des alten Patesy und dessen Söhne, die in Ermangelung eines Testaments in den Besitz des Nachlasses des Verstorbenen traten.
Die arme Miß Lawton war gerächt!
Miseellen.
— (Eine finstere That.) Berliner Blätter erzählen folgende schaurige Geschichte: Am Sonnabend Morgen war in der Gneiscnaustraße zu Berlin ein ungeheurer Auflauf. Die Bewohner aus den nahe- gelegenen Straßen liefen alle nach einem Punkt, und der Ruf „Mord!" wurde hundertfach gehört. Schutzleute zu Fuß und zu Pferde nahten in Eile und sperrten den Weg ab, der vom Felde nach derNostiz- und Mrkstraße führt, und an dem starke Blutspuren sichtbar waren. Auf dem oben bezeichnten Felde, in einer Sandgrube, lag die Leiche eines Mannes im Arbeiter-Anzüge, das Gesicht aber so mit Blut besudelt, daß ein Erkennen der Züge desselben nicht möglich erschien. Eine Frau, die am frühen Morgen über das Feld ging, fand die Leiche dort liegen und machte Lärm, worauf Alles zusammenlief. So viel bis jetzt über den Vorfall verlautet, ist der Mann, ein Zimmcrgeselle, ermordet worden und zwar auf die scheußlichste Weise. Er hatte Messerstiche im Kinn und Hals, die Schädeldccke war zerschlagen, ein Auge ausgcstochen, auch in Brust, Leib und Rücken hat das mörderische Messer gewüthct. Die Mörder hatten ihm die Stiefeln ausgczogen, lange Wadenstiefeln, wie sie die Zimmcrleute zu tragen pflegen, auch sollen Uhr und Börse fehlen. Am Tage zuvor arbeitete er noch auf einem Neubau, und den Blutspuren nach scheint er dort ermordet und nach der Sandgrube auf das Feld geschleift zu sein. Der Ermordete war ein sehr kräftiger Manu und scheint sich mächtig vertheidigt zu haben. Als man ihn in die Sandgrube niederlcgte, muß er noch nicht todt gewesen sein, denn sein Kopf hat sich tief hineingewühlt. Der Bruder des Ermordeten, ebenfalls Zimmermann, hat die Leiche bereits recognoscirt. Ueber die Veranlassung zum Morde weiß man nichts Bestimmtes; der Erschlagene soll, wie ihm allgemein nachgesagt wird, ein friedliebender und nüchterner Mensch gewesen sein. Der Mörder sitzt bereits hinter Schloß und Riegel. Um 8 Uhr Morgens war dem Polizeileutenant Krause in der Johanniterstraße Meldung gemacht worden. Dieser telegraphirte sofort nach dem Polizeipräsidium, und nach Verlauf von zwanzig Minuten trat der Kriminalkommissarius Weber mit einigen anderen Beamten bei ihm ein. Sämmtliche Beamten begaben sich sogleich nach dem Felde zur Besichtigung des Todten. Hier wurde ihnen schon von einzelnen Personen mitgetheilt, daß der Tode der Zimmcrgeselle Rehwinkcl sei, der am
Freitag noch auf dem Neubau der Tempclhofer- straße 10 gearbeitet habe; von hier hatte ihn eine Frau mit dem Bauarbeiter Ziemendvrf fort und nach einem SchankkellcrderNostizstraße 13 gehen sehen. Dorthin begaben sich die Beamten zunächst und erfuhren von dem Wirthe, daß Zichmendors und Rehwinkel bis elf Uhr hier gesessen und dann friedlich miteinander fortgegangen waren. Die Wohnung des Ziehmcn- dorf ist Baruther-Straße Nr. 14, er selbst wurde hier nicht angetroffen und die Beamten nahmen nun ihren Weg nach der Tcmpclhoferstraße 10, wo Zieh- meudorf eben beschäftigt war, eine Molle mit Steinen zu füllen. Als der Lieutenant Krause auf ihn zutrat und fragte: „Sind Sie der Arbeiter Ziehmendorf?" zitterte der Gefragte so heftig, daß die Molle seinen Händen entfiel. Er erholte sich aber bald und antwortete: „Ja wohl, der bin ich." — „Wo ist Ihr Kamerad, der Zimmermann Rehwinkel", wurde er weiter gefragt. „Das weiß ich nicht, der ist heute nicht auf dem Bau erschienen." — „Sie haben neue Hosen an bei der Arbeit, wie geht das zu?" — „Die alten sind zerrissen." — „Auch die Jacke ist eine neue." — „Der Rock ist schmutzig." — „Wo haben Sie Beides?" — „Im Keller." Die alten Hosen und die Jacke wurden geholt, und beide Be- kleidungsgegenstände als gewallsam zerrissen und über und über mit Blut besudelt gefunden. Lieutenant Krause sagte dem mit schlotternden Knieen Dastehenden auf den Kopf zu: „Sie haben Ihren Kameraden ermordet!" Hierauf antwortete er nicht. Herr Weber befahl nun, den Ziehmendorf fest zu binden; das geschah, und so wurde er zur Wache geführt. Inzwischen kam ein Schutzmann aus der Wohnung des Ziehmendorf und brachte von dort die Stiefeln dks Ermordeten und dessen Uhrkctte, an welcher aber, statt der Uhr, ein Messer befestigt war. Eine Uhr hat der Ermordete nicht besessen. Als die Beamten den Geknebelten mit dem Verhör in die Enge trieben, brach er endlich in die Worte aus: „Na, ich will es Ihnen nur gestehen: ich habe ihn umgebracht!" Auf die Frage, welchen Grund er zu der schrecklichen That gehabt habe, antwortete er: Wir waren ganz gute Freunde und hatten in dem Keller der Nostizstraße zusammen getrunken; beim Nachhause- gehen geriethen wir in Streit um eine Kleinigkeit, ich weiß nicht einmal mehr, um was; Rehwinkel stieß mich, daß ich beinahe fiel; da wurde ich wüthend und stieß ihn mit dem Fuße vor den Magen, da fiel er um und war todt. Lieutenant Krause machte ihn auf den Widerspruch aufmerksam, da der Todte unzählige Stiche im Kopf und in den Leib erhalten habe, der Ziehmendorf verblieb aber dabei, er habe ihm nur einen Fußtritt gegeben und ging nicht davon ab bis zu seiner Abführung nach dem Molkcnmarkt. Nach dem Polizeibericht soll der Mörder gestanden haben, daß er den Mord ausführte, um den Gctödteten zu berauben.
Für die Redaction verantwortlich: D. Steegmann. -- Druck und Verlag von Otto Kanngießcr.