1. Jahrgang
Romanbeilage zu „Kolonie und JCcimat"
Nr. 20
Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.
Spieltisch des Glücks.
Afrikanischer J^oman von
J(einy ffening.
Inhalt der vorhergegangenen Kapitel: Die vorhergegangenen Kapitel schildern uns den Kampt zweier Goldniagnaten von |ohannesburg um die Vorherrschaft im Anfang der Entwicklung der dortigen Goldindustrie. Einer der Goldmagnaten, Benoni, lehnt die Bestrebungen Cecil Grants, des „ungekrönten Kaisers von Südafrika“, die Johannesburger Goldindustrie aus politischen Gründen zu einigen, ab. Er entzweit sich aber mit seinem leitenden Ingenieur, Udo von Langenbrück, dem heimlichen Verlobten seiner Tochter. Die letzten Nummern führen uns zum Präsidenten der Südafrikanischen Republik, Paul Krüger, und lassen uns einen Blick in die Intrigen tun, mit denen der Kampf gegen Benoni geführt wird. Udo von Langenbrück ist nach Berlin zurückgekehrt und sucht seine vor ihm verborgen gehaltene Geliebte, Gwen Benoni, die er endlich in der Nähe von London entdeckt und zu befreien beschliesst. In Johannesburg treiben die Verhältnisse inzwischen auf einen Konflikt zwischen Buren und Engländern zu.
(12. Fortsetzung.)
XVIII. Kapitel.
Orlog.
nd nun war es also zum äussersten gekommen: zum Krieg. Und Klaas Villoughby würde in ein paar Tagen fort müssen von seiner Farm, von Weib und Kind, von seinem Vieh und seinen Pferden. Und unbeschützt würde das alles dann einem zweifelhaften Schicksal preisgegeben sein.
„Ach 1 nein, es ist nicht leicht!“ seufzte er.
„Was hast Du, Vater?“ Seine Tochter, seine Hetta, war aus dem Haus getreten und setzte sich nun zu ihm auf die Bank. Sie war ein schönes grosses Mädchen, schlank wie eine Antilope, mit guten blauen Augen und zwei reizenden Grübchen auf den vollen, rosigen Wangen.
„Orlog!“ Er zeigte ihr den Zettel. Sie erschrak heftig.
„Und Du musst mit? Und Jürgen und Piet?“
Er nickte: „Ihr müsst dann schon sehen, wie Ihr ohne uns auskommt!“
„Es ist schwer, Vater!“ meinte sie ernst. „Nicht wegen der Arbeit, die wird schon getan und fürchten werden wir uns auch nicht, aber solch grosse, einsame Farm ohne Männer! Die Kaffern werden es tüchtig ausnutzen!“
„Werden sie!“ brummte Klaas.
„Aber Ihr bleibt doch wenigstens hier in der Nähe?“ fragte das Mädchen.
„Hier in der Nähe? Was sollten wir hier? Hier gibt’s nichts zu verteidigen! Es geht um den Witwatersrand, da werden wir wohl zuerst nach Pretoria geschickt werden!“
„Und wird es lange dauern?“
„Wer will’s wissen? Zu lange auf alle Fälle!“
„Kommt da nicht der Piet angejagt, Vater?“ Hetta war aufgeslanden und hatte die Hand über die Augen gelegt, um nicht von der untergehenden Sonne geblendet zu werden.
„Natürlich der Piet!“ bestätigte Klaas: „und auf dem Pony. Zum Kuckuck, was hetzt er mir den Gaul so ab?“
„So reitet der Piet nicht zu seinem Vergnügen!“ erklärte das Mädchen angstvoll.
„Du siehst wohl schon die Engländer auf der Farm?“ spottete der. Vater.
Hetta war dem Bruder entgegengeeilt, der jetzt vom Pferd sprang und eifrig auf sie einredete.
„Die Engländer sind da!“ riefen beide wie aus einem Munde dem Vater zu.
„Unsinn!“ brummte der, „ich möchte wissen, wie hier Engländer herkommen sollten!“
„Achthundert Reiter sind gegen Mafeking gezogen. Ich habe einen Teil davon selbst gesehen. Drüben am Vorwerk sind sie vorbeigeritten, hart an der Grenze. Feine Kerle, Vater, auf famosen australischen Pferden!“ versicherte er.
Er kannte sich aus mit Pferden, der Piet. War ja gross geworden unter den Gäulen!
„Ja, was können denn die wollen in Mafeking?“ meinte Klaas Villoughby phlegmatisch. Aber die Sache war ihm doch nicht ganz geheuer.
„Sie sagen, sie gehen nach dem Zambesi zu — als Expedition, an die Bahn!“ berichtete Piet.
„Haben sich eine merkwürdige Zeit ausgesucht für diese Expedition!“ dachte Klaas misstrauisch.
Mittlerweile war Frau Villoughby aus dem Haus getreten — die echte Burenfrau: fett, schwerfällig, aber mit einem unendlich gutmütigen Ausdruck in den Augen. Vom Feld kehrte Jürgen, der Jüngste, mit dem Ochsengespann heim, während eine ganze Schar kleiner Mädchen vom Hühnerhof her angestürmt kam
Nun tauschte die ganze Familie die Meinungen über die wichtigen Neuigkeiten des Tages aus, bis es Zeit war, an das Abendbrot zu denken.
Wie immer las Klaas Villoughby nach Tjsch einen kurzen Abschnitt aus der Heiligen Schrift vor, dann aber klappte er das Buch zu und sprach in ernsten Worten zu den Seinen. Er schilderte ihnen kurz die politische Lage, wie sie sich ihm darstellte, und schloss daran eine Reihe von Anordnungen und Ratschlägen für die Zeit, wo er und die Jungens im Felde stehen würden.
Ohne Sentimentalität, wie es gesprochen worden, wurde das alles aufgenommen. Ruhig beriet man die verschiedenen Möglichkeiten.
Je länger Klaas Villoughby nachdachte, desto bedenklicher erschien ihm diese „Expedition“, die Mafeking wahrscheinlich nicht so bald wieder verlassen würde, und die, wenn erst einmal der Krieg ausgebrochen wäre, eine stete Bedrohung für den Norden der Republik und vielleicht am meisten für Ellisfontein bilden müsste.
Am andern Morgen machte sich der Farmer in aller Frühe auf und ritt hinüber zu dem Kirchdorf. Unterwegs besichtigte er bald da, bald dort ein Feld. Mais, Kafferkorn und „sweet potatos“ hatte er angebaut, und alles stand ganz gut. Freilich, wie schliesslich die Ernte aus- sehen würde, das konnte noch kein Mensch absehen in diesem Lande, wo Frost und Hitze, Dürre und Wolkenbrüche fast ohne Uebergänge mit einander abwechselten, wo Affen und Heuschrecken die Felder bedrohten und in einer Nacht die ganze Arbeit vernichten konnten.
„Man wirft uns Buren immer vor, dass wir faul seien und keinen Unternehmungsgeist besässen“, dachte Klaas: „Man sagt, wir zeugten Kinder, besuchten die Nachbarn, tränken den ganzen Tag Kaffee und liebten es nicht, uns besonders anzustrengen. Aber wie wenig bedeutet hier aller Unternehmungsgeist, wie wenig bedeuten alle Anstrengungen gegenüber den übermächtigen Gewalten, denen wir doch nicht Einhalt gebieten können.
Wer mag mehr anbauen, als er für sich und die Seinen nötig hat, wenn auch dem höchsten Einsatz so unsicherer Gewinn winkt? Erst neulich ist dem Fouch6 eine ganze Hammelherde in einer Nacht verendet. Das Geflügel ist von Schlangen, Mardern und allen möglichen Seuchen bedroht. Von jedem Dutzend Gäule fallen uns sieben an der Pferdekrankheit, ehe sie „gesalzen“ sind und verkauft werden können.
Da kann man nicht viel mehr tun, als Gott bitten, dass er’s gnädig macht. Nur das Vertrauen auf ihn kann uns den Gleichmut erhalten, der hier mehr wert ist als aller Unternehmungsgeist.
Farbige sind kaum mehr zu kriegen, seit die Minen und die Bahnbauten uns alles wegnehmen. Tagelang haben die Jungens gelauert, ob nicht eine Kaffernfamilie vorbeitrecken möchte, die wir festmachen könnten. Und wenn sie mal eine gebracht hatten, dann rückten uns zwei dafür aus, weil sie sich mit den Neuen nicht vertragen wollten.
Dass wir starke Familien haben, das ist noch unser Glück. Könnte es ja gar nicht schaffen ohne die Jungens, die sich um die Feldarbeit und das Vieh kümmern, ohne die Mädels, die nicht nur das Haus, sondern auch den Geflügelhof und die Meierei versorgen, melken, buttern, Brot backen und einmachen müssen.
Sobald wir die Kaffernweiber an die Kühe lassen, kauft uns im Ort kein Mensch die Milch, die Butter oder den Käse ab, noch viel weniger das Backwerk. Der Geruch ist den verwöhnten Händlern noch fataler als uns.
Oft genug habe ich gesehen, mit welchen grossen Rosinen im Kopf die Leute vom Kap oder gar von Europa hierher kamen und sich ankauften, um den dummen Buren mal zu zeigen, wie die Landwirtschaft modern betrieben werden müsse. Wie rasch sind sie alle klein und mürbe geworden! Die neuesten Maschinen konnten nichts ausrichten gegen Dürre und Hagelschlag, gegen Heuschrecken und Seuchen.
Der Unternehmungsgeist macht sich nirgends so wenig bezahlt als hier und muss schliesslich erlahmen. Nur festes Gottvertrauen kann einem die Kraft geben, den Kampf mit all den Widrigkeiten und Gefahren, ohne Begeisterung freilich, aber auch ohne Verzagen immer und immer wieder zu wagen. —
So ungefähr philosophierte Klaas Villoughby, und es war viel Wahres in den Betrachtungen, die er anstellte, während er auf seinem niedrigen Basutahengst im landesüblichen „Dreischlag“ dem Kirchdorf zuritt.
Dort fand er alles in grösster Aufregung: die Weiber standen vor den Häusern oder sie unterhielten sich in den geräumigen Läden, von