3. Kapisel.
verspätete Muttertieve.
In ihrem prachtvollen Palais in der Kärntnerstraße ging die Gräfin Unteil-Sarmage gedankenvoll auf und nieder. Die Dame, eine Witwe, welche die verhängnißvolle Zahl fünfzig in ihren Lebens- fahren bereits überschritten hatte, sah gleichwohl noch hoch, stolz und stattlich aus. Sie war nach dem Geschmacke der damaligen Zeit gekleidet, das heißt die Robe ging enganliegend bis unmittelbar unter den Busen, über dem sich ein Fichu von Brüßler-Spitzen kreuzte; aus dem ü la Corinna frisirten Haare saß ein weißseidener Hut von der Form und der Größe einer Braten-Schüssel, von dem eine Feder kerzengerade emporstand. Wenn heutzutage die reizendste und beliebteste Schauspielerin auf einem unserer Theater in einem solchen Aufzuge austräte, so würde sie mehr Gelächter er- t regen als der populärste Komiker; auf der Gaffe würden ihr große und kleine Maulaffen unter Jubel und Gejohl nachlaufen, und doch war die Dame nach der letzten Pariser Mode gekleidet, ein Beweis, daß es keinen lächerlicheren, boshafteren Tyrannen gibt, als die Mode, welche den gesunden Menschen-