I sein entschiedenes Eintreten für die Wahlreform in möglichst nachdrücklicher Form den Parteien kundgegeben werde und daß bei den Delegationswahlen auch die Minderheiten Berücksichtigung finden.
Frankreich.
Sämtliche Mitglieder des neuen Kabinetts, mit Ausnahme von Millies-Lacroix, der das Portefeuille der Kolonien angenommen hat, sind unter dem Vorsitz Clemenceaus zu einer Sitzung zusammengetreten. Man regelte endgültig die Frage der Besetzung der Unter st aatssekretariate und besprach die Fragen, die. sich aus der Schaffung des Ministeriums für Arbeit und öffentliche Gesundheitspflege ergeben. Sodann wurde die B u d g e t l a g e beraten. Der neue Finanzminister Caillaux legte die Punkte dar, in denen sein Vorgänger Poincarö mit der Budgetkommission in
Frhr. v. Ahrenthal,
der neue österreichisch-ungarische Minister des Äußern.
Meinungsverschiedenheiten geraten war, und teilte eine Anzahl Vorschläge mit, über die die Minister in den nächsten Tagen beraten werden.
England.
Das Londoner Polizeigericht zu Westminster hatte zehn Frauenrechtlerinnen, die im Unter- hause.mitten ans heißem Streite mit Konstablern heraus verhaftet worden waren, bei Androhung einer Geldstrafe dazu verurteilt, ein halbes Jahr lang die öffentliche Ruhe nicht zu stören. Sie wurden dann sämtlich abgesührt. Ans der Straße spielten sich mittlerweile wüste Szenen ab. Die Behörden des Parlamentsgebäudes. haben befohlen, keiner der mit der Frauenbewegung in Verbindung stehenden bekannten Führerinnen Zutritt zum Parlament zu gewähren.
Dänemark.
In Kopenhagen trafen drei russische, unter Aufsicht der internationalen Polizei stehende Anarchisten . ein, um. ein Komplott . zur Ermordung der Kaiserin - Wit w e von Rußland auszuführen. Vor ihrer Ankunft erhielt die dänische Geheimpolizei eine telegraphische Benachrichtigung aus Petersburg. Russische Detektivs gingen an Bord des Dampfers und eröffneten den Verschwörern, daß sie. verhaftet und nach Rußland gebracht werden würden, falls sie an Land gingen. Die drei zogen es aber vor, freiwillig mit dem Dampfer wieder umzukehren.
Italien.
Der Papst leidet zurzeit an einem leichten Gicht-
anfall. Trotzdem aber wird er den deutschen Staatssekretär v. Tschirschky in Audienz empfangen.
Rnstland.
Der MinisterpäsidentStolypin hat durch eine Verfügung an die Generalgouverneure, Gouverneure und Stadthauptmänner diesen eingeschärft, daß die Kriegsfeldgerichte ausschließlich über schwere Verbrecher abzuurteilen hätten. Die genannten Amtspersonen hätten in jedem einzelnen Falle zu entscheiden, welches Perbrechen dem Kriegsgericht zu überweisen sei, und daß ferner ein gefälltes Urteil des Kriegsgerichts keinesfalls abgeändert werden dürfe und es daher dagegen keine Berufung gebe.
Im Prozeß gegen Mitglieder des russischen Militärverbandes verurteilte das Militärgericht in Tschita zwei Leutnants zum Verlust der Standesrechte und zu Verbannung, die übrigen Angeklagten zu Ausschließung aus dem Dienste und zweijähriger Festungshaft.
Balkanstaate«.
Die türkischen Landwehr-Bataillone von Durazzo ■ und Firava sind aus Jemen (Arabien), wo sie gegen die Rebellen gekämpft haben, nach Konstantinopel zurückgekehrt. Das erste Bataillon hat einen Verlust von 472 Mann, das letztere von 135 Mann gehabt. Um den seit vierzehn Monaten rückständigen Sold zu erhalten, veranstaltete die Mannschafr vor der Entlassung eine lärmende Kundgebung.
Die S k u p s ch t i n a nahm eine Tagesordnung an, die der Regierung das Vertrauen des Hauses ausspricht gegen die Stimmen der gesamten Opposition, welche ein Mißtrauensvotum beantragt hatte.
Afrika.
Aus Marokko lauten die Nachrichten mit jedem Tage bedrohlicher. Wie verlautet, hat sich die Lage in Arzila verschlimmert; der Pascha, dessen Haus in Arzila geplündert worden ist, ist in Tanger eingetroffen. R a i s u l i, der von Schritten gehört hat, die der Sultan gegen ihn ergreifen wolle, will sich durch Gewaltmaß- regeln nicht " nur in Arzila, sondern auch in Tanger rächen. Die marokkanischen Behörden fangen infolgedessen an, sich zu beunruhigen. Die Polizeiposten in der Bannmeile von Tanger sind verdoppelt worden.
dnpoLMlcker Hagesberickr.
Berlin. Vom falschen Hauptmann in Köpenick ist nicht viel Neues zu berichten. Es wurden wieder einige „Spuren" gefunden, von denen man jedoch nicht annehmen darf, daß sie zu einem besseren Resultat führen werden als die seither aufgenommenen. In Amsterdam wurde ein Mann verhaftet, der dem falschen Hanptmann von Köpenick ähnlich sein soll. Er kam aus Berlin, nennt sich Bartolett und hatte ein Passagierbillett nach New Jork. Eine andre Nachricht meldet, daß der Hauptmann bei Breslau erwischt sei. In Nothsürben wurde nämlich durch einen Gendarmen ein Mann verhaftet, auf den die Beschreibung des Köpeuicker Räuber- haupimanns passe. Eine weitere Nachricht kommt aus Dresden. Man glaubt den Hauptmann in einem gewissen Johann Georg Wilhelm Schnitzel, der 1872 in Schweidnitz geboren wurde, wiedererkannt zu haben. Schnitzel trug während seines Aufenthalts in Dresden mit Vorliebe Uniform. Er erschien sehr oft als.Husaren- Wachtmeifler und ritt bei dieser Gelegenheit Osfiziers- pfcrde. Er wird steckbrieflich verfolgt. Seinem früheren Bureauvorstand sandte er von Berlin aus eine Ansichtspostkarte von der Neuen Wache. (Es ist nicht anzunehmen, daß sich der Mann, der sich seither so schlau gezeigt hat, eine derartige Blöße durch eine Ansichtskarte geben sollte.) Auch aus Leipzig kommt die Nachricht von der Verhaftung eines Mannes, der für den Kassenräuber von Köpenick gehalten wird. Die Stadt Köpenick hat übrigens die Belohnung von 500 Mk. auf 1000 Mk. erhöht, so daß jetzt auf die Ergreifung des Kassenräubers 3000 Mk. ausgesetzt sind.
politische Run dich au.
Deutschland.
Der Kaiser empfing den österreichischen Generalstabschef Feldzeugmeister Grafen Beck, der als Gast des Monarchen in Berlin weilt.
Kaiser Wilhelm wird Ende November und Anfang Dezember, wie in den Vorjahren, der Zagdgast verschiedenex schlesischer Magnaten sein. Er wird nach den bisherigen Bestimmungen den Herzog von Ratibor in Schloß Raubten besuchen, den Herzog von Ujest in in Slawentzitz und den Fürsten von Donnersmarck in Neudeck, um bei ihnen dem Weidwerke obzuliegen.
Der oldenbur gische Thronfolge st reit ist jetzt endlich erledigt. Das Reichsgericht hat in der Klage des Grafen Alexander v. Welsburg gegen den Großherzog von Oldenburg, das großherzogliche Haus und^die Verwaltung des großherzoglich oldenburgischen Familienvermögens auf Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied des oldenburgischen Hauses und dementsprechende Apanagierung die gegen das Urteil des Oberlandesgerichts eingelegte Revision verworfen.
Die Oldenburger Landesshnode hat das G e h a l t s g e s e tz für die Geistlichen angenommen.
Bei der Reichstagsersatzwahl Hadersleben-Sonderburg wurde Landtagsabgeordneter Hansen- Apenrade (Däne) gewählt. — Im 18. h a n- noverschen Wahlkreise Stad e-Blumenthal wurde bei der Reichstagsersatzwahl Stichwahl zwischen Reese (nat.-lib.) und Ebert (soz.) notwendig.
Der Entwurf des hamburgischen Staatsbudgets für 1907 soll angeblich mit 7 Mill. Mk. Fehlbetrag abschließen.
Die württembergische Kammer der Abgeordneten hat nach längerer Beratung über eine Eingabe der ständigen Kommission der württembergischen Staatsunterbeamten um Gewährung' einer Teuerungszulage einstimmig einen Antrag angenommen, diese Eingabe der Regierung zur Erwägung mitzuteilen, in welcher Weise bei dem Anhalten der hohen Preise für wichtige Lebensbedürfniffe eine solche Verbesserung der Lage der Staatsbeamten, Geistlichen, Lehrer und der staatlichen Arbeiter Herbeizuführen sein werde.
Ssterreich-Nngar».
Nach einigem Zögern hat Frhr. v. Ahrenthal das Amt eines M i n i st e r s der Auswärtigen Angelegenheiten angenommen. Er erhielt die Bürgschaft, daß seine Person und Politik in beiden Delegationen auf keinerlei Vorurteil stoßen werden. Von ungarischer Seite wird betont, Ungarn wolle aus der Krise nicht den Vorteil ziehen, daß der nächste Minister des 'Äußern ein Ungar sein müsse. Die ungarische Regierung erklärte, daß sie an den neuen Minister des Äußern keine andern Forderungen, stelle . als jene, die auf den gesetzlichen Bestimmungen des' Ausgleichs von 1867 beruhen.
Unmittelbar nach dem Rücktritt Goluchowskis und der Ernennung des Frhrn. v. Ahrenthal zum österreichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen hat auch das Amt des gemeinsamen Kriegsmini st ers seinen Inhaber gewechselt. Der österreichisch-unga-, rische Reichskriegsmini st er Ritter v. Pitreich ! hat seinen Abschied eingereicht und erhalten.; zu seinem ■ Nachfolger wurde der bisherige österreichische Landes- : Verteidigungsminister Schönaich ernannt.
Kaiser Franz Joseph empfing die parlamentarischen Mini st er des österreichischen Kabinetts nacheinander und sprach ihnen gegenüber mit größtem Nachdruck den Wunsch aus, daß die Schwierigkeiten und Hindernisse, die der Wahlreform ent-' gegenstehen, so schnell wie möglich überwunden werden und die Wahlreform zum Abschluß gelange. Nochmalige Wahlen mit alten Wahlgesetzen seien ausgeschlossen. Es ist der Wunsch des Kaisers, daß
R Huf rcbiefer Bahn.
14] Roman von Neinhold Oxtmann, f
MorNesuna.l
„Er wird-sich schon finden lassen/ dachte Herta heiter, „wenn man erst aufgehört haben wird, mich wie ein Meerwunder anzustaunen."
In der Nähe der Bühnentreppe traf sie auf ihren Vater. Der berühmte Maler tauschte ein paar höfliche Worte mit Julius Löwengaard; dann ließ er seine schöne Begleiterin bei ihm zurück, üm seinen mannig- sachen andern Ehrenpflichten nachzugehen.
„Nun?" fragte Herta lächelnd. „Willst du mir noch immer einen Vorwurf daraus machen, daß ich schon wieder Komödie gespielt habe?"
„Ich werde mich hüten, nachdem dir der Beifall dieser Hunderte ohne Zweifel die Überzeugung beige
bracht hat, daß du recht daran getan. Schade nur, daß dein armer Mann nicht teilnehmen konnte an deinen Triumphen."
Er sah ihr dabei forschend ins Gesicht; aber
ihr Benehmen war ganz danach angetan, seine geheimen Befürchtungen sogleich zu zerstreuen.
„Es ist ja seine eigene Schuld," sagte sie, „und ich bedaure ihn durchaus nicht. Woher aber weißt
du eS denn, daß mein Mann mich heute nicht begleitet
hat?"
„Aus seinem eigenen Munde vernahm ich es, mein Kindl Er ist noch vor Beginn des Festes bei mir gewesen."
-,Wie merkwürdig, daß er mir gar nicht von einer solchen Absicht gesprochen hat. Und hat er dir auch gesagt, wodurch er verhindert wurde? Wahrscheinlich irgend ein besonderes gewinnbringendes Geschäft, nicht wahr?"
Julius Löwengaard zögerte einen Augenblick,' dann aber erwiderte er in seiner liebenswürdig gelassenen Weise: „Er hat sich darüber eigentlich nicht ganz klar ausgesprochen. Doch ich vermute, daß es eher etwas andres getoesen ist, geivisse kleine Unannehmlichkeiten vielleicht, wie sie im Leben eines Kaufmanns nun einmal nicht, zu den Seltenheiten gehören."
„Um so weniger ist seine. Unhöflichkeit zu entschuldigen. Aber ich will eine gute Frau sein und ihm nichts nachtragen. Diesmal soll meine Liebenswürdigkeit seine Strafe sein, und er soll zu seiner Beschämung eine freundliche Miene sehen."
„Recht so, mein Kind! Und ich gestehe reuig, daß ich dir so viel heroische Größe gar nicht zugetraut hätte. Ich fürchtete vielmehr, es würde dich ein schmerzliches Opfer kosten, das Fest schon jetzt zu verlassen."
Hertas Lächeln verschwand und sie sah mit großen Augen zu ihm auf. „Wer spricht denn auch davon? Richard wird doch noch Nachkommen, ja, er ist sicherlich jetzt schon hier."
„So muß ich ihn mißverstanden haben. Mir sagte er nur, daß er dir einen Wagen schicken werde, um dich nach dem Schluß der Aufführung abzuholen."
In raschem Wechsel ging und kam die Farbe auf den Wangen der jungen Frau. „Sagte er das wirklich? Bist du dessen ganz gewiß?" '
„Ich versuchte umsonst, ihn zu überreden. Als er mich verließ, schien er fest entschlossen, das Fest nicht zu besuchen."
„Und er erwartet im Ernst, daß ich mich dieser rücksichtslosen Laune fügen, daß ich auf ein langersehntes Vergnügen verzichten würde, nur weil er es mir in einer lächerlichen Eifersuchtsanwandlung mißgönnt ? Wenn du mich ein bißchen lieb hättest, würdest du
ihm sogleich klar gemacht haben, daß er da ganz Unmögliches von mir fordert."
„Vielleicht tust du deinem Manne doch Unrecht, Herta!" entgegnete ihr Vater. „So viel ich weiß, hindert er dich sonst nicht, deinen Zerstreuungen nachzugehen. Er könnte ja möglicherweise diesmal wirklich einen triftigen Grund haben, nicht zu kommen."
Trotzig warf sie den Kops zurück. „So hätte er mir diesen Grund nennen sollen. Wenn er es nicht für nötig hält, mich über seine Angelegenheiten zu unterrichten, darf er sich auch nicht darüber beklagen, daß sie mir gleichgültig sind. Ob er nun kommt oder nicht, ich werde jedenfalls bleiben."
„Aber, Kind, eine verheiratete Frau, die ohne ihren Galten an einem Balle teilnimmt, fordert das
Gerede der Leute geradezu heraus."
„Was kümmern mich die Leute und ihr Gerede! überdies bist du ja hier! Ihr werdet mich nachher in eurem Wagen mitnehmen und vor meiner Wohnung absetzen. Wer sollte es dann noch wagen, sich darüber aufzuhalten?"
„Und fürchtest du denn nicht, daß Richard —"
Aber sie fiel ihm beinahe unartig in die Rede:
„Vor meinem Manne werde ich mich schon zu rechtfertigen wissen, wenn es überhaupt einer Rechtfertigung bedarf. Und nun bitte ich dich von Herzen, laß uns
nicht weiter darüber reden. Ich war eben noch so glücklich! Willst du mir den schönen Abend völlig ver
derben ?"
Und Julius Löwengaard erwies sich auch diesmal als ein nachgiebiger, zärtlicher Vater, wie er es seinen Töchtern gegenüber noch immer gewesen war. Er erhob keine Einwendungen mehr, sondem er bot der jungen Frau selbst den Arm, um sie in den benachbarten Erfrischungsraum zu geleiten.