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Sonntag, den 6. Januar

1856

1856 .

Was schuldet uns dieses neue Jahr? Geschwornen- gerichle mit öffentlichem und mündlichem Verfahren in Strafsachen; Einführung der neuen Verfassung ins Leben; eine neue Luther'sche Gemeindeverfaffung; Verbindungs- und Hafenbahn; die neuen Schulen und noch gar manches An­dere. Was wird das neue Jahr uns bringen? Wenn nicht alles Vertrauen untergraben werden soll, Geschwor- nengerichte und neue Verfassung; wenn die Luther'sche Ge­meinde selbst fortfährt, so lässig zu sein, keine Luther'sche Gemeindeverfassung; wenn nicht mit den Interessen der Vaterstadt gespielt werden soll, die Verbindungsbahn, und, da der Geist der Materie doch wenigstens gleich steht, die neuen Schulen. Ist auch das Mahnen an bestehende Schulden nichts Angenehmes, so will doch wenigstens der Volksbote seine Schuldigkeit thun und mahnt hiermit ernst- lichst und feierlichst Alle, die es angeht, aber- und abermals.

Die Verbindungsbahn.

Unser Aufsatz in Nr. 56 und 57 dieser Blätter, in Betreff der Verbindungs- oder Hafen-Eisenbahn, hat vor den Augen des Volksfreundes keine Gnade gefunden, wie freilich zu erwarten stand, da wir versuchten, neben den Mängeln der Bahn längs des Wassers auch deren Vor­theile und deren Bedeutung, namentlich als Hafenbahn, hervorzuheben. Unser Aufsatz wird demzufolge im Volks­freund vom 28. December kurz und entschieden abgefertigt.

Begonnen wird mit der spöttischen Bemerkung, wir hätten die merkwürdige Entdeckung gemacht, daß die Ver­bindung der westlichen Bahnhöfe mit den östlichen gar nicht das bedeutendste Moment der projektirten Verbin­dungsbahn, daß vielmehr die Verbindung sämmtlicher Bahn­höfe mit dem Fluß (Hafenbahn) das Wichtigste daran sei. Wir haben nirgends behauptet, diese Entdeckung ge­macht zu haben; Jedermann, der die Regierungsvorlage oder überhaupt eine solche Bahn nur etwas sorgfältig ge­prüft hat, mußte die hervorragende Bedeutung einer solchen Verbindung mit dem Fluß erkennen. Wir haben kein anderes Verdienst, als diese Seite zuerst in der Presse zur Sprache gebracht zu haben; denn allerdings von den Dutzenden von Artikeln im Volksfreund hatte auch nicht ein einziger auch nur nebenbei diese Seite in's Auge gefaßt; sie waren alle gegen die Wafferrattenbahn" zu Felde gezogen, als gegen einen ungeeigneten Verbindungsweg der Bahnen untereinander. Daß keiner dieser Artikel an die Bedeutung einer Hafenbahn nur gedacht hat, spricht

wahrlich nicht dafür, daß Am Volksfreundeine allseitige Prüfung" stattgehabt habe, worauf so viel.Gewicht gelegt wird; dieser Umstand spricht vielmehr dafür, daß nicht einmal ein richtiges Verftändniß dessen vorlag, worum es sich handelte. Wir betonen aber nochmals die vom Volkssreund in seiner ganzen Polemik von Anfang bis zu Ende übersehene hohe Bedeutung einer Verbindung unserer sämmtlichen Bahnen mit dem (zu erweiternden) Hafen. Wenn gleich der Volksfreund diese Seite nicht in's Auge fassen wollte und auch in feiner Entgegnung (was das Bequemste ist) noch fetzt weder ja noch nein dazu sagt, so wollen wir ihm doch Voraussagen, weil die Wahrheit und Nothwendigkeit der Sache so-groß und einleuchtend ist, daß sicherlich alle Behörden, welche ihre Meinung dabei abzugeben haben, grade über diese Frage (die Nothwendig­keit eines neuen Hafens für die Eisenbahnen und natürlich also eines Schienenwegs von den Bahnhöfen in diesen Hafen) sicherlich vollkommen einverstanden sein, daß dagegen in Be­treff der Verbindungsbahn zwischen den Bahnhöfen sich die verschiedensten Ansichten geltend machen werden. Wir fürchten nicht mit dieser Prophezeihung zu Schanden zu werden.

Bequem ist es nun freilich zu sagen: die Sache wird gar nicht gründlich geprüft, sondern das Haus Gotha stimmt eben aus gothaischen Parteirücksichten für dieses schlechte Projekt. Aber wo ist denn das Haus Gotha? Zugegeben, daß die Majorität desLimpurger Körpers" gothaisch sei, ist das etwa auch der Fall mit dem Senat, mit der ständigen Bürgerrepräsentation, mit der Handelskammer? Bei einer Frage, die mit der Politik nichts zu thun hat, die aber für Handel und Verkehr von hoher Bedeutung ist und eine große Summe in Anspruch nimmt, hört aller- wärts sowohl die Gemächlichkeit als die politische Partei­stellung auf, und so namentlich bei dem Frankfurter Ge­schäftsmann, der recht gut zu rechnen versteht.

Es wird uns sodann vom Volksfreund vorgeworfen, wir hätten nicht einmal versucht, die gewichtigen Einwände gegen diese Bahn längs des Wassers zu widerlegen, sondern sie gradezu übersehen. Diese Einwände sind, daß diese Bahn kostspielig, der Ueberschwemmung und der Zerstörung und somit einer zeitweiligen Unterbrechung des Dienstes ausge­setzt sei und möglicherweise den Strom zu sehr nach Sachsenhausen zu dränge.

Wir haben 1) nicht, wie der Volksfreund, in allgemei­nen Redensarten von der Ueberschwemmung geredet, sondern diese durchschnittlich auf 24 Tage im Jahre angegeben. Der Volksfreund meint, das sei sehr geringe gerechnet. Wir wollen also noch präciser sprechen. Aus den Auf­stellungen der letzten Jahrzehnte erhellt, daß durchschnittlich