Mittwoch, 27. Mai 1936

* Neueste Zeitung» Illustrierte Tageszeitung, Frankfurt a. M,

Nummer 122

So hält die Natur ihr Gleichgewicht l

Der Schwächere - die Beute des Stärkeren

Ständiger Lebenskampf im Wasser, auf der Erde, in der Luft - überall lauern Gefahren!

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Riesenschlange, die ein Schwein von 60 Pfund Gewicht verschlungen hat, beim Verdauungsschlaf

Fressen und gefressen werden" Ist die Devise des unerbittlichen Daseinskampfes, den wir in der Natur überall wüten sehen. Der Schwächere sei die Nahrung des Stärkeren, so lautet das eherne Naturgesetz. Mit allen Mitteln stellen sich die Tiere gegenseitig nach, aber den Jägerlisten werden ebensoviel Abwehrversuche entgegengesetzt. Von den Urtierchen im Wasseriropfen angefangen bis hinauf zu den höchstentwickelten Tierformen einschließlich des Menschen vernichtet eins das andere. Der Kulturmensch hat sich über die Urstufe, in der auch die Menschen sich gegenseitig fressen, emporgehoben, aber die gegen­seitige Vernichtung wird nur mit um so größerem Raffinement betrieben.

Wie mannigfaltig sind die Methoden des Beutemachens in der Tierwelt! Ueberall lauern Gefahren auf den Ahnungslosen; nir­gends ist Frieden und Freistatt, der Lebenskampf ist in der Luft genau so erbittert wie im Wasser und steigt in die Tiefen der Erde hinab. Dieses Naturgesetz hat im Eis der Pole genau so seine Gültigkeit wie unter der glühenden Aequatorsonne.

In der Luft jagt das Heer der Raubvögel, im Wasser stellen die Raubfische den schwächeren Fischen nach und auf der Erde pürschen überall Raubtiere, vom Eisbären in der Arktis bis zum Löwen und Tiger in Steppe und Dschungel. Im Reiche der Insekten herrscht überall der gleiche Kanipf, und in

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Rohrbarsch verschlingt einen Ukelei

der großen Gruppe der Reptilien gibt cs nur wenige Vege­tarier. Wie ein roter Faden geht dieses Recht des Stärkeren durch die ganze Natur. Und das ist gut so, denn wo bliebe sonst der große Ueberschuß an Lebewesen, die die Natur so reichlich produ­ziert. Nur so kann sich die Natur im entwicklungsfähigen Gleich­gewicht halten. Wird dieses Gleichgewicht irgendwo gestört, vermehrt sich z. B. eine spezielle Tierart durch besonders günstige Lebensbedingungen über das zulässige Maß hinaus, so ver­mehren sich auch die Feinde und das Gleichgewicht ist wieder hcrgcstellt.

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Vollgeiressene Ringelnatter

Die Ringelnatter ist unsere h äufigste einheimische Schlange. Sie ist durchaus harmlos und ernährt sich in der Hauptsache von Fröschen

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Eine Wachsrose (Anemonia sulcata) hält einen Fisch fest und verschlingt ihn. Die Wachsrose ist eine fleisch­fressende Pflanze, die im Mittelmeer vorkommt

Die Kunst,

erfolgreich zu verunglücken

Durch Eisenbahnunfälle ein sorgenfreies Leben

Der Pariser Appellationshof hatte sich mit einem merkwürdigen Delikt zu befassen, das -wieder einmal beweist, daß die Möglich­keiten, aus unreelle Weise Geld zu verdienen, wirklich unbe­grenzt sind.

Joseph Guerrez, von Natur aus dem Müßiggänge zugetan, lebte jahrelang von E i s e n b a h n u n s ä l l e n. Er fristete durch die selbst herbeigcführten Unglücke sein Dasein. Dreimal hatte er in kurzen Abständen verschiedene Versicherungsgesellschaften zu hohen Entschädigungen gezwungen, als der Ko'ntrolldtenst der Eisenbahn ihn festnahm, während er gerade Im Begriffe stand, seinen vierten Unfall zuerleiden".

Vor Gericht schilderte Guerrez seineMethode". Er nahm einen Vorortzug, um möglichst wenig aufs Spiel zu sehen, wählte ein leeres Abteil und stürzte, als der Zug einige Geschwindigkeit hatte, mit lautem Schrei an einer vorher ausgeklügelten Stelle aus dem Zuge. Ein gebrochener Arm, ein beschädigtes Bein oder innere Verletzungen wechselten in bunter Folge. 10 000, 5000 und 8000 Francs brachten ihm seine Eisenbahnunfälle ein.

Aber dies genügte ihm nicht. Er wollte diese Stürze a u f breiterer Grundlage aufziehen. Zu -diesem Zwecke grün­dete er eine Art Schule, in der er seinen engeren Bekanntenkreis in den neu gewonnenen Erkenntnissen unterwies. Louis Bir­rin ger, ein ehemaliger Zirkusakrobat, wurde sein Partner. Birringer wiederum spezialisierte sich auf das Quetschen der Finger durch die AbteilStürcn und nahm auch gerne aus dem Netz herabfallende Kofferin Kauf". Als einstiger Fußballer an Kopfstöße gewöhnt, kam er meist ohne starke Verletzungen davon. Er bracht- eS innerhalb Jahresfrist auf 18000 Fr. Schmerzens­geld und lag 5 Monate lang im Krankenhaus.

Guerrez und Birringer lehrten zahlreiche Angehörige der Unterwelt, wie man die Eisenbahn um hohe Schadenssummcn prellt. Der ehemalige Akrobat aber ging sogar noch weiter: er er­litt Unfällefür Rechnung anderer", d. h. er legte sich die Papiere seinerBeauftragten" zu und verunglückte in deren Namen. Dann ließ er sich im Krankenhaus wieder heilen und erhielt die Hälfte des Schmerzensgeldes ausbezahlt. Bei seiner Verhaftung fand man eine Quittung eines Mannes vor, die folgenden Wortlaut hatte:Ich bestätige hiermit, daß Sie im Oktober 1935 für mich verunglückt sind ..."

Dieses eigenartige Dokument warf ein interessantes Licht auf die ungewöhnlichen Manöver des Akrobaten. Der Appellationshof wies die Berufung der Angeklagten Guerrez, Birringer lind der übrigen in die Affäre verwickelten Personen ab und bestätigte das Urteil der Vorinstanz, das auf je ein Jahr Gefängnis lautete. j.

kür die Behörde ist Madeleine ein Mann!

Schreibfehler im Standesregister verhindert eine Ehe

Die hübsche Madeleine Aimöy, eine 18jährige Stenotypistin, ist verliebt und möchte heiraten. Aber ein großes Hindernis liegt im Wege. Vor drei Tagen suchte sie mit Anatole Cibouillc, ihrem Zukünftigen, das Rathaus im 6. Pariser Bezirk auf, das für sie zu­ständig war, um die erforderlichen Schritte zu unternehmen.

Es tut mir furchtbar leid, mein Fräulein," sagte der Standes­beamte zu der schönen Madeleinc,aber ich kann Sie mit keinem Manne trauen..." Dann zeigte er dem verdutzten Mädchen die Eintragung im Geburtenregister. Hier stand klar und deutlick): Madeleinc Aimöc, männlichen Geschlechts".

Aber id) sd)wöre beim allmächtigen Gott, daß ich ein Mädchen bin," entgcgncte Madeleine voll ehrlicher Entrüstung.

Mein Fräulein," meinte der Beamte,ich olnube Ihnen auss Wort. Aber bestimmt muß vor 18 Jahren ein Schreibfehler unter­laufen sein. Es ist freilich ein sd)wicriger Fall, denn nach) der Ur­kunde sind Sic ein Mann. Sic können von ^Gesetzes wegen nur eine Frau ehelichen."

Bestürzt verließ das Brautpaar das Standesamt. Alle Hoffnun­gen auf die bevorstehende Eheschließung sind zunid)te geworden. In seiner Verzweiflung hat das Paar den Pariser Anwalt Gistncci aufgesucht. Dieser hat sich des Falles angenommen und will auf gerichtlichem Wege Madeleinc Aimöes Anerkennung als Mädchen durchsetzen. Aber die Maschinerie der französischen Justiz läuft langsam, und so dürfte noch eine Weile dauern, bis Anatole und Madeleine Zusammenkommen. i.

Purri-Purri die Rache des Rivalen

Eine seltsame Sitte Eingeborener Australiens

Bezeichnend für die Sitten, die heute noch bei verschiedene» Eingeborenenstämmen in Westaustralien herrschen, ist ein Fall, der aus Broome berid)tet wird. Ein Eingeborener war mit einem Stammesgenossen wegen eines Mädchens in Streit geraten, das ihm von Geburt an zur Frau bestimmt gewesen war, dann aber eine andere Wahl getroffen und sid) dem glücklicheren Neben­buhler zugewan-dt hatte.

Als dieser plötzlich starb, traten die Aeltesten des Stammes zusammen und erklärten, die Ursache seines Todes sei das P » r r i - P u r r I", ein hypnotischer Einfluß, der bei den Ein­geborenen solche Angstziistände Hervorrufen soll, daß sie sich nieder- legen und sterben. Die StammeSsitte evsobderte es, daß der Man», der diesen Einfluß ausgeübt hatte, eine Buße erlegte, wo­mit er gleichzeitig ein Geständnis abgelegt hatte, daß er Pu>-« Purri angewandt und damit seinen Rivalen getötet hatte. Wie > die Sitte der Eingeborenen in solchen Fällen vorschreibt, begab >r sich mit seinen Freunden in das Lager der Verwandten der Toten, die ihm eine Wunde am Knie beibrachten. Damit war die Blutschuld bezahlt und dem Brauck) Genüge getan. h.

Drei Schweine und drei Speere

Der Wanderfalke hat einen Eichelhähergeschlagen

Eine südamerikanische Vogelspinne hat eine Eidechse erbeutet

Unter den Stämmen der Papuas Frieden zu stiften, ist augen­scheinlich eine leichtere Aufgabe als in Europa. Der Gouverneur dieses Gebietes, Sir Herbert Murray, beschreibt in seinem Jahresbericht an die anitralische Regierung, tute sein bevollmäch­tigter Beamter drei Stämme miteinander in Kriegszustand fand. Die erste Ursache war anscheinend die Untreue einer Frau gewesen, dann war noch Diebstahl von Schweinen dazu gekommen und uod, verwickelter geworden war es durch Zahlungsverweigerung 'eines Dritten, der eine andere Frau fest gekauft hatte. Die Ge­schichte war schließlich so verworren geworden, daß selbst die be­teiligten Eingeborenen nicht mehr wußten, um was es nun eigent­lich ging. Der Beamte beschloß also, F r i e d e n z n st i f t e» Die drei kriegerischen Parteien wurden mit drei Schweinen und drei Sperren herbeigerufen. Die Schweine wurden ausgereiht hingelegt und die drei abgesandten Häuptlinge standen ihnen zu Häupte» und zerbrachen ihre Speere, indem sie feierlich versicherten, daß der Kampf beendet sein solle. Sie fügten noch hinzu, daß sie in Zu­kunft immer ihre Streitigkeiten und Nöte vor den Beamten bringen wollten damit er sie schlichte und bereinige. DaS Merkwürdige an dieser befohlenen Frtedensschlteßung ist, daß dieser von ober, ge­stiftete Frieden nun wirklich erfahrungsgemäß sehr lange Zeit Vorhalt. g

Geschichten aus Amerika

Wettlauf um den Tennislehrer

_In Fresno, in Kalifornien, bewarben sich drei junge

. ,. , , , , . , Manchen um einen beliebten Tennislehrer. Sie tamenüberein, daß

Sich seihst des Diebstahls bezichtigt 'Zwischen ihnen ein Wettlauf entscheiden svlle.und die Siegerin

sollte den Tennislehrerbekommen". Unter Anwesenheit von Tausenden -von Zuschauern fand der Wettlauf der drei Mädchen mif einer LOO-Meter-Strecke statt. Indessen, weder die Siegerin, noch die beiden besiegten Sportmädchen gefielen, dem Tennis- lehrer. Er hat sich, am -selben Tage noch mit einer Musikstudentin verlobt.

Verhungert aber 7000 Dollar in der Tasche)

In Philadelphia brach -ein Mann -tot auf der Straße zu­sammen. Man stellte fest: vor Unterernährung. In seinen Taschen aber fand lmtn 7000 Dollar. Er gönnte sich nichts iuitb bettelte fein Essen zusammen. Das Geld hat jetzt die Polizei einem LcichenbestattungStnstitiit übergeben, das -dem Geizhals nun '-ein erstklassiges Begräbnis mit allen Schtkmien verschaffen wird.

Das Chamäleon, Jenes seltsame Tier, dessen Hautfarbe als Schutzfarbe ausgcbildct ist und die Farbe seiner Umgebung annimmt, hat mit seiner langen Klebezunge einen Schmetterlinggeschossen

.,. nur um seine Schuldlosigkeit zu beweisen

Wien, im Mai.

Josef Amon war in eine» Dieb st ahlsverdacht geraten, obwohl er nicht das geringste mit dem Diebstahl zu tun hatte. Sein Rechtsgefühl war so stark verletzt, daß er zur Polizei ging und gegen sich selb st eine DtebstahlSanzeige erstattete, weil er dies für den besten Weg hielt, um seine "ttfd.- " " " ' r .".

eS, festzustellen, daß Amon unmöglich der Tdter ge­wesen sein konnte. Amon ließ sich gern davon überzeugen und zog aus Wunsch der Polizei sein Geständnis wieder zurück. Er erklärte auch sein da' ' " ' '

Verhalten, wobei er davon ausgegangen war,

Der Amselvater bringt seinen hungrigen Jungen einen besonders ketten Wurm.

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(Aufn.: Dr. H. Schmidt.)

daß sonst doch immer etwas hängen bleiben würde. Die Behörden Hanen aber für die leidenschaftliche RechtSversechtung kein Ver­ständnis. Durch seine einzigartige Weise, seine Unschuld zu be­weisen, war Amon schuldig geworden, denn er hatte die Behörden durch seine Anzeige irregeführt. Seine Angabe, daß er sich der Strafbarkeit seines Tuns nicht bewußt gewesen sei, hals ihm nichts, das Gericht verhängte gegen ihn eine Strafe von 24 Stun­den strengen Arrest. )

Ehefrau bekommt Redeverbot Ein Kaufmann aus Chikago hat iScheidungsklage gegen seine Frau ringe reicht wogen .geistiger Mißhandlung". Er hat vorgebracht, das unmisgesetzte Reden seiner Frau koste -ihn seine ges-unden Nerven. Das Gericht hat noch kein Urteil ausgesprochen, doch hat eS bin Redeverbot von zwei Monaten Dauer über die Frau verhängt. Wenn sie das Verbot Übertritt, wird die Ehe anS ihrem Verschulden geschieden.