"V^ Lede Woche ein Werk
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Briefe
eines Frauenzimmers aus dem l5.Jahrhundert
Briefe eines Frauenzimmers aus dem XV. Jahr hundert.
Gelegentlich flieht man gern ein wenig zurück, in vergangene Zeiten, um sich an harmlosere Dinge zu verlieren. Mit den Briefen eines Frauenzimmers aus dem XV. Jahrhundert, die wir beute bringen, hat es eine besondere Bewandtnis. Horen wir, was der Vorbericht des Herausgebers zur ersten Auflage vom Jahre 1777 vermeldet.
Durch eine besondere Arbeit veranlaßt, alte Schriften durchzugehen, die von seinen Vorfahren auf ihn gekommen waren, hat er diese Briefe unter vergilbten Papieren aufgefunden. Er hielt sie für erdichtet, weil es ihm, wie er sagt, ganz unglaublich vorkam, daß es zu Anfang des XV. Jahrhunderts in Deutschland zwei Frauen gegeben habe, die Briefe wechselten, und folglich schreiben konnten.
Dann führt er indes einen genealogischen Beweis, daß die Briefe in den Jahren 1417—19 geschrieben wurden. Zugleich weist er darauf hin, daß den alten Augsburger Chronikschreibern die Geschichte nicht unbekannt war, wie Marquard v. Schellenberg als Bräutigam von Kunzen v. Villenbach erschlagen worden, und daß hernach seine Braut den Ritter Hans von Königseck geheiratet. Schließlich meint der Herausgeber, diese Briefe werden zur Ausbesserung der Geschichte keinen geringen Nutzen haben, in der Zeitrechnung und vornehmlich in der Geschichte der Sitten dieser Zeiten, und der ritter- schaftlichen und bürgerlichen Geschlechter.
Im Ernst -— der Herausgeber hatte sich mit dem 1777 anonym zum Druck beförderten Büchlein eine kleine Mystifikation seiner Zeitgenossen erlaubt. Nicht ohne Erfolg, denn sein Werkeben erschien 1793 in einer dritten Auflage, nachdem im Jahre 1788 sogar eine französische Uebersetzung in den Handel gelangt war.
Der Verfasser dieser liebenswürdigen Erzählung ist Paul v. Stetten der Jüngere, der am 24. August 1733 zu Augsburg geboren wurde, als. Sohn des Juristen und Augs
burger Historiographen P. von Stetten d. Aeiteren (1705 —1786). Er studierte in Genf und Altdorf, unternahm größere Reisen, und trat 1754 als Leiter des evangelischen Stadtarchivs in die Dienste seiner Vaterstadt, wie es den Traditionen seiner, seit dem Jahre 1426 zu Augsburg ansäßigen Familie entsprach. Nachdem Paul v. Stetten 1784 Oberrichter im Stadtgerichte und Deputierter bei der Kunstakademie geworden, ward er drei Jahre später in den geheimen Rat gewählt. Mit seiner Berufung zum Stadtpfleger erreichte Stetten 1792 die höchste Stufe der reichsstädtischen Regierung.
Die dichterische Produktion dieses gemütvollen Patriziers reicht nicht über das Jahr 1779 hinaus. 1764 hatte er mit einer Rittergeschichte in drei Büchern „Seiende“ begonnen. Eine Rittergescbichtc in Versen „Siegfried und Agnes“ folgte 1767. Dann hat er sich allgemeineren Themen zugewendet, und seine „Lebensbeschreibungen zur Erweckung und Unterhaltung bürgerlicher Tugenden“ (1782) bekunden, worauf Stettens Wirken abzielte. Aus seiner vererbten Liebe zur Kulturgeschichte entwickelte eich das leidenschaftliche Bestreben, dem Verfall der Zeiten durch sein Beispiel entgegenzutreten. Die beiden, 1779 und 1788 erschienenen Bände seines wichtigsten V^erkes , Kunst-, Gewerb- und Handwerksgeschichte der Reichsstadt Augsburg“ sollte die ruhmvolle Vergangenheit in ihren bedeutendsten Repräsentanten beschwören. Aber sein Ankämpfen gegen die Gleichgültigkeit der Heimatgenossen war vergeblich, und er mußte es geschehen lassen, daß seine Vaterstadt schließlich noch der alten republikanischen Selbständigkeit beraubt ward. 1806 wurde Augsburg nach dem Preßburger Frieden seiner Reichsstandschaft entkleidet und dem neuen Bayern einverleibt. Zwei Jahre später, am 11. Februar 1808 ist Paul v. Stetten gestorben, als das letzte Oberhaupt dieser alten deutschen Republik.
Richard Elchin ger
©riefe eines Frauenzimmers aus dem 15. gayrhundert
Hab tausend Dank, meine liebe Teuttche,') um das Mitleiden, das du für mich hast. Bin ja wohl Mitleideus werth: dann ich jetzt 22 Jahr alt, vor einem Jahr mich mit meinem Hainzen, Gott tröst ihn, verheurathet. kaum aus den Wochen gegangen. und jetzt Wittfrau bim Heilige Mutter Gottes, wie das fo betrübt ist für mich! Hab einen Mann gehabt, mit dem ich gar tugendlich und freundlich gelebt Hab, und hat er mich auch recht sehr lieb gehalten, das ich von ihm sagen mutz, und jezt stirbt er, nachdem ich kaum ein Jahr mit ihm bin glücklich gewesen. Dann das ist wohl ein großes Glück, wann Ehegemächte') einander recht lieb haben, und das haben wir gethan. Aber je^t ist es wohl recht traurig, und ich weiß kaum, tme ich es mache, daß ich mich nicht zu Tod wein. Wann mir nicht die h. Maria, und der P. Joseph, und mein Bruder, und meine Schwägerin, beh- gestanden wären in meinem Schmerzen, so wär
h ist ohire Zweifel das Diminutiv von Dorothea.
'I Eheleute.
ich Wohl verzwehfelt, und Wohl tod vor Trauren. Aber die haben mich getröstet, und sich meiner, und meines lieben kleinen Hainzen erbarmet, das ihnen Gott reichlich vergelten wolle. Ach das lieb kleine Kind ist seinein Vater so gleich, als wann er es selbst wär! Aber ich bin mir gar nicht mehr leich, bin verzehrt und ungestalt, und die Zähren abeu mir meine Augen verderbt, daß sie ganz roth sind- Thut mir auch weh zu schreiben, aber doch schreib ich gerne. Nimm mir nur nicht übel, wenn auf dem Brief Flecken von Zähren, dann ich sie nicht zurück halten kan. Wünsche, daß du und Ritter Fritz dein lieber Mann, nie keinen solchen Schmerz erfahren möget, und daß ihr so lange froh mit einander lebet als es möglich ist. Aber für mich wird wohl keine Freude mehr auf der Welt sehn, da mein Mann tod ist, und wann mich nicht mein Kind zurück hielt, so wär ich schon in ein Kloster gegangen, und hätt ihr gar abgesagt. Aber das hält mich, ab, sonst sollt cs ganz gewiß geschehen sehn. Und ist mein Bruder auch darwider und meine Schwägerin auch. So mehnt aber der P. Joseph, ich könnt doch darein gehen, für mein Kind würd Gott auch sorgen. So will ich doch hören, was du dazu sagst, ineine liebe
Teuttche. Schreib mir bald, was du mehnest, dann ich guten Rath Wohl noch habe. Bin aber bald selbst bös über mich. Laß ich so viel schreib, dann ich mich fast schäme, weil ich glaub, daß in ganz Augspurg die einzige Frau bin, die schreiben und lesen kan, und förcht, man möcht über uns lachen, daß wir an einander schreiben. Dann ich glarch, daß in ganz Werd außer dir auch nicht eine ist, die schreiben und lesen kan. So thut es mir aber wohl, wann ich an dich schreib, und macht mirs leichter, dann du nicht glaubst, wie lieb ich dich habe, meine liebe Teuttche. Das macht, daß wir mit einander aufgezogen, auch nahe gesippt, und immer Gespiehlen gewesen. Aber wann ich wieder an meinen Mann denk, so ists, als wann das £>erä in Stücke müßt. Muß jezt aufhören. Schreib mir nur bald, denn ich sehr «darauf warte.
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Hab deinen Brief richtig bekommen, meine liebe Teuttche, und hat er muh wohl recht gefreut. Dann wann mich auf der Welt noch etwas freuen kan, so ists, daß du mich lieb hast, und daß mein Bruder und meine liebe Schwägerin mich auch
