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Chemische Charakteristik der Nahrungsmittel.
«eschicht- Sala (Anfang des 16. Jahrhunderts) in seiner Saccharologia beschrieben worden. Der Name Kandis findet sich bereits in der Alchemia des Liba- vius (1595) erwähnt. Noch bis zu Ende des 17. Jahrhunderts war der Zucker so theuer in Deutschland, daß alle weniger Bemittelten nur Syrup oder Honig statt Raffinade gebrauchten; mit der steigenden Gesittung ist jedoch der Gebrauch des Rohrzuckers mehr in die unteren Schichten der Bevölkerung eingedrungen und dadurch ebenfalls gestiegen. Am meisten hat dazu der vermehrte Verbrauch an Thee und Kaffee beigetragen.
Nachdem der Zucker mehrere Jahrhunderte hindurch vom Auslande bezogen und im nördlichen Europa nur rafsinirt worden war, so ist im Jahre 1747 darin ein Wendepunkt mit dem Bekanntwerden einer Untersuchung des deutschen Chemikers Marggcaf (über das Vorhandensein des Zuckers in verschiedenen Wurzeln, besonders den Runkelrüben) eingetreten, worin derselbe darthat, daß darin fertiggebildeter Rohrzucker enthalten sei. Erst 49 Jahre nachher wurde die erste Rübenzuckerfabrik durch einen gewissen Achard zu Cumorn in Schlesien als Versuchsanstalt angelegt, aber ohne sonderlichen Erfolg. Die Kunst, . Zucker aus dem Runkelrübensaft zu scheiden, sowie die künstliche Erzeugung des Zuckers aus Starke, ist erst durch die Continentalsperre, die ihr als Schutzzollsystem diente, zu ihrer gegenwärtigen Bedeutung erhoben worden.
Begriff. Der Begriff von dem, was man im gemeinen Leben unter dem Gattungsnamen Zucker zu bezeichnen gewohnt ist, steht mit den wissenschaftlichen Bestimmungen desselben einigermaßen im Widerspruche. Die Chemiker verlangen nämlich von einem Zucker, neben dem Charakter der Süßigkeit und Auflöslichkeit, noch den der Gahrungsfahigkeit als wesentliches Kennzeichen. Dieses kommt im Grunde nur einer einzigen Zuckerart, dem Traubenzucker, zu, der unter dem Einflüsse der Fermente in Kohlensäure und Alkohol zerfallt. Die anderen Zuckerarten, der Rohrzucker und Milchzucker, werden jedoch durch eben ^ dieselben Einflüsse in Traubenzucker verwandelt und unterliegen alsdann — also
indirect — der Gahrung. Der Mangel der Gahrungsfahigkeit zeichnet den sonst unter die Zuckerarten gerechneten Mannazucker oder Mannit aus, eine zuckerartige Substanz, welche den Hauptbestandtheil der in der Heilkunde vielfach gebrauchten Manna ausmacht. Er kommt in dem Saft einiger Eschen, Obstbaume, der Selleriewurzel vor, ist aber auch als Product einer besonderen Zersetzungsweise (Mannitgährung) der anderen Zuckerarten bekannt.
Es ist nicht bloße Willkür, daß man diese Scheidungslinie gezogen hat; denn die Gährungsfahigkeit ist zugleich eine tief in der chemischen Natur wurzelnde Eigenschaft, die sich in der Zusammensetzung der betreffenden Zuckerarten auf eine interessante Weife abspiegelt.
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