Geehrtestes Fräulein,
Die Nachricht vom Ableben Ihres Herrn Vaters
hat mich herzlich betrübt. Noch wenige Tage
zuvor hatte er mir geschrieben. Ich habe an
ihm einen Freund verloren, der mir bloß auf
geistigem Wege bekan̄t u. verbunden war,
aber 19 Jahre hindurch mir den lebhaftesten Antheil
bewiesen hat u. der erste entschiedene u.
standhafte Verfechter meiner Philosophie gewesen
ist, beharrlich u. fortwährend. Sein Andenken
wird mir stets theuer u. heilig seyn. - Tröstlich
ist es mir zu vernehmen, daß sein Ende leicht,
Ja unmerklich gewesen ist, u. daß er doch das
schon seltene AIter von 77 Jahren erreicht hat.
Auch darin finde ich einen Trost, daß er noch die
zweite Auflage der Schrift, die vor 19 Jahren
der Anlaß unserer Bekanntschaft wurde, gesehn,
darin gelesen und sich daran gefreuet hat.
Mich Ihrem gütigen Andenken empfehlend
bleibe ich ein Freund des Hauses und
Ihr
ergebener Diener
Arthur Schopenhauer
Frankfurt a. M.
d. 14 Oct‘
1854.
transkribiert von Dudde, Daniel