Mittwoch, 1. Februar 1939
k.YiMif« Zeitung* Muttritrt • Tagetzeittmg, Frankfurt a. M.
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Nummer
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Oer Sturz des Jockeys
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Bei einem Bennen in England wurde dies Bild nutgenommen. Der Jockey .1. Dowdeswell stürzt vom l'lerdc.
(Associated Press)
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Ein Haus fährt Kriegsschiff
Die 7200 Tonnen große „Erebus“ Hol in Southampton ein. Sie soll hier in, Trockendock überholt und erneuert werden. Besonders nutlnllrnd aut der „Erebus“ ist. daß sich aut dem Vorderschiff ein richtiges Haus befindet.
(Scliirncr)
MßAckn,hdienwifmai! täaUdwRÄTSEL I
„Mutti, wie viel bin ich eigentlich wert?"
„Für mich bist hu eine Million wert, Liebling!"
„Würdest im mir vielleicht zehn Pfennig darauf leihen?*
„Sag mal, du warst doch heule m>f dem Rennen, an dem auch Karl als Reiter tcilnahm. Kam er gut über dar große Hindernis?^ .AusgezeichnetI Sogar noch vor dem Pferd!*
Der Kegelklub hatte eine Herrcnpartie gemacht. Einige Tage später treffen sich zwei Mitmirkendc, und der eine sagt:
„Nun, wie ist dir der Ausflug bekommen?"
„Ganz gutl Meine Frau ist fehl noch heiser..."
Max hat ein neuer Auto und lädt seine» Freund zu einer Wochenendfahrt ein. In rasendem Tempo fegt er über die Landstraße, um schließlich an einem idyllischen See zu halten.
„Nun." wendet er sich stolz an seinen Fahrgast und weist auf die Landichast, „bist du jetzt, nicht glücklich, hier zu leben und zu atmen?"
„Sich, weißt du, glücklich ist nicht ganz der richtige Ausdruck. Ich wundere mich!"
*
Mister Smith kommt wütend von der Autotour nach Hause.
„Jetzt entlasse ich aber den Ehaufseurl Heute hat er mich schon zum zweitenmal beinahe gegen einen Baum gefahren!"
„Aber Jim,"-.sagt die liebende Gattin mitleidig, „bedenke, er ist ein armer Mensch! Willst du ihm nicht doch noch mal eine Chance geben?" ^
Bor dem einzigen Badezimmer der kleinen Hotels warteten acht Herren seit einer Stunde, schließlich öffnete sich die Tür, ein Kops erschien, und eine freundliche Stimme fragte:
„Verzeihung, meine Herren! Weih vielleicht einer von Ihnen, wie man mit einem Modell-Segelboot umgeht?"
Ideales Familienleben
Kreuzworträtsel:
Waagerecht: 5. Raubvogel, 6. altertümliche WatfJ 7. fruchtbare Erde, 8. Nebenfluß der Donau, 10. Nagetier, l; Vorbedeutung, 15. Nahrungsmittel, 16. südamerikan. Freistaat, 18. Gotroideunkraut, 20. Arm des unteren Rheins, 22. Girr] vogcl, 23. Raubvogel, 24. nord. Göttin det Unterwelt.
Senkrecht: 1. Krustentier, 2. Monat, 3. Hausvogel, « Wüstenwind, 9. Blume, 11. Abschiedsgruß, 12. StraußeruJ 13. Gesichtsteil, 14. Schwur, 17. Schmetterlingslarve, 19. Ge] birge in Afrika, 20. Erdart, 21. junges Haustier.
Worträtsel:
Ich bin ein Tier, dir wohlbekannt,
— wenn meist ich anders auch benannt — j am Derghang wachs’ ich — umgekehrt — und bin mit Früchten viel begehrt,
Wortergänzung:
Alpen. Bild
Getreide ....•, Maus
Fluß. Schwalbe
Vogel . Häkchen
Bier . •. Gefühl
Speise. Bergwerk
Luft Amt
Frucht . Schrank
Atem . Bremse
Ober. Offizier
Eisen . Engel
Es sind Wörter zu suchen, die mit dem ersten und zweiten als Mittelwort je ein sinnvolles Hauptwort ergeben'. Die Anfangsbuchstaben der eingesehobenen Wörter nennen eine Einrichtung des WHYV.
Va
„Los, Münnp, wir stehen alle für dich bereit!"
(Sat. Ev. Post, Amerika)
Lösung zum Silbenrätsel:
1. Wega, i. Adolf, 3. Hellebarde, 4. Rüge, 5. Elevator, 6. Rose, 7 Estragon. 8. Uhrfeder, 9. Erde, 10. Technikum, 11. Isel. 12. Lagune, 13. Granate, 14. Tangente.
Wahre Reue tilgt alle Verfehlung.
Lösung zum Bilderrätsel:
Zwei Hunde — rt — Zweihundert.
Lösung zu „Vertauschte Füße":
Bank, Donau, Hafen, Mais, Haut, Allee, Mai, Gans, Segel, Stola, Spreu, Hanf. — Kunsteislauf.
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tt den Äugen einer Frau
(27. Fortsetzung.)
„Sagen Sie jetzt kein Wort, bitte," flüsterte sie, „gehen Sie jetzt."
Der Arm des Mannes gab sie frei. Amor verließ Psyche. Da« Knistern der leichtfüßigen, sich entfernenden Schritte auf dem Kiesweg tat ihren Ohren >veh. Gleich einer Bision hätte der Mann in der Lust zerrinnen müssen, das wäre viel schöner gewesen. Die Schritte verhallten langsam. Magdalena blieb mit dem Erlebnis ihres ersten KusseS regungslos und starr zurück. Eine Ewigkeit mochte so vergangen sein. Endlich besann sie sich wieder, straffte ihren Körper, sah sich mit großen Augen um und schloß sic gleich wieder.
„Ich sterbe," flüsterte sic mit einer verzauberten Freude vor sich hin, „ach, wenn ich doch jetzt sterben könnte."
Wieder verweilte sic lange so. Verwundert berührte sie ihre Lippen mit den Fingerspitzen und fing abermals zu. weinen an. Sic warf sich über die Bank und beweinte die erste unerträgliche Erregung einer unbeschreiblichen Seligkeit. Endlich konnte.sic ausstchen. Sic besah sich die Welt ringsum, und plötzlich war sic empört, denn diese Welt hatte von dem erschütternden Ereignis, das sich soeben zugctragcn, keinerlei Notiz genommen. Der Nasen war grün geblieben, und auch das Himmelsgewölbe nahm nicht »n geringsten zur Kenntnis, daß jetzt alles ganz anders war als noch vor fünf Minuten. Verächtlich wandte Magdalena ihre Aufmerksamkeit von Erde und Himmel ab. Ein noch nie verspürter Hochmut erfüllte sie. ES war, als ob sie dieser Hochmut ihrer schwere berauben wollte, damit sie sich über das wahre Leben erhebe.
Auf der Bank neben ihr lag still das Bild, sie hob «S auf, sah es an, Tränen sprangen in ihre Augen, sie lächelt«. Dann gab sie dem Bild de» Kuß zurück, andächtig, mit frommer Schwärmerei, und verbarg «S wieder in ihrem Kleid. Mit dem Bewußtsein, daß sich ihr Leben geteilt hatte, kehrt« sie in das Schloß zurück. Den ersten Teil hatte sie bis heut« erlebt, der zweite Teil begann jetzt. Und auf ihren Lippen trug sie die Erinnerung des Kusses. Sie hielt während sie feierlich dahinschritt, das Kinn hoch, als ob sie befürchtete, daß diese wunder, same Erinnerung von den Lippen fallen könnte, wenn sie nicht sorgsam darauf achtete.
Der Vater war nicht mehr im Schloß, die Umzugsarbeiten hielten dort noch immer all« in Atem. Magdalena aber dachte an nichts und kümmerte sich um nichts. In einem ätherischen, durchgeistigten Zustande trieb sie sich den ganzen Tag untätig herum wie ein« Nachtwandlerin. Abends wurde sie ein wenig nüchtern. Sie konnte ihren Verstand wieder gebrauchen, aber nur in der Art berauschter Menschen. Regenbogenfarbige Pläne durchzuckten ihr Gehirn, Wahl, Mandat, Wahlkampf, Tibor . . . Auf die Knie gesunken, dankt Tibor für ihre Hilf«; da sinkt auch sie in die Knie, sie umarmen und küssen sich, wieder mit genau so traumhafter Zärtlichkeit; das Weltall bleibt stehen, die Fuhrwerk« auf der Landstraße erstarren zu Stein, die Einwohner der Städte werden zu einer Masse von unbeweglichen Porzellanfiguren, und nur eine einzige Belvegung
will by Ktfhu Verlag GmbH., Lulpzlg
bleibt auf der Welt, die, mit der sie sich loslassen und einander in die Augen sehen . . .
Am nächsten Tage wurde zum - Mittagessen schon richtig gedeckt. Als letzter Transport war vormittags um zehn Uhr Frau von Hubay angekommcn. Ihre erste Ausgabe war, wegen der 5konditorei Krach zu schlagen. -
„Du hättest wenigsteitS soviel Verstand haben und einsehrn können, daß es der Gipfel der Unart ist, kurz nach einem Begräbnis in Trauerkleidung in eine Konditorei zu gehen. Dein Vater ist aber genau so unzuverlässig wie du. Ich weiß gar nicht, wohin ihr beide geraten würdet, wenn i ch nicht da wäre. Aber ich bin da, und in diesem Hause wird jetzt auch Ordnung herrschen, darauf schwöre ich. Wenn mich bloß diese ekelhaften Stich« in der Brust nicht so quälten."
Mit bescheidener Demut, wie die Heiligen der Kirche, hörte Magdalena den Reden der Mutter zu. Auf den Vater mußte man drciviertcl Stunden lang mit dem Mittagessen warten. DaS Rindfleisch in der Suppe tvar vollkommen zerkocht.
„Ach richtig, stellt euch vor . . . große Neuigkeit!" sagte Hubay,- während er die Suppe löffelte. „Die Sache dieses unglückseligen Tibor ist restlos danebcngcgangen."
Diese Nachricht zu begreifen, war Magdalena gär nicht fähig. Sic konnte auch nichts fragen, wie einer, den man vor den Kopf geschlagen hat. Frau von Hubay war aber nicht aus dem Gleichgewicht geraten.
„Wieso danebcngcgangen? Die Wahl hat doch noch gar nicht stattgefunden."
„Das ist schon richtig, sic hat auch nicht stattgefunden, aber ganz etwas anderes ist geschehe». Ich habe geahnt, daß es so kommen würde. Während er hier mit der Fra» Bardi schöntat, ist ihm in Budapest ein Geschickterer zuvorgekommen: der offizielle Kandidat der Regierung, Gcza Szada, ein Rcchts- vnwalt aus Budapest. Sie keimen ihn auch, mein Engel, er ist der Lehrerssohn aus unserem Wahlbezirk. Und ich muß schon jagen, wenn der weiter macht . . ."
„Gut, gut, mnis je ne comprends rien. WaS heißt das, offizieller Kandidat?"
„ES wäre zu umständlich, gerade Ihnen, mein Herz, alles zu erklären, wo Sie cs sich schon zehnmal wenigstens angehört, aber noch nie verstanden haben. Genug, wenn ich sage, daß Tibor hier nichts mehr zu suchen hat. Heute vormittag hat er cS vom Oberstuhlrichter erfahren, der ein Telegramm erhielt. Er hat sofort seine Sachen gepackt und ist schon mit dem Mittagszug nach Budapest gefahren, um vielleicht noch zu rette», was zu retten ist. Aber das ist natürlich unmöglich. Ich habe mit ihm gesprochen. Wir trafen uns auf der Straße, als er vom Oberstuhlrichter kam. Er war ganz niedergeschlagen. Ach ja, Eichhörnchen, er hat es mir ganz besonders ans Herz gelegt, dir seine herzlichsten Grüße und Handküsse auSzurichten. Selbstverständlich auch Ihnen, mein Herz."
Frau von Hubay dankte nicht. Magdalena sagte, zu Tode erblaßt:
„Ja. Ick danke, Papa. Jetzt werden wir den Tibor also nicht mehr sehen?"
„In absehbarer Zeit kaum. Wäre ich ein selbstsüchtiger Kerl, so würde ich sagen: cs ist am besten so. Diele Wahl- Propaganda für ihn wäre mir sehr lästig gewesen. Der viele Trubel hier,-und außerdem habe ich schitcßlich auch noch die Ernte auf -dem Halse. Aber ausrichtig gejagt, tut mir dieser Unglücksmensch wirklich leid."
„Er tut mir auch leid, gewiß, aber ich muß trotzdem sagen: er ijt an allem selber schuld."
Rach dem Mittagesten ging Magdalena.unter dem Vor- ivand, sie hätte Kopsichmerzen, in ihr Zimmer. Sie legte sich auf daS Sofa. Sie war darauf gefaßt, daß sic den ganzen Nachmittag weinen ivürdc, aber keine einzige Träne trat in ihre Augen. Sie lag nur da, reglos wie eine Tote, und starrte gedankenlos ins Nichts.
Fünftes Kapitel.
Die Abgcordnetcnwahl war iy vollem Gange. Doktor Äeza Szada war in seinem Bezirk cingetroffen und besuchte, nachdem er die offizielle Kandidatur erhalten hatte, nacheinander die wichtigsten Persönlichkeiten von Füged. Bei der Familie Bardi war er nur ein einziges Rial, und die Frau Begh besuchte er überhaupt nicht. Frau Vegh war übrigens erst ein oder zwei Tage vor der Wahl wieder nach Hause gekommen, da sic, nachdcin Tibor nach Budapest abgereist war, tags daraus auch nach Budapest gefahren war. Ihre Freundinnen fragten sic hinterhältig, ob sie nicht zufällig Tibor von Sztiagyi begegnet sei, sie aber tat, als merke sie die Spitze in dieser Frage nicht, und erklärte, ihn nicht ein einziges Mal gesehen zu haben; nur telephonisch habe sie einmal kurz mit ihm gesprochen. Tibor habe große Lust gehabt, ins Theater zu gehen, aber an diesem Tage sei sie schon vergeben gewesen.
Dieser kleine Klatsch beschäftigte die Gemüter aber nur wenig. Die Wahl stand im Vordergrund der Interessen. Der Obcrstuhlrichter tat sein möglichstes und ließ die amtliche Wahl- niaschincric mit Volldampf laufen. Als Doktor Gcza Szada bei der Familie von Hubay seine Aufwartung machte, war er sogar selbst zugegen. Hier- sah auch Magdalena die beiden Männer: den Oberstuhlrichter, dessen runzeliges, mit Warzen bedecktes mächtiges Gesicht wie eine Melone aussah, und den Kandidaten, einen im Dialekt sprechenden, häßlichen Mann. Sie haßte beide mit der Wucht ohnmächtigen Schmerzes. Der Kandidat errang einen überwältigenden Sieg. Der einzige Gegenkandidat, ein Vertreter der Sozialdemokratischen Partei, hatte kaum ein paar Stimmen erhalten.
Bei Hubays hatte man nicht viel an die Wahl gedacht. Kaum war der Umzug beendet, begannen die Erntcarbciten. Nachdem die Ernte eingcholt war, wurde das Erntefest, wie jedes Jahr, in Tamasi und nicht in Füged abgehalten. Der Großknecht, den die anderen niit dem Titel „Anführer" ehrte», hielt die übliche Rede, die Vater, Mutter und Tochter auf der Veranda des Schlosses stehend anhörten. Zwei Mägde in FcsttagSklcidung überreichten das Erntegeschenk, einen Erntekranz, mit bunten Bändern in den LandcSfarben geschmückt. Hubay sagte die üblichen DankcSworte und ermahnte seine Leute zur Vaterlandsliebe, dayn setzten sich alle an die gemeinsame lange Tafel, die im Schloßhof ausgestellt war. Etwas weiter entfernt, in der Nähe der Eisgrubc, brodelte in großen Kesseln das GulyaS. Sein schwerer, würziger Geruch und der Qualm des offenen Feuers vermischten sich mit der fürchterlichen Julihitze. Das Weinfaß, das seitwärts aufgestellt war, wurde von Marzi, dem Lclbhusaren, betreut. Am oberen Ende der langen Tafel saß Frau von Hubay, zu ihrer Rechten vcr päpstliche Prälat Bagovcsevics, zur Linken Lorant Friedrich und dann zwanglos nach der Rangliste der Oberstuhlrichter, der Kreisarzt, der Kreisgerichtsrat, der neue Gutsverwalter, der Apotheker und alle anderen. Es war noch hellichter Tag, als daS Essen begann, und es war noch hellichter Tag, als «S zum Tanze ging. Der strammste Knecht war zwar ausgesandt worden, um das gnädige Fräulein, wie eS sich gehört, zun» Tanze zu führen, aber Frau von Hubay ließ es nicht zu, da ein Vierteljahr der Trauer noch nicht vorüber war.
Magdalena hatte auch gar keine Lust zum Tanzen. In den letzten Wochen hatte sie sich vollkommen gewandelt. Die Eltern wunderten sich oftmals über ihr Benehmen, aber sie fanden immer einmütig die Erklärung, daß sie sich endlich „entwickele", und das wäre ja auch ganz und gar an der Zeit; denn in ihrem Alter wären andere junge Mädchen schon richtige große Damen. Uebcrniüßig mitteilsam war Magdalena nie gewesen. Jetzt aber schwieg sic'tagelang. Am liebsten saß sie auf einer Bank in dem großen Park von Füged, aber sie las nicht, sondern bestaunte stundenlang die über die blumige Wiese flatternden Schmetterlinge oder lauschte dem nahenden oder ab- klingendcn Summen eines Mückenschwarmes. Wenn ihre Eltern mit ihr sprachen, antwortete sic zuvorkommend und höflich auf ihre Fragen, sie selbst aber begann niemals ein Gespräch.. Sit verließ das große Schloß kaum, und Tage konnten vergehen, ehe sic einmal in die Stadt kam. Zur Familie Friedrich ging sie auch erst, als sie es nicht mehr länger hinauszögern konnte, ohne sich den Vorwurf der Ungezogenheit zuzuztehen. Auw dort verbrachte sie nur die notwendigste Zeit, geduldig ließ sic sich in die seelischen Probleme Bolanthas und des Erzieher» cinweihen, aber sobald es anging, eilte sie wieder nach Hause. In Begleitung des Stubenmädchens lief sic den Akazicn- bäumen cntlang und blickte weder rechts noch links. Auf der anderen Seite der Straße oder hinter ihr raunten sich die Passanten zu: „Dort geht Fräulein von Hubay, die reichste Tochter aus dem Komitat." Sic aber ging aufrechter, stolzer Haltung weiter, wie der Träger eines ruhmreichen Geheimnisses, und wenn die Spaziergänger auf den Straßen von Füged genau hätten schildern sollen, was sie beim Anblick dieses schön gewachsenen Mädchens in Trauerkleidung empfanden, so hätten sie gesagt, daß aus ihr ein innerer Glanz hervorstrahle. Auch mit dem Stubenmädchen wechselte sie kein Wort. Als sic aber an dem Gartcnzaun des Schlosses die Aufschrift bemerkte: „Es lebe Doktor Gcza Szada, unser verehrter Abgeordneter!" da trug sie ihr aus, daß das bis morgen abgewaschen sein solle.
Soweit es die Eltern beobachten konnten, gab es nur eines, was Ihre Anteilnahme zu erwecken vermochte: kleine Kinder. Auch bisher hatte sie die Kinder geliebt. Oft war sie im Ge- sindchof stchengeblieben, um die verschmierten Wangen der im Sand spielenden Kleinen zu tätscheln. Das war jedoch uictit viel anders gewesen, als wenn ein kleines Mädchen mit ihrer Puppe-spielt, sic auszicht, nicderlegt und liebkost. Jetzt war aber diese leidenschaftliche Kinderliebe sprunghaft über sie gekommen. Wenn sic auf dem Gutshof von Füged ein Kind erwischen konnte, saßt: sie es sogleich bei der Hand, nahm es mit spazieren, kämmte es und spielte mit ihm. Die anfangs scheuen kleinen Mäulchen gewöhnten sich bald an sie und rannten ihr sehnsüchtig entgegen, um das übliche Zuckerplätzche» zu bekommen. Und wenn sie sie zur Tränke führte, ließen sic sich geduldig von Ihr die Händchen waschen.
Auch heute am Erntefesttage suchte sie nach Kindern. An der langen Tafel inar Ihr das Sitzen zu langwellig, jedermann unterhielt sich über seinen Nächsten, und das war ihr lästig. Nur das Plappern der kleinen Kinder störte sie nicht.
„Bist du schon wieder bei den Kindern?" rügte die Mutter, „du schleppst mir ncch eine ansteckende Krankheit ins Haus. Und Flöhe kriegst du bestimmt noch obendrein. Davon ganz zu schwelgen, daß cs für die Kinder auch besser wäre, wenn sie jetzt schlafen gingen."
„Aber lasten Sic doch, meine Liebe," besänftigte der Vater, „sie soll nur kinderlieb sein, das ist der Lauf der Welt."
Magdalena hätte sich selbst keine Rechenschaft geben können, worauf diese Kinderliebe zurückzuführen war, die sie so plötzlich erfüllte. Sie zerbrach sich darüber auch nicht den Kopf, eö tal ihr einfach wohl, sie fühlte sich zu den Kindern hingezggen, und so tat sie, wozu sic Lust hatte. Von früh bis abend«, vom Abend bis zum Morgen und auch in ihren Träumen waren ihre Gedanken ganz woanders: ihre ganze innere Welt war von Tibor ausgefüllt. Jetzt wußte sie, daß sie verliebt war.
(Fortsetzung folgt.)