1. Jahrgang
Nr. 18
V
Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.
Inhalt der vorhergegangenen Kapitel: Die vorhergegangenen Kapitel schildern uns den Kampf zweier Goldmagnaten von Johannesburg um die Vorherrschaft im Anfang der Entwicklung der dortigen Goldindustrie. Einer der Goldmagnalen, Benoni, lehnt die Bestrebungen Cecil Grants, des „ungekrönten Kaisers von Südafrika“, die Johannesburger Goldindustrie aus politischen Gründen zu einigen, ab. Er entzweit sich aber mit seinem leitenden Ingenieur, Udo von Langenbrück, dem heimlichen Verlobten seiner Tochter. Die letzten Nummern führen uns zum Präsidenten derSüdafrikanischen Republik, Paul Krüger, und lassen uns einen Blick in die Intrigen tun, mit denen der Kampf gegen Benoni geführt wird. Udo von Langenbrück ist nach Berlin zurückgekehrt und sucht seine vor ihm verborgen gehaltene Geliebte, Gwen Benoni, die er endlich in der Nähe von London entdeckt. 1h Johannesburg treiben die Verhältnisse inzwischen auf einen Konflikt zwischen Buren und Engländern zu.
XVI. Kapitel.
(io. Fortsetzung.) Gefährliche Aufträge/
an könnte ihn hierher berufen!“ schlug Dr. Ellison vor. „Er wird nicht kommen. Wird erklären, dass er in Johannesburg jetzt unentbehrlich sei. Und er hat recht: er darf die Leute nicht im Stich lassen, nachdem er sie bis hart an die Grenze des offenen Aufruhrs gepeitscht hat!“ „Aber wir haben nun mal doch keine Armeekorps, um sie ihm zu Hilfe zu senden 1“
>: „Wie weit sind Sie in London gekommen?“ fragte Grant.
„Nicht weiter als Sie, Sir!“ antwortete der Doktor mit leiser Ironie; „wenigstens bei der Regierung nicht. Die Vorbereitungen für meine Expedition sind natürlich getroffen!“
„Der Kolonialsekretär will noch immer nicht!“
„Er erklärt, nicht eingreifen zu können. Er sei nicht Chef der Regierung, und Lord Salisbury wolle die Verantwortung für einen südafrikanischen Feldzug nicht auf sich nehmen 1“
„Die Möglichkeit eines raschen Erfolges war nie grösser!“ „Verzeihung . Sirl“ wandte Ellison ein: „Ich war in Aldershot, habe drei Dutzend höhere Offiziere gesprochen und mir auf jede Weise einen Eindruck von der Armee zu verschaffen gesucht. Ich glaube, dass diese Armee hier enttäuschen würde!“
„Man müsste jedenfalls unverhältnismässig viel Mannschaften herübertransportieren!“
„Hunderttausend würden den Erfolg nicht verbürgen können: die Organisation und die Führung taugen nichts!“
Cecil Grant war sehr ernst geworden: „Wie oft habe ich auf Gladstone einzuwirken versucht, dass er mit diesem System brechen möge 1“
„Kein Ministerium wird es wagen, die allgemeine Wehrpflicht in England einzuführen!“
„Es Hesse sich auch ohne das eine kriegstüchtige Armee schaffen. Aber der einzige, der es könnte, muss seine Kraft im Sudan verzettelnI“ „Und was denken Sie jetzt zu unternehmen?“
„Ich werde die Fürstin bestimmen, nach London zu reisen! Sie brennt darauf, mir einen Dienst erweisen zu dürfen. Sie hat grosse internationale Beziehungen: wenn sie uns wenigstens einen Brief Lord Salisbury erwirken könnte, der uns seinerzeit den Rücken deckt, wenn man uns zu Sündenböcken machen will!“
„Und soll ich wirklich unter diesen Umständen die Expedition nach dem Matabeleland antreten?“ ■
Cecil Grant sann einen Augenblick nach: „Gerade!“ erklärte er mit Entschiedenheit.
Dr. Ellison überlegte. Er verstand nicht, was dies energische „Gerade“ bedeuten sollte: „Sie werden mich hier vielleicht nötiger gebrauchen können!“
„Nein!“ wandte der Kap-Napoleon ein, „hören Sie: Sie haben achthundert Reiter zu Ihrer Verfügung, mit denen Sie in den nächsten Tagen nach Mafeking aufbrechen werden!“
Dr. Ellison wusste immer noch nicht, worauf Mr. Grant hinauswollte,. Er glaubte sich so eingelebt zu haben in die Gedankengänge des Gewaltigen. Aber oft genug kam es doch vor, dass dessen blitzschneller Geist ihm unlösbare Rätsel aufgab.
„Sie werden bei Mafeking eine Beobachtungsstellung beziehen!“ Jetzt ging dem Doktor ein Licht auf: „Um Johannesburg zu Hilfe zu kommen!“ rief er begeistert.
„Das Temperament meiner Freunde wird tliein Untergang sein!“ seufzte Grant, indem er mit einer Handbewegung den Enthusiasmus des leidenschaftlichen Doktors abwehrlef „Ich sagte, Sie werden eine
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Beobachlungsste lung beziehen! .Ich darf natürlich nicht daran denken, mit einer von mir ausgerüsteten Expedition gegen die Buren Krieg zu führen, ganz abgesehen davon, dass hierzu Ihre achthundert Reiter auch nicht entfernt ausreichen würden!“
„Unter guter Führung kann solche kleine, gut ausgerüstete Eliteschar viel ausrichlen!“ erklärte der Doktor zuversichtlich.
„Sie sind ein Narr!“ schrie Grant ungeduldig. „Und wenn Sie sich mit solchen Phantastereien abgeben, dann taugen Sie überhaupt nicht für die Mission, die ich Ihnen zugedacht. Zu der gehört in erster Reihe kühles Blut. Lassen Sie sich’s also gesagt sein: Ich mag nicht daran denken, was daraus entstehen könnte, wenn Sie sich zu Unvorsichtig-, keiten hinreissen Hessen. Sie düifen den Boden der Südafrikanischen Republik überhaupt nicht und unter keinen Umständen betreten!“
Dr. Eli son machte ein sehr enttäuschtes Gesicht.
„Sie dürfen nicht! Verstehen Sie mich?“ wiederholte Grant mit grösstem Nachdruck: „und wenn Sie mich in den Dreck reiten mit Ihrem Optimismus, Ihrer Selbstüberschätzung und Ihrem unseligen Temperament, dann sind wir geschiedene Leute!“
Der Doktor ging aufgeregt im Zimmer hin und her: „Was soll das helfen, wenn ich in Mafeking Posten stehe, sozusagen als markierter Feind ?“ murrte er.
„Es soll nur helfen, dass die Buren sich’s zweimal überlegen werden, Johannesburg zu Leibe zu gehen mit achthundert Reitern im Rücken. Meinem Bruder aber werde ich die Leviten lesen: er muss abzuwiegeln versuchen, bis England sich zu irgend einer, und wenn auch nur zu einer rein diplomatischen Aktion entschliesst! Johannesburg kann nicht Krieg führen, auch nicht, wenn es Dr. Ellison zum Verbündeten hätte!“ fügte Grant spöttisch hinzu. „Nun kennen Sie meinen Standpunkt und werden sich danach richten!“
Cecil Grant klingelte dem Diener: „Lassen Sie das Automobil Vorfahren, ich will nach Kapstadt!“
Freundlich reichte er dem geknickten Doktor die Hand: „Der Tag, wo Sie blankziehen können, wird noch früh genug kommen, alter Landsknecht Sie!“ lachte er. —
Die Fürstin Koniatowska erwartete den Kapnapoleon in ihrem blauen Salon, von dessen Balkon aus man eine wundervolle Aussicht auf den Tafelberg und die Bay genoss.
Die Fürstin war eine weitberühmte Schönheit. Von hohem, königlichem Wuchs kleidete sie sich mit ausgesuchtem Geschmack. Ihr feines, blasses Gesicht war von dunklem, leichtgewelltem Haar umrahmt. Unter langen, seidigen Wimpern lagen die tiefblauen Augen gleich geheimnisvollen Waldseen. Das klassisch schöne Profil, der entzückend geschnittene Mund hatten die anspruchsvollsten Künstler begeistert.
Als junges Mädchen schon von den Grossen dieser Erde umworben, hatte sie dem unermesslich reichen Bojaren nur die Hand gereicht, um auch äusserlich unabhängig zu werden, wie sie es innerlich sehr früh war. An den glänzendsten Höfen Europas wurden ihre Reize gefeiert. Ihren durchdringenden, beweglichen Geist aber konnten diese Huldigungen einer oberflächlichen Gesellschaft nicht auf die Dauer befriedigen. Auf langen Reisen betrieb sie ernste wissenschaftliche Studien, um sich erfolgreich in die grossen politischen und sozialen Probleme der Gegenwart vertiefen zu können.
Die kritischsten Staatsmänner verschmähten es nicht, mit dieser Frau zu korrespondieren und die reifen, durchdachten Essays der Fürstin zu lesen, welche im Laufe der Zeit Mitarbeiterin der angesehensten Revuen Europas und Amerikas geworden war, und für jede Zeile, die ihre graziösen Hände niederschrieben, einer weltweiten Resonanz sicher war.
Die Fürstin war zweiunddreissig Jahre alt geworden, ohne dass ihr Herz ernstlich gesprochen, als sie in einer Londoner Gesellschaft Cecil Grant kennen lernte. Der Kapnapoleon hatte nur wenige Worte mit der gefeierten Frau gewechselt und doch auf sie gewirkt wie eine Offenbarung. Und diesmal hielt das Feuer einer beglückenden Leidenschaft ihrer skeptischen Kritik stand.
Die Fürstin ging völlig auf in den gigantischen Plänen des grossen Willensmenschen. Mit einer schwärmerischen Verehrung, deren sie sich selbst längst nicht mehr für fähig gehalten, umfasste sie alles, was auf ihn Bezug hatte, was mit seinen Zielen und seiner Person in irgendwelchem Zusammenhang stand. So eingezogen er in London zu leben pflegte, die Fürstin machte es möglich, ihn bald da, bald dort