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Mann aber, mit grauem Haupt und Barte, trat zu ihm und sprach:

Was >.st das? Treiben die Hirten ihre Heerden wieder aus?"

Wilhelm blickte ihn nicht ohne Verlegenheit an, und jener sprach weiter:

Du blasest das Liedlein Wunderhold? Das Wunderfräulein Hort es nicht. Tief schläft sie drinn im Berge bis zum Frühjahr. Ich aber warne Dich."

Du warnest mich? "

Ich warne Dich, junger Gesell! "

Wofür?"

Ich warne Dich, sag' ich Dir. Mehr sag' ich nicht. "

Wer bist Du?"

Ich bin der treue Eckart, und warne jedermann."

Damit ging er fort, und Wilhelm blieb nachdcn- kend allein.

Endlich sprach er laut mit sich selbst:Weshalb will mich der Alte warnen? Wer ist der treue Eckart? "

Ueber den Rücken des Buchfahrter Bergschlosses aber sauste es stürmend in's Thal herab , und eine un­sichtbare Stimme sang ganz vernehmlich:

Durch Feld und Wald Das Horn erschallt.

Frau Holda kömmt. Huh, huh Ihr Schä'tzleln, das bist Du.

Bestürzt raffte Wilhelm sich auf, und eilte in die nahe Kirche zu U. L. Frau, warf sich betend vor dem Mare nieder, bat um ihren Schutz, und sprach :

,, Du weißt es wohl, o gnadenreiche Jungfrau ! in welchen sonderbaren Frauenhandel ich verwickelt bin. Ich weiß mir nicht zu rathen und zu helfen. Nimm von mir die Begier, wenn sie mir schädlich ist, reinige mein Herz und schenke mir deine Gnade!"

Kein Zeichen kam; kein Laut ließ sich vernehmen. Unbeweglich blieb das Muttergottcsbild. Der Priester kam zur Messe. Als sie geendigt war, ging Wilhelm aus der Kirche, und eilte, seitwärts ab von Weimar, nach Tieffort zum Marschalk, mit Meister Ehrenreichs Brisflein.

Der Marschalk war ein lustiger, feiner Mann; der Freuden liebte, Gastmahl, Weiber, Wein und Gesang. Deshalb war sein Schloß beinahe stets mit Gästen ange­füllt , bis bei und mit chm froh und lustig waren. Da­her war ihm auch Wilhelms Ankunft sehr willkommen; und als er Ehrenreichs Briefiein gelesen hatte, rief er aus:

Willkommen, Sänger! Was macht der alte Ehrenreich? Du bist sein Schüler? Wohl! Ich schätze die Kunst und liebe die Sänger. Was soll mir all' das Greinen und Winseln? Dazu ist's noch immer Zeit. Jetzt wollen wir leben und froh seyn. Deshalb habe ich auch kein Weib genommen. Der Ehestand ist, wie

ich ihn kenne, ein ewiges Rabengekrächz; und mit dem Trauringe steckt man die Sorge an den Herzensfinger, die immer tiefer eindringt, zuletzt die Liebe und alle Freuden ans dem Herzen jagt, und sich selbst hinein setzt, wie ein fremder Vogel, der nicht ins Nest gehört. Mir soll der fremde Vogel nicht ins Nest! Gott erhalte mir meinen Sinn! Laß Dirs Wohlgefallen bei mir, Wilhelm! und freue Dich ans meinem Schlosse Deines Lebens, so gut Du kannst. Wir haben Mädchen hier lind Wein; was Dir beliebt, ist Dein. Ich bin nicht eifersüchtig auf die Schäkerinnen. Habe ich meine Wil­len, sollen sie den ihrigen auch haben. Leben und leben lassen. Bleib bei mir, so lange Du willst, und ge­nieße, was sich Dir darbietet. Sieh ! so lebe ich, lind bin mit Freuden H.2 Jahre alt geworden. Sie sind dahin gerauscht, und sie kommen nicht wieder. Deshalb ergreife die Gelegenheit, Dir frohe Tage zu machen; und vergnüge Dich wohl, so lange Du noch jung bist. Elsbeth! für diesen ehrlichen Sänger eine Wohnung und ein weiches Lager. Hort Alle! bewirthet ihn sein, und macht, daß es ihm hier bei uns gefällt."

Komm, feiner Sänger" sagte Elsbethich will Dich anweisen." Und als sie ihn bei der Hand nahm, wo der Ring des Wunderfräuleins stak, gab es ihm einen empfindlichen Stich. Er folgte dem Mädchen, und sprach bei sich selbst: ,, Ach! wie viele Stiche werd^ ich bekommen, wenn ich lange hier bleibe." Elsbeth aber schäkerte:

,, Sey lustig und lieblich, und singe mir ein Lied­lein, ich will Dir auch gut seyn."

Wilhelm war so betroffen, so ängstlich und verle­gen: daß er gar nicht wußte, wie er sich benehmen sollte.

Als er zu Tische kam, saßen, nebst dem Mar­schalk, drei Mädchen an demselben; und alle waren luftig, freundlich und froh. Der Marschalk wendete sich gegen Wilhelm, und fragte lächelnd:

,, Was wird jetzt Dein Liebchen machen? "

Was wird sie machen?" fiel Elsbeth ein Sie wird entweder weinen, oder sie wird lachen."

Ich glaube" sagte Wilhem ganz gelassen sie schläft."

,, Sie kann doch nicht den ganzen Tag schlafen? "

,/Ach ja!"

,, Nun, das muß wahrhaftig eine schläfrige Lieb­schaft seyn ! Mein Liebchen war' das nicht. Was mach'st Du denn mit der Schlafenden?"

Ich schlafe auch mit."

Ach! ihr herrlichen Liebesleutchen! Es muß er­baulich seyn, euch zu beobachten."

Ach ja!"

,, Ein schlafender Sänger und ein schlafendes Viel- chen! Frisch, mach' ein Lied darauf!"

Da hättest Du Dich ja " rief Maria aus in das allerliebste Wunderfräulein verlieben können: das ist ein wahrer Schlaftatz; die schläft den ganzen Winter hindurch."