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ten. Pflicht ist jede Gesinnung und Handlung, die ein Gesetz Gottes von mir fordert. Ueb' ich sie fromm und frei, dann wird sie Tugend, d. i. sittliche Starke des Wil­lens in Befolgung seiner Pflicht. Sie besteht in Gesinnungen und Thatcn, und bezieht sich auf den ganzen Menschen. Der Tugendhafte Cha­rakter, d. i. die sittliche Beschaffeuheit unserer 'herrschenden Neigungen und Gesinnungen, oder die Gemüthsart, ist stark und kraftvoll, frei und selbst­ständig, rein und erhaben, ruhig und einfach, unver­letzbar und groß, heiter und froh in Erfüllung der Pflicht. Die Tugend hört nie auf ganz Kampf zu sein, der stets mit Anstrengung verknüpft ist, und bei dem es bald auf gänzliche Verleugnung, bald auf Einschränkung und Mäßigung angesehen ist. Sie ist mit angenehmen Folgen verbunden, erhei­tert und stärkt die Seele, eröffnet sich die Aussicht in eine herrliche Zukunft, eilt stets neuen Siegen entgegen, und trägt früher oder später ihren Lohn gewiß davon.

2. Doch ich bin ein Christ. Ueb' ich die Pflicht, um Gott und Jesu immer ähnlicher zu werden, dann wird sie eine christliche Tugend. Das Uebergewicht wahrhaft edler Gesinnungen in der Seele, und der äußere Fleiß in schönen Thaten, sind demnach das richtige Kennzeichen eines wahren