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Sonntag, den 1. Januar

1854

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Wir treten in ein neues Jahr und nicht ohne we­sentliche Sorgen. Der Krieg hat begonnen, vorerst hinten in der Türkei; allein man wird dennoch am Rheine rüsten, bis das Feuer an der Donau wieder gelöscht sein wird. Solche Rüstungen und Ungewißheiten sind an und für sich ein Uebel. Bedeutende Theuerung der Lebensmittel und ein strenger Winter sind eingetreten, und gleichfalls ungewiß ist es, wie lange wir mit diesen schweren Nebeln zu kämpfen haben werden. Sie lassen unsere Staatskasse direkt und in­direkt nicht unberührt, und diese Kasse wird noch außerdem durch starke Ausgaben in Anspruch genommen werden. Wir sprechen nicht von dem öffentlichen Gerichts­verfahren; in dem Jahre 1854 wird schwerlich hierfür etwas mehr zu bestreiten sein, als der Gehalt des Herrn Oberstaatsanwaltes und die Ausbesserungskosten der Loka­litäten, die vor etwa 4 Jahren dazu hergestellt wurden und seitdem wieder etwas verfallen sind. Mehr wird kaum zu bestreiten sein, wenn vielleicht dereinst in Frankfurt die Fortschritte gemacht werden, die Hessen-Homburg gemacht hat. Wir sprechen auch nicht von den Kosten einer Was­serleitung; die Deutsch-Herrn-Mühle ist zwar gekauft; ob aber dort wird ferner gemahlen werden, oder ob ihr Bächlein nach Frankfurt stießen wird? kann nur die Zu­kunft entscheiden; wir wissen davon nichts. Wir sprechen auch kaum von den Schulen. Zwar fehlt es nicht an Bereitwilligkeit hierfür, und hierfür vor allen Dingen, die nöthigen Mittel zu verwilligen; allein werden sie gefordert werden? so gefordert werden, daß eine unmittelbare Ver­wendung stattfinden kann? das ist die Frage. Wir sprechen nicht von der Kirche. Die reformirte Gemeinde verlangt nichts; die katholische führt noch immer einen langwierigen Dotations-Prozeß, den wir weniger scheuen, als ein etwa vorhandenes Bedürfniß der Gemeinde, weil wir die Be­friedigung des letzteren nicht beanstanden wollten, während wir in Prozessen eben so hartnäckig sind, wie diejenigen, die mit uns prozessiren wollen. Die lutherische Gemeinde hat offenbar in Sachsenhausen eine Verbesserung ihrer Kirche nöthig, und vielleicht dürfte bei der Befriedigung derselben auch der kirchliche Sinn dort wieder erweckt wer­den können. Allein Stein und Holz allein genügen dazu nicht; noch ruht die kirchliche Verfassungsfrage, ob­wohl die geistlichen HH. Consistorialräthe im Jahr 1849 erklärt haben sollen, daß Schrift und Geschichte eine Ver­änderung erheischen. Man hat noch sonst viel zu thun; man arbeitet daran, die seit einem halben Jahrhundert be­standene Verpstichtungsformel der Geistlichen auf die Augs­burger Confession zu verändern; sie sollen forthin die Festhaltung derselben versprechen, nicht in so weit die Confession mit der heiligen Schrift übereinstimmt, son­dern weil sie mit dieser gleich ist; wobei jedoch mehr auf den Geist, als das Wort geachtet werden soll.

Wir sprechen vom Theater; denn hierfür werden st. 16,000 Zuschuß verlangt, das ist gewiß. Für das Kriegs­

zeugamt wird nicht weniger, sondern mehr gefordert werden, das ist wahrscheinlich; die Bedürfnisse der Polizei wachsen, das können wir sicher erwarten. Wie viel die Brod- Karten kosten? wissen wir nicht; aber sie kosten, das ist zweifellos.

Nachdem wir die düstere Seite des anbrechenden Jahres an seinem ersten Tage mit einigen Streistichtern beleuchtet haben und nur wünschen wollen, daß eine hypochondrische Stimmung dieses Bild hervorgerufen haben möge, während wir fürchten, daß noch zu viele Rosen-Farben an demselben haften können; so wollen wir versuchen, durch einen Rück­blick auf das Jahr 1853 den Muth zu stärken. Denn zu erwarten war auch am 1. Januar 1853 wenig; eingetroffen ist doch einiges Gute.

Wir rechnen dahin vor allen Dingen den von hohem Senat in Uebereinstimmung mit der Bürgerschaft vollbrach­ten Act der Versöhnung mit den Bürgern des Landes und des mosaischen Glaubens. Denn diese beiden Klassen be­tragen ungefähr */s aller Staatsbürger, und eine fortdauernde gereizte, beleidigte, feindliche Stimmung derselben drohte unserem kleinen Sraat das schlimulste aller Uebel: inneres Z e r r fn i ß, Werke des Hasses, wo nur G e in ein si n n und Liebe für die Vaterstadt erhalten und fördern können. Wir rechnen ferner dahin die Reorganisation unseres Gymnasiums, das von tiefem Fall zu einem schönen Aufschwung sich zu erheben scheint. Wir dürfen den Ver­such der polytechnischen Gesellschaft zu einer Rea l-G ew erb- S chule ebenfalls dahin rechnen; sie wird im Frühjahr in öffentlicher Prüfung ihre Leistungen beurkunden; sie wird Nachfolge erwecken und von einem Fortschritt zu anderen hinleiten. Wir rechnen dahin, daß alle bösen Künste für die Sprengung des deutschen Zoll-Vereins gescheitert sind, und daß nur eine Erweiterung desselben stattgefunden hat. Noch ist Deutschland nicht verloren. Wir rechnen dahin, daß endlich die Concession zu einer Bank ertheilt worden ist, und, wenn die günstige Zeit zur Ausführung kommen wird, der Frankfurter Handelsstand in die Bahnen eintreten kann, die gegenwärtig schon deshalb eröffnet werden mußten, um gewisse Schwindeleien nicht aufkommen zu lassen. Wir freuen uns, dazu etwas beigetragen zu haben, und hoffen demnach das Frankfurter Papiergeld bald verschwin­den zu sehen.

Wir rechnen zu den guten Resultaten des Jahres 1853 ferner, daß die von unserem kleinen Staat mit schweren Opfern gebauten Eisenbahnen rentiren, daß die Main-Neckar­bahn mehr als die Zinsen des Anlage-Kapitals erträgt. Demnach hat Frankfurt sich nicht allein als Central­punkt in der gefährlichen Zeit der Eisenbahn-Anlagen behauptet, sondern selbst seine Finanzen dadurch nicht we­sentlich beeinträchtigt. Wir rechnen dahin, daß diese Fi­nanzen sich auch sonst gebessert haben, in sofern die Einkommensteuer 50 °/o mehr als zuvor erträgt und was die Hauptsache ist ehrlich und gleichmäßig bezahlt wird, nachdem die Schätzungs-Commission zwei Jahre lang gearbeitet hat. Trotz der schweren Zeiten, trotz der großen