I. Jahrgang

Romanbeilage zuKolonie und Heimat

No- 3

Der J{err in ^fri^a.

Sin Jfolonial- tfoman

von

Alfred Dunt^e.

Inhalt der vorhergehenden Nummern:

Auf Station Hattajua; Gerichtssitzung. Sultan Simba hat ein Dorf in der Nähe der Station überfallen. Der Stationschef Hauptmann v. Binz rückt aus, um ihn zu züchtigen.

Zweites Kapitel.

(2 Fortsetzung.)

Der Zug nach Jfurene.

reilich das wussten sie alle: So lange Hauptmann v. Binz, der Bana Mkuba selbst noch auf der Borna herrschte, waren sie bei einem Ueberfall von Seiten Simbas wohl geborgen. Aber wenn der Bana Mkuba abzog, war es schlimm um sie alle bestellt. Hauptmann von Binz übernahm das Kommando des Zuges:Stillgestandenl Das Gewehr über! Gruppenkolonne rechts ohne Tritt marsch!

Da zogen sie hin, die Askari, der Bana Mganga 1 ) mit dem Bana Mkuba selbst marschierten mit, die Leute von Kurene als Wegweiser vorauf, und Hunderte von ängstlichen und neugierigen Gesichtern schauten ihnen nach. Nun war es sicher es gab Krieg, grossen Krieg, und zwischen den Hütten der Askari, den Temben der Händler, auf dem Markte und in den Strassen von Hattajua hockten die Schwarzen zusammen und hielten Schauri über den bösen Krieg, den Simba be­gonnen. Heute und morgen werde sich der Sultan zwar noch nicht an Hattajua herantrauen, denn der Bana Gehrs war ja noch mit hundert Askari geblieben, und das grosse Donnerrohr stand auch noch in seinem Schuppen, wie der Koch aufs ernstlichste versicherte.

Nur der kleine Panya fand es gar nicht so übel, dass sein Bana abgerückt war. Er hatte sich über die Zigarettenschachtel gemacht/ die in der Eile unverschlossen stehen geblieben war, lümmelte sich seelenvergnügt im Korbstuhl seines Herrn, paffte dicke Wolken vor sich hin und wünschte von Herzen, dass der Bana recht lange auf Safari 53 ) bliebe.-

Der Weg führte in weitausladenden Windungen den Hügel hinab. Zwischen den Feldern der Bauern von Hattajua, an deren Grenzmarken Dracaenen, manchmal auch der stachlige Feigenkaktus als Zaun ragten und Bananen ihre grünen Blätter in die Morgenkühle reckten, marschierte der Zug. Noch war es frisch. Der Tau funkelte in den Gräsern und an den Blättern, und hing in unzähligen feinen Perlen an den Geweben der Buschspinnen. Die Felder selbst waren zum Teil schon abgeerntet oder die Ernte war auf ihnen im Gange. Trockene Hirsestengel und dürres Maisstroh standen ohne Rispen und Kolben oder waren zu Asche gebrannt, die in schwarzen Flecken auf dem Boden lag, der in der Sonnenhitze hart und rissig geworden war.

Aber trotz der Dürre trieb die unermüdliche Natur dieses gesegneten Landes aufs neue. Zwischen den verkohlten Stengeln der Maisfelder spross in frischen feinen Halmen bereits wieder junges Grün.

Allmählich wurden die Felder der Bauern seltener. Der breite Weg verlor sich in einen schmalen Negerpfad, der an der Sohle der Niederung entlang lief, um allmählich wieder bergan zu steigen. Der Jumbe und seine Leute schritten voran, spähend Hessen sie ihre Blicke voraus­schweifen, und deutlich stand auf ihren Gesichtern das Misstrauen, dass irgendwo aus dem Hinterhalt ihre Feinde neuen Opfern auf­lauerten.

Im Rücken des Zuges verschwand allmählich das Dorf Mtakis hinter einer Wand von dichtem Grün, während die Feste Hattajua noch lange sichtbar blieb. Die deutsche Flagge grüsste vom Hügel die Marschierenden.

Das Tal, in dem die Soldaten und Träger zogen, erweiterte sich nach Westen allmählich zu einer hochgelegenen Steppe. Hohes Gras, mit Gebüsch durchsetzt, bedeckte den Boden, Schirmakazien mit weit­ausladendem Laubdach ragten aus dem Grasmeer empor. In der Ferne zogen weidende Antilopen, aber unerreichbar für die Büchse der Askari.

Die Sonne stieg höher und brannte vom klarblauen Himmel herab, au dem kein Wölkchen schwamm. Silbern legten sich ihre Strahlen über die weite Einöde, gaukelten um die dunklen Blätter der Akazien, Hessen in ihrer Helle die dürren Rispen alten Grases noch dürrer und

!) Arzt, Zauberer, Bezeichnung für Sanitätsoffiziere. -) Marsch, Expedition.

verblichener erscheinen und hüllten die fernen Grate des Hochgebirges in einen Dunstschleier, aus dem hoch über einer weissen Wolkenschicht der schneeige Doppelgipfel des Kilimandjaro sich schroff vom blauen Aether abhob. Hin und wieder flatterte ein Erdnister aus der Steppe auf, strich über das hohe Gras und fiel wieder ein. Kleine Falken zogen scharfäugig ihre Kreise. Hoch oben schwebten wie dunkle Punkte im Aetherblau suchende Geier.

An einem der zahlreichen vom Berge herabstürzenden Bäche, der hier schon langsamer fliesst, unter dem Dache einer grossen Akazie wurde gegen Mittag Rast gemacht, um die ärgste Hitze im offenen Gelände zu meiden. Dicht am Wasser, an dessen sumpfigem Rande un­zählige Wildspuren die Tränkstelle verrieten, wurde abgekocht. Lustig stieg der Rauch der Askarifeuer kerzengrade in die Luft, die in der prallen Hitze zitternd Stillstand. Die Gewehre standen in Pyramiden, das Zelt für die Offiziere war bald gespannt, und alles sass kurz darauf beim Mahle. Ein Stück Fleisch, in Maiskuchen in der Asche gebacken, genügte für den Hunger, und auch die beiden Herren nahmen, was der Esskorb bot. Dann wurden die Wachen im Schatten der Akazien aus­gestellt, und alle streckten sich zur Mittagsruhe nieder. Das Sonnen­licht fiel durch das feine Blattwerk der Bäume wie durch ein grünes Gitter und malte scharfe Schlagschatten auf den Kakiröcken und der Zeltplane.

Die Feuer waren ausgebrannt. Kein Luftzug ging. Jeder streckte sich behaglich und verhielt sich unbeweglich in der Mittagsglut, welche trotzdem den Schweiss auf der Stirn perlen Hess. Auf dem Spiegel des Wassers glitten Wasserkäfer und dürrbeinige Spinnen, und Libellen gaukelten in surrendem Zickzackflug darüber hin. Ein grosser blauer Falter schwebte um die Gewehrpyramiden. Hin und wieder fuhr ein Soldat empor, um die Stechfliegen zu verscheuchen, die ihn lästig umsummten.

Es war Nachmittag, als der Hauptmann mit schmetternder Stimme kommandierte:An die Gewehre!

Die Träger nahmen ihre Lasten, und weiter ging es durch die Steppe. Am Spätnachmittage verriet Buschwerk und Hecken die Nähe menschlicher Siedlungen. Hier und dort tauchten unregelmässig be­grenzte Negeräcker auf. Weiter in der Ferne reckten Mangobäume und Palmen ihre Kronen: Kurene lag vor der Expedition.

Vorsichtig schickte Hauptmann von Binz den Arzt mit der- Spitze voraus. Der Jumbe und seine Leute verkrochen sich ängstlich hinter dem Zuge und warnten vor den Feinden:

Sie springen aus den Hecken wie der Löwe aus dem Grase, wenn er eine Antilope beschleicnt, Bana Mkuba!

Aber der Hauptmann winkte ihnen mit der Hand Schweigen und Hess mit Spitze und Seitendeckung weitermarschieren. Er kannte die Schwarzen und ihre Kampfart. Sie würden sich bei Zeiten in gutem Versteck verbergen, sobald ihre Kundschafter das Nahen der Askari meldeten. Und sicherlich wussten sie seit Stunden, dass diese auf Kurene marschierten. Vor einem Hinterhalt musste er sich freilich hüten; aber nicht hier in der offenen Ebene, erst dann, wenn er dem Feinde in den dichten Busch folgte, der weiter hinter Kurene die An­höhen des Gebirges hinauflief, das hier in die Ebene hineintrat.

Mais- und Hirsefelder reichten allmählich wieder dicht an den Weg, auf den Rainen dazwischen standen wieder Bananen, und bald rückte der Zug auf die Dorfstrasse, die auf den freien Platz führte, um den die Hütten der Neger lagen.

Wie ausgestorben lag Kurene vor den Marschierenden, wie ein Friedhof, aber die Spuren des Kampfes waren frisch. Zwar der grosse Mangobaum auf dem Platze stand noch unversehrt, aber die Hütten waren zerstört und verwüstet.

Die Vordächer aus Bananenstroh, die auf Stangen vor den Lehm­hütten Schatten boten, waren niedergerissen, die Wände der Hütten eingeschlagen, kein menschliches Wesen Hess sich blicken. Auf dem freien Platze lag ein erschlagener Neger ohne Kopf, vor dem Hals­stumpf eine dunkle Blutlache ein grässlicher Anblick. Ein anderer, von Speerstichen zerfleischt, lag im Eingänge einer zerstörten Hütte, den starren Blick der gebrochenen Augen gen Himmel gerichtet. Ueber- all die Spuren eines mörderischen Kampfes.

Hauptmann von Binz Hess auf dem Dorfplatz haltmachen und die Negerleichen beiseite schaffen. Dann schickte er den Jumben unter