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Nr. I.
IranKkurt a. M.lvell, Samstag, gen I. lanuar 1916.
>11. Zalirgang.
Heujahr 1916
Gewaltig hebt sich aus dem Meer der Zeit Das neue Jahr mit stolzer Herrschgeberde Voll nie erlebter, grauser Herrlichkeit,
Wie keines jemals überschritt die Erde.
Noch ist es schattenbleich, doch riesenhaft Wächst es empor; wenn wir die Adern tränken Mit unserm Herzblut ihm, mit uns'rer Kraft. Wenn Opfermeere stutend ihm fich schenken.
Du junges Jahr, es fällt auf dich die Last,
Der Völker größte Wandlung zu gestalten;
Und tief entsetzensvolle Ehrfurcht faßt Uns an vor deinem schicksalmächt'gen Walten
Noch niemals war ein Jahr so zukunftsschwer, Noch keinem ward in seinen ersten Stunden Sein Kleid durchtränkt von solchem Tränenmeer, Keins sah auf kurzem Weg schon soviel Wunden.
Wir aber gehn, ein kampfbereit Geschlecht,
Und nehmen auf uns, was uns ward zu tragen, Und in der künftigen Jahre Zweiggeflecht Wird hoch wie Zedern unsre Stärke ragen.
Und ob auch unsrer Herzen heißes Flehn Die Glocken dieser Nacht fast übertöne,
Wir wissen stolz, mit heil'gem Rechte stehn Auf ihrem heißen Posten unsre Söhne.
Und dieser siegdurchflammte Glaube spannt Den Aermsten, Letzten an zum letzten Wollen: Nur nicht zu früh entsink' das Schwert der Hand, Und wenn wir hundertfach noch tragen sollen!
Das schulden wir euch Brüdern, die ihr ruht In Feindesland, damit wir leben sollen,
Daß wir nicht schänden euer teures Blut Durch müd gewordenes, erlahmtes Wollen.
Steig' auf, du Jahr, im schweren Waffenkleid, Wir grüßen schwertgestützt dich voll Vertrauen, Denn unsre Seelen wurden groß am Leid,
Der Zeiten Größe überschwillt das Grauen.
Du junges Jahr, will's Gott, wirst du genannt Das deutsche einst, denn deutsche Waffen schmieden Der Wahrheit nun ein makellos Gewand Und einen weltenstarken Schild dem Frieden.
Die Verlorgungsanfpriiche 9er Kriegs- inDaliöen un9 9er Kriegshinterbliebenen.
Die durch eine besondere Organisation getragene Kriegsbeschädigtenfürsorge hat sich in erster Linie zum Ziel gesetzt, den Kriegsinvaliden durch Gewährüng entsprechender Heilbehandlung einen möglichst hohen Grad von Erwerbsfähigkeit wieder zu beschaffen und ihnen durch Umschulung, Arbeitsvermittlung und sonstige geeignete Maßnahmen die Möglichkeit zu bieten, wieder eine ihren gesundheitlichen Verhältnissen entsprechende Berufsarbeit aufzunehmen. Diese Fürsorge läuft neben einer angemessenen Rentenzahlung, auf die die Kriegsinvaliden auf Grund des Gesetzes über die „Versorgung der Personen der Unterklassen ches Reichsheeres, der Kaiserlichen Marine und der Kaiserlichen Schutztruppe vom 31. Mai 1906 und 3. Juli 1913" (bzw., sofern sie im Offiziersrang stehen, auf Grund des Offizierpensionsgesetzes) Anspruch haben.
Die gesetzlichen Bestimmungen gewähren, wie Sozialsekretär Sartorius-Essen in der „Deutschen Wacht", der Wochenschrift der Deutschen Vereinigung, ausgeführt, den im Kriege verstümmelten oder sonstwie ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen Militärpersonen eine allgemeine Militärrente nach den Sätzen, wie sie auch in Friedenszeiten gelten, ferner zu dieser Rente eine besondere Kriegszulage und bei Verstümmelungen eine Verstümmelungszulage. Solange infolge der im Militärdienst erlittenen Dienst- beschädigung die Ecwerbsfähigkeit um mindestens zehn Prozent vermindert ist, muß die Militärrente gezahlt
werden. Sie beträgt im Falle völliger Erwerbsunfähigkeit für den einfachen Soldaten jährlich 540 M., den Unteroffizier jährlich 600 M>, den Sergeanten jährlich 720 M. und für den Feldwebel jährlich 900 M. Ist nur eine teilweise Erwerbsunfähigkeit eingetreten, so. erhält der Beschädigte einen Teilbetrag der Vollrente, der dem Prozentsatz seiner Einbuße an Erwerbsfähigkeit entspricht.
Ohne Rücksicht auf die Art der Invalidität wird jedem Kriegsbeschädigten neben der Militärrente eine Kriegszulage von monatlich 15 M. gewährt. Falls der Kriegsbeschädigte eine Hand, einen Fuß, die Sprache oder das Gehör auf beiden Ohren verloren hat, erhält er neben der Militärrente und der Kriegszulage eine besondere Verstümmelungszulage von jährlich 324 M. (monatlich 27 M.). Bei dem Verlust oder der Erblindung beider Augen beträgt die Verstümmelungszulage jährlich 648,M. (monatlich 54 M.). Ferner wird die Zulage von monatlich 27 M. bei erheblicher Störung der Beweg ungs- und Gebrauchsfähtgkeit einer Hand, eines Armes, eines Fußes oder eines Beines gezahlt, vorausgesetzt, daß eine derartige Störung dem Verlust des Gliedes gleich zu achten ist. Ebenfalls wird sie gewährt bei Verlust oder Erblindung eines Auges, falls das andere Auge in seiner Sehfähigkeit beeinträchtigt ist. Schwere Störungen der Gesundheit, die fremde Pflege und Wartung notwendig machen, sowie GeisteskruKiMr und schweres Siechtum gewähren gleichfalls einen Anspruch auf Verftümmelungs- zulage. Hat ein Kriegsbeschädigter mehrere Beschädigungen erlitten, so kann er die Verstümmelungszulage mehrfach beanspruchen. Kriegszulage und Verstümmelungzulage sind für die ganze Dauer der Rentenzahlung unab- bänderlich.
Erreicht das jährliche Gesamteinkommen eines Empfängers der Kriegszulage nicht 600 M., so kann ihm vom vollendeten 45. Lebensjahre an eine Alterszulage gewährt werden, durch die der Betrag von 600 M. erreicht wird. Bei dauernder völliger Erwerbsunfähigkeit kann die Zulage schon früher gewährt werden.
Es ist anzunehmen, daß bei der Festsetzung der Rente das frühere Arbeitseinkommen des Kriegsbeschädigten mitberücksichtigt werden wird. Der Reichstag hat in seiner Sitzung vom 19. Mai 1915 diese Forderung ausgesprochen und aus dem Munde des Reichsschatzsekretärs erfolgte daraufhin die Erklärung, daß die Verbündeten Regierungen grundsätzlich mit der Berücksichtigung des Arbeitseinkommens bei der Versorgung von Kriegsteilnehmer und ihrer Hinterbliebenen neben den ihnen nach dem Versorgnngsgesetz zustehenden Bezügen grundsätzlich zustimmen.
Im Falle des Ablebens eines Kriegsteilnehmers erhalten auf Grund des Militärhinterbliebenengesetzes die verjorgungsberechtigten eine Rente, deren Höhe sich nach dem militärischen Dienstgrad des Verstorbenen richtet. Die Witwe eines Gemeinen erhält jährlich im allgemeinen 400 M., die eines Unteroffiziers 500 M.,die eines Feldwebels 600 M. Die Waisengelder betragen für das vaterlose Kind ein Fünftel, für das elternlose Kind ein Drittel dieser Witwenversorgung. Das Militärhinterbliebenengesetz sieht bei größerer Kde«zahl eine Kürzung der einzelnen Kinderrenten vor, doch sollen derartige Kürzungen im Wege besonderer Unterstützungen ausgeglichen werden. Auch ist beabsichtigt, die Witwenrente dem Einkommen des verstorbenen Ernährers anzupassen. Den Eltern eines Kriegsteilnehmers kann für die Dauer der Bedürftigkeit ein sog. Kriegselterngeld bis zur Höhe von 250 M. jährlich gezahlt werden, wenn der Verstorbene ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise bestritten hat. War der im Kriege Gefallene nicht der alleinige Ernährer seiner Eltern, trug er aber zu ihrem Lebensunterhalt wesentlich bei, so kann eine einmalige Unterstützung gewährt werden. Außerdem zahlt die Militärverwaltung unter gewissen Voraussetzungen auch unehelichen Kindern und schuldlos geschiedenen Ehefrauen Unterstützung. Hat der Verstorbene für Stiefkinder, Adoptivkinder und Pflegekinder bis zum Eintritt in das Heer oder bis zu seinem Tode wie ein Vater gesorgt, so sind auch diese unterftützungsberechtigt. Neben der Versorgung in Gestalt der Hinterbliebenenrente stehen den Kriegshinterbliebenen in zahlreichen Fällen Ansprüche gegenüber den Trägern der Unfall- und Hinterbliebenenversicherung zu, wie denn auch die Kriegsteilnehmer unabhängig von ihren Ansprüchen gegenüber der
Militärverwaltung bei der staatlichen Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung je nach Lage der Verhältnisse Invalidenrente, Krankenrente, oder ein Heilverfahren beanspruchen können. Wenn außer einem verstorbenen Kriegsteilnehmer auch seine Ehefrau bei der Alters- und Hinterbliebenenversicherung versichert war, so steht ihr neben den sonstigen Bezügen ein einmaliges Witwengeld und die sog. Waisenaussteuer zu. Die Landesversiche- rungsanstalren gewähren obendrein je nach Lage der Verhältnisse freiwillige Unterstützungen. Die Witwe, die Kinder oder Verwandte der auffteigenden Linie, deren Ernährer der Gefallene ganz oder vorwiegend gewesen ist, haben bis zu dem Zeitpunkt, von dem ab der Bezug der Rente beginnt, Ansprüche auf die sog. Gnadengebührnisse, d. h. auf Weiterzahlung des von dem Verstorbenen bisher bezogenen Soldes.
Man darf überzeugt sein, daß die berufenen Stellen mit Ernst und Eifer bestrebt sind, durch Gewährung entsprechender Renten die Kriegsinvaliden und Kriegshinterbliebenen nach Möglichkeit vor der dringensten Not zu bewahren.
5ur Gnfojichlung 9er Sojiatöemofirafie.
In dem bekannten von Thimme und Legten herausgegebene Buch „Die Arbeiterfrage im neuen Deutschland" ist es bezeichnend für die von Sozialdemokraten verfaßten und auch für eine Reihe der von bürgerlichen Verfassern herrührenden Beiträge, daß in ihnen die Auffassung herrscht, lediglich die bürgerlichen Parteien hätten umzulernen, während die Sozialdemokratie im Grunde immer recht gehabt habe. Man sollte meinen, daß die Sozialdemokratie mit einem Buch von solchem Inhalt wohl zufrieden sein könnte. Alleil? weit gefehlt! Der Genosse Hilferding hat im „Vorwärts" sich unbefriedigt übe? das Buch geäußert, und seine Aeußerungen haben ihren Weg weiter durch die sozialdemokratische Presse, auch die sog. revisionistische, gemacht. Hilferding konstatiert zunächst, daß es ja nur Professoren seien, die von Seiten der bürgerlichen Parteien in der Sammlung das Wort ergriffen hätten,' deren Standpunkt habe man auch schon vor dem Krieg ungefähr gekannt; wichtiger wären Aeußerungen von praktischen ^Politikern der bürgerlichen Parteien gewesen. Dann aber hebt Hilferding gewisse Dinge hervor, die ihm die Hauptsache sind. Da erfahren wir nun zu unserer Uiberraschung, daß nach Hilferdings Meinung die Profefforen noch viel zu wenig zugestanden und die sozialistischen Mitarbeiter, die uns alles zu fordern schienen, die Hauptsache zu fordern versäumt haben. Wir lesen nämlich bei ihm: Das Grund
sätzliche, das wirklich die Klassen trennende, das ist heute nicht die Sozialresorm, und nicht die Bestätigung von Schöffen und Stadtverordneten, ja nicht einmal die preußische Wahlreform, sondern die Stellung zur Staatsmacht, die Frage: Machtpolitik und Imperialismus oder
Demokratie und Sozialismus. Die Hauptsache
soll darin bestehen, daß „Machtpolitik" durch „Demokratie", „Imperialismus" durch „Sozialismus" ersetzt werden. Man kann hieraus entnehmen, daß die „Demokratie" doch ein Gut von recht zweifelhaftem Wert ist. Denn wenn die „Demokratie" mit „Machtpolitik" als unvereinbar angesehen wird, so ist die Demokratie eine Einrichtung, die die Völker unbedingt von sich fern halten müssen. Was soll wohl ein großer Staat ohne Machtpolitik auf der Welt anfangen?
In diesem Zusammenhang mag noch auf Aeußerungen des sozialdemokratischen Abgeordneten W. Heine über die Stellung der Sozialdemokratie zur Kirche hingewiesen werden. Auf die Forderung, daß seine Partei ihre Stellung zur Religion ändern müsse, erwidert er, nach ihrem Programm erkläre die Sozialdemokratie die Religion als Privatsache, und „mache Ernst damit". Wenn sie wirklich mit diesem Grundsatz Ernst machen will, so würde das bedeuten, daß sie die vorhandenen kirchlichen Gemeinschaften unparteiisch anerkennt, nicht gegen sie agitiert usw. Es ist aber doch Tatsache, daß eine solche unparteiische Anerkennung bisher gefehlt hat. Wir wollen nicht Beispiele aus unfern früher« Beobachtungen anführen,' das, was Heine selbst weiterhin sagt,, dient allein schon zum Beweis dessen, daß seine Partei mit der un-
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