ontreten werden. Die gestellten Bedingungen sind bisher nicht nur erfüllt, sondern sogar
üb er troffen worden. Die anfangs angenommenen mittleren! Fahrten in Berlin und dessen flacher Umgebung.)
Fahrgeschwindigkeiten mußten durchweg erhöht werden, um den Fahrzeugen die Möglichkeit zti geben, die wirtschaftlichste Betriebsweise bei der Fahrt zur Gtltung zu bringen. Namentlich bei den Fahrten durch Berlin, welche zum Teil durch den dichtesten Verkehr führten, und bei denen aus den Fernverkehrsstraßen fiel das besonders gleichmäßige imd betriebssichere Fahren der Wagen auf.
Durch die Kolonnenfahrt soll unter Beweist gestellt werden, baß eine Wagenkolonne mit Generatoren von unterschiedlicher Bauart, mit Flaschengas als Treibstoff, mit Dampfantrieb und Dieselmotoren über eine große Fernstrecke in gleichmäßiger Geschwindigkeit geführt werden kann. Die Fahrten in dem bergigen Gelände deS Nürburg-Ringes, welche sich über drei Wochen erstrecken werden, sollen Vergleichsmäglichkeitest geben mit den
Ein Franzose unter 8pionageverdacht Ein französischer Graf, Direktor einer französischen Ausbeu- tungögesellschaft in Abessinien, ist unter dem Verdacht der Spionage verhaftet worden. Der Graf soll militärische Pläne Abesst- «len» an dt, Italienischen Behörden verkauft haben.
Die Eröffnung der keidisarbeitskammer
Programmatische Rede Dr. Leys
Berlin, 31. August.
Die ReichSarbeltskammer hat am SamStag in Berlin in feierlichem Rahmen ihre Eröffnungssitzung abgehalten. Zusammen mit den 80 Mitgliedern der Kammer — den AmtSleitern und Gauwaltern der Deutschen Arbeitsfront, den Leitern der ReichsbetriebSgemeinschaften und einer Reihe Einzelpersonen — -waren im festlich geschmückten Sitzungssaal der Bank der Deutschen Arbeit viele Ehrengäste erschienen.
Staatssekretär K r o h n erinnerte an die verschiedenen Grundgesetze nationalsozialistischer Sozialpolitik und hob hervor, daß derjenige, der Sozialpolitik betreibe, den Arbeiter nicht nur achten, sondern ihm auch Verständnis, ja Liebe entgegenbringen müsse. Besonderes Gewicht sei auf den Neuaufbau der sozialen Selbstverwaltung gelegt. Die ReichSarbeitSkammer solle zusammen mit den Mitgliedern der ReichSwirtschaftSkammer den R e i ch S a r b e t t S» und Wtrtschaftsrat bilden und damit in die höchste Selbst- verwaltungskörperschaft auf sozialpolitischem Gebiet eingehen.
Dann nahm Reichsorganisationsleiter Dr. L e y in seiner Eigenschaft als Leiter der Arbeitskammer das Wort. Er führte u. a auS: Während noch im ganzen übrigen Europa die Sozialordnung von llassenkämpferischen Gedanken mehr oder weniger erfüllt ist, kann allein Deutschland sich rühmen, den Klassenkamps innerlich und äußerlich hinweggeräumt zu haben. Wie für den Marxismus der Klassenkampf ein Glaubensbekenntnis ist, so ist für uns der Satz „Der Betrieb ist eine Einheit" ein Glaubenssatz, über -den es keine Erörterung mehr gibt. Unsere Sozialpolitik ist auf weite Sicht eingestellt. Wir dürfen uns gerade auf diesem Gebiet nicht verleiten lassen. Flickwerk zu tun. Nur wenn sie allen nützt, hat sie Wert. Wenn man dem Arbeiter etwa« nehmen muß, um er der Wirtschaft zu geben oder umgekehrt, so wäre eine solckie Sozialpolitik verderblich.
Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, daß nicht etwa die Lohnfrage die Sozialordnung des Menschen allein aussijllt, daß es vielmehr seine Stellung im Volk, seine Ehre ist. Er ist eine Lüge, daß der Arbeiter nur um Lohnpfenntge gekämpft hätte. Er hat gekämpft um die A n e r k e n n u n g seiner selbst und seiner Ehre. Große und schwere Ausgaben harren der Deutschen Arbeitsfront. Die Deutsche Arbeitsfront wird immer wieder gewissermaßen der Exerzierplatz einer sich praktisch auswirkenden, täglich neu zu üben- den Gemeinschaft sein, einer Gemeinschaft de» Kampfes, der für uns nicht eine Last, sondern der Inhalt des Lebens ist. Vielleicht ist e» richtiger, statt von Selbstverwaltung von der Selbstverant- Wortung der Menschen ,u sprechen. Diese Selbstverantwortung wollen wir fördern. Und mag die Komintern schwätzen, wa» ste will — den deutschen Arbeiter, der eine andere innere Haltung eingenommen hat, der von einem neuen besserem Geist erfüllt ist, ihn bekommt sie nie wlederl
Abnahme des Eides die Verpflichtung jede» einzcknen Mitgliedes durch Handschlag vor. Am Nachmittag trat die Kammer zur ersten Arbeitstagung zusammen. , , |,
Das letzte Opfer geborgen
Ein Ueberblick über die Bergungsarbeiten
Berlin, 31. Aug.
An der Unglücksstelle in der Hermann-Göring-Straße konnte am SamStag abend nach größten Schwierigkeiten! nun auch das letzte, das 19. Opfer des EiniturzunglückS geborget werden. Dem ergreifenden feierlichen Akt der Bergung dieses (letzten Opfer» wohnten inmitten der rund hundert Mann, die noch an der Arbeitsstätte tätig waren, Reichsminister Dr. GoeblelS und der mit der Leitung der Bergungsarbeiten beauftragte Generalleutnant der Landespolizei D a l u e g e bet. Dr. Goebbels hielt an die Ber- aungSmannschasten eine Ansprache, in der er ihnen für ihre Leistung dankte.
Diese Leistung geht au« folgenden Zahlen hervor: An de« Unglücksstelle waren eingebrochen 8800 Kubikmeter Erdmassen, 178000 Kilogramm Eisenkonstruktionen, 350 Kubikmeter Holz» konstruktlon. Dazu ein schwerer Greifer im Gewicht von 45 000 Kilo und 60000 Kilo an der Unglücksstelle lagernden RundetsenS. An der Einsturzstelle mußten 60 000 Kilo Kabel umgelegt werden. Die ungeheuren Materialmassen galt eS zu bergen. Hierzu muhten wiederum umfangreiche Neukonstruktionen aus Holz und Eisen hergestellt und eingebaut werden.
»er Reidishandwerksmeister in Warschau
Warschau, 1. September.
RetchShandwerkrmeister W. G. Schmidt ist in Begleitung des Pressechefs des Handwerks Dr. W e i n s ch e n k in Warschau eingetrosfen. Nach den ossiziellen Besuchen fand ein MeinungsayS- tausch über die Anknüpfung gegenseitiger Beziehungen zwischen dem deutschen und dem polnischen Handwerk statt. Dann hielt der ReichLhandwerkSmeister vor 120 führenden Vertretern deS polnischen Handwerks einen Vortrag über den organisatorischen Aufbau de» deutschen Handwerks und seine Entwicklung unter der nationalsozialistischen Regierung. Bei dieser Gelegenheit lud er die Vertreter des polnischen Handwerks zu dem Internationalen Handwerkerkongreß ein, der im Oktober in Berlin stattfindet.
Feuergefedif mit Kommunisten
Belgrad, 2. September.
In der slowenischen Stadt L u t t e n b e r g kam es am Sonntag zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen der Gendarmerie um» einer Volksmenge, die eine verbotene Versammlung abhalten wollte. Al» sich die Menge auf die Aufforderung der Gendarmerie nicht zerstreute, wurden gegen die Kundgeber Wasserschläuche der Feuerwehr gerichtet. Nach der amtlichen Darstellung fielen in diesem Augenblick zwei Schüsse aus der Menge, worauf die Gendarmerie da» Feuer erwtderie und drei Schüsse abgab. Dabet wurden ein Kundgeber getötet und zwei andere verletzt. Wie die Behörden mitteilen, wurde die verbotene Versammlung
jllinu ]W nw luivucu «rrv vir hww»
Anschließend nahm der Leiter der Aetchsarbeitskammer nach, von den Kommunisten veranstaltet, -