MWUA
102 Chemische Charakteristik der Nahrungsmittel.
Monate, oft auch Jahre gewärtig sein muß, aller Zufuhr an Lebensmitteln zu entbehren.
Aus der Betrachtung über die chemische Natur der Nahrungsmittel geht hervor, daß ihre näheren Bestandtheile zu den complicirtesten, am wenigsten einfachen gehören; als sehr zusammengesetzte chemische Verbindungen sind sie aber mit einer großen Neigung begabt, chemisch in einfachere Verbindungen zu zerfallen, sich zu zersetzen. Es haben mithin gerade die gewöhnlichen Lebensmittel in den Bestandtheilen, worauf die Nahrhaftigkeit beruht, auch die Quelle ihres Mangels an Haltbarkeit und der leichten Verderbniß, die in der Regel als eine Fäulniß erscheint. —
Diese Faulniß, ein scheinbar freiwilliges, unmittelbares Zerfallen, hat nichts desto weniger jedesmal eine Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs, also eine Oxydation zum Ausgangspunkte. Aber neben dem Sauerstoff oder Luftzutritt, als Veranlassung, müssen noch mehrere andere Bedingungen zur Fortentwicklung erfüllt sein, nämlich: Gegenwart von Feuchtigkeit, Temperatur einige Grade über dem Gefrierpunkte und unter etwa 30" bis 40°. Infusorien, Schimmel u. s. f. haben einen ungeheuren Einstuß auf die Entwicklung des Faulprocesses, ohne gerade veranlassende Ursachen derselben zu sein.
Sämmtliche Methoden und Vorschriften zur Aufbewahrung und Erhaltung der Lebensmittel gehen darauf hinaus, eine oder auch mehrere der genannten Bedingungen der Fäulniß hinwegzunehmen und lassen sich leicht von diesem Gesichtspunkte aus übersehen und begreifen. Die Natur selbst kommt in vielen Fällen zu Hülfe, wie bei allen sogenannten trockenen Früchten. Der Kleber, das Eiweiß, der Käsestoff, sind an und für sich der Fäulniß sehr stark unterworfen, allein die natürliche Feuchtigkeit des Getreides, der Hülsenfrüchte, oder der Nüsse ist bei weitem zu gering, um Fäulniß zu veranlassen. Daher ist hier der einfache Schutz vor Nässe und der Luftwechsel ein hinreichendes Mittel, welches höchstens noch die Sorge für die Abhaltung der Jnsecten übrig laßt. Diesen letzteren Zweck hat u. a. die sehr verbreitete Anwendung von Kupfervitriol zur Saatfrucht.
Aufl'kwaiikkn Alle unterirdischen Räume theilen den Wärmegrad der Erdschichten, worin
T.mptraiur. sie sich befinden; dieser Wärmegrad ist sehr gleichbleibend, schließt ebenso die Frostkälte des Winters, wie die Sommerhitze aus und ist niedriger als die Temperatur, wobei die Fäulniß einzutreten pflegt. Kartoffeln, saftiges Obst, wie Aepfel und Birnen, können darum in den Kellern Monate lang gegen die Fäulniß erhalten werden, weil es ihnen an Wärme dazu gebricht. Eigentlich, besonders bei schlecht angelegten Kellern, ist die Verderbniß mehr verzögert und hinausgeschoben, als wirklich verhindert. Das Aufbewahren der Rüben und
