Der
Beobachter
v am
Main und Rhein.
Wir alle wandern — nach einem gleichen Ziel,
Doch nicht mit gleichem Schritt; denn stärker oder schwächer Rollt unser Blut, und wenig oder viel Würzt Freud' und Kummer unfern Lebensbecher.
Dienstag,
N"- 1. 1. Januar 1822.
verschwunden ist nach manchen harten Plagen, Das alte Blatt zu Orkus dunkler Nacht,
Wohl ihm, wenn ihm an manchen frohen Tagen, Von holdem Mund ward Beifall zugelacht;
Und mußt es auch obscuren Tadel tragen,
Ersteht es jetzo doch in höh'rer Pracht.
Denn so wie stets das Neue wird veralten,
So wird auch ewig sich das Alte neu entfalten.
So nehmt mit Nachsicht denn ihr holden Schönen, Der Muse neue erste Fruchte auf;
Nur sanft für Euch soll meine Leier tönen,
Für Euch geweihet sey mein Lebenslauf,
Und will sich meine Feder nicht gewöhnen,
So seht auf's Herz, o schmähet nicht darauf,
Dem Vorurtheil Hab' ich den Krieg verkündigt. Doch gegen heil'ges Recht noch nie gesündigt.
Sage von der Entstehung Frankfurts *).
Frei bearbeitet nach einem Vortrag im Museum zu Frankfurt a. M.
A)or vielen hundert Jahren, so erzählt die Sage, herrschte auf einer stattlichen Veste im Sundgau ein edler Ritter, Graf Dagobert, reich an Gütern und tapferen Vasallen. Nach manchem schweren Kampfe
*) Wir werden nach und nach alle Volkssagen der Städte, Bürgen, Schlösser, Klöster re. Deutschlands, Frankreichs, Italiens , Spaniens, Englands und der Schweiz liefern. '
und mancher blutigen Fehde, hatte sich der Graf jetzt zurückgezogen in die heimathliche Burg, um seine Tage in Frieden zu verleben und seine holde Tochter Nut- linde zu erziehen und zu beschirmen. So verflossen seine Jahre in Ruhe und Rurlinde wuchs heran zur Freude des Vaters; sie ward zur blühenden Junafran. Viele tapfere und mächtige Rirrer bewarben sich um ihre Liebe; aber keinen derselben tonnte sie beglücken. Einen andern hatte sie in ihr liebendes Herz ausgenommen, der, wenn auch nicht aus alten Ahnen entsprossen, doch ihrer Liebe werth war durch Schönheit des Körpers und hohen Muth; der, auferzogen in der Burg ihres Vaters, mit ihr unter Freuden und Leiden zum kräftigen Jünglinge gereift war. Franco, der Edelknappe, war der Geliebte, das Leben ihrer Seele, und dieser belohnte Rutlinden mit gleicher Zärtlichkeit.
Da beschloß nun der muthige Franco, hinauszuziehen aus der hohen Veste, sich an das Heer Pipins, der damals gegen die Merovinger stritt, anzuschliesien, und seinen Namen durch würdige Thaten verherrlichend, nach beendigtem Kriege als ruhmbekronter Ritter zur Geliebten heimzukehren. Ungern willigte Rutlinde in diesen Entschluß ein; schmerzlich war ihr der Gedanke, den Theuren so lange zu vermissen, — ihn allen Gefahren ausgesetzt zu sehen; weinend hing sie, als die Abschiedsstunde nahte, an seinem Halse. Noch einrnal gelobten sie einander Treue bis in den Tod und Franco schied, nachdem er der Geliebten zum Andenken eine schölle, weiße Hirschkuh zurückgelassen hatte. —
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