I. Jahrgang

Romanbeilage zuKolonie und JCcimat"

Nr. 13

Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.

/jm Spieltisch des Glücks.

Afrikanischer Vornan von

J{ein3 gering.

Inhalt der vorhergegangenen Kapitel: Die vorhergegangenen Kapitel schildern uns den Kampf zweier Goldmagnaten von Johannesburg um die Vorherrschaft im Anfang der Entwickelung der dortigen Goldindustrie. Einer der Goldmagnaten, Benoni, lehnt die Bestrebungen Cecil Grants, desunge­krönten Kaisers von Südafrika, die Johannesburger Goldindustrie aus poli­tischen Gründen zu einigen, ab und verbündet sich mit einem amerikanischen Millionär, Pryor, gegen seine Widersacher. Er entzweit sich aber mit seinem leitenden Ingenieur, dem heimlichen Verlobten seiner Tochter.

(5. Fortsetzung.) X. Kapitel.

Tyrannin Fortuna.

etzt erst konnte man erkennen, wie vorzüglich die neuen Maschinen arbeiteten, und wie trefflich sich die Patente bewährten, die Benje so teuer erworben. Dem zähen Unternehmer lachte das Herz, wenn er nach der Gwendolyn Deep" fuhr und alle Batterien rasseln hörte, alle Schornsteine rauchen sah. Die ersten Ausbeuteziffern, die er nach London telegraphierte, trieben die Kurse seiner Tiefbauminen mit Blitzesschnelle in die Höhe: Benje Benoni war fast über Nacht ein un­geheuer reicher Mann geworden.

Einem anderen wäre der Gedanke gekommen, diesen Reichtum zu liquidieren und nun endlich sein Leben zu geniessen. Mr. Benoni aber hätte jedem ins Gesicht gelacht, der ihm von solchen Möglichkeiten gesprochen hätte. Ihm war das Gold kein Mittel, ihm war es Selbstzweck.

Mehr und mehr wurde Benje ein König im wankelmütigen Kaffern- zirkus. Dr. Newman, Jack Cohn, Lionel Morrison und alle die anderen wetteiferten jetzt um seine Gunst. Vor dem Glanze seines Riesen­erfolges begann Gustav Alberts Stern langsam zu erblassen.

Ein Jahr war ins Land gegangen, ein Jahr beispiellosen Aufblühens der Tiefbauindustrie am Witwatersrand, und wer heute nach dem reichsten Manne der Goldstadt, nach dem Mächtigsten im Kaffernzirkus fragte, dem wurde ohne Besinnen Benjes Name genannt.

Mit 300, 400, ja 500 Prozent wurdenGwendolyn Deep,Witwaters­rand Deep undPioneers in London und Johannesburg notiert, während die Werte der Albertsgruppe langsam zwar, aber stetig zurückgingen.

Es ist fast wie im Märchen, meinte James Werner träumerisch, als er eines Tages wieder mit Benje imGambrinus zusammensass.

Ein Märchen für Sie, für mich ists höchst reale Wirklichkeit, brummte Mr. Benoni in seiner unfreundlichen Manier. Der Erfolg hatte ihn nicht liebenswürdiger zu machen vermocht und seinen Geiz wo­möglich noch gesteigert. Gwens Reformen waren eine Episode in seinem Leben geblieben. Man hatte die Villa mit beträchtlichem Nutzen verkauft und war nach Bocksburg zurückgezogen, wo Mama Benoni wieder mit einem Kaffem wirtschaften und sich jeden Groschen für die Wirtschaft erbetteln musste wie früher.

Tyrannin Fortuna! klagte auch sie jetzt so manchesmal. Ihr Herz aber hatte doch die Erinnerung, an der es sich wärmen konnte. Wie ein Idol vergötterte sie die schöne Tochter, die so viel Sonne in ihr Leben getragen hatte. Ach, diese Sonne war der alten vertrockneten Frau allzu rasch wieder untergegangen, aber in einem Winkel der bau­fälligen Baracke war alles zusammengetragen, was Mama Benoni an Gwens kurzen Ferienaufenthalt in Johannesburg gemahnen konnte, und oft genug streichelte die vereinsamte Mutter die armseligen Zeugen der glücklichsten Zeit ihres Lebens.

Auf dem Hofe stand noch Gwens Dogcart, den ihr Benje in einer Anwandlung von Verschwendungssucht geschenkt, und in dem sie die verhängnisvolle Fahrt zu Udo Langenbrück gemacht. Mr. Benoni hätte das schmucke kleine Gefährt schon mehr als einmal verkaufen können. Er hatte es merkwürdigerweise nicht getan. Wenn er auch kaum jemals mehr von der Tochter sprach, die Liebe zu seinem Kinde hatte er nicht aus seinem Herzen zu reissen vermocht, und wer Benje Benoni gesehen hätte, wie er die einzige Photographie, die er von dem schönen Mädchen besass, mit heissen Küssen bedeckte, nachdem er sich in seinem Ar­beitszimmer eingeriegelt, der hätte den bitterbösen, geldgierigen Egoisten nicht mehr wiedererkannt. Im stillen hoffte Benje unausgesetzt, dass Gwen bereuen und dadurch eine Aussöhnung möglich machen würde. Aber so wenig sich die beiden in allem anderen glichen, den zähen Eigensinn hatte Gwen vom Vater geerbt: sie gab nicht nach, hielt fest zu ihrer Liebe.

Einige Wochen später als Gwen war auch Langenbrück nach Europa gefahren. Er hatte seinen Weg über Ostafrika genommen und von Daressalam aus auch die deutsche Kolonie bereist auf Wunsch des Gouvernements, dem er denn auch wertvolle Anhaltspunkte für die Er­

schliessung der neuentdeckten Erzlager zu geben vermochte. Bei der Rückkehr in die Heimat erwarteten mannigfache Ehrungen den verdienten. Gelehrten und allenthalben wunderte man sich über das schwermütige, in sich gekehrte Wesen des Mannes, der in verhältnismässig jungen Jahren schon so stolze Erfolge zu verzeichnen hatte.

Sonja Barskas heimtückischer Anschlag auf das junge Glück der Liebenden war gelungen. Aber die intrigante Frau hatte zu früh ge- jubelt, als sie von dem Zerwürfnis im Hause Benoni erfahren. Die Enttäuschung folgte nach, sobald sie einsehen musste, dass sie sich Udo von Langenbrück niemals würde erobern können. Als der Inge­nieur, der nicht ahnte, welche giftigen Pfeile Sonja abgeschossen hatte, seinen Abschiedsbesuch in der Silbervilla machte, hatte sich das schöne Weib ihm förmlich an den Hals geworfen. Udo aber hatte ihre stür­mische Liebeserklärung traurig abgewehrt: es war ihm nicht nach sol­chem Abenteuer zu Mute.

Zum ersten Maie musste die kokette Frau die Erfahrung machen, dass ihre Reize ohne Eindruck blieben. Sie war verschmäht worden, wo sie ohne Hintergedanken bereit war, sich zu geben. Das vergass sie Langenbrück nicht, und als sie bald darauf den ersten Silberfaden aus dem welligen Schwarzhaar entfernte, schwur sie bei diesemfürch­terlichen Symbol, sich an dem Deutschen zn rächen.

Alberts war ihr nach wie vor ein treuer, rücksichtsvoller Freund. Er bestritt nach wie vor mit fürstlichem Gleichmut die ungeheuersten Anschaffungen, aber er war auch nach wie vor ängstlich besorgt, Sonja könne sich von ihm unabhängig machen. Er ahnte nicht, dass für ge­ringere Ansprüche, als die Madame Barskas stellte, längst das Ver­mögen ausgereicht hätte, das Benje Benoni für Sonja verwaltete.

Die alten Beziehungen zwischen den beiden Whitechaplekindern hatten sich aufs neue gefestigt. Nachdem Gwendolyn Johannesburg verlassen hatte, war Benje wieder öfter eingekehrt in der Silbervilla. Er war nicht freigebiger geworden gegen Sonja Barska, aber die Finanz­operationen, die er ihr empfahl, schlugen jetzt ganz anders ein als früher, und die raffinierte Frau wusste genau, warum sie dem geizigen Verehrer schön tat, so hart er auch manchmal durch seine umständ­lichen Zärtlichkeiten ihre Geduld auf die Probe stellte. Benje wurde von Tag zu Tag einflussreicher, und häufig kam es jetzt vor, dass Sonja irgend einen ehrgeizigen oder gewinnsüchtigen Plan, den sie früher unter geschickter Ausnutzung der Albertsschen Beziehungen durchzu­setzen gewusst, nur noch mit Benonis Hilfe verwirklichen konnte.

Vor allem aber fanden sich die beiden Jugendfreunde in dem glü­henden Hass gegen den fernen Langenbrück, und je ohnmächtiger dieser Hass war, desto mehr schien er von all ihren Gedanken Besitz zu er­greifen. Kein Schmähwort, das Benje gegen den Deutschen ausstiess, für das Sonja nicht noch einen Superlativ gefunden hätte. Nie wurde die Unterhaltung lebhafter, nie wurde die Uebereinstimmung zwischen den beiden so gross, als wenn sie mit kindischem Eifer von den Folter­qualen phantasierten, die sie dem Ingenieur bereiten wollten wenn sie ihn nur in ihrer Gewalt hätten.

Und ich Esel habe ihn noch gegen James Werner unterstützt, als der gerade meiner Tochter einen ganz reellen Antrag machen wollte, fluchte Benje.

Der arme James Werner, er liebte die kleine Gwen so ehrlich! sagte Sonja.

Und hätte sie niemals gegen ihren Vater aufgehetzt, fügte Mr. Benoni hinzu.

Nein, wie ich mich nur von dem verschrobenen Ideen dieses ein­fältigen Deutschen umgarnen lassen konnte! stöhnte Sonja.

Das war ja gerade seine Taktik bei den Weibern! Setzte ihnen da allerhand verrückte Flausen in den Kopf, drapierte sich mit seiner Wissenschaft, seinem Kunstverständnis, seiner idealen Lebensanschauung."

Schöner Idealismus das! Während er sich um Deine Tochter be­warb, poussierte er mit mir. Hätte ihm so gepasst: die Sonja Barska als Liebchen und die reiche Miss Benoni als Braut! Aber da kam er schön bei mir an. Als er das letzte Mal gar sentimental wurde, da habe ich ihn einfach hinausgeschmissen. Hinausgeschmissen! Ver­stehst Du? log das in seiner Eitelkeit gekränkte Weib.

Nun, Du hast ihm auch schöne Augen gemacht! bemerkte Benje malitiös.

Schöne Augen gemacht? Nur mit Rücksicht auf Dich, nur weil Du ihn bei mir eingeführt. Ach, und jetzt muss ich mir das vorwerfen lassen! schluchzte Sonja plötzlich.