I. Jahrgang
Nr. 16
Romanbeilage zu „Kolonie und Heimat“
Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.
Am Spieltisch des Glücks.
Afrikanischer sfoman
von
J{einy fjening.
Inhalt der vorhergegangenen Kapitel: Die vorhergegangenen Kapitel schildern uns den Kampt zweier Goldmagnaten von [ohannesburg um die Vorherrschaft im Anfang der Entwicklung der dortigen Goldindustrie. Einer der Goldmagnaien, Benoni, lehnt die Bestrebungen Cecil Grants, des „ungekrönten Kaisers von Südafrika“, die Johannesburger Goldindustrie aus politischen Gründen zu ein'gen, ab. Er entzweit sich aber mit seinem leitenden Ingenieur, Udo von Langenbrück, dem heimlichen Verlobten seiner Tochter. Die letzten Nummern führen uns zum Präsidenten der Südafrikanischen Republik, Paul Krüger, und lassen uns einen Blick in die Intrigen tun, mit denen der Kampf gegen Benoni geführt wird. Udo von Langenbrück ist nach Berlin zurückgekehrt und sucht seine vor ihm verborgen gehaltene Geliebte, Gwen Benoni, die er in London vermutet.
XIII. Kapitel.
(8. Fortsetzung.) £ as jY[eisterstück; des Detektivs.
in sitzt in eiskalten Zimmern, weil ein Kamin gut aussieht, man geht in die Kirche wie auf Rennen, ins Bad wie nach der Schweiz, weil es gut aussieht. Man hört Vorträge und „macht“ in Wohltätigkeit, man langweilt sich Sonntags, verzichtet — freilich nur in der Oeffent- lichkeit! — auf alkoholische Getränke, man treibt Politik und lässt sich, wenn man’s dazu hat, ins Parlament wählen — alles nicht aus innerem Bedürfnis, sondern weil es eben gut aussieht.
Innerlich verachtet der Brite jeden Ausländer, sieht ihn als minderwertig an.
Der Franzose korrigiert den Ausländer höflich und nimmt den guten Willen, die französische Sprache zu sprechen, für die Tat; der Deutsche lässt mit fast zärtlicher Freude alles Radebrechen über sich ergehen; der Engländer aber ist innerlich wütend, wenn man seine Sprache nicht unbedingt meistert, obgleich er es für unter seiner Würde eu halten pflegt, zu seiner Muttersprache eine fremde hinzuzulernen.
Man muss das Englische wie ein Engländer sprechen und ohne jeden Akzent, sodass niemand so leicht den Ausländer erkennt, und man muss in solchem Inkognito gehört haben, wie selbst in guten englischen Kreisen von dem Ausland gesprochen wird, um den Abgrund zu erkennen, der hinter den sogenannten guten Manieren lauert.
Udo von Langenbrück kannte die Engländer zu genau, um sich von ihrer Liebenswürdigkeit bluffen zu lassen. Er merkte im Klub sehr rasch heraus, dass man ihn nur darüber aushorchen wollte, wie das offizielle Deutschland sich zu dem „Burenproblem“ stellte, und daraus schloss er, dass irgend etwas im Werk sein müsse, was die britischen Politiker in Unruhe versetzte.
Krieg? — Der und jener schien einen ernsthaften Waffengang für möglich zu halten. Aber der Deutsche war gut genug informiert, um nicht zu wissen, dass England alles eher als zu einem kolonialen Landkriege bereit war.
Man machte ja auch nicht einmal Anstalten, die Garnisonen des britischen Südafrika zu verstärken.
Andererseits wurden die Beschwerden der Minenindustrie liier viel zu ernst genommen, als dass man glauben konnte, Grossbritannien werde bei einem Kampf um den Witwatersrand streng neutral bleiben.
Was ging also vor?
Gestern war Cecil Grant wieder nach dem Kap abgereist, Dr. Ellison aber war in London geblieben, und von einem deutschen Exporteur erfuhr Langenbrück, dass der Vertrauensmann des Kapnapoleon in Mark Lane umfangreiche Ordres auf Khakianzüge, Sättel, Waffen und allerhand Ausrüstungsgegenstände erteilt hatte, angeblich, weil er eine grosse Expedition nach dem Zambesi führen wolle.
Bei den grossen Interessen, die Grant in Charterland besass, musste das ganz plausibel klingen, und doch war Langenbrück misstrauisch.
Als er den Klub verliess, hatte der Gelehrte seinem Freunde Wallis versprochen, ihn auf einer Fahrt durch die Landschaft Wales zu begleiten, die Udo wegen ihrer musterhaften Grubenanlagen längst gerne kennen lernen wollte.
An einem wundervollen Herbstmorgen fuhren die beiden Freunde im eleganten Reisewagen vom Cecil-Hotel ab. In ziemlich langsamem Tempo ging es durch die Strassen Londons, dann in sausender Fahrt durch die Vororte.
Aber man war noch keine Stunde unterwegs, als eine Beschädigung am Wagen zu längerem Aufenthalte und zu Reparaturarbeiten zwang. Wallis war wütend, Langenbrück aber erklärte, die unfreiwillige Rast gerne zu einem Spaziergang durch das reizende Dörfchen zu benutzen.
Als er an dem kleinen Postbureau vorüberging, fiel ihm ein, dass seine Tante wenigstens eine Karte von ihm erwarten durfte, in der er ihr von der Reise nach Wales Mitteilung machte. Er trat in den niederen
Raum, wo er zu seinem Bedauern das trauliche Gespräch des jungen Posibeamten mit einem drallen Dienstmädchen stören musste. Die beiden blickten nicht gerade mit freundlichen Blicken auf den langen Deutschen.
„Also die Marke verschaffen Sie mir wieder, Miss Mabel!“ suchte der Beamte, etwas gezwungen, die Unterhaltung als ganz harmlos hinzustellen. Man sah deutlich, dass die beiden von ganz etwas anderem gesprochen hatten als von Briefmarken.
„Ist wohl wieder ein Brief aus dem Transvaal an unsere MDs dabei?“ Damit verliess das Mädchen mit den Korrespondenzen, die es allmorgendlich von der Post holte, den Schalterraum, nicht ohne dem jungen Beamten noch einen freundlichen Gruss zu gönnen.
Blitzartig durchzuckte ein Gedanke das Hirn des Ingenieurs. Während er umständlich die Karte adressierte, fragte er den Beamten freundlich, ob er Briefmarkensammler sei.
Als dieser verlegen bejahte, entnahm Langenbrück seinem Portefeuille einige Briefe, von denen er die Marken ablöste: „Da kann ich Ihnen zufällig auch mit einigen Transvaalmarken dienen!“
„Ach und sogar eine Zweishillingmarke!“ rief der Beamte erfreut. „Ich habe nämlich schon alle Transvaalmarken, weil bei uns im Dorfe eine Dame wohnt, die aus Südafrika ist, und da verschafft mir das Mädchen immer die Kuverts. Die tausche ich dann gegen andere ein, die mir noch fehlen. Transvaal wird sehr begehrt, weil man sagt, die Republik daure nicht mehr lange.“
Auf sein Steckenpferd gebracht, war der Mann redselig geworden, und Langenbrück konnte seinen Faden ruhig weiterspinnen: „Ich war lange im Transvaal und habe viele Bekannte dort!“ begann er wieder: „wie heisst denn die südafrikanische Dante, die hier wohnt, vielleicht kenne ich den Namen auch!“
„Das ist eine Miss Benoni, ein sehr hübsches Mädchen!“ gab der Postbeamte bereitwillig Auskunft, und ohne die gewaltige Erregung zu bemerken, die Langenbrück kaum zu meistern vermochte, als er sich so dicht am heissersehnten Ziele sah, fuhr der Mann geschwätzig fort: „Die Eltern sollen schwer reiche Leute irgendwo da unten sein, aber die Tochter hat nicht viel von ihrem Leben. Der Pastor, bei dem sie ist, muss sie von aller Welt absperren, wahrscheinlich, damit keine Mitgiftjäger an sie herankommen. Der Pastor ist sonst ein ganz gutmütiger Herr, aber er will wohl das gute Pensionsgeld nicht verlieren. Seine Frau oder er selbst begleiten die Miss auf Schritt und Tritt. Ueberhaupt lässt man sie aber nicht gern ausgehen, und kein Mensch darf sie besuchen. Ich selbst habe sie erst einmal gesehen, als sie hier über einen eingeschriebenen Brief quittieren musste. Es war aber kein Geld in dem Brief. Geld bekommt sie überhaupt nie in die Hand. Die Miss Mabel hat mir das alles erzählt“, brach er verlegen ab, da der vornehme Herr seiner Erzählung nicht zu folgen schien. Udo hatte sich indes kein Wort entgehen lassen. Er fürchtete nur, Misstrauen zu erregen und zu Klatsch Anlass zu geben, wenn er sich auf weiteres einliesse und verabschiedete sich daher mit dem Versprechen, dem Beamten gelegentlich wieder einmal Marken mitzubringen. Er wohne in der Nähe und komme öfters einmal hier vorbei.
Im ersten Augenblick drängte es Langenbrück, wenigstens einmal an dem Pfarrhaus voriiberzugthen, wo man sein Lieb in Gewahrsam hielt. Dann aber war er doch vernünflig genug, um sich zu sagen, dass er sehr vorsichtig zu Werke gehen müsse, wenn er nicht das Geschenk des wunderbaren Zufalls wieder aufs Spiel setzen wollte. Wenn Gwendolyn ihn sähe, würde keine Macht der Erde sie zurückhalten, ihm in die Arme zu fliegen. Das aber müsste Benoni erfahren, und er könnte dann seine Tochter unverzüglich an einem anderen Orte verstecken.
So war Udo ordentlich froh, als er wieder im Wagen sass. Während Wallis die Landkarte studierte, musste der Ge ehrte unaufhörlich daran denken, wie entsetzlich seine arme Gwen wohl gelitten haben mochte.
„Aber nun soll diese Schmerzenszeit auch bald vorüber sein! Und dann will ich Dich auf Händen tragen, Du, mein süsses Lieb“, gelobte er sich.
XIV. Kapitel. ' r ;
Da banque/
Wild brodelte es im Hexenkessel Johannesburg! Kapitän Bomhard wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand, und er wunderte sich innerlich, dass es nicht schon längst zu einer Explosion gekommen