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vereinigte. Die geheime Geschichte aller dieser Reibungen und der Spiele der verschiedenen Parteien könnte in müßigen Stunden unter- haltend genug sein. Eitelkeiten und heimliche Wünsche der Herrschsucht und des Eigennutzes wurden nur zn häufig mit dem Scheine des Eifers für Gerechtigkeit und Freiheit bemäntelt. Wie fast überall bei der Bildung neuer Freistaaten, gieng es auch hier. Die persönliche Absicht und Ansicht eines Jeden war sein Heitigthum. Doch entsprang aus allen diesen Reibungen der Parteien, außer dem Geldverlust, glücklicher Weise kein Uebel, sondern vielmehr das Gute einer freien Verfassung" u. s. w.

Drei Mitglieder der durch die Verordnung des Ge­neralgouvernements vom 14. Decbr. 1813 ernannten Com­mission: v. Günderrode, v. Humbracht, Metzler, fanden sich durch diese Vorrede sehr beleidigt und ließen eine s g. aus vollständigen Originalacten geschriebene Berichtigung drucken, in welcher sie hauptsächlich darauf hinwiesen, daß die Verordnung vom 14. Decbr. 1813 den Rücktritt der Stadt in ihre eigene Verfassung nur vorläufig bestimme. Man habe sich also nicht herausnehmen dürfen, statt des vorgeschriebenen Provisorii eine definitive Verwaltung ein­zuführen. M. Arndt, wenn Er es war, berichtigte aber­mals diese -Berichtigung, die, wie es scheint, wirklich keine war, da die reichsstädtische Verfassung gerade nur für das Provisorium (vorläufig) wieder eingeführt werden sollte. Ihren wahren Grund haben wahrscheinlich die drei Herren nicht sagen wollen: die reichsstädtische Verfassung, wie sie 1806 war, wollte man im Jahre 1813 selbst provisorisch nicht wieder einführen, und mit Recht wollte man das nicht. Der Volksbote hat sich hierbei wieder gefreut, in der Vergangenheit ein Beispiel zn finden, welches sich m. m. in der Gegenwart wiederholt. Man konnte sehr konservativ, ja sehr patrizisch gesinnt sein und mußte doch fühlen, daß sich von 1806 bis 1813 etwas in der Zeit verändert hatte und daß die reine Rückkehr zu dem Alten nur den Tadel Hervorrufen konnte, den das Verfahren des Kurfürsten von Hessen hervorrief, als seine Soldaten 1813 wieder die Zöpfe anzustecken hatten. Darum war auch in einem Rathsschlusse von 1813, der die Wieder-Annahme der alten Verfassung im Ganzen empfahl, bemerkt worden:da jedoch auch diese Verfassung durch die großen Ereignisse der neueren Zeit, welche auch auf hiesige Stadt so wesentlichen Einfluß gehabt haben wie nicht zu leugnen steht, einige den gegenwärtigen Zeit-Bedürfnissen entsprechende Abänderungen bedarf" u. s. w. Und darum ist man endlich zu jener Zeit dahin gekommen die Const.-Erg.-Akte festzustellen, d. h. auf möglichst erhaltener Grundlage des Alten dennoch etwas Neues. Der Volksbote freut sich also, seit zwei Jahren nicht radikaler, als die genannten Herren und ihre Collegen gedacht und geschrieben zu haben. In keinem der seitdem beratheneu Verfassungs-Entwürfe ist so viel Neues im Verhältniß zu der Const.-Erg.-Akte von 1816 enthalten, als diese im Verhältniß zu der älteren Ver­fassung enthielt. Aber was war, was ist zu thun? Man kann nicht ignoriren, was die Zeit bringt, was sie fordert, was sie zerstört, was sie in's Leben gerufen hat. Oder- Wenn man es ignorirt, so bringt man nur unbrauchbare und unhaltbare Sachen zu Stand. Je grosser der Rück­sprung, je rascher der Sturz; je gewaltsamer der Umsturz,

der nachsolgt. Jetzt wieder die Verfassung vom Jahre 1816 unverändert einführen wollen, welche Thorheit! Man konnte 1813 viel leichter dem Patriziat bestimmte Plätze im Rath geben, als 1852 l /z der Bürger die erhaltene und ange­nommene Emanzipation rauben. Die vorsichtigen Männer von 1813 (selbst Patrizier) fanden aber auch jenes zu schwer. Man konnte 1813 leichter den Schöffenrath und das Schöffengericht wieder einznführen, als 1852 (!) neben Stadtgericht und Appellations-Gericht im Rath noch An­klage-Raths-Kammer, Assisen-Gericht außer dem Rath bilden, oder einen Senator in dem Senat und in den Assisen zugleich sitzen lassen, u. s. w.

Die 7 Vereine.

Nicht aus entwölkter Höhe ist der Schlag gefallen auf die 7 durch polizeilichen Beschluß vom 5. Januar 1852 verbotenen Vereine. Warum sollte die Energie des prince President de la republigue frangaise nicht eben so gut ihre Nachahmung in Deutschland finden, als sie die liberte, fraternite et egalite gesunden haben? Alles aus Paris, wie in Paris.

Wir wollen damit nicht mit Bestimmtheit sagen, baß der gedachte Beschluß einer rechtlichen Grundlage entbehre; denn wir kennen die Thatsachen nicht, auf welche derselbe gestützt ist. Allein, offen gestanden, fürchten wir, daß nicht das noch geltende Recht, sondern das e hemalige Recht (aus dem s. g. Polizei-Staat) entschieden hat. und zwar in Hinsicht auf die Motivirung des Beschlusses:Auf­lösung der Vereine wegen gefährlicher poli­tischer Tendenzen." Vor 1848 hatten wir das s. g. Präventiv-System; Vereine bedurften, so fern sie nicht rein wissenschaftlicher oder geselliger Natur waren, einer vorgängigen Erlaubniß. (Gesetz vom 2. Juli 1832). Im Jahre 1848 sollte dieses System mit dem repressiven, mit der Bestrafung begangener Ungesetzlichkeiten (anstatt einer vorbeugenden Verhütung derselben) vertauscht werden. Doch sah man ein, daß dieses in Hinsicht auf Vereine nicht genüge. da die Strafe keine Wiederholung von Ver­brechen verhüten kann, so fern man nicht den Verbrecher auch in Sicherheit bringt, und organisirte Gesellschaften überhaupt nicht mehr bestraft werden mögen, wenn man sie so lange bestehen läßt, bis ihre vereinte Kraft und Thätigkeit einen Umsturz der bestehenden Ordnung herbei­geführt hat. Man gab daher in dem Gesetz vom 27. März 1848, Art. 4, der zuständigen Behörde (so nanme man umschreibend die damals so unbeliebte Polizei) das Recht einen Verein zu schließen, jedoch nicht nach Gutdünken, sondern unter der Voraussetzungdaß der Zweck eines Vereins ein gesetzlich verbotener, oder durch den- selben die öffentliche Ordnung verletzt worden sei." Gefährliche politische Tendenzen drücken nun weder das Eine noch das Andere, weder einen gesetzlich verbotenen Zweck, noch eine stattgefundene Verletzung der Ordnung, mit Bestimmtheit aus; wahrscheinlich weil man dazu nicht im Stande war und dennoch die Gesellschaften schließen wollte, oder, um es bündiger zu sagen, schließen mußte.

Denn mache sich Illusionen, wer Lust hat, der Volks­bote war niemals darüber zweifelhaft, daß die kleinen Staaten Deutschlands nicht im Stande sind, eine den