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Sonntag» den 11. Januar

1852.

Historisches Schattenspiel.

Wenn in dem kleinen Raum kindlicher Spiele und Freuden die Lichter erloschen sind und Dunkel verbreitet ist, sodann an einer spärlich erleuchteten Stelle Gestalten vorüberziehen, welche Thieren und Menschen in ihren zweifel­haften Umrissen sehr ähnlich sehen, so fürchtet und freut sich das Kind an dem Schattenspiele. Die Beschreibung der Frankfurter Verfassungs-Wirren kann für Frankfurter Bürger, wenn sie schon zum Ernste des Lebens gereift sind und keine Nebelbilder erblicken wollen, unmöglich eben so anziehend sein. Denn das Fest dauert zu lange und zwar gegen alle Regeln der Kunst, kraft welcher man ein Schauspiel langsam beginnt und von vielen Seiten einen Knoten immer verwirrter zusammenzieht, bis eine große That (oder ein veu» ex maekina) plötzlich denselben zerhaut. Wir haben rasch die Revision der Verfassung begonnen; Alles schien von ihrer Nothwendigkeit überzeugt; Alles sehnte sich nach neuen Zuständen; die alten Schlag­bäume schienen wie vor einem Zauber niedergesunken; der Senat "gmg"vöraüs, die Bürger kamen noch rascher nach, und nun, seit zwei Jahren, folgt ein Akt dem anderen; die Schauspieler und die Zuhörer sind beiderseits um das Ende verlegen. Der Volksbote, welcher ebenfalls mit­spielen muß, hat darum schon neulich ein Schattenspiel aus den Jahren 1813 bis 1816 eingeschoben und aus der Geschichte jener Zeit die Stimme eines Mannes er- rönen lassen, welcher, von einem unerschütterlichen Ver­trauen zu den erhaltenden Mächten beseelt, und von den Pflichten gegen die Obrigkeit durchdrungen, dennoch seinen Tadel über mancherlei Vorhaben derselben laut auszu­sprechen damals geboten fand. Wer sollte nicht gegen­wärtig, wo in einem großen Nachbar-Lande die Freiheit und die Freiheiten der Bürger jeder Willkür preisgegeben sind, die Wohlthat und den Schutz eines gesetzlichen Zu­standes vollständig zu erkennen geneigt sein, auch wenn ihm dieser Zustand sonsten noch so viele Lüwen, Blößen, Unannehmlichkeiten zu bieten scheinen mußte! Wer nicht lieber Mängel eines Hauses ertragen, als dasselbe in den Abgrund stürzen! Allein auch der Onkel des Neffen hatte in Deutschland das Feld für solche Ansichten und Empfin­dungen durch seine Soldaten-Herrschaft vorbereitet, sehr gut vorbereitet. Und Herr Scklosser bedurfte keiner so gewaltigen Lehren, um innerhalb der Schranken eines die Obrigkeit stützenden, nicht sie bekämpfenden Bürgerrhums sieben zu bleiben. Dennoch sprach Herr Schloffer öffentlich, nachdrücklich, gegen die bekannten Entwürfe seiner Obrig­keit. Wem man sagen wollte: spring in das Wasser, du wirst sonst fortgeschwemmt! oder: ruf nicht Feuer! damit kein Lärm entstehe, wenn schon die Balken glimmen! der würde diesem Rath nicht folgen; und wenn der Grund

aller Gesetzlichkeit, die Verfassung, wohlerworbene Rechte, feierlich eingegangene Verpsiichtungen, willkürlich aufgehoben, oder mißachtet werden, was ist da noch von der Gesetzlichkeit durch duldende Schweigsamkeit zu erretten? Auch Dulden und Schweigen hat sein Ende, sagte Herr Schloffer 1816, und so sagte der Volksbote 1851.

Heute bietet sich eine andere Gelegenheit dar, die der Volksbote nicht versäumen darf, um sich seinen Gönnern durch Hinweisung auf andere hohe Personen aus der Frankfurter Geschichte (von 1813 bis 1816) zu empfehlen; weil er, der Bote, nur auf den Wegen wandelt, die jene Herrn betreten haben.

Das für das ehemalige Großherzogthum Frankfurt nach der Leipziger Schlacht angeordnete Generalgouvernement erklärte km Namen der verbündeten Mächte unter dem 14. December 1813:

daß die Stadt Frankfurt in ihre vormalige

Munizipalverfassung vorläufig zurücktreten solle."

Diese Vorschrift wurde nicht genau erfüllt, sondern der unter dem Fürsten Primas eingeführte, nicht der reichs- städtische Senat, verwaltete die Angelegenheiten der Stadt von da an bis zur Einführung der Const.-Erg.-Akte im Jahre 1816. Während dieses Provisoriums wurden viele Verfassungs-Kämpfe gekämpft. Einer der zur Berathung gekommenen Entwürfe, der von dem damaligen obersten Verwaltungs-Departement (v. Stein) am 19. Juli 1814 mit Abänderungen genehmigt wurde, kam in Druck, von einer Vorrede begleitet, die Moritz Arndt zugeschrieben wurde.

Hierin tadelte man das eingeschlagene Verfahren mit folgenden Worten:

In Kurhessen, den Oranien-Nassauischen Landen, Oldenburg, Hamburg, Lübeck und Bremen hatte man auf gleiche Verordnung der befugten Behörden alles Fremd- artige mit einem Schlage zerstört und ohne Weiteres die alte Ordnung der Dinge wieder hergeftellt. In Frankfurt geschah dieß nicht und entstand vielmehr durch die Ein­führung des fürstprimatischen Senats, statt des reichs- städtischen, ein Provisorium, welches diese Stadt nicht allein um den Genuß der neuerworbenen Freiheit brachte, sondern derselben auch unendliche Kosten aufbürdeie. Man verlor nachher noch mehr als 8 Monate mit Verfassungs- entwürfen, unter welchen der von einer gemischten Com- mission aller Stände verfaßte erste, bei mannigfaltigen Fehlern, nicht allein an sich der beste war, sondern auch in seiner Abfassung als Muster dienen konnte. Dieser Entwurf aber mißfiel dem Rathe, und er setzte eine andere Commission nieder, um etwas Besseres zu schaffen. Aber auch die Schöpfung dieser zweiten wurde abermals vom Senate verworfen und eine dtitle Commission niederqe- setzt, deren Entwurf gleiches Schicksal hatte, bis man sich -»endlich über die Hauptpunkte der gegenwärtigen Verfassung