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1. Jahrgang
Romanbeilage zu „Kolonie und Jteimat"
Nr. 15
A™ Spöttisch des Glücks.
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(7. Fortsetzung.)
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Inhalt der vorhergegangenen Kapitel: Die vorhergegangenen Kapitel schildern uns den Kampf zweier Goldmagnaten von Johannesburg um die Vorherrschaft im Anfang der Entwickelung der dortigen Goldindustrie. Einer der Goldmagnaten, Benoni, lehnt die Bestrebungen Cecil Grants, des „ungekrönten Kaisers von Südafrika“, die Johannesburger Goldindustrie aus politischen Gründen zu einigen, ab. Er entzweit sich aber mit seinem leitenden Ingenieur, dem heimlichen Verlobten seiner Tochter. Die letzte Nummer führt uns zum Präsidenten der Südafrikanischen Republik, Paul Krüger, und lässt uns einen Blick in die Intrigen tun, mit denen der Kampf gegen Benoni geführt wird.
XII. Kapitel.
Sine wichtige Entdeckung.
Berlin war wirklich Weltstadt geworden, seit er es vor manchem Jahre verlassen hatte. Ueber den Asphalt sausten die Automobile, neben denen sich die unförmigen, schwerfälligen Pferdeomnibusse ausnahmen wie ein Requisit aus der Rumpelkammer verrauschter Zeiten. Geschickt wanden sich die flinken Taxameterdroschken zwischen Zu- nr'it J kunft und Vergangenheit des modernen Verkehrswesens hindurch: Heute iljvv, I waren sie noch Gegenwart! Keck trugen die Kutscher den schwarzlackierten Zylinderhut, und im Fond sah man hin und wieder zärtliche Pärchen eng aneinander geschmiegt.
Die mächtigen elektrischen Bogenlampen wetteiferten mit den prächtig erleuchteten Schaufenstern, um das frohe Gewühl auf den Trottoirs in blendendes Licht zu tauchen. Da und dort stauten sich, neugierige Provinzler vor einer besonders auffallenden Reklame, vor einer verlockenden Auslage. Kokett zurechtgemachte Dämchen streiften den Arm des Ingenieurs und suchten sein Auge mit dem fragendwerbenden Blick, der so ungemütlich scharf zu taxieren weiss und so ängstlich im Vorübergehen nach einem Zeichen des Interesses forscht, wenn die Kritik befriedigt hat.
An jeder Ecke suchte man dem vornehm aussehenden Herrn einen jener kleinen bunten Zettel in die Hand zu drücken, die Auskunft darüber geben, wo der unerfahrene Provinzler bei fragwürdigen Ver- f gnügungen sein Geld loswerden kann.
- f Riesenplakate lockten von den Litfassäulen zum Besuch einiger
(1" \ Dutzend Theater, der fashicnablen Varietes und der Ballokale ein, dem ,3 Sammelpunkt der Lebewelt des modernen Berlin.
j Neben den Säulen lauerten übelaussehende Manichäer auf kleine
1 ! Gelegenheitsgeschäfte. Mit der Frage nach alten Kleidern wurde hier
“ manche verhängnisvolle Verbindung zwischen unvorsichtigen Lebe- ■ männern und unerbittlichen Wucherern eingeleitet.
Der verbarg in einem harmlos aussehenden Paket bunter Postkarten I allerhand pikant sein sollende Obszönitäten, jener benutzte seine Zei- ?!■; I tungsmappe als Aushängeschild für alle möglichen Anreissereien.
Armselige kleine Mädchen suchten ihre verwelkten Blumen- : sträusschen, arbeitsscheue Bursche ihre kleinen Hunde an den Mann
zu bringen. Bejammernswerte Krüppel wurden hier von der gewerbs- r ** 1 ’ massigen Spekulation auf das oberflächliche Mitleid der genussüchtigen
tj. y Menge aufgestellt, um durch ihr Elend einem abergläubischen Dämchen, ^j; einem leichtsinnigen jungen Mann oder einem naiven Provinzler die
Hand zu öffnen.
Dazwischen schrien die Camelots ihre Abendblätter oder allerhand unnützen Kram aus, um einen gestürzten Gaul sammelte sich die brutale Neugier; ein lauter Wortwechsel lockte die Sensationsgier, und an den Ecken standen die Schutzleute mit bärbeissiger Miene, als ob sie diese ganze Friedrichstrasse am liebsten von der Erde vertilgt hätten.
Udo Langenbrück war wie benommen von dem Tohuwabohu, als er glücklich bis zur Siechenschen Bierstube sich durchgewunden hatte, wo an einem reservierten Tisch die „alten Afrikaner“ ihren Abendschoppen zu nehmen pflegten.
Mit lautem Zuruf begrüsste man hier den bekannten Gelehrten. „Machen Sie sich aber mächtig rar!“ rief ihm ein riesiger Schutz- truppler zu.
„Hier ist noch ein Platz!“ winkte der liebenswürdige Exgouverneur einer afrikanischen Kolonie.
„Was halten Sie von Johannesburg?“
„Haben Sie schon von den Diamantfunden in Südwest gehört?“ „Hören Sie, Sie müssen einen Vortrag in der Kolonialgesellschaft halten!“ drang es auf Langenbrück ein. Der winkte lachend ab: „Immer nur drei auf einmal, meine Herren, sonst kann man nichts verstehen!“ Sie bildeten eine lustige und anregende" Tafelrunde, die „alten Afrikaner“, die in ihrer Gesamtheit eine gründlichere Kenntnis des
schwarzen Erdteils und reichere koloniale Erfahrungen verkörperten als sie je einer offiziellen Behörde zu eigen gewesen sind. So musste es auffallen, dass diese Gesellschaft fast stets einig war in der Verurteilung der offiziellen Kolonialpolitik nicht nur, sondern auch in der Ablehnung der Art und Weise, wie die verschiedenen kolonialen Interessenvertretungen in den wichtigsten Fragen verfuhren.
In Deutschland herrschte damals noch die Neigung, die Kolonien im Stile eines preussischen Regierungsbezirkes zu verwalten und die praktische Kolonialerfahrung zurückzudrängen zugunsten der bureau- kratischen Routine.
Für den Missmut, der sich darob gerade in den erprobtesten und wertvollsten Pionieren des kolonialen Deutschland angesammelt, bildete die oft sehr lebhafte Diskussion an der Tafelrunde bei Siechen ein willkommenes Ventil. In diesem Kreise hatte sich auch jeder einzelne schon von zuviel Vorurteilen trennen müssen, um nicht ruhig auch eine andere Auffassung als die landläufige gelten zu lassen. Hier mühte man sich ehrlich, objektiv zu sein, hier liess man sich gern sachkundig informieren.
Die Telegramme der Abendblätter, welche über die herannahende Krise in der Südafrikanischen Republik berichteten, hatten das Gespräch auf Cecil Grant und Paul Krüger, auf die Buren und die Minenindustrie gelenkt, und man freute sich deshalb gerade heute besonders, Langenbrück am Stammtisch zu begrüssen, der über den Transvaal so genau Bescheid wusste.
An und für sich hatte man hier viel Sympathien für die Buren, wofür allerdings hauptsächlich die Abneigung gegen England und Cecil Grant, den rücksichtslosen Vorkämpfer eines „grösseren“ Britanniens, verantwortlich war.
„Ach, wenn Deutschland solchen Cecil Grant hätte!“ meinte Langenbrück, und gab dann eine Schilderung von der Persönlichkeit des Kapnapoleon und dem mächtigen Eindruck, den der geniale Mann auf ihn gemacht.
„Glauben Sie an eine Revolution in Johannesburg?“ wurde Langenbrück gefragt.
„Ich halte sie nicht für wahrscheinlich, wenn nicht von aussen her der Anstoss gegeben wird. Die Minenindustrie ist nicht einig. Cecil Grant hat vergeblich versucht, die gewichtigsten Interessen am Wit- watersrand solidarisch zu machen. Das ist ihm misslungen. Ich halte es für eine sehr unglückliche Politik, wenn er jetzt trotzdem durch seine Agenten weiterwühlen lässt. England ist vorläufig noch nicht zum Eingreifen bereit. Die Buren sind bis an die Zähne gerüstet, und ein Putsch in Johannesburg würde ein elendes Fiasko werden, wie geschickt er auch eingefädelt sein mag.“
„Halten Sie die Forderungen der Minenindustrie für berechtigt?“ fragte der Exgouverneur.
„Die Forderungen sind im allgemeinen berechtigt, nur die Art und Weise, wie man sie bei der Regierung durchzusetzen versucht, ist verkehrt“, antwortete Langenbrück. „Andererseits sind die holländischen Beamten in Pretoria vielfach gewissenlos und bestechlich. Selbst die Höchstgestellten haben keine reinen Hände. Statt dass man sich an die notwendigen Reformen macht, gibt man das Geld der Minenmagnaten aus, um gegen die Industrie zu rüsten. Man hetzt die „Burger“ gegen die Schornsteine und Fördergerüste und spekuliert hinten herum an der Johannesburger Börse. Man saugt die Industrie aus und verspottet sie noch dazu!“
Mit allgemeiner Aufmerksamkeit wurden Langenbrücks Erklärungen aufgenommen und noch lange diskutiert.
Es war spät geworden, als der Ingenieur sich verabschieden konnte.
Zu Hause betrachtete er noch einmal lange das kleine Bild, dann schrieb er einen ausführlichen Brief an John Hopkins Esq., Permington House, Euston Road, London W.
XIII. Kapitel.
Das Meisterstück des Detektivs.
John Hopkins nahm eben im eleganten Speisesalon des Pera Palace Hotels zu Konstantinopel ein konsistentes Frühstück ein, als ihm der Portier mit der Morgenpost das Schreiben Udo von Langenbrücks überreichte, welches man dem berühmten Detektiv von London aus nachgesandt halte.
In Yildiz Kiosk, der Residenz Abdul Hamids, glaubte man einer Verschwörung gegen das Leben des Sultans auf die Spur gekommen