1809
Die Jäckel.
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Ich hatte, als ich auf der Erde Sehr oft verfolgt herumgetrabt;
Weil ich die Lust am Turnen mehrte.
Stets nur dieselbe Nas gehabt.
Es kränkt mich, dasz man meiue Nose Mit der ich lebt', mit der ich starb.
Durch eine Kunst, die nicht famose,
An jedem Conterfei verdarb. —
Verzeiht mir, wenn darob ich rase Und Euch, die Ihr sie schuft so stbepp Und mannigfaltig, eine Nase,
Sowie 'nen Nasenstüber gab.
I. B. MMer-Herfurth.
Hier nnd dort.
Das Programm, das bekannte Artistenfachblatt bringt folgende öffentliche Danksagung: Herrn Alexander Wolkowsky, l Fa. „The great Wolkowsky Troupe“, zur Zeit Direktor des Sommertheater- Variech „Kreuz"' in Posen, sage auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank für den zu meinem Benefiz gespendeten herrlichen Kranz und der Extra-Gratifikation von hundertundfünfzig Stark. Als Kollege war mir Herr Wolkvwsky immer schon lieb und wert und als Direktor kann ich ihm meine Hochachtung nicht versagen. Wären sie doch alle so! Martin Kempinski, z. Zt. Kurhaus Cabaret, Scheveningen.
Ja, wären sie doch alle so! — Wir können diesen etwas schmerzlichen Ausruf dem Herrn Kempinski nach empfinden, auch begreifen wir, daß sich die Neigung beS Beglückten zu Herrn Wolkowsky nach Empfang dir 150 Mk. — in offenbare Hochachtung verwandet hat.-Hoffentlich wiederholt
sich das Mannöver mit der Gratifkation.
Ein Frankfurter Rektor der Nuivcrsttät Leipzig. Für das Jahr 1908/9 — das Jahr des 500 jährigen Jubiläums der Universität Leipzig — ist der ordentliche Professor des Strafrechts, des Strafprozesses nnd des Staatsrechts, sowie Direktor des Juristischen Seminars, Herr Geheimer Rat Professor JDr. jur. Karl Binding, gegenwärtig Dekan der Juristenfakultät, zum Rektor der Universität Leipzig gewählt worden. Eine außergewöhnlich große Zahl von Univttsitälsprofessoren, die das aktive Wahlrecht genießen, hatten sich zu der Wahl, die in der fünften Nachmillagsstunde in der Universitüts- aula stattfand, etngefniiden. Die Wahl des Herrn Geheimrates Dr. Binding erfolgte im zweiten Wahlgange fast einstimmig.
vr. jur. Karl Biisding wurde am 4. Juni 1841 in Frankfurt a. M. geboren. Er absolvierte das Gymnasium seiner Vaterstadt und studierte auf den Universitäten Göttingen und Heidelberg Geschichte nnd Jurisprudenz. 1&64 habilitierte er sich als Privatdozent an der Universität Heidelberg. Bereits im Jahre 1866 folgte er in dem außergewöhnlich jugendlichen Alur von 25 Jahren einem Rufe als ordentlicher Prefessor an Sie Universität Basel. 1870 wurde er als Ordinarius an die Universität Freiburg i. Br. nid. 1872 in gleicher Eigenschaf, au die Universität Straßburg berufen. Schon an, 4. Februar 1873 ,'olgte er dem ehrenvollen Rufe an die Leipzigkr Uuversität, an der er seitdem segensreich wirkt. Hie: bekleidete er apßer dem Amt des Rektors ruehr/re Male das Amt des Dekans der Juristenfa'ultät.
Lolo Bernve, die schmale, blonde Diseuse, welche längere Zeit im Cabaret Oskar Kleins die Gäste mt ihren Vorträgen erfreute, ist in Baden- Baden, po sie i,n Cabaret des Herrn William Schüff auftrat, an den Folgen einer Sublimatv.'rgiftung gestorben. — — Das junge exeentrische zu Ulerhand Capriolen geneigte Mädchen hatte ein larmloses Recontte mit eineni Verehrer, das mehr komisch wie ernst nar und nahm im Aerger darüber nächtlicherweile oier Sttbliniatpillen, die wenig geeignet sind einen schnellen und schmerzliosen Tod herbeizuführen. — Ass sie die Wirkungen der Pillen zu hmren begann, begab sich das Mädchen in das Zinimer einer Collegin unh sagte ihr: „Du, Ada, ich habe mich vergiftet." Als die Kollegin rnerkte, daß die Künstlerin kmien frivolen Scherz mache, holte sie Hülfe, nachdest sie ihr warne Milch zu trinken gegeben, aber ms Gift war schon von Blagen nnd Därmen so rc chlich absorbie.'t worden, daß die Unglückliche lang am zu sterbe, begann. — 'Nit dem Tode ringend, gestand sie, daß es ihr mit der Vergiftung gar picht ernst gewesen sei, daß sie etwas von sich reden haben machen wollen —-ver
geblich. SD* j Aerzte vermochsen das arme Ding nicht mehr m i retten. Nach epalvollen Le den entschlief es, aufopfernd gepflegt von seiner Collegin, Ada Marcel, der berühmten Mgtchiche Tänzerin. — Auf dem sqönen Kirchhofe in baden-Baden wurde das einst st heiß klopfende Herz der lustigen Caba- retistin zurjewigen Ruhe gebettet.
Paus Morih ÄRädlerP. Am Ende der vorigen Wiche ist der Kausniana und Fabrikbesitzer Herr Paul Moritz Mädler in Le pzig an den Folgen
einer Lungenentzündung verschieden. Er übernah», mit seinem jüngeren Bruder Anton Alädler im Jahre 1880 die vom Vater im Jahre 1850 gegründete Koffer- und Lederwarenfabrik in L.-Lindenau, und hat zur Vergrößerung und zum Aufblühen derselben, sowie der damit verbundenen Filialgeschäfte in Leipzig, Berlin, Hamburg und Frankfurt am Nt a i n wesentlich beigetrage». Die Firma floriert heute als erste ihrer Branche und das reiche Arbeiter- und Beamteupersonal verliert in dem in bestem Mannesalter verstorbenen Mitinhaber einen Chef, der in liebenswürdiger und fürsorglicher Weise auf das Wohl der sämtlichen Angestellten bedacht war.
Eine Tnrufeftblüte komischer oder langweiliger Art, war auch der Festschmus. Uns zitterten die Beenekens vor Vergnügen, als wir den „Turner" Justizrat Fritz Meyer mit salbungsvollen Worten die Nürnberger willkommen heißen hörten, als wir später den Schmus von der Verbrüderung, von der deutschen Treue, von der notwendigen Einigkeit vernahmen, den jeder Reder verzapfte. — — Langweiliges Gesalbaderl — Nirgends ein wahrhaft ergreifendes Wort, ein stolzer Spruch, lauter Biergebabbel angedndeter Hurrapalrioten, geistloses Ausputzen alter, mit Gras bewachsener Gemeinplätze. — Wo blieb der Geist Vismarckes, wo blieben Worte wie: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst Niemand auf der Welt? — — — Alles Quatsch, Quatsch, Quatsch! Das geistige Niveau unserer großen Volksfeste ist rapid zurückgegangen
Welche Saltomortale leistete sich der Alkoholpatriotismus auf dem Turnfeste! —-Sogar
unser Adickes war nicht geistreich, doch glich er den inhaltlichen Mangel seiner Rede dadurch aus, daß er dem Prinzen Oskar von Preußen sagte: „Königliche Hoheit können morgen ausschlafen! — Viel amüsanter und gehaltvoller wäre allerdings die Frage gewesen: „Königliche Hoheit, können Sie mir einen Taler leihen?"
Prinz Oskar von Preußen, welcher in, Carlton Hotel Wohnung genoivmen hatte, sprach sich über seinen Aufenthalt in diesem prächtigen Gasthause sehr lobend aus. Er meinet, es sei ein geradezu überraschender Comfort vorhanden, der Kunst mit gediegener Einfachheit paare. Er werde nicht ermangeln, bei einer eventuellen Wiederhierherkunft abermals im Carlton Hotel Wohnung zu nehmen.
Die Entlassung der Zoologischen Garten Kapelle, welche die Kasse des so schlecht geleiteten Institutes auf Jahre hinaus belastet, ohne die finanziellen Verhältnisse derselben zu verbessern, ist die Frucht jahrelanger, durch Unfähigkeit hervor- genffener Mißwirtschaft. Als der große Schwätzer Jnstizrat Caspar! mit Stentorstimme die Leiter des Gartens, die Herrn Seitz und Göring protegierte, durfte es Niemand wagen, an den faulen Zuständen eine Kritik zu üben, denn Jupiter tonans brüllte: „Es ist Alles schön nnd gut." — Und es war doch Alles nicht gut, denn wenn eine Verwaltung keinen ander» Weg weiß, um die Lage des Gartens zu heben, wie .Luftballonausstiege, Lnftballonaufstiege nnd Lnftballonausstiege, so geht — — einem die Luft aus. — Was meinen Sie, lieber Leser, wie der Garten florierte, wenn man Hern Direktor Göring endlich pensionierte und das Etablissement an einen tüchtigen Geschäftsmanne verpachtete? — Aus dem Garten ist etwas zu machen, sobald die rückständigen Elemente — und das sind mehrere — von einer frisch, fromm, fröhlich, freien Majorität in der Generalversammlung über den Haufen geranntwerden. — Ein neuer tüchtiger wissenschaftlicher Direktor ist da. Ein Atann, über den wir nur das Beste hören. Sorgen wir nun auch für einen tüchtigen Kaufmann, der Plus zu »lachen versteht. —
Militärkonzerte werde» allein nicht das Hülfs- mittel sein; obgleich sie uiehr Attraktion ausübcn, wie das Hansorchester. — Vor Jahren, als Direkt»r Keiper noch nicht auf der Vildfläche erschirnen war und das große Hans noch nicht fertig war, spielten Tag für Tag die Einnndachtziger unter Kapellmeister Waßmanns Leitung. — Die Räume waren stets knüppeldick besetzt, doch fand nian darnach, daß es doch besser sei, ein Hausorchester zu haben und engagierte Keiper. Jetzt ist man wieder anderer Meinung und kehrt zur Mil türkapelle zurück. Direktor Seitz hat seinen Abschied erhalten, Direktor Göring folgt ihn, hoffentlich bald nach und dann mit neuen Kräften frisch voraus. — Wird ein erfahrener kaufmännischer Direktor gefunden, ist unserer Ansicht nach, die Aiöglichkeit gegeben, dir Hauskapelle vor der Auflösung zu retten. — Leicht, ganz leicht ist unser Zoologischer Garten rentabel zu machen, aber seine jetzigen Leiter verstehen es nicht. Es sind fleißige Bureaumenschen, aber keine Männer von Initiative.
Es Erhält sich ein Gerücht in der Stadt, ivonach dev Pächter der Restauration eines großen VergnügungLetablissements der Verwaltung desselben M 12,000.—-s Miete schuldig sei. Ist es der Fall, sind >vir neugierig, an wem die Geschichte hängen bleibt, wenn der Mahn sein Zahlnngsversprechen n cht einhält.
Die Deutsche Musikerzeitung brachte einen großen Artikel über die Angelegenheiten des Zoologischen Gartenorchesters, der wortwörtlich von einem hiesigen Blättchen ohne Quellenangabe nachgedruckt wurde. Die Sorgfalt in der Eskamotage ging sogar so weit, daß der Name des Verfassers weggestrichen wurde. — Einmal wird das Blättlein mit seinem im unverzeihlichen Mausen fremden geistigen Eigentums doch hereinfallen. — Wie unangenehm und kostspielig das Nachdrucken werden kann, bewies vor einigen Wochen die Abfassung eines im Jahre 1906 sehr viel genannten Redakteurs nnd Verlegers. — In aller Gemütsruhe hatte er eine ganze Serie von Artikeln und Gedichten des Herrn Müller-Herfurth ohne Quellenangabe nnchgedrnckt und wurde in einem liebenswürdigen Briefe vom Verfasser zur Zahlung von M 200.— aufgeforderl. — Anstatt zu schimpfen, machte er gute Miene zum bösen Spiel,
bemerkte er Hütte-schon längst einmal eine
Rechnung erwartet (Daß dich das Mäusle beiße! Die Red.) und — — zahlte.
Antiformin, nennt sich eine Flüssigkeit von der das Liter 50 Pfg. kostet, die eine sensationelle Eigenschaft hat. — Sie löst alle Bakterien des menschlichen Auswurscs vollkommen auf, greift aber die Tuberkelbazillen nicht an, die fein säuberlich znrückbleiben nnd unter das Aiikroskop gebracht werden können. Der diagnostische Wert des Antiformins ist also von einer außerordentlich hohen Bedeutung für den Arzt und den Gelehrten, da er ihm die Auffindung der Bazillen kolossal erleichtert. Professor llhlcnhut ist der Meinung, daß die Tnberkelbazillen nicht angegriffen werden, weil sie eine Wachsschicht umgiebt. — Das hätte er feststellen können, wenn er die Flüssigkeit gekocht und dann das Antfformin zugesetzt hätte. Weshalb verfiel er nicht auf den einfachen Gedanken? — Wachs wird doch in der Wärme flüssig und setzf sich als Schicht an die Oberfläche. Hoffentlich entdeckt der Gelehrte diese einfache Methode noch. —
Der Corpsgeift der Frankfurter Presse
zeigte sich bei dem deutschen Lehrer-pardon-Turnfeste auf's Wunderbarste. Von allen Aus- nnd Einschüssen an die Wand gedrückt, vernachlässigt wie ein altes baufälliges Haus krachen die Herrn Zeitungsschreiber der Turnerschast oder ihren Führern und Ausschuß- Mitgliedern nichts desto weniger so energisch in das Rectum, daß sie die Forni einer oft gebrauchten Klystierspritze annehmen. — Anstatt auf der ganzen Linie die Berichterstattung einzustellen, erniedrigten sich die Journalisten zu Handlangern ihrer Verleger und referierten auf Mord und caput. — Und dabei nehmen die Herrn Rectumkrabbeler mit ihrem Baum- wanzendünkel über Leute der Tagesgeschichte das Ataul so voll, wie ein nassauernder Student an einem Freitisch, wenn sie glauben die betreffende Persönlichkeit habe es an Mannesstolz fehlen lassen. Was schnupfen sie über den aalglatten Höfling nnd Reichskanzler, was werfen sie ihm Rückgratlosigkeit vor, da sie doch selbst noch nicht einmal eine halb- steife Fischgröle im Buckel stecken haben. — Wir schlagen nach den „kriecherischen" Ereignissender Festwoche vor, einen „Rectal-Kriecherverein" Frankfurter Journalisten zu gründen. Die Fackel wird den Herrn ein Banner aus Closetpapier stiften und die Ab-Frau des Bedürnißhäuschens in der Gallusanlage mit der Führung der Flagge betrauen.
Nur Lobeshymnen werden dem Turnfest in der Presse gesungen. Der Mann von Bedeutung und jenen von Einfluß haben es unvergleichlich gefunden, Präsident Götze wollte solches noch nie gesehen haben; kurzum es wurde ein großes Geseires gemacht, das der Wirklichkeit nicht ganz entsprach, denn fast alle Turner schimpften mächtig darüber, daß man auf dem Festplatze nur saufen und sich nicht harmlos amüsieren konnte. — Sauft! — Sauft! — Sauft! — war die Parole und das Feld- geschrei. — Sauft, damit kein Defizit entsteht! Im Zeitalter des Sinalco, des Frada und wie alkoholfreien Getränke alle heißen mögen, finden wir diesen Imperativ zu kategorisch. — Wenn Exeesse vorkamen, sich Roheitsdelicte ereigneten, so war nur das Coniite schuld, das Jung und Alt zum Saufen an- gehalteu hatte.
Ein prächtiges Etablissement ist auf der
Kaiserstraße entstanden, nämlich das Hotel Luitpold mit seinem Zubehör dem gleichnamigen Cafe nnd einem allerliebst eingerichteter Conzertsaal, der mehrere hundert Personen faßt. Das Etablissement, dem unbedingt eine gute Zukunft zu prophezeien ist, verdankt seine Enlstehung wieder der Initiative der Herrn Wiesbader und Bauer, die sich um die Hebung der Kaiserstraße zweifellos ein unvergängliches Verdienst erworben haben. Wenn die Hausbesitzer an dieser Verkehrsader gute Mieten erzielen und den Wert ihres Eigentums rapider gesteigert sehen, als man erwarten durfte, so sind die beiden Herrn die Ursache. Ihr scharfer Blick und ihre Unternehmungslust sind vielen Einrichtungen und Anlagen der Stadt zu Gute gekommen. Den Betrieb des Luitpold-Etablissements haben sie in die Hände des Herrn R. und Nt. Zernick gelegt, die in der Leitung solcher Geschäfte anerkannte Routine besitzen. — Hoffentlich bleibt der Zuspruch des Publikums auf die Dauer so intensiv wie während der Turnfesttage.
Der Verein deutscher Proftitnirten war auf dem Turnfest mit einigen tausend Jungfrauen
