oder ein Verrückter feyn. Wo die Sache fehlt, da ist das Wort ein leerer Schall. Vaterlandsliebe kann nur da feyn, wo der Mensch ein Vaterland zu lieben findet. Und was ist dieses Vaterland, für das er fich stark genug fühlt. Alles, sich selbst zu opfern ? Der Boden ist es nicht, den er mit seinem Schweiße düngt, damit er ihm die Mittel biete, eine armselige Exi­stenz zu verlängern; sondern sein ganzes gesellschaftliches und bürgerliches Leben, die Gesetze, seine Sitten und Gebräuche, das Andenken der Vater, und darum eine Geschichte der Vorzeit, welche die Geschichte seines Landes und seiner Ahnen, seiner Verfassung und seines Glaubens ist. Darum hat auch nur der freie Mensch ein Vaterland, und nicht der Sclave. Dieser kann eine Heimath haben, und im schwel­genden Ueberfluffe, den er für den hoch/ sten Erwerb des Lebens hält, den einfa­chen Menschen, wie jener Sybarite den Spartaner, bedauern. Der Spartaner darf ihm aber auch mit gerechtem Stolze antworten: Ich kenne deine Genüsse, aber du kennest die meinigen nicht. Wäre der Mensch nichts als Thier, und bestünde der Werth seines Lebens einzig in seinem körperlichen Wohlseyn; dann fände er das liebe, theure Vaterland an jeder gefüllten Krippe. 2- Weitzel.

Den Grund von aller Tugend finden wir in dem Familienleben. In ihm ge­wöhnt das junge Gemüth sich an Ordnung und Gehorsam, und die zarten Fäden der Wohlthätigkeit und Dankbarkeit , der Kin­der- Eltern- und Geschwisterliebe wachsen

zu Banden, welche die süße Gewohnheit für eine Ewigkeit befestigt. In dem Fa- milienlebcn steht der Stamm mit allen seinen Wurzeln fest, dessen Aeste sich mit den Dlütheu und Fruchten unserer Tugen­den und Genüße über das gesellschaftliche und bürgerliche Leben ansbreiten. In eini­gen alten Republiken, wo die Kinder dem Staate angehörten, wurden treffliche Bürger erzogen, weil der Staat selbst Familie war, aber gewiß nicht die treff­lichsten Menschen. Gerade in ihnen bil­dete man den Bürger auf Unkosten des Menschen aus; und die Menschheit be- gränzten die Marksteine der Stakt oder des Staates. Die größten Männer von Nom nnd Sparta waren doch nur Römer und Svartaner. Aber gewiß giebt es noch etwas Höheres und Größeres als der Staat ist, nämlich die Menschheit; und darum sollte er auch mit dieser nicht im Widerspruche stehen, sondern ihren Zweck befördern. Nie kann ich aber glauben, ein Mensch liebe sein Vaterland oder die Menschheit, der keinen Vater, keine Mut­ter , keine Geschwister oder keinen Freund geliebt hat und liebt. Die hänSlicben Tugenden sind die Vorschule der öffentli­chen und der wahre Probierstein dersel­ben , der das ächte Gold von der falschen Münze geheuchelter Tugend unterscheiden lehrt. Wie Mancher giebt vor, sein Va­terland oder die Menschheit zu lieben, der in ihnen doch nur sich, seinen Vor­theil und seine Größe liebt ! Sucht ihn in seinem häuslichen Leben auf, und fin­det ihr dort den wahren Vater seiner Fa­milie, den treuen Freund und den guten