1. Jahrgang
Romanbeilage zu „Kolonie und J(eimat“
Nr. 22
Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.
Am Spieltisch des Glücks.
Afrikanischer tfoman von
J{einy jfening.
Inhalt der vorhergegangenen Kapitel: Die vorhergegangenen Kapitel schildern uns den Kampf zweier Goldmagnaten von Johannesburg um die Vorherrschaft im Anfang der Entwicklung der dortigen Goldindustrie. Einer der Goldmagnaten, Benoni, lehnt die Bestrebungen Cecil Grants, des „ungekrönten Kaisers von Südafrika“, die Johannesburger Goldindustrie aus politischen Gründen zu einigen, ab. Wir lernen den Präsidenten der Südafrikanischen Republik, Paul Krüger, kennen und tun einen Blick in die Intrigen, mit denen der Kampf gegen Benoni geführt wird, ln Johannesburg treiben die Verhältnisse inzwischen auf einen Konflikt zwischen Buren und Engländern zu. Um einen Druck auf die Regierung der Südafrikanischen Republik auszuüben, schickt Cecil Grant seinen Vertrauten, Dr. Ellison, mit 800 Reitern nach dem Norden mit dem Auftrag, sich unter irgend einem Vorwand an der Grenze der Republik festzusetzen, ohne jedoch sich auf Feindseligkeiten einzulassen.
(14. Fortsetzung.)
XX. Kapitel.
Sine Schreckensnacht
Sobby Harrington hatte Halt machen und absitzen lassen, als er in der Ferne vereinzelte Schüsse hörte, die er sich nicht recht deuten konnte. Nach einem Gefecht klangen diese Schüsse ganz und gar nicht, viel eher konnten es Alarmsignale sein.
Er übergab Francis Beverton das Kommando über das Gros mit dem Befehl, hier die Nachhut zu erwarten und ritt dann mit Fred Bottenley und drei Leuten bis an die Schlucht heran, um zu rekognoszieren. Aber die Schlucht lag in tiefstem Frieden da. Von einem Feind nicht die Spur! Hatten Handleys Leute entgegen der be- iStimmten Ordre aus purem Uebermut geschossen? Harrington schickte *zwei Kaffernjungen in die Schlucht mit der Weisung, bis zur Strasse vorzudringen und die Verbindung mit Handley wiede.herzustellen.
Da die Jungen nach drei Stunden nicht zurückgekehrt waren, erbot sich Bottenley mit einem der Leute die Hügel zu rekognoszieren. Den Karabiner in der Hand kletterten die beiden mutigen Männer die Anhöhe hinan. Es herrschte bereits tiefste Finsternis, kein Laut war zu hören. Auf halber Höhe wurde das Gestrüpp so dicht, dass die beiden nur noch Schritt für Schritt Vordringen konnten. Schliesslich mussten sie auf Händen und Füssen vorwärts kriechen wie die Robbenjäger.
Am Himmel ballten sich finstere Wolken zusammen: es war eine schauerlich unheimliche Nacht. Als sie den ersten Hügel fast erklommen, mussten sie die Messer zur Hilfe nehmen, um durch das Strauchwerk zu dringen, das sich ihnen wie eine natürliche Schanze entgegenstellte: „Nur leise, nur leise 1“ warnte Bottenley seinen Begleiter immer wieder. Es war dem Offizier plötzlich, als ob in der Ferne ein Licht aufgetaucht wäre. Dann wieder glaubte er ganz leise neben sich ein summendes Geräusch zu vernehmen.
Da! War das nicht ein halberstickter Schrei? „Putley!“ rief er leise seinen Begleiter an. Niemand antwortete.
„Putley!“ wiederholte Bottenley sich halb aufrichtend. In demselben Augenblick aber sauste ein furchtbarer Hieb auf Bottenleys Kopf nieder und mit einem Wehlaut sank der tapfere Offizier zusammen.
Der Vorpostendienst der Buren war besser organisiert als der Ellisons. Zudem waren die Kaffem auf der Seite der Herren des Landes und boten sich überall als freiwillige Kundschafter an. So war Bottenleys Rekognoszierungsversuch rechtzeitig gemeldet worden und ein paar gewandte Buren hatten sich anheischig gemacht, die Engländet „kalt zu machen“, ehe sie noch einen Schuss würden abfeuern können.
Der Ueberfall war gelungen: Bottenley und sein Begleiter sahen die Sonne nicht wieder.
Um Mitternacht kehrte Harrington voll ernster Sorge ins Lager zurück, wo er bereits Ellison vorfand.
Der Doktor machte dem Offizier Vorwürfe, dass er die Nachhut abgewartet, statt sofort eine starke Abteilung auszusenden, um die Verbindung mit Handley wiederherzustellen.
„Diese Abteilung hättfe doch in die Schlucht hineinreiten müssen!“ protestierte Harrington.
„Allerdings!“ bestätigte Ellison mit bitterm Sarkasmus: „eine Umgehung hätte nämlich dritthalb Tage in Anspruch genommen und Sie glauben wohl selbst nicht, Harrington, dass Handley sich mit einer Handvoll Reiter auf der Pardekraalstrasse halten könnte.“
„Handley hat blindwütig die Schlucht im Galopp genommen, ohne auch nur einen Augenblick auf die Verbindung Bedacht zu nehmen“, bemerkte der Offizier.
p -yPey hat einen Fehler gemacht, der uns und ihm Kopf und Kr« .... :en kann, aber das entbindet uns nicht von der Pflicht, ihn heraua-.f^uen, wenn er in den Wurstkessel geraten ist.“
„Keinem von uns wird es an Mut dazu fehlen, aber . . . ."
„Ich sehe bis jetzt noch keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass die Schlucht Wirklich vom Feind besetzt ist. Die Kaffernboys sind notorisch unzuverlässig und Bottenley kann sich bei dieser Dunkelheit sehr leicht verirrt haben“, argumentierte der Doktor.
Robby Harrington zuckte die Achseln: „Lassen wir es also drauf ankommen!“
„Die Dunkelheit dieser Nacht ist uns sehr günstig“, beharrte Ellison, „wenn wir in einer halben Stunde in aller Stille aufbrechen, können wir auf der Pardekraalstrasse sein, ehe die Sonne aufgeht.“
Harrington salutierte steif: „Ich fasse das als einen dienstlichen Befehl auf!“
„Ich bitte darum!“ erwiderte Ellison entschlossen.
Eine halbe Stunde später setzte sich die Kolonne in Marsch. Der Regen prasselte in Strömen hernieder, die Dunkelheit war so intensiv, dass man kaum die Hand vor den Augen sah.
In langsamstem Tempo, dicht aufgeschlossen, ritt man in die Schlucht hinein; Ellison an der Spitze, Harrington an der Queue Die Pferde waren unruhig, die Leute aber brannten darauf, die Vorhut wieder zu erreichen; keiner murrte über den unheimlichen Ritt, über den verlorenen Schlaf nach einem anstrengenden Tag.
Als Ellison ungefähr bis zur Mitte der Schlucht gelangt war, scheute plötzlich sein Pferd, und ohne dass der Doktor ein Hindernis entdecken konnte, stand es mit einem Male wie festgewurzelt. Ellison sprang ab, stolperte aber über eine Wurzel und als er sich rasch aufrichten wollte, fühlte er einen menschlichen Körper neben sich. Rasch riss er seine elektrische Taschenlaterne heraus, ohne zu bedenken, welch gefährliches Signal er damit gab. In demselben Augenblick aber, wo er in das grässlich entstellte Antlitz des einen der beiden Kaffeinjungen sah, welche Harrington nach Handley aussandte, pfiff eine Kugel dicht an seinem Kopf vorbei. Sie traf das Pferd in die Weichen, das sich in wütendem Schmerz hoch aufbäumte und dann, sich nach rückwärts wendend, mitten hineinstürmte in die Kolonne.
Noch wusste keiner der Leute, was eigentlich los war, als von dem Hügel herab die Kugeln förmlich herniederhagelten auf die unglückliche Reiterschar.
Eine Panik ohnegleichen entstand. Erst versuchte man aufs gerade- wohl die Schüsse zu erwidern, und einen Augenblick teilte sich die Kolonne sogar in zwei Parteien, die blindwütig auf einander feuerten.
Inzwischen versuchte der Doktor vergebens, sich auf eines der rasend durcheinanderrennenden führerlosen Pferde zu schwingen. Rechts und links von ihm schlugen die Kugeln ein. Binnen weniger Sekunden war die stattliche Reiterschar ein grauenvoller Knäuel blutender Menschenleiber und zerfetzter Tierkörper, halb eingewühlt in die vom Regen aufgeschwemmte Erde, hilflos in der entsetzlichsten Finsternis, die all das Schreien, Rufen, Aechzen, Wimmern, Stöhnen zu einem grässlichen Akkord verschmolz.
Aufheulend wie ein zu Tod getroffenes Tier stürzte sich Ellison mitten in das dichteste Gewühl. „Nur sterben mit diesen Aermsten, sterben inmitten der Opfer meines Wahnwitzes, dies schmähliche Ende meines stolzen Traumes nicht überleben!“ Weiter vermochte er im Augenblick nicht zu denken.
Aber er wurde gerissen, gequetscht, getreten, ohne dass eine Kugel ihn gefunden hätte. Und allmählich kehrte ihm die klare Besinnung zurück. „Uebergabe!“ rief er sich selbst zu.
Aber wie war hier eine Uebergabe zu bewerkstelligen in dieser Finsternis, die kein Signal zu durchleuchten vermochte!
Gleichviel! Es war seine Pflicht, alles daran zu setzen, um den Feind von weiterem Morden abzuhalten. Fand er selbst seinen Tod dabei, um so besser!
Und mit einem Elan, den keiner dem kleinen, schmächtigen Männchen zugetraut haben würde, kletterte Ellison den Hügel hinan, von dem das vernichtende Feuer kam. Unaufhörlich sausten die Kugeln über ihn hinweg. Gras lind Busch zerschnitten ihm die Hände. Die niederhängenden Aeste peitschten sein Gesicht blutig.
Manchmal wollte ihn die Erschöpfung übermannen, aber die stählerne Energie blieb Siegerin. Immer höher arbeitete er sich an der schroff abfallenden Wand hinauf. Schon glaubte er den Gipfel erklommen zu haben, da schien noch einmal ein schier undurchdringliches Dornengestrüpp all sein Mühen zu schände machen zu wollen.
Als er sich mit Händen und Füssen hindurchgearbeitet, fiel er wie ein Bleiklumpen einem baumlangen Buren zu Füssen, der im ersten Augenblick erschreckt vor dieser Erscheinung zurückwich, die nichts