1. Jahrgang
Romanbeilage m „Kolonie und JCdmat“
Nr. 26
Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.
Lehmanns Jfoch^eit.
J(umores%e aus Deutsch - Ostafri^a von
W. von ${. Paul- J-llaire.
n Satuta war Pflanzertag gewesen. Der Pflanzertag ist ein Ereignis für die aufblühende Hafenstadt. Da kommt Leben in den sonst ziemlich stillen Ort. Von nah und fern strömen die Pflanzer und Farmer zur Stadt. Sonnengebräunte, kräftige Gestalten. Männer harter Art. Ein- oder zweimal im Jahre spannen sie einige Tage aus, um über ihre gemeinsamen Interessen zu beraten. Monat für Monat fern von aller Kultur im Busch, wollen sie nach langen Entbehrungen wieder einmal die Genüsse der Stadt kosten. Ueppig sind diese ja sowieso nicht. Den heimischen Agrarier in der Berliner Landwirtschaftswoche könnten sie kaum befriedigen. Aber hier in Afrika wird man genügsam. Endlich mal wieder ein Konzert und die Hauptsache: trunk- und sangesfrohe Geselligkeit. Kommt da gerade an solchem Tage ein blasierter Berliner nach Satuta, sieht und hört solch Treiben, so fühlt er sich verpflichtet, umgehend die grausigsten Berichte nach Hause zu senden. Als ob die derb-lustigen Abende unserer Afrikaner nicht viel harmloser wären, als die Berliner Vergnügungen bei solchen Anlässen.
Auch diesmal war er „normal“ verlaufen. Nach ernster Arbeit frohes Fest — bis tief in die Nacht hinein. — Und Morgens manch schwerer Kopf.
. Die meisten Pflanzer vefTTessen Satuta wieder mit dem Frühzuge. Einige blieben noch da, um den Europa-Dampfer, der am Nachmittage eintreffen sollte, abzuwarten.
Es war 9 Uhr. Der Direktor Reder der Shambala-Holzexportgesell- schaft in Satuta sass an seinem Schreibtisch im Bureau und stützte den Kopf auf beide Hände. Der Buchhalter Herr Lerte trat ein: „Briefe vom Sägewerke, Herr Reder. Ein Waggon Holz angekommen. Der Bahnmeister meldet —“. Reder sah auf: „Mensch, haben Sie denn gar kein Herz im Leibe? Fehlt Ihnen denn jegliches christliche Mitgefühl? Ausgerechnet heute früh disponieren, — Ordres geben, — womöglich Papier verderben —! Das können Sie nicht verlangen.“
„Na, ja“, erwiderte Lerte, „es ist auch nichts Wichtiges, und die Briefe ändern sich ja bis morgen nicht. Ich habe auch noch nicht ganz ausgeschlafen.“
Bei den letzten Worten trat Herr K o s c h i, Administrator der Sisal-Plantagen Koschihof und Katani, ins Bureau.
„Morgen, Herrschaften!“ grüsste er. „Ihr macht ja verdammt trübtümplige Gesichter! Caput oleosum vulgare! Oder wenn das heute früh noch über Ihr Verständnis geht: „Janz jemeiner Oelkopp!?“
„Danke, fein mittel!“ erwiderte Reder.
„Wie ist Ihnen denn die Sache bekommen?“
„Bis auf ein unbestimmtes, heimatloses Gefühl in der Magengegend eigentlich ganz gut. Und Katerideen, ich könnte ganz Satuta auf den Kopf stellen!“
„Dem lässt sich abhelfen, Herr Koschi“, fiel Lerte ein. „Hundehaare auflegen! Wie wär’s mit einem kleinen Whisky-Soda vom Eis?“
„Setzen wir uns erst mal in den Zug auf die Veranda, um dem Kopf durch den Monsun neue, kühle Gedanken zuwehen zu lassen. Nehmen Sie sich aber in acht, dass Sie Ihre Katerideen nicht in Konflikt mit der hohen Obrigkeit bringen. Prügel haben Sie zwar heutzutage ebenso wenig wie unsere lieben schwarzen Brüder zu gewärtigen, aber man könnte Sie doch zur finanziellen Unterstützung der Bezirkskasse heranziehen.“
Sie Hessen sich auf der Veranda auf langen Bombaystühlen nieder.
„Wo stecken denn diese Herren Boys eigentlich?“ hörte man Lerte draussen fragen.
„Die haben doch keinen Grund, heute auch blau zu machen.“
Endlich kam Ali keuchend angelaufen.
„Wo hast Du denn gesteckt, mein lieber schwarzer Bruder?“ fragte Lerte.
„Ich bin arretiert und soeben erst entlassen worden.“
„So“, fragte Reder, „was hast Du denn verbrochen?“
„Nichts, Herr“, war Alis Antwort. „Ich habe nur auf dem Wege zu meinem Hause eine Zigarette geraucht, da hat mich ein Polizist arretiert.“
„Siehst Du, mein Sohn“, erwiderte Reder,
„das kommt davon. Wo steckt denn die zweite Perle des Hauses, Herr Hamissi?“
„Dem hast Du doch Urlaub zum Heiraten gegeben“, versetzte Ali. „Gestern abend war das Hochzeitsmahl. Jetzt bleibt er sechs Tage daheim.“
„Hochzeit!“ unterbrach ihn Koschi. „Famos, Herrschaften, ich hab’s. Eine ausgezeichnete Kateridee. Wir veranstalten eine Hochzeit, die unsere braven Satuta-Deutschen aus dem Kater aufrütteln und auf die Beine bringen soll!“
„Hochzeit?“ fragten erstaunt die beiden anderen Herren.
Koschi war lachend aufgestanden. *
13 -
An unsere Leser1
In Nr. 1 des zweiten Jahrganges
beginnt ein neuer
Kolonial-Roman
aus der Feder des beliebten Reiseschriftstellers
Stefan v. Kotze ,
mit dem Titel:
„Das Gift des Vergessens“.
Er spielt in der Südsee und in Australien und schildert die Verhältnisse kurz nach der Erwerbung des deutschen Südsee-Schutzgebietes in den 80er Jahren.. Stefan v. Kotze, der zu jener Zeit Beamter der Neu - Guinea- Compagnie war, ist wie keiner in der Lage, den Lesern ein lebendiges Bild der damaligen Verhältnisse zu entrollen und die Leser durch seine fesselnde und humorvolle Schreibweise zu erfreuen.
„Lassen Sie mich nur machen, Sie werden gleich hören.“ Damit trat er an den Fernsprecher und klingelte. Das Amt meldete sich. „Bitte, verbinden Sie mich mit der Schule.“
„Hier Schule“, kam umgehend die Antwort.
„Hier Lehmann“, rief Koschi mit verstellter Stimme. „Verzeihen Sie, dass ich Sie schon so früh störe. Ich bin gestern aus dem Innern gekommen und erwarte mit dem heutigen Europadampfer meine Braut. Am Nachmittag will ich mich trauen lassen, und abends im Klub meine Hochzeit feiern. Kann ich vielleicht dazu die Musik der Schule bekommen? Herr Reder, den ich kennen lernte, riet mir, mich deshalb an Sie zu wenden.“
„Schweigen Sie still, Herrschaften“, wandte sich Koschi zu Reder und Lerte, die anfingen, unbändig zu lachen, „ich kann sonst die Antwort nicht hören.“ — Und weiter am Fernsprecher: „Was sagten Sie?“
„Meinen werten Namen haben Sie nicht deutlich verstanden? Also nochmal: Lehmann, Friedrich Wilhelm Lehmann, Weltreisender aus Berlin W.“
Von der Schule wurde geantwortet:
„Na, wir werden mal sehen, was sich machen lässt. Klingeln Sie bitte in einer halben Stunde wieder an.“
„Ich bin doch begierig, was da raus kommen wird“, sagte Reder lachend.
„Warten Sie nur, es geht gleich weiter“, war Koschis Antwort. Wieder klingelte er: „Bitte, Agentur der Ostafrika-Linie.“ Als die Verbindung hergestellt war, entwickelte sich folgendes Gespräch:
Koschi: „Hier Lehmann, Friedrich Wilhelm Lehmann aus Berlin W. Um welche Zeit wird heute der Europa-Dampfer erwartet?“
Agentur: „Um 3 Uhr nachmittags etwa.“
Koschi: „Wäre es vielleicht möglich, dass ich zur Feier meiner Hochzeit, die heute hier in Satuta stattfinden soll, die Räume des Klubs benutzen könnte. Man sagte mir, der Herr Vertreter der Agentur sei Mitglied des Klub-Vorstandes. Meine Braut kommt nämlich mit dem Dampfer.“
Agentur: „Wir können Ihnen darüber keine bindende Auskunft geben, wollen aber gleich mal beim Klub-Präsidenten, Herrn Stabsarzt Professor Dr. Hellwig, anfragen, der die Sache zu entscheiden hat. Klingeln Sie, bitte, in einer halben Stunde nochmals an. Vielleicht versuchen Sie auch selbst noch, Herrn Hellwig zu treffen. Sie werden ihn wahrscheinlich jetzt noch im Hospital antreffen.“
Koschi: „Schön, werde ich tun. Ich habe bereits mit dem zweiten Klubvorsitzenden, Herrn Reder, gesprochen. Er will meine Bitte befürworten. Danke inzwischen sehr.“
Agentur: „Können wir Ihnen sonst noch dienlich sein?“
Koschi: „Wenn Sie mir gestatten würden, in Ihrem Boot oder Ihrer Pinasse mit Ihnen zum Empfange meiner Braut an Bord zu fahren, wäre ich Ihnen sehr verbunden.“
Agentur: „Recht gern. Wir werden Sie bei Einlaufen des Dampfers am Boot vor unserem Hause erwarten.“
Koschi: „Danke verbindlichst. Werde mich pünktlich einfinden. Schluss.“
„So“, wandte sich Koschi zu den beiden Herren, „jetzt sind Sie wohl’ im Bilde. Ich muss mich jetzt erst stärken. Machen Sie mal weiter. Vor allem muss der Pastor in Bewe- -Q gung gesetzt werden. Die Linien-Agentur wird Hellwig schon auf dier Beine bringen.“ Schon klingelte Lerte den Pastor Cre- t i u s an.
Der Pastor: „Hier Pastor Cretius; wer dort?“ Lerte: „HierHolzexport-Gesellschaft. Morgen, Herr Pastor! — Hier war ein gewisser Lehmann, Weltreisender aus Berlin, der sich heute nachmittag gleich nach der Ankunft des'Dampfers, der seine Braut bringt, von Ihnen trauen lassen will. War der schon bei Ihnen?“
Der Pastor: „Nein, bis jetzt noch nicht. Sind denn seine Papiere in Ordnung? Wann soll denn die standesamtliche Verbindung des Paares stattfinden?“
Lerte: „Das können wir Ihnen nicht sagen: Wahrscheinlich wird Herr Lehmann sich doch darüber mit dem Standesbeamten ins Einvernehmen gesetzt haben. Er wird doch darüber auch mit Ihnen reden.“
Der Pastor: „Ich bin nun aber gar nicht vorbereitet.“
Lerte: „Na, eine Traurede für einen Weltreisenden schütteln Sie doch aus dem Aermel.“ Der Pastor: „Aber meine Frau ist nicht da, die sonst immer das Harmonium spielt.“
Lerte: „Dann fahren Sie doch nach den nötigen Vorbereitungen zur Ausschmückung der Kirche zu Frau Bezirksamts-Sekretär Kremer, Sie spielt ja gut Klavier und wird Ihnen sicher aushelfen. Wenn Sie jetzt ein bisschen übt, wird es nachmittags schon gehen.“
Der Pastor: „Denn will ich doch gleich mal zu ihr fahren. Adieu!“
Lerte: „Adieu, gute Verrichtung!“ * *