Frankfurter Volksbote

1. Mittwoch, -en 4. April 1849.

Der Frankfurter Volksbote erscheint dreimal wöchentlich, am Mittwoch, Freitag und Sonntag. Der vierteljährige Abon­nementspreis beträgt 45 Kreuzer. Bestellungen werden angenommen bei der Erpedition (C. N a u m a n n' s Druckerei, kl. Kornmarkt) und bei Herrn I. Fr. Quilling (Liebfrguenberg). Zusendungen an die Redaction erbittet man unter der Adresse der Expedition.

Unser Zweck und unser Glaubensbekenntniß.

Ein Jahr ist es heute, daß das Vorparlamenr die Ein­berufung der verfassunggebenden Reichsversammlung be­schloß, und damit die nationale Bedeutung der Märzrevo­lution aussprach, deren man stch mancher Orten in Deutsch­land gleichwohl bis aus den heutigen Tag noch nicht be­wußt geworden zu sein scheint. Sechs Wochen später tra­ten, zum ersten Male seitdem es eine deutsche Geschichte gibt, die' sreigewählten Vertreter der ganzen Nation in der Paulskirche zusammen, um Hand anzulegen an die schwie­rigste Aufgabe, welche jemals irgend einem Parlament der Welt gestellt worden ist. Es kam darauf an, die große Zahl der verschiedenen Stämme des deutschen Volkes, die durch Jahrhunderte des Unglücks, durch Staatsform, Ge­setzgebung, feindselige Erinnerungen einander entfremdet waren, zu einem Bundesstaat zu vereinigen, in einer Ver­fassung, welche eine gewisse Selbstständigkeit der einzelnen Bundesglieder fortbestehen ließ, und gleichwohl eine starke, achtunggebietende Centralgewalt an die Spitze derselben stellte. Und welche Mittel besaß die Reichsversammlung zur Voll­endung dieses großen Werkes? Sie hatte weder Finanzen noch Truppen zu ihrer Verfügung, noch stand ihr eine Regierung zur Seite, welche ihren Beschlüssen hätte Nach­druck geben können; die Reichsversammlung hatte keine an­dere Macht als die des Geistes und der Vaterlandsliebe. In zehn Monaten der redlichen Arbeit, nach manchen schwe­ren Mißgriffen und unter heißen Kämpfen ist nun endlich das Verfassungswerk zu Stande gekommen, mit dessen Voll­endung unsere Revolution ihren förmlichen Abschluß erhal­ten hat. Es ist nicht unsere Abstcht, die Reichsverfassung hier einer Kritik zu unterwerfen, wir beschränken, uns viel­mehr darauf, unsere gewissenhafte Ueberzeugung dahin aus­zusprechen, daß sie in allen ihren wesentlichen Theilen gut ist, und daß Deutschland mit dieser Verfassung einer freien, einer glücklichen und großen Zukunft entgegengeht.

Aber freilich, die Reichsverfassung besteht für jetzt nur auf dem Papiere, und es wird noch Zeit und Anstrengun­gen kosten, ehe sie zur Wirklichkeit wird, ehe stch das Le­ben, die Nation mit ihr völlig verkörpert. Die Mitwir­kung zur Beschleunigung des Ueberganges aus den bishe­rigen Staatszuständen in das neue Verfassuugsleben, ist der Hauptzweck des Blattes, dessen erste Nummer wir heute erscheinen lassen. Wir erkennen in.der Reichsverfaffung das Grundgesetz der Nation, in welchem allein Heil zu suchen und zu finden ist für Deutschland, und wir halten es für die gebieterische Pflicht der freien Presse, unserem

Volke jenes Grundgesetz zu predigen wie ein politisches Evangelium.

Die Reichsverfassung, es ist wahr, hat ihre Mängel; wären diese Mängel aber auch zehnmal größer und zahl­reicher als sie sind, wir würden darum nicht weniger un­bedingt und um jeden Preis zu der Reichsverfassung hal­ten, welcher nur derjenige seine Anerkennung und seine Unterwerfung versagen kann, der die Nation und ihren Willen für nichts achtet.

Der Frankfurter Volksbote will und kann kein Neuig­keitsblatt nach Art unserer täglich erscheinenden Zeitungen sein. Seine Aufgabe ist vielmehr, Ordnung und Ueber- sicht in das bunte Gewimmel der vorhandenen und als be­kannt vorausgesetzten Tagesnachrichten zu bringen, ihr Ver- ständniß zu erleichtern, die leidenschaftliche oder boshafte Darstellung derselben zu berichtigen, den Ausfprücben des Unverstandes, des Vorurtheiles, der Partheiwuth, die in so vielen unserer Tageblätter das große Wort führen, die Stimme einer ruhigen Kritik entgegen zu stellen.

In der ersten Reihe unserer Zwecke steht, wie bereits gesagt, die Vertheidigung der Reichsverfaffung und die Be­kämpfung jedes Widerstandes, welcher derselben, von wel­cher Seite es auch sei, entgegengesetzt werden mag. In der Vollziehung der Reichsverfassung sehen wir die einzig mögliche Verwirklichung des Doppelgedankens, welcher den politischen Umschwung des vorigen Jahres hervorgebracht hat, des Gedankens der Selbstregierung des deutschen Vol­kes und seiner staatlichen Einigung, und darum ist die Auf­lehnung gegen die Reichsverfassung in unfern Augen der schwerste Verrath an der deutschen Gegenwart und an der deutschen Zukunft.

Ueberzeugt, daß Freiheit ohne Macht ein /leerer Name ist, werden wir das Interesse der politischen und militäri­schen Macht Deutschlands niemals dem Interesse einer maß- und schrankenlosen Freiheit unterordnen, und die Idee einer starken, achtunggebietenden, stolzen Nationalität mit der größten Entschiedenheit gegen die formlosen Träume der socialistischen Schulen, und gegen das platte Weltbürger­thum einer gewissen demokratischen Parthei vertreten. In diesem Sinne und in Uebereinftimmung mit dem Geiste der Verfassung wird der Frankfurter Volksbote der politischen Centralisation Deutschlands das Wort reden, so weit die­selbe immer möglich ist, ohne die geschichtlichen Gewohn­heiten und Vorurtheile allzu empfindlich zu verletzen, welche leider non jeher für unsere politische Einigung ein noch viel schwierigeres Hinderniß bildeten, als die dynastische Selbstsucht. Auf diesem wie auf jedem andern Gebiete un-