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Kranz Stelzhamer:
Hundert Gulden / Drei Schlemmer / Eine Nacht auf den Straßen Wiens / Freitag / Das tote Herz
Franz Stelzhamer, geboren am 29. November 1802 zu Grosspiesenham in Ober- Österreich, gestorben am 14. Juli 1874 in Henndorf bei Salzburg.
Er kam aus der Dorfeinsamkeit von Grosspiesenham und war eines Bauern Sohn, dieser ungemein sympathische österreichische Dialektdichter. Die erste Jugend floß ihm ungetrübt dahin und aus der Dorfschule ging es 1816 an das Salzburger Gymnasium. In Graz und AVien wurde dann von 1824 an das Studium der Rechtswissenschaften betrieben, doch kaum mit mehr innerem Anteil als späterhin die auf den väterlichen ^Wunsch ergriffene Theologie. Eine freimütige Antwort, die Stelzhamer dem frommen Examinator gab, und eine dafür erteilte Zurechtweisung veranlagten den Aufrechten, der Gottesgelahrtheit den Rücken zu kehren.
Stelzhamers Neigung gehörte ja längst der Poesie und dieser Plane wegen hatte er vordem schon der Juristerei entsagt wie auch dem Gedanken, sein Brot als Pädagoge zu erwerben, nachdem er als Erzieher einige Gastspiele in einem Wiener Institut und in einigen vornehmen Privathäusern gegeben.
Mit dem ganzen Mute des zukunftsicheren Dichters stellte er seine Sache nunmehr auf ein Nichts, und trat zu Passau bei einer wandernden Schmiere ein, die sein Jugendfreund Bechtold dirigierte. Ein freundlicher Geselle, dessen baldiger Bankerott Stelzhamer zwang, die Komödiantenfahrten zu beenden und sich auf die ^Wanderschaft nach einem Verleger zu begeben. Stelzhamers früheste volkstümliche Gedichte hatten inzwischen schon, von Mund zu Mund getragen, ihr Publikum gefunden, und 1837 erschien zu Wien die erste Sammlung der „Lieder in obderennsscher Mundart".
Mit dieser Publikation war das Eis gebrochen. Stelzhamer erlangte als Rapsode seiner eigenen Dichtungen zu ^Wien Zutritt in die Zirkel der Literatur, und den Zuhörern und
begeisterten Verehrern des innigen, schlichten Volksmannes gesellten sich die hervorragenden Zeitgenossen Grillparzer, Lenau, Stifter und andere mehr. Diese Erfolge bewährten sich auch, als Stelzhamer seit 1842 seine Vortragsfahrten über die Städte Oberösterreichs hinaus bis Salzburg und nach München und Stuttgart erweiterte.
1845 verheiratete sich Stelzhamer in Linz und zog nach Ried, in welcher Landabgeschiedenheit er eine reiche dichterische Tätigkeit entfaltete. Den Sammlungen „Neue Gesänge" (1841) und „Neue Gedichte" (1844) folgten 1845 die drei Bände „Prosa", denen die humorvoll nachdenklichen Gaben entnommen sind, die wir heute bringen. Ferner „Heimgarten" (1847) und „Jugendnovellen" (1854).
Liegt die volle Bedeutung des Dichters auch nicht auf novellistischem Gebiet, so muß man Stelzhamer, der stets etwas zu sagen hat, den guten österreichischen Erzählern zurechnen. Sein Tiefstes und Eigenstes hat er in den Poesien im heimischen Dialekt geboten, die, zusammt den kleineren „Fenstagsangln" und „Tänzln" längst eingegangen sind in den drastischen Liederschatz seiner Bauern. Dieses innige Heimatsgefühl lebt auch in der größeren Dichtung in Hexametern, dem vortrefflichen Dorfidyll „D Ahnl" (1851). Von den hochdeutschen Gedichten, die, bei geringerer Originalität, viel Schönes enthalten, seien genannt „Gedichte" (1855) und „Liebesgürtel" (1846).
Nach dem Tode seiner geliebten Frau, der den Dichter tief traf, führte Stelzhamer ein unruhvolles Leben mit wechselndem Aufenthalt in Linz, Braunau und anderen Orten. 1868 verheiratete sich der Dichter zum zweiten maL Stelzhamers 70. Geburtstag wurde in Oberösterreich fast als ein nationaler Festtag begangen, und als der Dichter im Jahre 1874 starb, kam in seinem Leichenbegängnis die Trauer eines Landes zum Ausdruck«
Hundert Gulden
Es war im Frühjahr 1835, als ich die jungen Fürsten von S— auf ihrer Reise durch die Schweiz und das südliche Deutschland begleitete. Nebst der gewöhnlichen Wißbegierde hatten die Fürsten noch die besondere, daß sie alle Irrenhäuser und Gefängnisse besuchten. Wir sahen manches Merkwürdige, was des Wiedererzählens wert wäre; das Auffallendste aber begegnete uns im Schuldarreste zu M—.
Es wohnten daselbst vorderhand nur sechs Individuen; eine leichtsinnige Quart, die, statt sich die Haare grau zu gramen, um Bohnen ein Kartenspiel machte, ein ältlicher Mann, dem nicht mehr zu helfen schien, und ein noch völlig junger, der aufmerksam an etwas Geschriebenem las und zuweilen korrigierte. Wie in seiner Beschäftigung, so unterschied er sich auch in seinem Aussehen bedeutend von seinen Konsorten. Sein Gesicht war nicht schamlos leichtsinnig, wie das der Spieler, und auch nicht tief betrübt und hoffnungslos, wie das des Alten. Er grüßte uns anständig mit flüchtiger Verlegenheit, dann tat er wieder seines Geschäftes.
Wer ist denn der Emsige dort? fragte einer meiner lebhaften Prinzen den uns begleitenden Aktuar. ; - — > — .
Wer er eigentlich ist. sagte der Gefragte, kann ich Ew. Durchlaucht nicht sagen: aber er ließ inständig um Schreibmaterial buten, meinend, es dürfte möglich sein, sich aus dem Arreste zu befreien.
Also ein anderer Cervantes, scherzte der Prinz, und in seiner lebhaften Weise trat er an den Mann mit der lächelnden Frage: Jst's erlaubt, Sie zu stören? —
Ein Freiheitsberaubter kann nichts verwehren, antwortete mit errötendem Gesicht der Angesprochene.
Sie find wohl gar ein Schriftsteller, ein Dichter! lächelte der Prinz, sein Manuskript betrachtend.
Wenn einige Momente seines traurigen Lebens ausgeschrieben haben, dichten heißt, ja! ant. wortete mit leuchtenden Äugen der Jüngling.
Dürfte man sich die Schrift erbitten? —
Wenn Sie ein Buchhändler wären, würde sie Ihnen freundlichst angeboten.
Nun, so sag' ich, ich bin Einer.
Rasch erhob sich der Jüngling, seine Augen leuchteten noch heller und mit stotternder Hast rief er: so hindert mich nichts, Ihren wahrscheinlichen Spaß für Ernst zu nehmen, und Ihnen, wenn es gleich noch der letzten Feile bedürfte, mein Manuskript anzubieten. Hier, mein
Herr, den Preis überlaß' ich Ihrer Großmut und Einsicht! —
Sehr bescheiden und artig I lächelte der Prinz, nahm's, neigte sich flüchtig und ging.
Des Jünglings leuchtende Augen, des Alten trübselige Blicke und ein leises Kichern der Spieler folgte uns nach. Abends, Werl die Fürsten vom Herumwandern müde und auch kerne erheblichen Amüsements irgend waren, ward des Borfalls gedacht, und ich gebeten, des seltsamen Arrestanten Geschichte vorzulesen.
Ich las:
Hundert Gulden!
Drei Momente aus dem Leben eines armen Teufels
Er st er Moment
Mein Liebchen war mir unendlich hol!;
Doch holder war sie dem roten Goldl
Nach langem, unsäglichen Liebesschmerz goß auf einmal wieder das Glück sein ganzes Füllhorn über mich aus, das erstarrte Herz meiner Heißgeliebten erwärmte wieder, ihr lange abgewandtes Auge blickte wieder huldreich nach mir, ihr Mund jubelte Freudenrufe und tausenderlei entzückende Worte, kurz, ich genoß vollkommen die Glückseligkeit eines Wieder- geliebten.
