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Nr. 116 .

Metz. Freitag den 28. Mai 1913

MtzerDZeitung

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W

Das Neueste vom Tage.

In der gestrigen Sitzung der Budgetkommrssion der französischen Kammer schlug Finanzmiuister Dnmout vor, ein Spezialkonto für die Landesverteidigung jm schaffe«, auf das die bereits geforderten 888 Millionen Francs und weiter die neuen Kredite gebracht werden soll­ten, welche der Mariueminister für die Verstärkung der Flotte fordern würde. Der Gesamtbetrag dieses Spezial- kontos werde sich wohl zwischen 868 und 1660 Millionen Fr. bewegen. Znr Ausgleichung dieses Kontos sollten Obliga­tionen mit LOjähriger Laufzeit zum Durchschnrttsknrse der französischen Rente vom Fahre 1913 ab ausgegeben werde«. Der Finanzminister betonte ausdrücklich, daß diese Anleihe nur für die einmaligen Ausgabe« dienen solle.

Die französische Heereskommifsion hat heute den Be­richt des Deputierten Pate über die dreijährige Dienstzeit angenommen. Der Bericht wird am Montag im Par­lament verteilt werden.

Acht Leibärzte des Kaisers von Japan haben feine Er­krankung an Lungenentzündung festgestellt. Der Kaiser hat . hohes Fieber. Nach einer Nentermelönng über New-Dor? soll der Kaiser von Japan gestorben fein. Eine Bestätigung fehlt noch.

Ein potitilcher Sonnentag.

von unserm Berliner ---Korrespondenten.

Berlin, 21. Mai.

In den Annalen der Berliner Monarchenbesuche muß man bis in die Maitage des Jahres 1889, als König Hum- bert von Italien Visite abstattete, zurückgehen, um auf ein. Beispiel für die freudige Erregung zu treffen, mit der von der Bevölkerung der Neichshauptstadt heute das eng­lische Königspaar bewillkommt wurde. Funkeln­der Sonnenschein überschüttete diese Vormittagsstunöe wie mit Verheißung: froher Widerschein glänzte von allen Ge­sichtern, die der geschäftigen Polizeiorgane nicht ausgenom­men: wehende Blüten und Flaggen, muntere Musikweisen, ein buntes Gewimmel-von Alt und Jung ein Volksfest schien's, das jedem die Gewißheit geben mußte: die Zeit ist eine wesentlich andere, als an dem grauen Wintertag vor vier Jahren beim Berliner Besuch KönigEduards, das endlich erreichte beiderseitige ehrliche Freunöschaftswol- len gibt wohl untrügliche Sicherheit gegen einen Rückfall in die Nebel des Argwohns und der Feindseligkeit.Blut ist dicker als Wasser", auch bei den stammverwandten Völ­kern. Die englische Kolonie Berlins hatte sich wohl voll­zählig aufgemacht, die Volksstimmung der Massen aus un­mittelbarer Anschauung kennen zu lernen. Ihr Mitarbei­ter sprach Vertreter großer Londoner Zeitungen und kann feststellen, daß freudiges Staunen sie beseelte. Der Besuch

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(Nachdruck verboten.)

Irmengard.

Roman von Georg Hartwig.

Der Kenner urteilt subtiler. Da ist pro prlmcr das klassische Profil: Stirn und Nase beinahe von gleicher Linie, alles strengste Proportion bis in die Ohrläppchen hinein, Ausdruck junonisch großartig brr, um Gottes willen nur keine Hero oder Minerva zur Freundin be­gehren. Gegensätzlich präsentiert sich die stülpnasige Schön­heit, Teint an Blümchenkaffee erinnernd, Mund groß genug, zweiunddreitzig Perlen auf einmal zu zeigen, Stirn niedrig und kreisrund, voller barocker Einfälle, Tempera­ment heiß und Lippen kirschrot"

Nun?" forschten Freiberg und Irma lachend wie aus einem Munde, als Dreysing stockte und sich bedenklich am Ohr zupfte.

Fort damit! Der Zauber ist gefährlich, aber er hält nicht vor. Stülpnasige Profile ähneln sehr bald der Fleder­mausschönheit. Diese Weiber haben überhaupt etwas Vamp-yrartiges an sich. Kommt Numero drei: die ge­mäßigte Schönheit, welche Temperament und Seelenadel in dem kühnen Schwung ihrer Augenbrauen vereint"

Lieber Kollege", unterbrach ihn der Amtsrichter, als er bemerkte, daß der Justizrat Irmas Bild zu zeichnen begann,ich gebe Ihnen die Versicherung, daß Fräulein Werner in keine Ihrer Kategorien hineingehört."

Graf Freiberg, Ihre Meinung!" rief Dreysing leb­haft.-

Dieser lächelte, dann sagte er:

Ein Madonnengesicht, Herr Jnstizrat."

Also Numero vier! Warum ließ man mich nicht aus- reöen? Sehr rührend, sehr lieblich, aber regungslos, ohne Ebbe und Flut" ....

Getroffen!" rief Irma fast jubelnd.

Hier öffnete sich die Türe zum Eßzimmer, und Marga­rethe trat nichts ahnend ein.

Meischick, durch das ganze Gespräch in seinem Zart­gefühl verletzt, erhob sich, aber Irma kam ihm zuvor.Er­laube, es ist meine Sache, Fräulein Werner mit unserem verehrten Freunde bekannt zu machen: Herr- Justizrat Dreysing unser. Handmütterchen Margarethe Werner! iSo, nnn kannst du sie wieder nuter deine Fittige nehmen," schloß sie mit graziöser Handbewegung nach ihrem Gatten.

Gretchen, auf deren Wangen noch der Widerschein des Heröfeuers flammte, sah in diesem Moment ebenso Mätw chenhast züchtig, als bübsch ans. Ihr rundes Gesichtchen

soll nur familiären Charakter tragen. Nun, die Bevölke­rung der deutschen Reichshauplstadt ließ ans ihren unge­künstelten Empfindungen ein eminent politisches Moment erstehen, und Englands sympathisches Herrscher­paar wird das Jmponderabile zu würdigen wissen. Der heutige Volksempfang in Berlin hat ihm eindringlicher, als Feder und Lippen von Diplomaten es vermöchten, die Gewißheit ins Herz gesenkt, baß die Gefühle MM nur der Freundschaft, sondern aufrichtigen Vertrauens Zwischen Dänischen und Briten obwalten müssen, daß alles andere als Unnatur abzuweifen ist. So strahlt aus der hehrer, Freude des Familienfestes am deutschen Kaiserhause viel­leicht als schönster Glanz die beglückende Losung: D e u t sch- lanöS und Englands Flaggen sollen in aller Zeit friedlich nebeneinander wehen trotz Dreiverband und Revancheiöee! WaS aus der Tiefe der Volksseele aufsteigt, ist Wahrheit, ist alleinige, unbedingt zu respektierende Wahrheit. Darum Vertrauen gegen Vertrauen!

Die HochMsseierlichkeiten in Kerlin.

Herzlicher Empfang -er Cnmverlänher.

W Berlin. 22. Mai.

Nachdem Bereits gestern eine große Zahl fürstlicher Gäste, die mit dem deutschen Kaiserhause durch verwandt­schaftliche Bande verknüpft sind, in Berlin angekommen waren,.sind heute Vormittag 10.10 Uhr -er Herzog zu Braunschwetg und Lüneburg, dessen Gemahlin und Prinzessin Olga auf dem Anhalter Bahnhof eingetrof­fen. Der Herzog trug österreichische Uniform, die Her­zogin ein weißes Kleid. Der Ehrendienst, bestehend aus dem Gouverneur deS Jnvalidenhauses, General der In­fanterie Freiherrn von Hammerstein-Loxten und dem Kommandeur deS Husaren-Regiments Zieten (brandenbur- gisches) Nr. 3, Oberstleutnant von Baumbach, war den Eltern des Bräutigams entgegengereist und hatte sich in Teltow gemeldet. Die Ehrenkompagnie auf dem Bahnhof stellte das erste Garde-Regiment zu Fuß, die Geleitseska­dron das Garöeküraffier-Regiment. Zum Empfange waren der Kaiser, die Kaiserin, die Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses sowie zahlreiche Würdenträger und die Staats- und Militärbehörden anwesend. Nach herz­licher Begrüßung der Fürstlichkeiten begab man sich tm Galawagen über den Potsdamer Platz, die Siegesallee und Unter den Linden nach dem Schlosse. Unterwegs wurden den Fürstlichkeiten lebhafte Huldigungen bereitet.

Um 10.40 Uhr trafen die Majestäten mit den cumber- länöischen Herrschaften, aus dem ganzen Wege vom Publi­kum herzlich begrüßt, am Lustgarten ein. Am Schlage, des ersten ossenen Vierspänners, in welchem der Kaiser links neben dem Herzog saß, ritt der Oberstallmeister Freiherr von Reischach, neben dem zweiten Wagen-mit der Kaiserin und der Herzogin der Vize-Oberstallmeister Freiherr von Esebeck. Im -ritten Wagen saßen das Brautpaar und die Prinzessin Olga. Der Einzug in das Schloß erfolgte durch Portal 6. An der Wendeltreppe war der Kaiser den Damen beim Aussteigen behilflich. Trompeter der Ehrenwache der -er Garde du Corps -ließen den Präsentiermarsch. Jm Schlosse fand Empfang und großer Bortritt statt. Hierzu hatten sich die Palastöamen, die Ehrendamen der Kaiserin, die sämtlichen Hofchargen, die Minister des Königlichen HanseS, der Chef des Geheimen Zivilkabinetts eingefunden, die Herren im Paradeanzug oder Gala, die Damen in Promenadentoilette. Die Grotzher'zogin Luise von Baden hatte sich ebenfalls ins Schloß begeben und be­grüßte hier die cumberlänöischen Herrschaften. Die Maje­stäten geleiteten den Herzog und die Herzogin in die für sie bestimmten Gemächer, in die Wohnung Friedrich Wil­helm IV. Das Wetter ist sehr schön.

Das Eintreffen des Zaren.

Etaw IVz Stunden nach dem Eintreffen des Herzogs von Cumberland traf auf dem Anhalter Bahnhof der russische Kaiser ein, Her heute zum ersten Male in Berlin weilt. Zum Empfang des Zaren war der Kronprinz in der Uniform seines Kleinrnssischen Drago­ner-Regiments Nr. 14, Prinz Friedrich Leopold in der

mit den großen braunen Augen, die stets sanft und auf­merksam um sich schauten, das braune, glatt geflochtene Haar, die kaum mittelgroße, aber volle Gestalt vollendeten ein Ganzes, welches zu Irmas wechselreicher Schönheit in scharfem Kontrast stand. Jene Götter, welche um Irmas Mundwinkel zu flattern und zu flammen pflegten, mach­ten Margarethens Lippen nie zn ihrem Tummelplatz, noch fand das Zagen und Jauchzen jener stolzatmenden Brust jemals einen Widerhall in der bescheidenen Seele des jungen Mädchens.

Widerwillig insgeheim legte Margarethe ihren Arm in den des Grasen, um ihm znr Tafel zu folgen, während der Amtsrichter allein hinterher schritt, dem geringen Ein­fluß grollend, welchen das junge Mädchen bisher auf Irma ausgeübt.

Bet Tische machte Freiberg den Vorschlag, die gesamte Nessoureengesellschaft zu einer Schlittenpartie aufzu- foröern, und wurde sofort von Seiten der schönen Haus­frau auf's Eifrigste unterstützt. - /

Aber wohin wollen wir fahren?" ' '

Kronthal ist jetzt so weit eingerichtet," sagte der Graf, sich verbeugend,daß ich es wagen darf, den erlauchten Stttlingeru dort ein kleines Fest zu geben."

O, prächtig, charmant!" rief Irma, sofort Feuer und Flamme.Endlich einmal ans diesen dumpfen Mauern heraus! Aber wann, Graf Freiberg?"

Nun, sobald als möglich. Uevermorgen. Morgen treffe ich die Arrangements."

Sie täuschen sich über die Schwierigkeiten eines sol­chen Unternehmens, Herr Graf!" warf Meischick artig ein.

So mag der Justizrat helfen. Ich wünsche eS", fuhr Irma mit bezaubernder Koketterie fort,und werde dar­aus ersehen, wie weit Ihre Versicherungen der Ergebenheit ans Wahrheit beruhen. O, erst Sie Tat," lächelte sie, alS Dreysing ihre Finger an feine Lippen -rückte,dünn her Lohn!"

Der Amtsrichter, sprachlos über dieses Gebühren seiner Gattin, bemerkte, wie Margarethe vor Ueberraschung znsammeuznckte. Er schämte sich Irmas in diesem Augen­blick.

Freiberg lächelte sorglos. Er wußte ebenso gut, wem zu Liebe er sich in das beschwerliche Unternehmen stürzte, als er wußte, daß Irma diese Gnustbezeugung lediglich um seinetwillen ausgeteilt hatte. Gut, ich lasse mir die Kon­kurrenz gefallen", rief er scherzend,und nehme trotzdem alle Verantwortlichkeit auf mich, gfs das find: verbrannt^ Cbokolade, mißratener Kuchen

Uniform seines Libauischen Infanterie-Regiments und der König von England in der Uniform seines preußischen Kürassier-Regiments Graf Geßler (Rheinisches) Nr. 8, er­schienen. Anwesend waren «. a. noch Prinz Eitel Fried­rich, Adalbert, Friedrich Wilhelm, Albert zn Schleswig- Holstein, der Reichskanzler, die Staatssekretäre v. Tirpitz und v. Jagow, Polizeipräsident v. Jagow, Kriegsminister v. Heeringen, der Chef der Generaloröenskommission von Jakobi, der Kommandeur des Gardekorps Freiherr von Plettenberg, Generaloberst v. Pressen, Generaloberst v. Kessel-, General der Infanterie Freiherr v. Lyncker, Ad­miral Müller, der Chef des Zivilkabinetts Geheimrat von Vmentini, der Kommandant von Berlin, Generalmajor v. B^rin, Eisenbahnpräsident Rüdlin, Oberstallmeister Freiherr y. Reischach, Propst v. Maltzow und. Propst Sacha-

Lu ^r-opst Maltzow sagte der Zar bei der Begrüßung, Wte# ihn seiner Kirche begrüßen zn können. Der Ehrenölenit, dem Generaladjutant General der Infanterie v. Moltke, der -tt-spekteur des Marine-Bilöungswesens Vizeadmiral v. Domb^tyMs, der Kommandeur des Kaiser Alexander-Garde-Grenad^r-Regiments Nr. 1 . Oberst

Schach von Wittenau, der K^ininandeur des 2. Garde-Dra- goner-Regts. Kaiserin Alexanörq von Rntzland und Oberst- Drhr. v. Zedlitz und Lupe angehören, war bis Cüitrin-Neustadt entgegengereist. K kj s e r W il h e l m in der Uniform seines kaiserlich russischen Leib-Garde-Grena- dier-Regincents schritt dem Zaren entgegen, der die Uniform des Alexander-Regiments trug, und begrüßte ihn überaus herzlich. Während der Vorstellung der Prinzen und des beiderseitigen Gefolges spielte die Regi- mentsmustk des l. Garde-Regiments zu Fuß, das auch die Ehrenkompagnie ^stellt hatte, und die üblichen Ehrenbezeu­gungen erwies. Dann erfolgte die Abfahrt der Fürstlich­keiten in offenen Wiften, vor und hinter dem je zwei Züge der ersten Eskadron ^es zweiten Garde-Dragoner-Regts. ritten. Die Equipage begleitete rechts der Kommandierende General des Garöekorps Frhr. v. Plettenberg, links der Oberstallmeister Frhr. vor> Reischach. Der Zug nahm den Weg durch die Königgrätzer. Straße, über den Potsdamer Platz, durch die Bellevuestraße.die Siegesallee, die Charlot­tenburger Chaussee und das nht Flaggen und Guirlanden geschmückte Brandenburger Tor n^ch dem Schloß. Unter­wegs wteöerholtcn sich dieselben Ehrenbezeugungen wie Tags vorher bei dem englischen Herrscherpaar. Beim Her­annahen der Majestäten wurde Negimenterweife präsen­tiert und das Spiel gerührt sowie ein Hurra ausgebracht. Beim Kreuzen der FriedricUtraße setzte das Abfeuern des Ehrensaluts von 101 Schüssen ein. Um 12 Uhr traf der Kaiser mit dem Zaren im Schlosse ein. Die Truppen btt-

det<!N ««%, -v.-c'rs^. -ss--«*-,-.----

len spielten die russische Hymne. Der offene Vierspänner fuhr im Schritt die Front des Alexanderregiments, das im Lustgarten stand, ab und fuhr dann in Portal 4 ein. An den Fenstern der ersten Etage des Schlosses nach dem Lust­garten zu, standen die Kaiserin, der König von England in der Uniform seiner 8. Kürassiere, der kurz vor dem Zaren wieder im Schlosse angelangt war, die Königin von England, die Cumberländischen Herrschaften und die anderen im Schlosse wohnenden Fürstlichkeiten beobachteten die Einfahrt und winkten dem Kaiser und dem Zaren zu, was diese erwiderten. Jm großen Schloßhose stand eine Ehrenkompagnie des Alexander-Regiments, deren Front der Kaiser und der Zar abschritten und deren Vorbeimarsch eutgegennahmen. Hierauf empfing am Ein­gang zur Wilhelmschen Wohnung die Kaiserin mit der Kronprinzessin den Zaren, sowie auch dte Prinzes­sinnen des königlichen Hauses Hohenzollern und die Prin­zessinnen anderer souveräner deutscher Häuser. Gleichzei­tig fand großer Vortritt statt, wozu sich sämtliche Hofchar­gen, der Minister des königlichen Hauses' und der Chef des Geheimen Zivilkabinetts versammelt hatten. Der Zar wohnt in der Wilhelmschen Wohnung des Schlosses.

*

^ Berlin, 22. Mai. Die heutige Galatafel im königlichen Schloß, die zu Ehren des Königs von England und des Kaisers von Rußland und der übrigen Hochzeits- gäste gegeben wurde, war mit wundervollem Flieder präch-

Jch absolviere Sie tm Voraus!" lachte Irma über­mütig.

Es verrät.jedenfalls" Meischick konnte sich nicht länger bemeisternsehr viel Selbstgefühl von deiner Seite, liebe Irma, daß dn einer ganzen Gesellschaft in die­sem Fall vorgreifst. Dem Herrn Grafen wird dein Urteil nicht mehr noch minder gelten, als das unserer anderen Damen, und ich würde an deiner Stelle etwas vorsichtiger sein, mich in den Ruf einer überhebenden jungen Frau zu bringen."

Sie biß sich zornig auf die Lippe, dann lächelte sie fast mitleidig.Diese Befürchtung ist überflüssig, Leuten von Taktgefühl gegenüber gegen die Klatschereien der großen Menge bin ich, wie du weißt, gefeit. Es bleibt dabei, Herr Gras, die Schlittenpartie findet übermorgen statt! Es ist jetzt Ehrensache der beiden Herren, meinen Mann über den fraglichen Punkt eines Besseren zu belehren. Heben wir die Tafel auf."

Aber, lieber Freund und Kollege", flüsterte der Justiz­rat Meischick zu, als alle im Salon versammelt waren, wie können Sie einen harmlosen Scherz so erbarmungs­los tadeln. Mir sind ja Alle einmal neunzehn Jahre alt gewesen." .

Sie berühren Ehestandsangelegenhetten," sagte der Amtsrichter frostig und scharf zugleich.

Ich bitte um Verzeihung! Aber meine Verehrung und aufrichtige Freundschaft für Ihre liebreizende Gattin drängt mich, Ihnen zu sagen" t

Ich verstehe," fiel er ungeduldig ein.

Oder vielmehr Sie an ein weises Wort unseres Schiller zn erinnern:Zwang erbittert die Gemüter, be­kehrt sie aber nie!"

Ihre Ansicht ist schätzenswert, aber die meine ist hier die allein maßgebende. Die Manieren der großen Welt gehören wie ein rauschend eS Orchester in große Räume, In kleinen Verhältnissen wirken beide zu grell."

Sie sind still geworden," sagte Irma gedämpft zu Frei- Berg und lächelte ihn mit jenem Zucken der Mundwinkel an, worin Kinder Lachen und Weinen vereinen. »So still, rnein Freund?, Weshalb?"

Sie fragest noch?" flüsterte er heftig.Nie wieder Betrete ich diese Schipiste. Meine Ehre, meine Gefühle verbieten es!"

Sie faltete erschrocken die Hände.Und ich ~

Sie hatte es nur laut gedacht, der Graf aber fing den Kerrfzer auf. Eine jähe Fülle des Entzückens, goß flam­mende Röte über fein schönes Antlitz.Darf ich Sie MM*. Ntoraev ist meinem Schlitten Molen?" bat er tnnia.

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XXXXIII. Jahrgaug.

ttg geschmückt. Sämtlichen Fürstlichkeiten wurde von Pagest aufgewartet. Nach der Tafel Hielten dte Majestäten Cercle.

W Berlin, 22. Mai. Herzog Johann AlVrecht von Mecklenburg und Gemahlin sind heute Nachmittag um 2 Uhr 46 Minuten auf dem Potsdamer Bahnhof etngetrof-« fen und wurden vom Prinzen Eitel Friedrich empfangen. Die hohen Herrschaften begaben sich nach dem Hotel Adlon.

Auf dem Lehrter Bahnhof trafen heute Nachmittag kurK nach 4 Uhr das Prinzen paar Heinrich, sowie dessen Söhne Waldemar und Sigismund ein und nähmest im Hotel Kaiserhof Wohnung.

W Berlin, 22. Mai. Der Kaiser ficht am spätest Nachmittag aus. Das englische Königspaar nahm den Tee beim Prinzenpaar Heinrich tm Hotel Kaiserhof und besuchte dann noch die Großherzogin Luise von Baden.

Um 8 Uhr war Galatasel bet den Majestäten tm Weißen Saale des Schlosses, wozu zahlrc cche Einladungen an Herren und Damen des diplomatischen Korps, des Hofstaates, die Palastdamen, das Gefolge den Re chs- kanzler und Gemahlin, an die Generalität nno Admira­lität, an die Ritter des Schwarzen Adleroidens den hohen Adel, die Minister, Staatssekretäre, die sti nmführenden Mitglieder des Bunöesrats, die Prüft- nten des Reichst tages und der beiden Hauser des Landtages ergangen waren. U. a. bemerkte man unter den 'Gästen de» Boki schafter Sir Deward Goschen, Fürst Lichnowski, Swerbe< jew, Graf Pourtales, Statthalter Grafen v. Wedel, Staats« sekretär v. Jagow, Oberpräsident v. Conrad, OberMrger- meister Wermuth und Polizeipräsident v. Jagow. Die allerhöchsten und höchsten Herrschaften versammelten sich im Rittersaale, von wo sie sich im feierlichen Zuge nach dem Weißen Saale begaben. Das hohe Brautpaar er-i öffnete den Zug. Der Kaiser führte die Königin von EnM land, der König von England die Kaiserin.

W Berlin, 22. Mat. Prinz Waldemar von Däne-« m ar k ist mit seinen Söhnen A a g e, A x e l heute früh auf dem Stettiner Bahnhof emgetroffen.

IV Kiel, 22. Mai. Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen find mit ihren Söhnen, den Prinzen Waldemar und Sigismund, heute vormittag nach Berlin abgeretst.

Zn Ehren Richard Wagners.

W Berlin, 22. Mai. Die auf Befehl des Kaisers verarm stattete Feier des hundertsten Geburtstages Richard Wagners begann heute Mittag 12 Uhr mit einem Fest­akt tm Schanspielhause für ein geladenes Publikum. Der Festakt wurde mit dem A. Capetta-Cbyr aus heM

der königlichen Kapelle glänzend vorgetragen und gab dem musikalischen Grundton zu der Festrede des Geheimen. .Negierungsrates Professor Dr. Bürbach, welche Richard Wagner, den Sprößling des Heldenjahres 1813 als einen Helden in seinen Taten, .Kämpfen und Leiden und als Er­neuerer deutscher Kunst feierte. Der Redner führte Richard Wagners Lebenswerk in allgemeinen Zügen vor und ver­weilte dann insbesondere bei den Beziehungen zu BerliNj. von den Kämpfen des 23jährigen bis zum endlichen Triumphe unter den Augen des neuen SiegfriedkarferK und des erneuerten deutschen Reiches und schloß mit dem Wunsche, daß das Werk dieses unsterblichen Lebens Teilte Bedeutung auch unter den durch das Freiwerden des letz­ten BühnendramasParsiival" veränderten Beöingmrgew bewahre. Die Feier schloß mit dem Lateran-Chor ans Rienzi, welcher vom Domchor vorgetragen wurde.

Berlin, 22. Mai. Heute Nachmittag finden in den. Berliner Anlagen unter freiem Himmel von 10 Mili­tärkapellen Konzerte anläßlich des 109. Geburts­tages Richard Wagners statt. Am Denkmal des Tondich­ters legten die Stadt Berlin, die Theater und zahlretchr Verehrer Kränze nieder.

W Leipzig, 22. Mai. Anläßlich des 10 0. G e b n et Z- tages Richard Wagners fand heute Vormittag in Anwesenheit der Spitzen der Behörden und zahlreicheL geladener Gäste auf dem festlich geschmückten Platze vor der Matthäikirche die feierliche Grundsteinlegung zu dem Wagner-Denkmal statt. Der Schöpfer des Denkmals ist

Ich weiß nicht," hauchte sie mädchenhaft verschämt.

Das alles bemerkte Margarethe Werner, trotzdem sie eifrig an dunklen Strümpfen für Tante Käthes Schützlinge strickte. Unsagbare Furcht rang sich ihr plötzlich vom Her­zen los. Sie schaute hinüber zu Meiichrck. G?* erschien bleicher als gewöhnlich. Auch er beobachtete Irma, aber er sah nur Koketterie in ihrem Mienenspiel. Freibergs Persönlichkeit war ihm so vollkommen gleichgiltig, daß ev ihm nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte.

In diesem Sicherheitsgefühl lag die Erklärung feiner sonst unbegreiflichen Handlungsweise.-

In den nächsten viernnözwanzig Stunden herrschte er­wartungsvolles Treiben im Städtchen Sittlmgen. Groß und Klein, Alt und Jung führten nur drei Worte im Munde: Schlittenfahrt, Freiberg und Kronthal,

Das Wetter war günstig, der Himmel mattblau, dis Sonne frostig golden, die Luft durchsichtig klar, der Erd^ boden eine glänzend weiße Decke, mit Silberbäumen längs der Chaussee eingefaßt, alles flimmernd in stiller Winter- Pracht, die wie ein erstarrter Gedanke über der frühlings- lustigen Natur hing.

Gleich nach zwei Uhr ließen sich hier und da in öeu Straßen muntere Glöckchen hören: auf dem Markt stand die gesamte Jugend, zappelnd vor Erwartung und Külte, Alle Nichtressourcenfähigen drückten wenigstens ihre Nasen an den Fensterscheiben platt, um den Vorgeschnmck diesec. Lustbarkeit zu genießen.

Irma befand sich an diesem Tage in fieberhafter Iln« geduld. Würde Freiberg sie wirklich abholen? Mit des ganzen Heftigkeit ihres Temperamentes gab sie sich dem Zauber dieser Frage hin. Die finstere Stirn des Gatten beachtete sie längst nicht mehr, er hatte für sie ja doch nichts Anderes als Tadel und Unzufriedenheit übrig. Ihr ver­letzter Stolz fragte nicht darnach, ob ihre Schuld die Fehler des Gatten nicht himmelweit überstiege, und zu ihrer Ent^ schulöignng kann nur geltend gemacht werden, daß sie ditz Liebe ihres Gatten erloschen wähnte, wie dte ihre.

Schön und strahlend wie ein dunkler Diamant erschieu Irma in ihrem pelzbesetzten schwarzen Sammetkostüm, daS Barett leicht in die Stirne gedrückt, am Fenster, schaute hinab auf das sich mehrende Gewühl und harrte. Freiberg kam nicht. Ihr eigener Schlitten stand bereits vor der Türe. Sie mußte alle Kraft zusammennehmen, dem vor<> ünschreitenden Gatten ruhig zu folgen, während Margas reihe bescheiden Mantel und Tuch der inMen Frau nach) lutör' . , i:/

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