I. Jahrgang

Romanbeilagc zuKolonie und Jteimat

Nr. 4

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f 9 A r 9 t Sin Jfolonial-jfoman

Der J\err in Jxfri^a. Alfred T'un^e.

Inlalt der vorhergehenden Nummern:

Auf Station Hattajua; Gerichtssitzung. Sultan Simba hat ein Dorf in der Nähe der Station überfallen. Der Stationschef Hauptmann v. fcinz ist ausgerückt, um ihn zu züchtigen.

Zweites Kapitel.

(3. Fortsetzung.) ^ U g nac h J^urSUe.

om Feinde war weit und breit nicht das Geringste zu sehen oder zu hören. Nur die Affen fuhren er­schreckt in die Höhe, als unten die Truppe in den Wald drang; die hurtigen Gesellen schwangen sich von Ast zu Ast. Von oben, aus dem lichten Laub­dach, wo sie sicher im Schatten hockten, spähten sie nach den Menschen, die tief unten im Walde zogen. Waldhühner huschten mit langen Stelz­beinen über den Pfad, hin und wieder brach es durch das Unterholz: ein Stück Wild ging ab. Aber kein Raubzeug wurde gespürt. Lautlos streicht dieses ab, wenn es aus dem Schlaf im dämmerigen Winkel des Dickichts gestört wird.

Endlich am Nachmittage wurde eine Lichtung erreicht, von der man eine weite Fernsicht hatte. Scharf spähten die Herren mit dem Glase das Gebirge ab. In der Ferne lag Hattajua vor ihnen, näher am diesseitigen Abhange das Dorf Mtakis. Vom abziehenden Feinde aber sahen sie nichts.

Herr von Binz wandte das Glas nach Norden und Westen. Die Lichtung lag'auf einer bergigen Anhöhe. Nach Norden fiel es wieder ins Tal, an dessen Gegenseite neue Waldwände emporstiegen, von weiten Hochtälern unterbrochen. Im Osten, weit vom eigenen Lager­platz, stieg Rauch auf. Vielleicht lagerte dort der Feind. Vielleicht war es ein Negerweiler. Der Hauptmann Hess das Glas sinken.

Wir werden hier über Nacht bleiben und morgen früh heim­marschieren, ordnete er an.

Das Zelt wurde auf der Lichtung aufgeschlagen, die Postenkette aufgestellt, Wasserträger eilten hin und her. Die Lasten wurden ge­öffnet, Mehl und Salz ausgeteilt, lustige Feuer prasselten, die Askari waren der Rast froh und die Kureneleute fürchteten Simba nicht mehr, sondern sassen in Gruppen, schwatzten, lachten und rüsteten das MahL Der Neger vergisst leicht erlittenes Ungemach, wie ein Kind, das mit nassen Augen wieder lacht.

Als der Abend hereinfiel, wurden die Posten verstärkt, Askari und Neger horchten in die Nacht hinaus, und an den Feuern lagen alle bereit, beim ersten Schuss zu den Waffen zu greifen. Aber der Feind kam nicht. Kein Laut von ihm ward vernommen. Nur Nachtaffen schrien, aus der Ferne schallte das Jaulen der Leoparden, ein Wasser­fall rauschte unermüdlich in die Stille der Nacht.

Dort, wo der letzte Bach talabwärts den Pfad kreuzte, verab­schiedete Herr von Sinz die Leute aus Kurene und sandte sie heim. Der Weg bis zum Dorf war nun vom Feinde frei, im Dorfe blieb der Sergeant mit seinen Askari bis auf weiteres. Eine unmittelbare Gefahr drohte nicht, also konnte der Jumbe mit seinen Mannen wieder nach Kurene gehen.

u Herr von Binz schlug mit seinen Askari den Pfad ein, der nach Süden ins Tal führte. Halb verwachsen, vom Unterholz und gestürzten Stämmen oft gesperrt, musste er von den Askari mit Faschinenmesser und Beil an mancher Stelle geöffnet werden. Ueber schlüpfrige Steine und Erdreich arbeiteten sie sich oft genug mühsam talwärts. Aber vor ihnen lag ja Hattajua als Ziel, und jeder wünschte sich von Herzen wieder aus dem undurchdringlichen Walde, dessen Dornen grosse Löcher in das Kakizeug rissen.

Eine verwünschte Kraxelei, schimpfte Doktor Hartung,bergauf war es schon nicht angenehm, aber bergab hols der Henker!

Ja, wenn wir wenigstens noch die Buschklepper erwischt hätten!

. Aber einfach hinter dem Gesindel herzupilgern und das Nachsehen zu i haben, ist auch nicht erbaulich, sagte der Hauptmann,ich hätte ihnen i lieber eins aufs Fell gebrannt, diesen Strolchen! Nun werden sie nicht I schlecht prahlen, wenn sie bei Simba anlangen. Sie haben natürlich einen grossen Sieg errungen, und diese Nachricht wird den Sultan in ! seinen bösen Absichten bestärken. Was meinen Sie, Feldwebel? £ wandte er sich an Anschütz.

Ganz sicher, Herr Hauplmann. Simba soll übrigens vor wenigen Wochen am Grabe seines Vaters Dawa 1 ) gemacht haben. Das ist immer ein böses Zeichen.

Woher wissen Sie das, Feldwebel?

Der Polizeimeister Mohammed hat vorgestern abend den Paka noch ein wenig im Gefängnis ins Gebet genommen. Es war doch auffällig, dass Simba soviel Elfenbein mit einem Male an den verlogenen Sef bin Abdallah sandte. Da hat Paka denn ein weniggepfiffen: Simba hat die Elefantenzähne nicht so schnell durch eigene Jagd schaffen können, weil er seinen Vorrat schon heimlich an den Araber für Waffen gesandt hat. Da hat er vom Grabe seines Vaters, das ganz mit Elefantenzähnen eingegittert gewesen sein soll, kurzweg ein halbes Dutzend Zähne genommen. Die Leute, welche sie nahmen und bis zum verabredeten Platz an Sef bringen mussten, hat er abschlachten lassen, damit nichts von dem Frevel am Sultansgrab an den Tag komme. Seinen Schwarzen hat er natürlich gesagt, dass die Deutschen das Grab des Sultans ge­plündert haben. Die Lüge tut also noch gute Dienste.

Einer solchen Schlechtigkeit hätte ich die Kerle nicht fähig ge­halten, sagte der Hauptmann empört.

Der Feldwebel zuckte die Achsel:Es gibt keine Schurkerei, welche diesem schwarzen Tyrannen zu gemein wäre, wenn er damit seine Macht fester zu gründen hofft. Und vergessen Herr Hauptmann nicht, dass sich bei Simba der alte Soliman bin Kassim befindet, der Wiss- mann zu entwischen verstand. Der sitzt schon seit langen Jahren am Feuer Simbas, und wenn er auch nicht selbst mehr auf Sklavenraub und Mord gehen kann, so hat er doch seine Freude daran, das Feuer- chen bei Simba hübsch anzublasen. Solimans Tochter ist aber das Weib des Händlers Sef bin Abdallah.

Nun geht mir ein Licht auf. Aber warum haben Sie es mir nicht eher gesagt?

Weil der Polizeisol mich bat, dem Herrn Hauptmann selbst die Meldung als Beweis seiner Ergebenheit machen zu dürfen. Ich habe mich da also schon mit fremden Federn geschmückt.

Nun, das ist in diesem Falle keine Sünde, Feldwebel, Ich werde mit dem Sol in Hattajua über den Punkt eingehend reden.

Nach der Mittagspause ging es weiter ins Tal hinab. Der Weg war anscheinend hier öfter begangen, vielleicht von Leuten aus dem Dorfe Mtakis, das einige Stunden südöstlich lag. Er wurde breiter, und unverkennbar war das Gestrüpp vor einiger Zeit notdürftig auf­geräumt.

Dem Hauptmann wollte der Bericht des Feldwebels nicht aus dem Sinn.

Wenn die Araber mit Simba unter einer Decke spielen, so ist das Ding gefährlich, sagte er zum Doktor.Dieser Soliman bin Kassim ist ein ganz gefährlicher Bursche. Er gehörte noch zu den Agenten Tippu Tipps, die ihre furchtbaren Sklavenjagden bis tief in den Kongostaat ausdehnten und Tausende auf die Märkte von Lindi, Kilwa und Mikindani schleppten, ehe ihnen Wissmann das Handwerk legte.

Die Burschen werden allerdings böse gehaust haben. Die Furcht vor den Arabern ist ja bis heute manchen Schwarzen im Gebiete der Seen noch nicht ganz aus den Knochen gewichen.

Kein Wunder, Herr Doktor. Es gibt ja heute noch Schwarze genug, die von den Arabern einst gefangen wurden. Sie erzählen noch heute mit Schaudern von Said, dem Vertreter Tippu Tipps, einem Misch­blut-Araber. Am Eingänge seines Lagers hingen stets an einem Quer­balken ein halbes Hundert faulender Hände, denn seine Bande bestand aus Menschenfressern. Er selbst übte sich im Revolverschiessen auf lebende Sklaven, deren kugeldurchlöcherte Leiber er seinen Kannibalen zum Mahle überliess. Zu diesen Henkersknechten gehörte Mohammed bin Kassim, der unsren Landsmann Giesecke in Tabora ermordete. Ihn Hess Wissmann glücklicherweise später in Saadani baumeln. Ehe die Araber über den Tanganjika drangen, lagen volkreiche Länder west­lich vom See. Zehn Jahre später war kaum noch ein Dorf dort zn finden. Dafür mussten aber in Ubudjwe die Lagerplätze der Karawanen mit Baumstämmen und Dornbüschen umgeben werden, weil die Löwen

l ) Arznei, Zauber.