polizeiliches Dekret.

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Um der überhandnehmenden Sozialdemokratie zu steuern, wollen wir das Nebel an der Wurzel ausrotten. Hand in Hand mit dem neuen Schulgesetz wollen wir das Kind von der Wiege an moralisch erziehen und namentlich nur mit solcher L i t t e r a t u r umgeben, welche nicht die Spur von sozialistischen Einflüssen merken läßt. Daher sind zunächst folgende Gedichte fortan aus allen Kinderbüchern zu entfernen:

1) Das Lämmchen. (Ein kleines Lämmchen, weiß wie Schnee, ging einstens auf die Weide u. s. w.) Hier benimmt sich ein Kind höchst unehrerbietig gegen seine Mutter, indem es ihr den Gehorsam versagt.

2) Wiegenlied. (Schlaf, Kindlein, schlaf! Der Vater hüt't die Schaf u. s. w.) Man bemerke die respektlose Ausdrucksweise in Bezug

auf den Vater. Es müßte mindestens heißen:Der Herr Vater ist Gemeinde - Schafshirte."

3) Der kleine Gernegroß. (Er nimmt des Vatdrs Stock und Hut u. s. w.) Hier ist der Mangel an Achtung gegen die dem Vater gehörigen Sachen zu weit getrieben. Stock und Hut des Vaters soll das Kind mit Ehrfurcht betrachten, aber nicht selbst benutzen.

Die Liste wird nach Bedarf und Umständen fortgesetzt.

Die arme Rlama.

Eine Dame steht mit ihrem Töchterchen vor dem Schneiderschen Kunstinstitut auf dem Roßmarkl und besichtigt das im Schaufenster aus­gestellte Gemälde von Meyerheim.

Siehst du," erklärte sie ihrem Töchterchen,das kleine Löwchen ist eben beim Frühstück, und wie der Löwenpapa kommt hat das Löwchen Angst, daß er ihm sein Esten fortnimmt, gerade so wie du, wenn du deinen Kuchen festhältst." '

Der Löwenpapa wird es nicht fortnehmen", erklärte das Töchterchen bestimmt.

Weshalb denn nicht?"

Weil sonst das kleine Löwchen der Löwenmama sagt, daß der Löwenpapa gestern die Löwengouvernante geküßt hat."

Irage.

Ob Miquel-Bennigsen gewiß Sich lassen noch verführen? Giebts etwa einen Compromiß? Giebts ein Compromittieren?

Ätt still c t oder

Vor e paar Dag hat in viele Zeidunge gestanne, daß in Cassel e Canarievogel gewese is, der mit eme feine Kinnerstimmche ganze Sätz hat spreche könne. Die Sach hat mich gar net erstaunt, dann ich will hier e Geschieht verzehle, die merr vor Jahrn bassirt is, un die grad so wahr is, wie die von dem Canarievogel.

Da war hier am Theater e Sänger, e Bassist, zu dem seine Glanzrolle hat der Sarastro in der Zauwerflet gehert und besonnerscht die Arie: O Isis un Osiris, war sei Steckeferd. Wann der los gelegt hat, hawe net allaa alle Fensterscheiwe gezittert, naa, aach die Mensche hawe gezittert un gebebt, dann sei Stimm war so stark, daß es aam dorch Mark un Baa gange is.

Der Sänger, hat sich im damalige Sommer driwe im Taunus in eme schene Derfche eingemieth gehatt, um die gut Luft ze genieße un sei Nerve ze sterke, dann die Nervestärkerei hat grad damals angefange Modi ze Wern. No, korz un gut, er hat sich zwaa recht schene Zimmercher uff eme große Hof gemieth, un is jeden Mittag, wann er awens ze singe halt, eniwer nach Frankfort gefahrn.

Daß e Sänger, wann er derhaam is, viel singt, deß waaß merr ja, er muß sich ewe immer iewe, dann er derf sei Stimm net eiroste lasse, un so hat mei Sänger dann ääch viel gesunge, un merschtens die Arie: O Isis un Osiris!

Ich Hab vergesse ze bemerke, daß ich mit dem Sänger sehr befreind war un en oft driwe im Taunus besucht Hab. Wie ich des erschtemal zu em eniwer bin komme. Hab ich gleich gemerkt, daß fei zwää Stiwercher grad iwerm Kuhstall gelege hawe, er hat deß noch gar net gemerkt gehatt. Wie merr uns begrißt hatte, Hab ich zu em gesagt:Herrn Se emal, schenirt Ihne dann deß gar net, daß Se grad iwerm Kuhstall wohne, der Geruch un die viele Fliehe?"

Dadruff hat er merr erwiddert:Der Geruch soll ja für die Brust sehr gesund sein und die Fliegen haben mich noch nicht belästigt." No, mir konnts ja recht sei, die paar Stunn, die ich als driwwe war, hats mich, offe gestanne, aach net schenirt.

Also in dene Ställ hawe e Sticker zehe bis zwelf Kih un der Gemää-Brummelochs gestanne, lauter schee Vieh, un besonnerscht der Brummelochs, deß war e Mordskerl, en Kopp hat er gehatt un e Paar Ääge, baß merr sich vor em ferchte könnt, es war ääch werklich gar net mit em zu spasse.

Un so bin ich dann ääch an eme schene Nachmittag eniwwer gefahrn un wie ich in die Neh von dem Hof kam, Hab ich schont meim Freind sei Arie: O Isis un Osiris singe Hern, doch is merr uffgefalle, daß es e bissi verdumpe geklunge hat. ganz annerscht, wie er gcwehnlich gesunge hat. No, Hab ich gedacht, er werrd nor mit halwer Stimm singe, oder hat er vielleicht de Schnuppe, ich werns ja erfahrn.

Wie ich enei kam, is merr kää Mensch begegent; ich bin der Trepp enuff un Hab an dem Sänger seiner Dhir geklobbt. Awer zu meiner größte Verwunnerung hat er netHerein" gerufe. Des hat mich erstaunt, ich wußt doch, er is derhaam, ich hat en doch singe Hern, awer die Dhir

Aesterlegung?

war zugeschlosse un der Schlisse! hat, wie ich dann erscht geseh Hab, owe an der Dhirrahm gehenkt.

No, Hab ich gedacht, was is dann des un bin enunner un wollt Jemand frage, wo mei Fremd wär. Endlich Hab ich in der Scheuer Jemand gefunne, dann es war alles uffem Feld un zu meim greßte Er­staune Hab ich da gehert, der Bassist wär gar net derhaam.

Jetz war ich awer starr, ich muß dagestanne hawe, wie e Dippche Riß, dann die Maad, die merr die Sach.mitgedhält halt, hat vor Erstaune des Maul ganz weit uffgerisse un hat Ääge gemacht wie e Scheuerdhor.

No" Hab ich gesagt,da hert doch alles uff, ei, ich Hab en doch ewe singe Hern."

Naa, deß kann net sei, ich Hab em heut morjend sei Köfferche an sei Schees gedrage, un Hab mit meine eigene Ääge zugeguckt, wie er fort- gefahrn is."

Jetz is merr awer doch e Genshaut iwern Buckel gelaafe! An Gespenster glaab ich net, awer, Hab ich gedacht, es kennt em velleicht e Unglick bassirt sei un er hält sich mit seiner Lieblings-Arie aagemeld.

Drum, Hab ich merr gesagt, hat deß ääch so verdumpe geklunge.

Wie ich dann am annern Tag in des Derfche kam, Hab ich schont von weitem unfern Freind frisch un gesund in de Felder erum laafe seh.

Da is merr wenigstens der schwerste Stää von meim Herz gefalle un ich Hab en voller Frääd begrißt. Ich konnts awer doch net lang aushalte mit em iwer die Sach ze redde un der wußt nu gar net, was er draus mache söllt.

So sin merr dann in die Neh vom Hof komme un uff aamal Hern merr Widder so verdumpe die Arie: O Isis un Osiris, singe.

Merr sin ferchterlich erschrocke un wußte net, wie die Sach zesamme henke söllt, un sin schnell uff de Hof gelaafe, wo merr des Singe ganz deutlich gehert hawe.

Uff aamal geht die Stalldhir uff un der Bauer kimmt mit eme ganz selige Gesicht eraus. Mir sin gleich uffen zugesterzt un hawen gefragt, wer dann da singe dhet.

Ja", hat er gesagt un sei Gesicht is noch verklärter warn,wisse Se wer singt, deß is unser Gemää-Brummelochs, der hat Ihne", un der Bauer hat sich zu meim Freund gewendt,der hat Ihne des Singe abgelernt."

Mir sin nu gleich in de Stall enei zum Brummelochs. Jetz muß merr sich so en Brummelochs nor vorstelle, wann der die Ärie: O Isis un Osiris, singt, ich sage Ihne merr warn ganz eweck un wie er fertig war, Hab ich geklatscht, mei Glacehändsche sin derbei ganz ausenanner geblatzt. Der Bassist hat awer net mitgeklatscht, ich glääb bei dem hat sich schont der Kinstlerneid geregt.

Wie ich mich von meiner Anstrengung erholt hat, Hab ich die Sach gleich von der praktisch Seit uffgefaßt un Hab dem Bauer gratelirt, dann mit dem Brummelochs mißt doch jetz e Heidegeschäft ze mache sei.

Awer, was meene Se, nach e paar Däg bin ich Widder eniwer, dann ich wollt den Brummelochs noch emal singe Hern, awer des arm Oos hat noch net emal so lang gelebt, wie der Casseler Canarievogel, er is schont gleich in der ehrschte Nacht, wie sei Talent entdeckt war, verreckt. F. Sch.