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Ittluna
Horch', Adlersiügrl rausche«...
Fahler Wetterschein umloht die diesmalige Wiederkehr des Todestages Bismarcks. O, Deutschland, hoch in Ehren, das der reckenhafte Schläfer in der grünen Tiefe des Sachsenwaldes dereinst in den Sattel gesetzt, das vierzigjährige rastlose Frie- drnsarbrit zur leuchtender staatlicher und völkischer Höh« geführt — laß' jetzt alle dein« Herzen erfüllt sein vom unverbrüchlichen Gelübde, des Bismarckjchen Erbes in feiner Zeit schwerster Prüfung treu zu walten, den deutschen Gedanken leuchten zu lassen vor der Welt. äußerstenfalls tm Zeichen de» Kreuzes von Eisen es den Bätern in heldemnüdigen Waffen- taten gleich zu tun! Dann wird, wenn am 1. April ISIS der hundertste Geburtstag des Altreichskanzler» gekommen fein wird, fein Geist herniedersteigen aus verklärten Höhen und dankbar die unverzagten tapferen Nachfahren segnen, in sieghaftestem Grün der Eachsenwold prangen, wird eine böswillige Welt staunen über den. im Bewußtsein der Unschuld mit unerschütterlichem Willen zum Siege und der ganzen zornigen Kraft eines verletzten Volkes errungenen Triumph.
Feinde ringsum! Ränkevolle Gesellen, groß in Doppelzüngigkeit wie in neidischer Gehässigkeit. Nicht di« erste Eitua. Ikon dieser Art ist es, die Deutschlands Geschichte weist. Lawinengleich aber rollte noch stets des deutschen Volkes heiliger Zorn zu Tale, Tod und Verderben lendend in der Feinde dichte Scharen. Und niemals hätte von frevelhafter Antastung wohlerworbener Rechte mit größerem Fug gesprochen werden können, als jetzt, wenn das Hundertmillionenoolk zur Rechten, das Vierzigmillionenvolk zur Linken vereint über Deutschland herfallen, um es herabzufchlcudern von ragender Höhe.
Bestände kein Dreibund, daun müßte Deutschland in derart bedrohlicher Lage sich genau so zur Wehr setzen, denn ihm soll jetzt unverkennbar ein Kampf um seine Existenz aufge- drängt werden, ein feit langem sorgsam vorbereiteter, ein Kampf, dessen Endziel die Verschiebung, ja die Vernichtung des europäischen Gleichgewichts ist. Der Geschichtsschreibung späterer Tage bleibt es Vorbehalten die Fäden restlos aufzudecken, die Deutschlands Widersacher heimlich und emsig zu ungeheuerlich bösartigem Werk geschlungen haben. Für jetzt verbieten sich zwecklose Raisonnements. Jetzt heißt es, furchtlos den Tatsachen in'» Gesicht sehen, unter Einsetzung der gesamten nationalen Leistungsfähigkeit schändliche Pläne zunichte machen.
Diplomaten
Pt—-D-r- v .. unheil
vollen Ereignissen laufend Bericht nach Berlin erstattet haben. Doch wir dürfen un» beruhigt fühlen schon durch dft Zusicherungen unserer Landesoetteldigungsminifter im Reich-Parlament, daß unsere Schlagfertigkeit vollkommen sei, zu Land« wie zu Wasser. Wer deutsche Gründlichkeit, deutsche soldatische Disziplin und Durchbildung kennt, weiß, was da« zu bedeuten hat. Auch da» Ausland weiß es. Daß es trotzdem da» Spiel mit dem Feuer zum äußersten treibt, langhin den Sabel klirren laßt, mag auf sorglose Einschätzung der nichteuropSischen Zustande, in den Besitz- und Interessensphären in Asien und Afrika, zurückzusühren sein. Eine Täuschung in dieser Hinsicht wäre ebenso verdiente wie erwünschte Straft. Zweifellos mutz Frankreich in Sorge fein, denn ihm ist für den Fall europäischer Verwicklungen ein allgemeiner Ausstand in Marokko angedroht. Rußland hätte einerseits damit zu rechnen, daß Finnland sich erhebt, um den verhaßten Unterdrücker abzuschütteln. wobei wohl Schweden tatkräftige Hilf« leisten würde, andererseits den
bei der ersten, sich bietenden Gelegenheit ein so unternehmender Mann, wie der Diktator Ehinas. Iuanfhikai, sich gewiß angelegen sein lassen wird. Daß die russischen Revolutionäre gegen ein« fanatische Desperadopolitik der Militärpartei sich mit Bomben und Brandfackeln auslehncn würden, sollte wohl auch in Rechnung gestellt werden.
Doch wer könnte einem Verblendeten glaubhaft machen, fein Schiss fti durch Klippen gefährdet? Deusschland hat auch weder die Aufgabe noch die Neigung, solche« zu tun. Deutschland belehrt so wenig, wie e» droht. Ihm ist kein« erregend« Geste'nachzuweiftn, durch die Staatsorgan« Rußlands und Frankreich« aber geht fett Wochen schon konvulsivisches Zucken. Die Wirkung des bösen Gewissens!
Treibt der Dämon sie weiter, heißt er sie, den Segen der
Felder treten, bringt er unermeßliches Weh über viele Millionen von Menschen, dann wird in alle Ewigkeit das Kains- -zeichen verbrecherischen Stirnen eingeprägt sein. Der Deutschen Stirn ist rein und bleibt rein. Sie trifft vor dem Richterstuhl der Geschichte kein Vcrdammungsurteil. Sie wollen nur fest- haiten, was sie haben. Aber sie würden, wenn wirklich der schwerste Gang angctreten werden müßte, aus blutiger Wahlstatt zu beweisen wissen, daß die modernen Hunnen nicht der Nibelungen Herr werden, daß es über des Deutschen Reiches Herrlichkeit noch nicht Abend wird. Je zahlreicher die Feinde, umso größer unser« Ehre.
Horch, Adlersiügrl rauschen. Empor di« Herzen! Was auch kommen mag. in Sturm und Sieg, in Not und Tod: Deutschland über alles!
klrstt-c-idringrn ist in Kriegszustand erklärt!
Es ist -ieö Sie Falge her politische« Ereignisse, öie sich in her letzte« Zeit herart zngefpitzt haben» haß "»rahenhe «riegSgefnhr* besteht.
Kir habe« sehe« Angenblick zu gewärtigen» Hatz der R»bil«achn«gSbefehl eintrifft nnh eS ist nnsere Pflicht» den kämmende« Ereignisse« mit Zuversicht nnh Würde entgegenznsehen.
Für ei» großes Volk, wie eS daS dentfche ist, geziemt eS sich, alles anfznbieten, n« hi« Mobil» «achung der Armee, fobnltz das Uvabmenbbare komme« sollte, fl« fördern «nö z« beschleunigen.
An jede« einzelne«, der dienstpflichtig ist, wirb ooransfichtlich in Balde die Ansfordervng ergehen, rasch «ud willig der Einberufnng zur Trappe zu folgen.
So erheischt es -aS Wohl «n- Wehe «nsereS Vaterlandes!
Jeder Wehrpflichtige sehe daher nnverzttgllch seine AriegSbeordernng nach und Überzeuge sich, »an« «nd wo er sich «ach Eintreffen des z» erwartenden Mo-ttmechvagSbefeh.'S z« melden Hot i
Wer inzwischen schon eine» Gestellungsbefehl znr Einberufung erhalte« und diese noch nicht ««getreten hat, melde sich fchlennigst. «eine »ernfS. gefchafie -,nß er,dnrch H«g$9rig« oder sonstige «er- -tkeinbesorgen lasse«.
Wer kein« ErlegSbeordernng »der Unabttmm- NchkettSbescheinignng in Händen hat »»er seiner «eltepflicht nicht »achgrkomme« ist» und anßer Kon, trolle steht, erknndigr sich sofort ans »«« Vezirkso
kommen»».
Seiner darf, sodald »er Srieg erklärt ist, fehle»! DieS gilt besonher» für nnS Deutsche in Elsaß-Loth- ringe«, di« wir dicht an »er Grenze wohne«. Wir habe» daS grlßte Interesse daran, »aß der drohende Srieg nicht in »nfer Land hineiugetragen wird, sondern sich ans feindlichem «»de» abspielt.
Gelingt nnS dies, so »erde« wir die Härten »ud Opfer »eS Krieges n« Vieles geringer empfinden! • * *
Seitens des Bezirkskommandos Metz wurde uns gestern Nachmittag ln der vierten Stunde obige Zuschrift mit nachstehender .Bekanntmachung des Gouverneurs zur sofortigen Veröffentlichung mittelst Extrablattes zugestellt. Aus der Bekannt
machung ist ersichtlich, daß die Gewalten in die Hände de» Gouverneurs übrrgrgangen sind. Wir können mit Befriedigung konstatieren, daß die Aufnahme der Erklärung des Kriegszustandes in allen Kreisen der Bevölkerung mit größter Ruhe und Beherrschung ausgenommen worden ist. Wohl war sich jeder Einzelne der Schwere der Zelt wohl bewußt, doch willig wurde den Anordnungen der Militär« behörde Folge geleistet.
Wir bitten di« Bürgerschaft von der Bekanntmachung des Gouverneurs genau Kenntnis zu nehmen:
Sekanntmachung.
Durch Kaiserliche Verordnung ist der Bezirk des IS. Armeekorps in Kriegszustand erklärt worden.
Die vollziehende Gewalt ist daher im Befehlsbereich der Festung Metz d. h. im Stadt- und Landkreis Metz und dem Kreise Bolchen (ausgenommen den Kanton Busendorf) an mich übergegangen..
Die Ziviloerwaltungs- und Gemeindebehörden bleiben in Tätigkeit, haben aber meinen Anordnungen und Aufträgen Folge zu leisten. Die gesamte Polizei in dem Befehlsbereich rer Festung wird dem MiMärpoltzeimeister unterstellt.
Ich fetz« für diefts Gebiet die Gesetzesbestimmungen, die felgenden Artikeln der preußischen Berfassungsurkonde entsprechen, anßer Kraft:
Art. S (Gewährleistung der persönlichen Freiheit): Art. C (Unverletzlichkeit der Wohnung): Art. 7 (Derbot von »ur- nahmegerichten): Art. 8? (Preß, und Redefreiheit): Art. 28 (Bestrafung von Preß- ufw. vergehen): Art. 29 (versamm- lungsftriheit); «tt. 80 (veretnsrecht); Art. 86 (Verwendung der bewaffneten Macht zur Ausführung der Gesetze).
Ich »ererdae, »u folgt:
1 . Zur Untersuchung und Aburteilung der in dem 8 t de» Einsührungsgesetzr» zum Strafgesetzbuch für das Deutsch« Reich vom 81. Mai 1870 und den 8 S und 10 des preußischen Gesetze» über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 namhaft gemachten Verbrechen und vergehen ist für den Befehlsbereich der Festung ein Kriegsgericht in Metz eingesetzt, das von morgen an in Tättgkeit tritt.
2. Haussuchungen und Verhaftungen können von den dazu berechtigten Behörden und Beamten zu jederzeit vorgenommen werden.
Sämtliche Wirtshäuser sind um 10 Uhr abends zu schließen.
S. Beamte und Bürger, di« im öffentlichen Sicherheitsdienst tätig sind, tragen eine gestempelte schwarz-weiß-rote Binde mit dem Reimsadler um den linken Oberarm. Alle Zivilpersonen haben ihren Weisungen unbedlngt Folge zu leisten.
4. Alle Klubs und Vereine sind geschlossen. Vereins zu gemeinnützigen oder rein geselligen Zwecken können durch besondere schriftliche Verfügungen des Krcisdirektors (Polizeipräsidenten) ausgenommen werden.
ö. Ich verbiete:
s) Massen, Patronen, Pulver oder Sprengstoffe zu verkauft,r oder mit sich zu führen und Sprengstoffe auszubewahren. Der Kreisdirektor (Polizeipräsident) kann einzelnen Leuten ausnahmsweise das Tragen von Waffen gestatten.
d) Versammlungen und Ansammlungen auf Straßen und öffentlichen Plätzen. Versammlungen in geschlossenen Räumen bedürfen der Genehmigung des Kreisdirektors (Polizeipräsidenten).
e) Plakat«, Zeitungen, Extrablätter oder andere Schriften ohne vorherig« Genehmigung des Kreisdirektors (Polizeipräsidenten) zu drucken, össentlich zu verkaufen oder sonst
verbreiten.
d) Alle Mitteilungen in der Presse oder in Privatbriefen über Truppenbewegungen. Transporte von Truppen oder Kriegsmaterial mit der Bahn, auf Flüssen oder Kanälen, über Befestigungsarbeiten oder sonstige militärische Maß. nahmen.
e) Jeden Verkehr durch Brieftauben und das Beherbergen fremder Brieftauben.
Wer Brieftauben besitzt oder fremde Brieftauben beherbergt, hat das sofort dem Bürgermeister und dem nächsten militärischen Befehlshaber anzuzeigcn und dabei Zahl, Farbe, Abzeichen, Aufbewahrungsort und Fluglinie der Tiere anzugeben. Wer in den Besitz einer fremden Brieftaube gelangt, hat sie unverzüglich und ohne an ihr vorhandene Depeschen zu berühren, der nächsten Militärbehörde, oder, wenn leine solche am Ort ist, dem Bürgermeister abzuliesern. Dieser hat die Taube sofort und aus dem schnellsten Wege der nächsten Militärbehörde. oder wenn ein Gendarm oder Erenzausseher schneller zu erreichen ist, diesem zu übergeben. Der Gendarm oder Grenzausseher ist dann für ungesäumte Weiterbeförderung an die Militärbehörde verantwortlich.
s) Das Bestehen von nicht militärisch betriebenen Einrichtungen für Funkentclegraphie auch wenn es sich um reine Empfangsstationen handelt. Wer derartige Anlagen besitzt oder von ihrem Bestehen Kenntnis Hai, hat sofort dem nächsten militärischen Befehlshaber und dem Postamt Meldung zu machen, widrigenfalls er als Spion behandelt wird.
g) Die Benutzung von Kraftwagen, Krafträdern und Fahrrädern. Bon diesem Verbot ist ausgenommen:
1. Wer sich, mit Gestellungsbefehl orr,eurn, uqne u»-. wege und ohne Aufenthalt zum Gestellungsort begibt.
2. Der Führer eines Kraftwagens oder Krafirades, de« der sich im Besitz einer vom Generalkommando 16. Armeekorps oder vom Gouvernement Metz ausgestellten Fahrerlaubnis befindet.
5. Jeder Radfahrer, der sich im Besitz einer von dem zu- ständigen Kretsdirellor (Polizeipräsidenten) oder von einer Militärbehörde ausgestellten Fahrerlaubnis befindet.
4. Die Benutzung von Fahrrädern zu geschäftlichen und Lerusszwrcken innerhalb des Weichbildes von Metz, Moniigny, Sablon, Longevill«, und. Ban St. Martin. All« übrigen Personen, die Kraftwagen. Krafträder oder FahrrÄer benutzen, sind ftstzunehmen und der nächsten Militärbehörde zuzuführen.
b) Die Verwendung von Luftfahrzeugen jeder Art, sowie die Benutzung von Lichtsignalrn oder anderen Lerstandigungsmitteln.
Heben landende Luftfahrzeuge ist an die nächste Zivil- (Orts-ufw.) oder Militärbehörde auf schnellstem Wege Mitteilung zu machen. Die zuerst benachrichtigte Behörde läßt die Bemannung, sofern sie sich nicht als in deutschen Staatsdienst befindlich ausweiftn kann, festnehmcn und sie sowie da» Fahrzeug auf Schriften, Karten, photographischer Apparate oder Aufnahmen usw. zu durchsuchen. Photographische Appr-
lg (Nachdruck verboten.)
Der Lückenbüßer.
Roman aus der modernen Gesellschaft von Friedrich T h i« m e.
„Wir scheiden als Freunde, Frau Doktor?" sprach er nach längerem Schweigen und schaut« sie mit einem halb flehenden, halb zuversichtlichen Blicke an.
„Aus Freunde."
Freudig bewegt reichte er ihr feine Hand, sie erwidert« feinen Druck herzlich, doch mit Zurückhaltung.
„Und nun lassen Sie uns Blanche wieder «inholen," rief sie, ihren Schritt von neuem beschleunigend. Fräulein von Sohr und ihr Bräutigam hatten inzwischen den Halteplatz der Straßenbahn erreicht. Ingas Wagen war bereits in Eicht, eilig verabschiedete st« sich und lud die Freundin ein, sie recht bald zu besuchen.
„Aber von Herzen gern." erklärte Fräulein von Sohr sich bereit. „Ich komme schon morgen. Ich bin sogar sehr neugierig auf Deinen Haushalt. Wie war's, wenn wir Dich nachmittags wieder zum Tennis abholien?" -
„M—ernetwegen."
„Um drei."
„Ja, um drei."
„Wir kommen alle beide, mein Assessor und ich. Sind Eie auch mit von der Partie, Herr Hauptmann?"
Beilegen blickte der Hauptmann, der neuen die Gruppe getreten war, auf Inga.
„Ich weiß nicht," murmelte er gedrückt.
Inga stand einige Sekunden mit festzufammengezogenen Brauen. Dann sagt« sie: «Bitte, mir find Eie willkommen."
„Wirklich, gnädige Frau?"
„Als Freund, dessen Vertrauen ich genieße und der das meinige genieß." erwiderte sie leise.
„O, gnädige Frau, Sie wissen gar nicht, wie glücklich Eie mich machen," rief er ebenso. „Mir ist in diesem Augenblicke, als segneten Sie mich. Run erst bin ich Ihrer Verzeihung ganz sicher."
Er schaute ihr frohlockend und forschend zugleich nach.
Bei seiner Rückkunft am Spätnachmittag fand Doktor Mohr seine Frau in einem wunderbar sitzenden hellgrauen Tailormade feiner wartend.
„Willst Du ausgchcn, Inga?"
„Ja, mein Freund. Ich möchte Mama und Papa besuchen."
- „Roch vor dem Abendbrot?"
„Es wird sonst zu spät. Wir können doch draußen speisen."
„Unmöglich Kind — ich habe Dir den gestrigen Abend ge- Widmet. heut« kann ich beim besten Willen nicht kort. Morgen
müssen die Schüler ihr« Heft« zurückerhalten — sie sind noch nicht korrigiert."
..Me dumm — so kannst Du mich nicht begleiten?"
Gottfried sann ratlos vor sich hin.
„Es ist unmöglich," refoloierte er endlich.
„So muß ich leider allein gehen," entschied sich Inga schnell.
„Wollen wir nicht wenigstens zusammen Abendbrot essen?"
»Ich sagte Dir schon, rs wird zu spät. Da« Mädchen ist instruiert, sie wird Dir besorgen, was Du brauchst. Kannst Du «ich wenigsten» obholen?"
,Ias will ich gern, mein Herz. Ich kann ja hinftrher noch etwa« arbeiten."
„Arbeiten -und immer arbetten," äußerte die junge Frau unzufrieden.
„Aber Herzchen, das ist nun einmal der Männer Los!"
„Nicht aller," rief sie heftig. „Männer, die dein« Zeit für ihr« Frauen haben, sollten nicht heiraten. Soll denn eine Frau gänzlich dem Leben Valet sagen?"
„Aber, klebe Inga —"
„Wahrhafttg, ich langweilt mich. Ich will wieder mehr als bisher in Gesellschaft sehen. Ich will auch Gesellschaft bei un» haben."
„Alle», was Du willst — im Rahmen unserer Verhältnisse —"
Ingas Gesicht überzog der Hauch der Scham und des Zorns.
Laß mich nicht» mehr vom Rahmen unserer Verhältnisse hören, Fried — es ist Dein drittes Wort. Du machst mich ganz nervös damit."
„Nichts liegt mir feiner, als Dich zu kränken, mein Lieb, Du bist ausgeregt und überreizt. Warst Du heute aus dem Sportplatz?"
„Gewiß — und gehe morgen wieder hin."
„Wenn Du dadurch etwa» Abwechselung hast, so freut es mich."
„Blanche von Sohr und ihr Bräutigam holen mich ab — und Hauptmann von Kölling," setzte sie nach kurzem Zaudern hinzu. Dabei blickte sie ihm mit einer Miene, die sogar etwas Herausforderndes an sich trug, ins Gesicht- Sie war doch nicht ganz ruhig darüber, wie er die Mttteilung aufnehmen.würde, und doch war sie von vornherein entschlossen, sich einem etwaigen Widerspruch von seiner Seite unter keinen Umstanden zu fügen.
Der Doktor dachte aber gar nicht an Widerspruch. Er war ja in da» Verhältnis, in welchem sie zu dem Hauptmann gestanden hatte, gar nicht eingeweiht. Gr wußte nur. daß Kettling sich um Inga beworben hatte und daß nichts aus der Sache geworden war. wie er annahm, weil es beidrrlttts an
tiefer, aufrichtiger Zuneigung mangelte. Immerhin konnte thm der 8erte}i mit einem früheren Bewunderer seiner Gattin nicht ganz angehm sein, er sah daher überrascht auf und wiederholte betrosftn: „Hauptmann von Kölling — was w'll er oei uns?"
„Uns besuchen, weiter nichts." befchied sie ihm lakonisch.
„Wo hast Du ihn gesprochen?"
„Auf dem Tennisplätze. Du hast doch nichts dagegen?"
Gottstied schüttelte lächelnd den Kops. .Warum sollt« ich. wenn Dir der Hauptmann angenehm ist, Ki^>?"
Dies« Wott« stimmten Inga versöhnlicher. Sie lächelt« und bemertt« überlegen: „O, mich tangiert das wenig. Aber Gesellschaft muß ich haben. Ich bin kein Heimchen, kein Hau,, engelchen, das dem Mann dft Pantoffeln wärmt »nd den Echlafrock hält. Man muß die Männer nicht verwöhnen, mein Herr."
Es sollt« wie Scherz klingen, aber der Dottor fühlte, daß der Ernst hier im Hintergrund lauerte gleich einem Kobold, der mit Herzen und Empfindungen sein tückische» Spiel treibt. Zum ersten Male kam ihm der Ätter« Gedanke, verwöhnt habe fi« ihn wahrlich nicht, aber er verlieh thm nicht Ausdruck, heute noch nicht, er brachte es nicht fertig, sie zu verletzen! Eie wartet« auch gar nicht auf feine Antwort, sondern vrrobschie- det« sich mit einem flüchttgen Kusse und eilte, wie von einer mächtig wirkenden Repulsionskrast getrftben, hinaus — sie konnte «s nicht erwarten, fortzukommen aus dem Einerlei ihrer engen Räume, aus der Haussimprlei, wie ihr« Mama diese Art Leben vor einigen Tagen spottend getauft hatte.
Traurig blieb Gottfried zurück. Zum erstenmal seit seiner Verheiratung fühlte er sich wirklich unglücklich! Seit gestern abend war mit Inga eine Wandlung vorgegangen, wcdurch und auf welche Weise, wußte er nicht, aber sie war da, das sühlte er! Ingas Wesen war kälter, herber, anmaßender und womöglich noch reservierter geworden als vorher! Zweifel drängten sich in feinen naiven Sinn, ob sie denn auch wirklich Lieb« zu ihm empfunden. — „Eine wahre, tiefe Liebe, wie ich sie hege," er nachdenklich zu sich, „kann es nicht lein, oder sie könnte sich nicht so gegen mich benehmen! Oder hat sie jemand gegen mich eingenommen? Ihre Mutter oder ihr« Schwester?" vergeblich rang ftin leidender Geist nach Klarheit!
Sie abzuholrn, machte er sich indessen pünktlich aus den Weg. Unterwegs fühlte er sich sogar wiÄer weich werden, er ward fast von Reue ergrifftn ob des Unrechts, das er ihr in Gedanken getan....
Kein Zweifel: es war eine andere Inga, di« von jetzt ab an feiner Seite weilte. Der Versuch, sich in dft ihr vom Schicksal bestimmte oder vielmehr von ihr selbst erkorene Lebenslage geduldig und willig einzusügen, war offenbar ausgegeben. Inga batte den Luktzuo de» alten Leben« verspürt und war
von ihm mitgcrissen worden — cs war nichts Absichtliches.
Bewußtes in ihrem Verhalten, sie folgte dem mächtigen Triebe ihrer Gewohnheit oder auch ihrer Natur — wer konnte da» unterscheiden? Eie lebte äußerlich, oberslächlich, Zerstreuung und Genuß suchend und von dem Gedanken irgend welch«; Pflichten weit entfernt. Lder wenn sie sich irgendwelcher Pflichten durch ihre Ehe bewußt war, so muhte doch ihre Auffassung eine wenig erschöpfende, durchdringend« sein, oder sie mußte wenig Beftiedtgung in ihrer Erfüllung finden. Eft malte, musizierte, las, macht« Toilette, empfing Besuche oder macht» Besucher, ging in Geftllschast — auch nur der Versuch eine» inneren Zusammenleben» mit ihrem Gatten war fallen gelassen. Ob sie sich in der neuen Sphäre wohl fühlt«? Wer könnt« «» wissen? Nicht woPer vielleicht wie sonst, aber sie konnte eben nicht anders, und ihr Mann wirtte seiner ganzen Art und Position nach nicht imponierend genug auf sie, als daß sie sich tun seinetwillen besondere Rücksichten hätte auferlegen sollen.
Was er gewünscht, sie ftlber, besaß er ja: was fi, durch ihre Heirat zu erlangen gchofft, befaß sie — was konnten beide mehr von einander erwarten? Eie war selten unfteundlich gegen ihn, aber doch zftmlich gleichgültig — der beständige Verkehr mit Hauptmann von Kölling, der nun «in häufiger Gast in ihrer Wohnung war, wirkte offenbar auf ihre Empfindung für Gottstied nicht günstig. Allerdings ohne daß Inga ftlber und der Doktor es wahrnahmen, denn Inga faßte ihr Verhältnis zu dem Hauptmann als ein rein freundschaftliches auf. und dieser benahm sich gleichfalls vollkommen alt Gentleman.
Gottstied litt innerlich fchr. ohne daß er sich äußerlich beklagen mochte. Ohne daß er «in Heim sein eigen nannte, wre er sich geträumt, erfordette dft Unterhaltung dieses Heim» seinen bescheidenen Etat weit übersteigend« Mittel. Um alles in der Welt wollt« er nicht engherzig und kleinlich erscheinen, lieber arbeitete er vom frühen Morgen bis in die Nacht, und er würde es noch lieber getan haben, wenn er wenigstens ein» Entschädigung dafür gchabt hätte!
Aber das war leider nicht nur nicht der Fall — er zwei» feite auch, ob er jemals darauf hosscn dürfe.
„Ich kann Inga keinen Vorwurf machen," schalt er sich oft, wenn Unmut und Groll in ihm oufzusteigen drohten. „Sie ist, wie sie ist! Ei« ist ihres Vaters, ihrer Mutter Tochter — de» Fehler liegt an mir. In meiner Verblendung und Unerfahren» heit h«Se ich mich selber irregeführt! Direktor Frohberg hatte doch vielleicht recht — es sind zwei verschiedene Weltanschauungen. dft hier auseinanderstoßen und zwischen denen wohl kaum je eine völlige Versühnung möglich ist."
Und doch liobte er sie noch immer mit der alten stürmischen Lftb« — und in ihrer Gegenwart schwoll ftine Brust, und der Gedanke, daß dieses herrlich« Menschenbild ihm gehör«, er» füllt» Ihn m» unendlicher Genugtuung! (Forts, folgt.)