I. Jahrgang
Romanbeilage zu „Kolonie und Heimat“
Nr. lö
Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.
4m Spieltisch des Glücks.
Original - Vornan
von
J{ein2 gering.
Inhalt der vorhergegangenen Kapitel: Die vorhergegangenen Kapitel führen uns in den Randklub, den geselligen Mittelpunkt der „oberen Vierhundert* von Johannesburg, im Anfang der Entwickelung seiner Goldindustrie und in die Johannesburger Börse und schildern uns den Kampf zweier Goldmagnaten um die Vorherrschaft. Wir lernen den „ungekrönten Kaiser von Südafrika“, Cecil Grant, und seinen Traum eines geeinigten Südafrika kennen. Im VII. Kapitel tritt „die schöne Miss Benoni“, die Tochter des einen der beiden Goldmagnaten von Johannesburg, in unsern Gesichtskreis, die berufen ist, eine Hauptrolle im gesellschaftlichen Leben von Johannesburg zu spielen.
(2. Fortsetzung.)
VII. Kapitel.
ei der Verzollung des Gepäcks gab es noch allerhand erheiternde Zwischenfälle, dann bestieg man die kleinen, mit Zelttuch überspannten Handsomes und fuhr zum Hotel, das, mitten in der Stadt, dicht beim Bahnhof und beim Theater belegen, jeden Komfort solcher erstklassigen englischen Karawansereien bot.
Während sich die Damen zum Luncheon umkleideten, sassen Mr. Pryor und Benje Benoni in der kleinen Bar zusammen und tauschten Jugenderinnerungen aus. Anfangs hatte Benje den lebhaften Pryor reden lassen und sinnend zugehört, dann durchzuckte plötzlich ein Gedanke sein Hirn, als Pryor so zuversichtlich von der erstaunlichen Entwickelung Südafrikas sprach und erklärte, er sei nicht abgeneigt, sich wieder an südafrikanischen Unternehmungen zu beteiligen.
War hier ein Ausweg? Pryor musste immens reich sein. Er war ausserdem Fachmann in allen Minenangelegenheiten, dazu unabhängig von dem ganzen Cöterien- und Cliquenwesen, das sich hier mit der Zeit herausgebildet hatte; unabhängig von Cecil Grant, ohne Beziehungen zu Alberts und zu dem verdammten Kaffernzirkus.
Benje hatte in einer schlaflosen Nacht noch einmal alles überdacht, was der Kapnapoleon für die Fusion ins Feld geführt hatte. Er war nicht überzeugt worden, glaubte starrsinnig daran, dass er sein Unternehmen allein durchführen, dass er über den Berg kommen könne, wenn er nur die zwei Millionen hätte.
Er war jetzt sicher, dass Cecil Grants mächtige Hand gewaltsam seine Kreise zu stören, seinen Kredit zu unterbinden suchte. Dieser Diktator mochte nicht dulden, dass neben ihm und unabhängig von ihm noch ein anderer in diesem Lande zu unbegrenztem Einfluss sich emporschwang. Und Benje Benoni begann Cecil Grant zu hassen ob der kleinlichen Denkungsweise, die er ihm unterschob. Sein enges Spekulantenhirn vermochte nicht den stolzen Idealismus zu erfassen, welcher Grants Handlungsweise auch da den massgebenden Einschlag lieferte, wo er einmal zu dem Mittel kleinlicher Intrige greifen musste, die ihm doch immer widerwärtige Episoden auf dem Wege zu einem grossen politischen und Kulturziel blieben.
Wenn Pryor ihm die Hand bot? Mochte er selbst harte Bedingungen stellen, jetzt ging es Benje Benoni nicht mehr ums Geld allein. Jetzt wollte er den Herren vom Rondebosh zeigen, dass er sich nicht schieben liess, wie eine Schachfigur, dass an ihm auch die Zauberkünste eines Grant scheiterten.
Und langsam, bedächtig, völlig wieder Herr seiner überreizten Nerven weihte Benje den einstigen Kameraden in sein Unternehmen ein. Er brauchte nicht allzu weit auszuholen. Seit langem verfolgte die Minenindustrie der ganzen Erde mit der grössten Spannung die Vorgänge am südlichen Witwatersrand. Auf der Reise hatte Mr. Pryor Langenbrücks glänzendes Werk gelesen, als Fachmann gelesen, der die wissenschaftliche Präzision, das Zwingende im Aufbau dieser Theorie zu würdigen verstand.
Als die Glocke zum Luncheon läutete, durfte Benje Benoni sich sagen, dass seine Darlegungen auf den kalifornischen Millionär Eindruck gemacht hatten.
Benje hatte ursprünglich noch am gleichen Abend nach Johannesburg zurückfahren wollen. Jetzt war es ihm sehr willkommen, als Gwen mit lachender Energie erklärte, davon könne gar keine Rede sein. Sie wollte einmal Kapstadt wirklich kennen lernen und freue sich unsäglich, mit „Pa“ und lieben Freunden zusammen hier zwei vergnügte Tage zubringen zu können. Sie entwickelte denn auch gleich ihr Programm, das an Reichhaltigkeit nichts zu wünschen übrig Hess und die Begeisterung der beiden Misses Pryor erregte. Weit weniger entzückt war Benje Benoni, der im Stillen berechnete, was ihn dies allerliebste Töchterchen wohl kosten würde. Aber es war nun einmal — merkwürdige Widersprüche der Menschenseelei — sein Ideal gewesen, dass
seine Gwen zur grossen Dame erzogen werden sollte. Und nachdem ihm dieser Wunsch in so überraschender Weise in Erfüllung gegangen war, blieb wohl nicht viel anderes übrig, als zunächst weiter in den Geldbeutel zu greifen: „es wird schon der Moment kommen, wo ich abstoppen kann!“ beruhigte sich Mr. Benoni.
Die Fahrt nach dem Tafelberg, welche den Nachmittag ausfüllen sollte, war wirklich genussreich. Von dem mächtigen Massiv aus, das, von Lions Head, und Devils Peak flankiert, die Südspitze des schwarzen Erdteils krönte, bot sich ein unvergesslicher Ausblick auf die blaue, sonnenbeglänzte Bay, auf die schöne Stadt und die reizenden Villen, die gärtenumkränzt sich an den mächtigen Berg schmiegten, dessen kahles, wie mitten glatt durchgesägtes Haupt der friedvollen Idylle einen grandiosen Abschluss gab.
Auf halber Höhe verliess man die Wagen und kletterte durch kleine Schluchten, über schmale Bergpfade und weitvorspringende Kanzeln, um die sich prächtige Wucherpflanzen wie feurige Girlanden schlangen, zu den grossen Wasserreservoirs empor. Gwen mit witzigen Bemerkungen und drolligen Kritiken allen voran!
Benje wandte kein Auge von ihr. In den wenigen Stunden hatte er sich schon völlig verliebt in sein Töchterchen. Sie wickelte den eigensinnigen, pedantischen, geizigen Vater um den kleinen Finger.
Einmal liess sie die anderen vorangehen und fasste ihn zärtlich unter: „Pa, nicht wahr, heute Abend kommst Du in einem netten Frack? Alle Leute gehen hier abends im Frack und Deine Gwen will doch Staat machen mit Pa!“
Und Pa trat Punkt sieben Uhr in einem funkelnagelneuen Frack in das Zimmer seiner Tochter, um sie zum Theater abzuholen. Bei seiner Grösse war es für „David Brothers“ nicht leicht gewesen, etwas halbwegs Passendes zu finden. Die Hosen waren schliesslich auch etwas zu kurz und der Rock schlug auf dem Rücken ein paar Falten, die Gwens kritischen Blick nicht entgingen. Aber wenn er auch nicht gerade aussah wie ein englischer Lord, der zum Ball nach Belgravia fährt, so nahm Gwen doch gerührt den guten Willen für die Tat, zumal „Pa“ ein Gesicht machte, als ob er eben bei Pool in Regentstreet die neueste „Creation“ erstanden hätte.
Gwen trug zum ersten Male die neue Abendtoilette, welche sie bei Redfern bestellt und die ihre gesamten „Ersparnisse“ verschlungen hatte: ein Traum aus Tüll und Spitzen. „Ein Chopinsches Impromptu in die Sprache eines Bekleidungskünstlers übersetzt!“ erklärte sie lachend ihrem Vater, der gerade kein sehr geistreiches Gesicht zu dem Apergu seiner Tochter machte. Aber das sie unnachahmlich chik und blendend hübsch aussah, das entging ihm nicht. Wie die Valenciennes über ihren schneeigen Busen rieselten, wie die braunen Löckchen auf die weisse Stirn herabfielen, wie der Schlangenreif den zarten Arm umspannte! Die lachenden, dunklen Augen, das feine Näschen, die schwellenden rosigen Lippen, die kleinen Ohren — Benje starrte das alles an wie ein Wunder, und Gwen war höchlichst befriedigt von dem „grossartigen“ Eindruck, den sie auf Pa zu machen schien. Der legte ihr behutsam den Mantel aus champagnerfarbenem Seidenstoff und die Straussfederboa um und führte sie in den Salon, wo sie schon von den Pryors erwartet wurden.
Im Theater fand das Gastspiel einer australischen Truppe statt. Die Vorstellung war nicht gerade begeisternd. Aber Gwen amüsierte sich köstlich über das Publikum. Nachdem sie mit ihrem kleinen Opernglas die Logen gemustert, erklärte sie, niemals solch fabelhaften Luxus, aber auch niemals solch völligen Mangel an Geschmack für möglich gehalten zu haben.
„Tout Capetown“ war zu dem Gastspiel in grosser Gala erschienen. Für die Damen gab es hier nicht allzuviel Gelegenheit, sich in der Oeffentlichkeitzu zeigen, so ergriffen sie gerne jeden Anlass, im Schmuck ihrer Riesendiamanten, ihrer extravaganten Federhüte, ihrer „Pariser Toiletten“ zu glänzen, bei denen die Modekünstler der Rue de la Paix dem südafrikanischen Geschmack allerdings die weitgehendsten Konzessionen gemacht hatten. Kostbare Brokate, uralte Spitzen,Straussen- federn, Pelzwerk, alles in- und übereinander gearbeitet — eine eindrucksvolle, aber barbarische Pracht. Man konnte hier Diamantdiademe und Smaragdkolliers, riesige Schnüre weisser, ja schwarzer Perlen sehen wie vielleicht sonst in der Welt nicht mehr. Hier stellten die Magnaten von Kimberley und Jaggersfontein, die Chefs der grossen Kapstädter Häuser und die Krösusse des Witwatersrand mit ihren Frauen zugleich